Sonntag, der 8. September 1974
Zum Glück habe ich eine aktive Sozialistin als kleine Funktionärin
zur Frau, die mich dann im letzten Moment erinnerte, ob ich denn
nichts am Tag des Kindes zu tun hätte. Ich besuchte deshalb drei
Bezirksveranstaltungen der Kinderfreunde. Sie waren alle verhältnis-
mäßig gut besucht. Bei einer traf ich Broda, der mich sofort in eine
Diskussion verwickelte wegen der Gurtenanschnallpflicht und deren
Folgen für die Versicherung. Ich hatte Zentralsekretär Effenberger
vom ARBÖ einmal gegenüber die Bemerkung gemacht, daß ich nicht den
Mut gehabt hätte, die Anschnallpflicht gesetzlich festzulegen. Broda
hat dies erfahren und meint nun, der ARBÖ hätte jetzt den Vorschlag
gemacht, daß die Anschnallpflicht keine strafrechtlichen Folgen haben
sollte und sei deshalb auf die Idee verfallen, es gebe eben dann ver-
sicherungsmäßige Nachteile, wenn man sich nicht anschnallt. So etwas
sei nach seiner Meinung ohne weiteres möglich und würde auch die Zu-
stimmung der Autofahrer finden. Broda ist sogar sehr glücklich, daß
ihm dieser Ausweg eingefallen ist, da scheinbar Lanc jetzt mit aller
Gewalt auf eine solche Lösung Anschnallpflicht drängt. Ob der ARBÖ
damit wirklich eine gute Lösung gefunden hat, kann ich mangels an
Kontakt mit Kraftfahrern und Organisationen jetzt nicht mehr fest-
stellen. Ich hätte mich wahrscheinlich nur sehr zögernd, wenn über-
haupt zu einen solchen Schritt entschlossen. Gott sei Dank habe
ich diese Kompetenz nicht mehr.
Der ARBÖ Wien hat darüber hinaus mit der Städtischen Versicherung
eine Zusatzversicherung für seine Mitglieder abgeschlossen, wo mit
günstigen Prämien für Unfälle und Krankenhausaufenthalt zusätzliche
Leistungen erbracht werden. Das Ganze eine gute Idee, nur mit den
Haken, daß zwischen Arbeitern und Angestellten differenziert wird.
Dieses Problem ist aber eine spezifische Wiener Angelegenheit und
ich muß sie mit dem Wiener Obmann des ARBÖ doch besprechen.
Anmerkung für WIESINGER: Bitte erkundigen, wann die nächste Wiener
Vorstandssitzung ist, mich dann an diesen Punkt erinnern.
Maierhofer von der Wr. Betriebsansiedlungsgesellschaft hat mir
auseinandergesetzt, daß er erstmalig seit der Gründung keine größeren
Geschäftstransaktionen, d.h. Ansiedlungen von insbesondere Privat-
betrieben durchführt. Derzeit haben nur Bankenkonzern Unternehmungen
oder grössere Firmen, die mit Banken eng liiert sind, die Chance und
die Möglichkeit, scheinbar diese Ansiedlungen durchzuführen. Früher
waren doch private Firmen auch dabei, jetzt dürfte sich durch die
Kreditrestriktion oder durch die wirtschaftliche Unsicherheit bedingt
keine private Firma dazu entschließen, Betriebsansiedlungen oder
Umsiedlungen vorzunehmen. Die Betriebsansiedlungsgesellschaft hat
jetzt noch eine Garagengesellschaft angeschlossen bekommen. Dort
sollen jetzt z.B. am Reumannplatz eine Park-and-Ride-Garage gebaut
werden. Ebenso wie bei der Stadthalle, wo man, als man die Stadthalle
errichtete, gar nicht an die Parkmöglichkeit gedacht hat und daher
ebenfalls eine Parkgarage kommen soll, sieht Maierhofer für die Rentabi-
lität dieser Garagen sehr düster. Er müßte der Stadthalle 4 mal am
Tag den Garagenplatz wechseln, um auf seine Kosten zu kommen, dies
erscheint ihm aber unmöglich. Dauerparker aber, die 100 Schilling
pro Tag bezahlen, wird er kaum finden, noch dazu wird dann der Sinn
der Garage nämlich bei Veranstaltungen nämlich entsprechende Park-
plätze zu haben, hinfällig. In Wirklichkeit haben sich die Privaten,
glaube ich, bis jetzt die Parkgaragen auf solche Stellen gebaut, wo
sie während des Tages womöglich laufende Kunden haben, die öfters
wechseln und in der Nacht dann Dauerparker, die in Folge der in der
Nähe vollkommen verparkten Straßen gar keine andere Möglichkeit
haben, als in eine Parkgarage zu fahren, dies gilt sicherlich aber
nicht für Park-and-Ride-Garagen, die am Ende der U-Bahnen errichtet
werden sollen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß es Autofahrer
gibt, die bereit sind mit ihrem Auto bis nach Favoriten zu fahren
dort ihr Auto dann abzustellen und mit der U-Bahn weiterzufahren.
Wenn er schon nicht bis in die Stadt kommt, weil durch Fußgeherzonen
oder durch verparkte Straßen dort keine Möglichkeit besteht, wird
er sicherlich irgendwo sich einen Parkplatz suchen, wo er nichts
bezahlen muß und dann mit der U-Bahn oder Straßenbahn weiterfahren.
Eine Garage um 20 oder noch mehr Schilling wird er sicherlich nicht
benützen. Gott sei Dank ist dies auch nicht mein Problem.
Bei der ersten Besprechung mit Aussenhandelsminister Biro aus Ungarn
waren die unangenehmen Probleme wie Einführung des Vidierungs-
verfahren usw. Gott sei Dank nicht zur Sprache gekommen. Biro hat
sich nur sofort bei mir erkundigt, wie wir das Problem mit den über-
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schüssigen Vieh, welches in die EG nicht mehr geliefert werden
kann, lösen. Die Ungarn selbst haben auch ganz große Probleme,
weil sie bis jetzt mit Rinderlieferungen an die EG beschicken
konnten. Jetzt war er in der Sowjetunion und hat dort Zehntausende
von Rindern, aber auch von Schweinen zusätzlich verkaufen können.
Wir kamen auch auf das Zuckergeschäft zu sprechen und ich gratulierte
ihm und insbesondere Handelsrat Maday, der in unserem Auto fuhr, daß
er dieses für Ungarn profitable Geschäft abschliessen kann, sie haben
nur beide geschmunzelt.
Anmerkung für WAIS: Ich brauche unbedingt nach Abschluß dann den vor-
läufigen genauen Vertragsinhalt und dann die Abrechnung.
Ein weiteres Problem war, daß Ungarn ein großes Interesse hat,
die Gaslieferungen, sei es von Iran an die Sowjetunion und dann als
Kompensation von der Sowjetunion nach Westeuropa über das ungarische
Territorium zu führen. Ungarn rechnet fest damit, daß die Iraner aus
Kostengründen keine eigene Gasleitung bauen werden. Wenn aber eine
solche kommen sollte, dann nehmen sie an, daß sie über ungarisches
Gebiet geführt würde oder zumindestens wünschen sie dies. Das zweite
Projekt ev. im türkischen Hafen zu verflüssigen und dann bis Monfalcone
mit Schiffen zu fahren, geben sie kaum eine Chance, weil es kosten-
mässig noch teurer käme als eine direkte Pipeline nach Westeuropa.
Ich bin kein Heurigenbesucher, hab mir aber sagen lassen, daß dort
Sonntag aber immer alles bummvoll ist. Diesmal konnte ich fest-
stellen, daß der Besuch sehr gut war, aber doch immerhin noch einige
Tische frei waren. Dies mag allerdings darauf zurückzuführen sein,
daß natürlich wesentlicher grösser ist in dem man sitzen konnte als
die Lokalitäten im Inneren. Auf alle Fälle war Biro und seine Be-
gleitung von dem Heurigenbesuch sehr begeistert.