Freitag, den 4. Oktober 1974
In der Arbeiterkammerfraktion, die wieder einmal nicht beschluß-
fähig war, die Nichtabstimmungsberechtigten überwogen, entspannte
sich selbstverständlich eine Diskussion über die Wahlen. Hrdlitschka
sieht den Hauptgrund, daß es nicht möglich war, ein Teamwork abzubauen, er hat angeblich seit Monaten darauf gedrängt, eine Koordi-
nierung zwischen den Fachgewerkschaften, dem Gewerkschaftsbund
und der Arbeiterkammer herbeizuführen. Der ÖGB stand aber auf dem
Standpunkt, daß es einen bewährten Apparat gibt und der nur akti-
viert werden müßte, sowie in der Arbeitsteilung Arbeiterkammer
liefert das Material, Gewerkschaftsbund ist die kämpferische Organi-
sation, für das ganze Jahr sollte auch an der Trennung ÖGB-Fraktion
für den Wahlkampf, Arbeiterkammer hat nur die Unterlagen zu liefern,
nicht geändert werden. Im Prinzip ist dies sicherlich richtig, die
Hauptaufgabe besteht aber eben darin, durch das Material liefern
einen entsprechenden Einfluß während der ganzen Legislaturperiode
auf den ÖGB und seine Entscheidungen zu haben als auch natürlich
ganz besonders während des Wahlkampfes. Man muß, wenn man an dieser
Politik festhält, dann zumindestens hergehen, während der ganzen
Legislaturperiode die Kontakte zu den einzelnen Fachgewerkschaften
halten und vor allem aber die von den Gewerkschaften geschickten
Leute entsprechend aktiv einsetzen, wenn dies nicht der Fall ist,
muß es dazu kommen, daß dann der Arbeiterkammer-Wahlkampf eigentlich
an Oberfläche geführt wird, unsere Leute nicht mobilisiert und wo
gute Persönlichkeiten auf der anderen Seite sind, wie eben z.B.
in Vorarlberg dann diese gewählt werden, weil sie eben viel mehr
in Erscheinung getreten sind als unsere Fraktionsangehörigen. Der
Umständlichkeit von Hrdlitschka seines mangelnden Kontaktes
verblüht diese Politik. Wahrscheinlich hätte sie aber der Gewerk-
schaftsbund auch gar nicht gewollt.
Ich berichtete über die Zuckersituation und Hrdlitschka erklärte
sofort, dann könnten sie endlich die vorbereitete Aussendung machen.
Scheinbar haben sie entsprechende Angriffe auf die Zuckerindustrie
bereits fertig, ich warnte nur, daß sie vor der effektiven Ver-
knappung, vielleicht ja doch nicht eintritt oder zumindestens für
den Konsumenten nicht sehr stark in Erscheinung tritt, irgendwelche
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Pressepolemiken starten, wenn dadurch nur die Bevölkerung neuerdings
beunruhigt wird und zu weiteren Hamsterkäufen angeregt wird.
Hrdlitschka sagte zu, zuzuwarten. Ich informierte den Vorstand auch
über die Düngerpreiserhöhung von Chemie Linz, wobei Zöllner ins-
besondere bekrittelte, daß diese Erhöhung am Montag erfolgt und
am Mittwoch erst die Paritätische Kommission sich mit dem Problem
beschäftigen wird, die Arbeiterkammer befürchtet, daß nun auch
die Handelskammer immer wieder wird auf den verstaatlichten Betrieb
hinweisen, der sich eben nicht an die Spielregeln der Paritätischen
Kommission hält. Hier hätte dem Hrdlitschka seinen Einfluß über
die Chemiearbeitergewerkschaft oder als Arbeiterkammerpräsident
bei Chemie Linz geltend machen sollen. Zöllner war von mir zeit-
gerecht informiert worden.
Das Düngerproblem hatte ich auf spät abends mit dem Gen.Dir. Lanner
beim Porsche-Empfang besprochen. Lanner selbst erklärte mir, er
hätte eine andere Information über den Ablauf respektive über
die Problematik. Erstens wußte er nicht, daß ich tatsächlich auf
Grund des Preisrechtes keine Düngerpreise festsetzen konnte, weil
Dünger nicht bewirtschaftet ist, zweitens war ihm anders berichtet
worden, daß sie tatsächlich 50 Mio. S für die Landwirtschaft auf
alle Fälle verloren gehen, wenn nicht mit mir ein Kompromiß ge-
sucht wird. Lanner ersuchte, er möchte mit seinen Herren noch
einmal reden und wird mir Montag Bescheid geben.
Lanner wollte selbstverständlich auch, und zwar, wie er sich aus-
drückte, nur vertraulich unter Freunden, er sagt immer und es dürfte
stimmen, er ist mir sehr zugeneigt, die Entwicklung auf dem Markt-
ordnungssektor mit mir zu besprechen, dabei konnte ich feststellen,
daß in Wirklichkeit ihm und wahrscheinlich auch der gesamten
Landwirtschaft das Milchproblem am meisten drückt. Als 1968, als
sie befürchteten, daß die Sozialisten die Marktordnungsgesetze
nicht zu verlängern, im Landwirtschaftsministerium Besprechungen
stattfanden, war er als einer der Reformer auch an diesen Be-
sprechungen beteiligt, er muß jetzt zugeben, daß damals zur Er-
kenntnis gekommen ist, daß auf dem Milchsektor eine größere Reform
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unmöglich ist, dort müßte das Marktordnungssystem unbedingt aufrecht
erhalten bleiben. Im Viehverkehrsfonds dagegen können sie – wie ich
vermutete – keinesfalls zustimmen, dass dort auch die Exporte genehmigt
werden. Wenn es daher auf diesem Sektor zu keiner Einigung kommt, würden
sie wahrscheinlich eher den Viehverkehrsfonds auslaufen lassen. Bei Ge-
treide ist die Situation jetzt für die Landwirtschaft durch die hohen
Weltmarktpreise wesentlich günstiger als vor einigen Jahren. Die
Landwirtschaft, das konnte ich aus diesem Gespräch neuerdings ent-
nehmen, ist natürlich an der Aufrechterhaltung des Marktordnungssystem
sehr interessiert. Ich verstehe daher eigentlich die Reformer innerhalb
unserer Partei müsste die Weihs nicht mehr drängen, dass jetzt end-
gültig Verhandlungen beginnen. Je später der Zeitpunkt wird, wo man
mit der ÖVP dann über diese Verhandlungen zu einem Ergebnis oder eventuell
zu keinem Ergebnis kommt, umso weniger können dann Alternativ schnell
beschlossen werden. Die Zeit arbeitet glaube ich hier für die andere
Seite.
Bürgermeister Dreyer aus Weissenbach, Tirol, ist mit Wifi-Vertreter
Roscher aus Innsbruck erschienen, der in Weissenbach jetzt entsprechende
Untersuchungen an Fremdenverkehrsbetrieben durchführt, um entsprechende
Reorganisationsvorschläge gemeinsam mit den Betrieben zu erarbeiten.
Der Besitzer vom Hotel Bären war ebenfalls mitgekommen, da er jetzt
eine finanzielle Stützung des Betriebes dringend notwendig ist.
Ihm fehlen zur Sanierung noch 1,2 Mill. S. Würzl hat erklärt, er
wird sich den Betrieb genau ansehen, ich habe Würzl dann unter vier
Augen zu erkennen gegeben, dass wir uns an solchen Einzelprojekten
nicht allzu sehr beteiligen dürfen. Wir haben dafür weder die finan-
ziellen Mittel noch wäre die Auslese, wer zuerst kommt, mahlt zuerst
unrichtig. Würzl hat auch mitgeteilt, dass eine Überprüfung der Hotel-
treuhand mit einem Finanzierungskonzept vorliegen muss. Ich hatte
dann ebenfalls darauf gedrängt, dass diese Überprüfung der Hoteltreuhand
nur dann den Betrieb angerechnet werden darf, wenn eine erfolgreiche
Finanzierung und Sanierung gesichert ist und durchgeführt wird.
Wenn aus dieser Überprüfung ein negatives Urteil herauskommt, dann darf
man nicht den Betrieb womöglich noch mit Prüfungskosten belasten.
ANMERKUNG FÜR BUKOWSKI: Bitte lass Dir von Würzl jeden einzelnen Fall
dann schildern und besonders auf die Einhaltung dieser Vereinbarung
drängen.
Bgm. Dreyer möchte auch, dass in Hinkunft stärker Inländer
in das Lechtal kommen. Ich hatte ihm deshalb auf seinen Wunsch
sofort mit Gen.Dir. Millwisch, Verkehrsbüro zusammengebracht.
Ich glaube auch Dreyer und ganz besonders auch seine Begleitung
war verwundert, wie schnell wir auf seine Wünsche reagierten
und wie gut er in Wien behandelt wurde. Der Vertreter vom Wifi,
sicherlich kein Genosse von uns, meinte auch, er sei der zukünftige
Landtagsabgeordnete dieser Gegend.
Min.Rat Mock und Mayer von der OB beschwerten sich, dass jetzt
der prov. Berghauptmann von Wien, Habelsberger, der sonst in Graz
sitzt, entgegen einer Weisung, die von der OB ausgearbeitet wurde,
die Sonden der ÖMV in NÖ jetzt untersuchen und genehmigen
möchte. Durch dieses förmliche Verfahren könnten ungeheure Schwie-
rigkeiten entstehen, die bis zu Versorgungsschwierigkeiten reichen
könnten. Ich habe deshalb Gasser sofort angerufen und gebeten,
er soll die Angelegenheit neuerdings überprüfen und letzten
Endes dafür sorgen, dass die entsprechende Koordination inner-
halb der Bergbehörde erfolgt. Gasser hat dann nach einigen
Stunden zurückgerufen, um eine Aussprache mit Habelsberger er-
sucht. Scheinbar war es ihm nicht möglich, dem stürmischen und sehr
energischen Berghauptmann zu erklären, dass er eben jetzt nach
den Weisungen der OB handeln sollte. Ich war zu dieser Aussprache
bereit, aber verlangte gleichzeitig, dass auch Mock und Mayer
zugezogen werden. Ich hätte nicht erwartet, dass ich einen Mock
erlebe, der sich ganz energisch gegen Habelsberger zur Wehr
setzte. Mock befürchtet, und ich glaube dies zu recht, dass
die jahrzehntealte Verschlampung der Sondenregelung in NÖ eine
Gefährdung seines Gesetzentwurfes über das neue Berggesetz
herbeiführen könnte. Habelsberger wieder sagt, er sei nach
Wien berufen worden, um hier Ordnung zu schaffen, diese Zusicherung
hätte ihn überhaupt nur veranlasst, seinen Dienstposten von Graz
nach Wien zu verlegen. Ansonsten sagte er klar und deutlich, hätte
ihn niemand dazu zwingen können, da er lt. Beamtengesetz jederzeit
eine Versetzung ablehnen kann. Wenn er jetzt mit seinen Ideen
nicht durchdringt, dann wird er den Wiener Berghauptmann-Sessel
wieder verlassen und nach Graz zurückkehren. Die Zustände, die
er in Wien vorgefunden hat, hätte in einem Bericht an die OB
umfassend den Zeitraum 8.7. bis 30.8. abgegeben. Gasser war
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furchtbar verlegen, konnte sich also überhaupt nicht zu einer
Meinung druchringen, weshalb ich letzten Endes von Habelsberger
eine Kurzinformation verlangte. Bezüglich der Sondenregelung,
dass nämlich die ÖMV anders behandelt wird als die RAG, dies
allerdings bereits seit Jahrzehnten, habe ich Mock und Mayer
rechtgegeben. Da weder Gefahr im Verzug ist, ja selbst nicht
einmal Eigentum gefährdet erscheint, sehe ich keinen Grund, jetzt
das ganze Problem aufzurühren. Ich anerkannte die redlichen und
loyalen Absichten des Habelsberger, doch habe ich erklärt,
es es jetzt nicht notwendig ist, im Laufe der letzten Monaten
mit dem alten Berggesetz eine verschlampte Angelegenheit
in Ordnung zu bringen, wenn dadurch das Zustandekommen und recht-
liche Lösung des neuen Berggesetzes gefährdet erscheint. Wenn
Gasser als Leiter der OB noch einige solche Kollisionen mit
seinen Mitarbeitern erlebt, bin ich überzeugt davon, wird er
sehr bald aus dieser Funktion ausscheiden wollen.
ANMERKUNG FÜR BUKOWSKI: Bitte kümmere Dich und sprich mit Heindl
über die Vergangenheit in der OB sowie über die Konsequenzen, die
daraus zu ziehen wären.
Tagesprogramm, 4.10.1974