Montag, 25. November 1974
Das Verhandlungskomitee über die Marktordnungen ist von
der ÖVP sehr stark beschickt, die Landwirte kommen mit
Minkowitsch und Brandstätter, die Handelskammer Mussil und
Rief, der ÖAAB Klement und von unserer Seite ist nur Weihs,
Haiden und ich, als Beamten zieht Weihs den MR Rogel bei. Ich
weiß eigentlich nicht, warum Weihs nicht auch Experten von
Seiten des Gewerkschaftsbundes oder der Arbeiterkammer zu-
zieht, solange Brandstätter und Rief auf der drüberen Seite
mitarbeiten, kann ohneweiters meiner Meinung nach Blaha und
Lachs auf unserer Seite mitarbeiten. Die Taktik ist ganz ge-
schickt, Weihs geht die Gesetze paragraphweise durch und
natürlich kann man sich über die wichtigsten Probleme über-
haupt nicht einigen, man stellt immer nur fest, dies sollen
Experten noch einmal besprechen, soweit es sich um technische
Fragen handelt und soweit es um grundsätzliche geht, wie z.B.
ob der Export in die Fonds kommen soll oder ob die Organisation
der Fonds geändert werden soll, lehnt die ÖVP von vornherein
jede Diskussion darüber ab. Brandstätter selbst meint noch bei
verschiedenen Bestimmungen des Getreides, aber ganz besonders
des Viehverkehrsfonds, daß ihre Wünsche überhaupt nicht be-
rücksichtigt wurden, er präsentiert aber auch gleichzeitig
nicht irgendwelche konkrete Formulierungen. Nach diesem ersten
Durchgang wird für Donnerstag eine zweite Besprechung um 1/2 11
im Parlament vereinbart.
Anmerkung für WIESINGER: Bitte Termin feststellen und sperren.
Eine der erschütterndsten Bemerkungen macht bei diesen Besprechungen
Rief, als wir über den Viehverkehrsfonds zu sprechen kommen, sagt
Minkowitsch, das waren noch Zeiten, als ich dort der Arbeiterkammer-
vertreter des Gewerkschafts war, da ging es noch einigermaßen
vernünftig zu, damals hat man sich im Prinzip auf die notwendigen
Mengen mit mir einigen können und es war daher eine Zusammen-
arbeit möglich. Jetzt sei das Klima total vergiftet und man
könne sich nur wundern, daß überhaupt noch Beschlüsse dort
zusammen kommen. Ich weise natürlich eine solche Darstellung
zurück und meine, daß die Arbeiterkammer und die Gewerkschafts-
vertreter dort eben die Interessen der Konsumenten wahrnehmen
und dies sicherlich genau so gut machen, als ich dies seinerzeit
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dort imstande war. Rief ruft aber dazwischen, das ist jetzt
so, dass der Arbeiterkammervertreter aufspringt und den Ge-
werkschaftsvertreter anschreit, hier ist Fraktionszwang, selbst
wenn es nicht so arg ist und diese Darstellung oder dieser
Vorfall ein vereinzeltes Ereignis war, so muß ich sagen, wenn
allein der Eindruck auf der anderen Seite entsteht, daß der
Gewerkschaftsbund und die Arbeiterkammer nur in einer solchen
Art und Weise im Viehverkehrsfonds die Probleme lösen, dann
ist dies ein trauriges Zeichen.
Beim Journalistenfrühstück haben wir außer dem Problem die
Autopreise, die durchgeführten und beabsichtigten Preiser-
höhungen der Presse richtig zu verkaufen, die Frage wieweit
wir tatsächlich jetzt die Sonderkommission einschalten. Die
Autofirmen reden sich tatsächlich bei uns aus, dass sie der
Sonderkommission die Preiserhöhung mitgeteilt haben und von
dort keine Antwort bekommen. Dadurch leiten sie ab, sei die
Preiserhöhung sanktioniert. Die zu erwartende und theoretisch
erhoffte Preissenkung mit 1. Jänner 75 durch Zollreduktion
um 20 % von Einfuhren aus den EG-Staaten, die 3 1/2 %, wie
Marsch berechnet hat, betragen müssten, geht natürlich dabei
total in die Binsen. Ich kann mir das Verhalten der Paritäti-
schen Sonderkommission nur so erklären, daß sie überarbeitet
ist und deshalb keine Möglichkeit bis jetzt gehabt hat, die
Probleme zu besprechen. Zum Glück konnte ich den Brief, den
ich jetzt an die Sonderkommission geschrieben habe und den
Wais besonders erörterte, er meinte sogar ein gute Gag wäre,
ich sollte ihn vor den Journalisten unterschreiben, was ich
Gott sei Dank ablehnte, dahingehend interpretieren, daß ich
die Sonderkommission damit nicht angreifen will, indem ich
feststelle, daß die Unternehmer sich auf sie ausreden, sondern
nur auf den Tatbestand aufmerksam machen muß. Ich bin neugierig,
wie die Interessensvertretungen resp. die Sonderkommissionsmit-
glieder auf diesen Brief reagieren werden.
Eine gute Sache war, die in der letzten Minute von Koppe und
Wais gemeinsam initiierte Bericht über die zukünftigen Aktivi-
täten auf dem Konsumentensektor. Ich glaube wirklich, daß wir
jetzt in den nächsten Monaten viel stärker als bisher diese
Arbeit herausstreichen müssen, um 1. Rechenschaft abzulegen,
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was wir in den vier Jahren gemacht haben und 2. vor allem
aber die neuen Maßnahmen, die wir dann in der nächsten
Legislaturperiode setzen wollen, wenn man so will, einen
Teil der Wahlkampfparolen jetzt bereits vorbereiten muß.
Ich würde es als die Ideallösung betrachten, wenn wir im
Konsumentenbeirat, d.h. wo die Handelskammer und die Land-
wirtschaftskammer ebenfalls vertreten ist, ein solches
neues Forderungsprogramm gemeinsam beschliessen könnten.
Anmerkung für WAIS und KOPPE: Bevor wir eine Endformulierung
machen, im Beirat das ganze Programm durchmachen und womöglich
auf Initiative auch der anderen aufbauen.
Zuerst wollte Wais , und auch ich habe damit geliebäugelt, in
das Pressegespräch von uns aus die Frage der Zuckerexporte resp.
der Umgehungsmischung bringen. In diesem Fall hätte man mich
allerdings beschuldigen können, daß ich dies in der Propaganda
hochspiele. Daher haben wir uns dann entschlossen, daß ich
nichts sage, annehmend, irgendwer wird uns sicherlich fragen,
daß allerdings der Vertreter der Volksstimme mir diesen Ge-
fallen macht, ist für mich doppelt wichtig und interessant.
Niemand wird nämlich annehmen, daß ich mich mit ihm verbündet
hätte, weder direkt noch indirekt ihn beeinflussen kann und
auch nur will, so daß tatsächlich ich mit ruhigem Gewissen
sagen kann, dieses Problem wird ja immer wieder von den
Zeitungen aufgegriffen. Nach der Pressekonferenz hat mich auch
sofort das Ecco wieder angerufen und erklärt, daß diese Maß-
nahmen, die ich bis jetzt gesetzt habe, auch die neue § 5 Ver-
ordnung, die leider wegen Einspruch des Finanzministers erst
10 Tage nach dem Beschluß im Hauptausschuß in Kraft treten
kann, sperrt die Umgehungsmischungen und die Möglichkeit,
Zucker zu exportieren, nicht aus. Ich habe deshalb sofort
bei der interministeriellen Sitzung über die Zuckerexport-
möglichkeit auf diesen Tatbestand hinverwiesen. Die inter-
ministerielle Sitzung haben wir kurzfristig einberufen, ich
habe insbesondere bei dem Marktordnungsgesetzverhandlungen
sowohl die Landwirtschaftskammer als auch die Handelskammer
über die beabsichtigte Vorgangsweise informiert und auch
gleichzeitig unsere Variante 1, d.h. die Novelle des Aussen-
handelsgesetzes allen übergeben. Mussil selbst hat nur gemeint,
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man solle nicht so schnell zu Beschlüssen kommen, er müsse
dieses Problem auch mit seinen Leuten noch besprechen.
Die Landwirtschaft wieder, Brandstätter war so weit, daß
er sogar wollte, daß anstelle des Exportabschöpfungsparagraphes
in die Marktordnungen diese Bestimmung ins Außenhandelsgesetz
aufgenommen werden wollte. Natürlich habe ich alle diese
Stellungsnahmen bei der interministeriellen Sitzung zur Sprache
gebracht, habe sowohl MR Schwarz, aber ganz besonders Bachmayer
darauf aufmerksam gemacht, daß ich mich deshalb in die Ver-
handlungen einschalte, um die Bedeutung dieser Materie heraus-
zustreichen. Ich schlug deshalb auch der interministeriellen
Sitzung vor, wir sollten alle Vorkehrungen treffen, daß wir
ohne eine langfristige Begutachtung eine Regierungsvorlage
über Änderung des Aussenhandelsgesetzes so schnell als möglich
ins Parlament bringen und auch eine neue § 5 Verordnung vor-
bereiten. Smolka vom Fachverband der Nahrungs- u. Genußmittel-
industrie, aber auch Ertl von der Handelskammer waren zu meiner
größten Überraschung damit einverstanden, sie wollten nur, daß
die neue § 5 Verordnung erst dann von mir in Kraft gesetzt wird,
bis man Ergebnisse aus Vorarlberg, wo sie befürchten, daß noch
weitere Umgehungsmischungen rausgehen könnten, vorliegen,
Vertreter des Finanzministeriums Dr. Stiedl übernahm es, die
Finanzlandesdirektion Vorarlberg zu ersuchen, eine entsprechende
Information in einer Woche nach Wien zu geben. Ich selbst
kündigte an, daß wir in der nächsten Beiratssitzung des Außen-
handelsbeirates den neuen Gesetzentwurf und die ganze Materie
zur Beschlußfassung vorlegen werden und nächsten Dienstag dann
im Ministerrat eine diesbezüglichen Regierungsvorlage einbringen
werde. Gleichzeitig verwies ich darauf, daß Ecco behauptet,
daß wir in Zukunft noch unsere Wunder erleben werden, was sich
alles noch auf diesem Sektor abspielen wird. Smolka gab zu, daß
die Firma Knäbchen eine solche Unterfahrung der § 5 Anordnung
in Aussicht genommen hat, sogar wahrscheinlich anfangs durch-
geführt hat, jetzt aber angeblich von der Zuckerindustrie ge-
zwungen wurde, diese Exporte einzustellen. Gegenüber unseren
Vertretern, Haffner hat diesbezüglich auf meinen Wunsch eine
Information gemacht, hat Smolka dann zugegeben, daß die Angaben
über die Exporte der Firma Platzer, wie sie im Ecco stehen, den
Tatsachen entsprechen. Sollte wider Erwarten die ÖVP Schwierig-
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keiten im Parlament bei der Beschlußfassung über die Not-
wendigkeit der Änderung des Außenhandelsgesetzes machen,
werde ich zeitgerecht die notwendigen Detailerhebungen von
Müller durchführen lassen. Jetzt wäre es verfrüht, weil
ansonsten womöglich die andere Seite aufscheucht und mir
dann doch noch Schwierigkeiten bei der gewünschten Kontrolle
durch das Außenhandelsverkehrsgesetz machen würde.
Die Gespräche mit den Kollegen der KGW und Deutsch, Blümel
und mir als Präsidium waren von mir primär gedacht, ob es
nicht doch gelingt, den Streit zwischen der Gruppe Bäcker
und der KGW zu schlichten, ob ich sehr erfolgreich war, kann
ich jetzt noch nicht feststellen. Auf alle Fälle hoffe ich,
daß es gelungen ist, den Genossen von der KGW zu zeigen, daß
ich auf alle Fälle bemüht bin, eine Lösung aus diesem Konflikt
zu finden. Die große, sachliche Differenz ergibt sich, daß die
KGW-Vertreter, insbes. der Betriebsratsobmann Serini meint, sie
sollten jetzt anstreben, alle in den Angestelltenstand über-
nommen zu werden. Die Bäcker und auch unsere ganze Gewerkschaft
steht auf dem Standpunkt, daß dies nicht so leicht gelingen
wird und wir vielmehr schrittweise jetzt uns zwar mit aller
Konsequenz eine Angleichung der Rechte der Arbeiter an die der
Angestellten insbes. in den Genossenschaften verlangen sollten.
Serini, der in der Sozialakademie ein guter Schüler war, sagt
mit Recht, alle die Angestelltenposition erreicht haben, und
das gilt natürlich auch für unsere Sekretäre, können leicht
reden und meinen, man solle hier schrittweise vorgehen, er
möchte eben für sich und seine Kollegen dies auf einmal, und zwar
so schnell als möglich erreichen, dazu kommen dann noch per-
sönliche Animositäten zwischen einzelnen Funktionären, die in
Wirklichkeit aber die Haupthindernisse sind.
In der Ministerratsvorbesprechung hat Kreisky auf das Schreiben
von Dorn verwiesen, wonach die Landeshauptleute ihre Kompetenz
nicht wahrnehmen und deshalb besonders auf dem Preissektor
oft wie in Oberösterreich direkt verhindert wird, daß der zu-
ständige Referent Ing. Reichl angeblich daran hindert, dort
stärker durchzugreifen. Ich hatte bereits, als ich dieses
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Schreiben in meinem Büro las, grösste Bedenken, dass die Darstellung
von Dorn richtig ist, und schlug deshalb sofort vor, dass ich mich
an LH-Stv. Steinocher als Vorsitzenden des Kontaktkomitees wenden
werde, um nachdem ich Einzelberichte jetzt von den einzelnen Ländern
verlangt habe, dann eine gemeinsame Besprechung zu machen.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte telefonisch von den Sekretariaten über
Verbindungen von den LH bei Preisaktivitäten anfordern und Sitzung
vereinbaren.
Androsch berichtete, dass jetzt Deutschland endgültig von der Algerien-
gas-Finanzierung Abstand nimmt und wir dadurch aus dem Dilemma, dass
wir die Finanzierung auch nicht durchführen könnten, herauskommen.
Österreich hat mit seinem Beschluss im Nationalrat, die Bundes-
haftung zu übernehmen, den weitesten Schritt getan. Androsch regt
an, und ich bin sofort dafür, dass wir einen Brief an die Algerier
schreiben, wo wir unser österreichisches Interesse an Algerien-
gas besonders herausstreichen und nur mitteilen resp. festhalten,
dass wir die Finanzierung so wie auch die anderen Staaten nicht
durchführen konnten. Trotzdem hoffen wir, dass es möglich sein wird,
Algeriengas in Hinkunft zu beziehen. Bielka ersucht, dass eine
Durchschrift dieses Schreiben auch an Paris weitergeleitet werden
soll.
ANMERKUNG FÜR BUKOWSKI: Bitte dieses Schreiben von mir an den al-
gerischen Wirtschaftsminister, mit dem ich im Frühjahr verhandelt
habe, gemeinsam zwischen Finanzministerium und Aussenministerium
abfassen.
Rösch erklärt dezidiert, obwohl ich ihn aufmerksam mache, dass dies
mit seinem Beamten Peterlunger vereinbart war, dass er auf alle
Fälle in die Vollzugsklausel im Preisregelungsgesetz einbezogen
werden muss. Seiner Interpretation, d.h. seine Juristen haben ihm
neuerdings darauf aufmerksam gemacht, dass es unmöglich ist, dass
er nicht aufscheint. In so einem Fall müsste ich, ohne ihn zu
befragen, direkt mit der Gendarmerie Kontakt aufnehmen, nachdem die
Preisüberwachung usw. ja durch die Gendarmerie erfolgen soll. Ich
telefoniere zwar neuerdings mit Jagoda, der diese Rechtsauffassung
nicht teilt und mir wiederholt, dass auch die Juristen vom Innen-
ministerium überzeugt sind, dass dies nicht notwendig ist, gibt
aber zu, dass es zweckmässig ist, um ja keinen Streit, der ja aller-
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dings bei Otto Rösch ja immer nur in wirklicher Freundschaft ausge-
tragen wird, aufkommen zu lassen, dass es zweckmässig ist, morgen
im Ministerrat einen diesbezügliche Ergänzungsantrag zu stellen.
Lausecker und Broda berichten über den Entscheid des Verwaltungsge-
richtshofes, dass die Verwaltungs- und Verwendungszulagen in Hin-
kunft in die Pension einbezogen werden sollen, dies ergäbe eine
katastrophale finanzielle Auswirkung. Der Finanzminister könnte
die 2 Mia, die die ausmachen würde, nicht finanzieren. Ausserdem
wurde seinerzeit mit der ÖVP und SPÖ-Stimmen ausdrücklich beschlos-
sen, dass es sich hier nur um Zulagen handeln kann, die eben in der
Aktivzeit gewährt werden und nicht pensionsfähig sind. Es gibt viele
andere Bestandteile des Gehaltes, die wohl sehr richtig und einvernehm-
lich als pensionsberechtigt bezeichnet wurden. Wahrscheinlich bleibt
nichts anderes übrig, als eine authentische Interpretation im Par-
lament zu beschliessen. Hier wird sich zeigen, ob die ÖVP aus dema-
gogischen und Wahlkampfgründen von ihrem seinerzeitigen gemeinsamen
Beschluss jetzt abrücken will und wird. In einem solchen Fall wäre
dann allerdings klar und deutlich demonstriert, dass sie sich aus
wahltaktischen Gründen über die Zukunft des Staates und insbesondere
über die Budgetsituation dann überhaupt nicht mehr Gedanken macht,
resp. vernünftige Beschlüsse fasst.
Bezüglich der internationalen Energieagentur berichtet Bielka, dass
seine Funktion jetzt mit Beschlussfassung erlöscht ist. Laut unserer
Kompetenzabgrenzung geht dies nun vom Aussenamt auf das Bundeskanzler-
amt über. Kreisky stellt fest, dass Bobleter der erste Mann ist
und dass der zweite eben vom Handelsministerium zu nominieren sei.
Androsch weist darauf hin, dass er unterrepräsentiert ist, obwohl
er mit Recht, ohne dies zu sagen, in Wirklichkeit früher oder später
die ganze Finanzierung wird durchführen müssen. Bei dieser Gelegenheit
kommt auch zur Sprache, dass auch von anderen Staaten oft Minister
bei der OECD auftreten, die Finanzminister treffen sich dort glaube
ich einmal oder alle halben Jahre, und Veselsky muss auch zugeben,
dass Brugger usw. oft, d.h Wirtschaftsminister dort erschienen sind.
Kreisky meint sofort, dass in diesem Fall eben Androsch als Delega-
tionsführer auftreten sollte und der Beamte, in dem Fall Bobleter,
selbstverständlich seinen Rang als Leiter der Delegation an den
Minister abzutreten hat. Gott sie Dank habe ich mich niemals
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darum gerissen, bei der OECD aufzutreten, da ich die Tätigkeit
dort nicht sehr hoch einschätze. Bielka regt an, dass insbesondere
um die Kommunikation zu verbessern, die Fernschreiben von der OECD
sofort an jedes beteiligte Ministerium immer gegeben werden soll
und nicht, wie das jetzt der Fall ist, durch entsprechende Minister-
information, d.h. über den Bundeskanzler selbst einige Auszüge dann
an die beteiligten Ministerien weitergeleitet werden. Kreisky stimmt
dem auch sofort zu. Ich mache Bielka unter vier Augen darauf aufmerk-
sam, dass auch im Aussenamt einige Pol. Berichte, wie ich jetzt im
Irak feststellen konnte, die sich z.B. mit der Frage der Zurückhaltung
der ÖMV beim Irak-Öl-Kauf beschäftigt haben, nicht an unser Mini-
sterium weitergeleitet wurden. Bielka verspricht, dies sich anzu-
sehen und sofort die Änderung vorzunehmen.
ANMERKUNG FÜR BUKOWSKI: Bitte die Details mit dem Kabinett Bielka
besprechen.
Die Regierungsvorbesprechung ist verhältnismässig kurz, weil an-
schliessend daran die Regierungsfraktion und die ÖGB-Fraktion nach
längerer Zeit wieder zusammentritt. Dort gibt Kreisky eine tour d'ho-
rizon für die Partei und die Wirtschaft, wobei neuerdings bekräftigt
wird, dass die Wahlen erst im Oktober stattfinden werden. Androsch
kommt sehr spät, weil er bei einer Versammlung oder Besprechung mit
den Pauker-Werken war. Dort ergibt sich jetzt ein Loch, weil Wien
einen grossen Kesselauftrag infolge finanzieller Knappheit der Stadt-
werke nicht durchführen lässt. Für 1976 sind die Anschlussaufträge
vorhanden, 1975 ergibt sich also ein erst 60 %-iger Produktions-
ausfall.
ANMERKUNG FÜR GRÜNWALD UND REIM: Das Branchenreferat soll sofort
recherchieren, ob wir irgendwelche Möglichkeiten haben.
Nach längerer Zeit haben wir wieder einmal ein Büro Jour-Fixe gehabt
und bei dieser Gelegenheit unsere neue Bürozusammensetzung besprochen.
Reim hat hier, um seine Loyalität neuerdings zu bekunden, sofort ein-
leitend darauf hingewiesen, dass er trotz meiner Warnung wegen der
vielen Arbeit, aber vor allem weil er kein Genosse ist, sich sicher-
lich verwundert, aber dann über das Vertrauen bedankt. Koppe hat ein
mal einklärt, und ich wiederhole deshalb auch diesen Ausspruch, dass
wer längere Zeit mit mir arbeitet, auf alle Fälle Sozialist wird.
Ich behaupte das sogar immer Kirchschläger gegenüber, wenn er
noch länger Aussenminister unter meiner Seite gesessen wäre,
hätte er sicherlich auch früher oder später, wie ich immer ironisch
sage, in die alleinseligmachende Arbeiterpartei gefunden. Richtig ist,
dass Gehart immer mit Recht seit allem Anfang behauptet hat, und er
kannte das Handelsministerium, nachdem er ja bereits einmal dort
jahrelang selbst beschäftigt war, dass es nur mit einem starken
Sekretariat zu führen ist. Die Idee von Reim, dass Gehart in diesem
Fall auch im Sekretariat, resp. wie wir jetzt ja beschlossen haben,
ins Kabinett kommen soll resp. gehen sollte, lehnt dieser mit gutem
Grund ab. Nicht nur für seine Position, das bezweifle ich sogar,
ob es nicht für ihn interessanter wäre, im Kabinett zu arbeiten,
als die Grundsatzabteilung zu führen, sondern vor allem, weil wir
gute Leute auch in die Linie einbauen müssen und nicht alles ausschliess-
lich auf den Stoff konzentrieren können. Dies war sein Grund, warum er
mir Reim vorgeschlagen hat. Ich selbst bin überzeugt und hoffe, dass
es auch Reim gelingen wird, sich in kürzester Zeit zu integrieren.
Meine anderen Probleme sind sekundär. Die Welthandelstätigkeit soll
ja von unserem Standpunkt ja muss er sogar fortsetzen, das trägt zu sei-
nem Image und damit indirekt auch zum Image unseres Kabinetts wesent-
lich bei. Seine Prüfungen wird er bis Ostern höchstens bis Pfingsten
erledigt haben und die notwendige Freizeit bekommt er natürlich
selbstverständlich. In unserer 4 1/2-jährigen Tätigkeit beginnt jetzt
mit der Umgestaltung des Kabinetts unter Aufnahme von Reim für mich
das interessanteste Experiment. Mit der neuen Geschäftseinteilung,
die wir durchbesprechen und wo wir uns sofort auf die Vorschläge
von Wanke und teilweise Gehart einigen, wird wirklich das Sekretariat
oder Büro nicht nur mit der Umbenennung in Kabinett rein äusserlich
eine andere Bezeichnung bekommen, sondern wahrscheinlich auch in Durch-
führung des Ministeriengesetzes einen neuen Inhalt. GRÜNWALD hat,
und dies habe ich den Kollegen deutlich auseinandergesetzt, in den
neun Monaten, wo er jetzt bei uns war, gute Arbeit geleistet und jetzt
insbesondere durch die Einführung von Reim gezeigt, welch guter
Genosse er ist. Ich habe volles Verständnis, dass er zur Gemeinde
zurückgeht, weil die B-Beamten im Bund wirklich ausgesprochen
schlecht behandelt werden und wie sich jetzt herausstellt, für ihn
überhaupt keine Aufstiegsmöglichkeit sich ergibt.
Koppe möchte am liebsten jetzt aus den Tagebuchaufzeichnungen eine
Zusammenfassung unserer Tätigkeit machen. Ausser mir raten ihm alle ab.
Ich selbst bringe nur in Erinnerung, und interessanterweise
wissen das die wenigsten, dass unsere ursprüngliche Vereinbarung
gelautet hat, und dies gilt noch immer, jeder hat sich daran zu be-
teiligen.
Tagesprogramm, 25.11.1974