Mittwoch, 18. Dezember 1974
Nachdem ich jetzt zum zehnten Mal die Dekretüberreichung vor-
genommen habe, geht mir schön langsam der Stoff für die einleitenden
Worte aus. Was bleibt mir also anderes übrig, als wie zu improvi-
sieren und irgendwelche Gedankensplitter auszubauen. Diesmal fiel
mir blöderweise nichts anderes ein als wie die Ideologie des Berufs-
beamten, beginnend von der k.u.k. Zeit, dabei muß ich aber aufpassen,
daß nicht ein vollkommen falscher Zungenschlag in meine Rede gerät.
Für einen Teil der Beamten, gebe ich zu, treffen meine Ausführungen
sicherlich zu. Fleiß, Loyalität, Ethos des Beamten, daher auch
besonderer Schutz usw. Für einen Teil aber, wissen es sicher die
Zuhörer und natürlich auch ich, daß es ganz anders ist. Darüber
kann ich aber nicht sprechen. Ich fürchte, man bemerkt dies bei
meinen Ausführungen.
Anmerkung an ALLE: Vielleicht fällt jemanden für die nächste Dekret-
überreichung Mitte des nächsten Jahres etwas Besonderes ein.
Die Ordensüberreichung für Funktionäre der Handelskammer mußte
sicherlich deshalb speziell jetzt noch erfolgen, weil diese Orden
unter dem Weihnachtsbaum glänzen sollen. Dafür habe ich sehr viel
Verständnis, bin deshalb auch jederzeit bereit, solche Nachzügler,
wenn ich so sagen darf, in einer Spezialüberreichung und nicht in
der generellen, die auch zwei Mal im Jahr stattfindet, diese Freude
zu bereiten. Diesmal umso mehr, als Komm.Rat Schönbichler dabei
war. Schönbichler arbeitet im Konsumentenbeirat wirklich sehr aktiv
mit, wofür ich ihm sicherlich zu Dank verpflichtet bin, andererseits
wieder natürlich, greift er mich manchmal ganz hart an, um die poli-
tische Situation der ÖVP im Kampf gegen die Regierung zu unter-
stützen. Komisch ist, daß mir bei solcher Gelegenheit niemals etwas
Negatives einfällt, wenn es mir aber in den Sinn käme, ich sicherlich
trotzdem nur das Positive der Zusammenarbeit herausstreiche. Ich
frage mich dann immer, ist es Vergeßlichkeit, Friedlichkeit,
vielleicht sogar Feigheit, um nicht einen neuen Streit auszulösen,
sicherlich nicht, wie manche denken, Größe. Vielleicht ist der
ganze Kampf, den man zeitlebens führt, und wie manche mit einer
Verbittertheit führen, in meinen Augen gar nicht auf unserer Ebene
und mit unseren Problemen so ein Kampf, daß man ihn mit allen
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Waffen, bei jeder Gelegenheit, austragen muß. Ich bin nämlich
schon davon überzeugt, daß er in Wirklichkeit, zumind. in meinen
Augen, doch im Grunde genommen selbst für den Einzelnen unbe-
deutend ist. Ich will meine Tätigkeit nicht unterschätzen, anderer-
seits aber soll man sich niemals einbilden oder glauben, was weder
für den Einzelnen, geschweige denn für eine Gruppe oder gar vielleicht
für alle, die notwendige Austragung sachlicher Differenzen über den
harten Kampf erfolgen muß. Ich glaube, daß die Konzilianz, das
Bestreben einen Konsens zu erreichen, nicht nur mir persönlich am
meisten liegt, sondern auch, um nicht zu sagen, allen, aber doch
den allergrößten Teil der Menschen, die adäquate Methode ist.
Landtagsabg. Platzer, der sich jetzt Sorge um die Zuckerversorgung
für seinen Betrieb macht, wollte mich unbedingt sprechen. Müller
von Marsch war bei einer Erhebung bei ihm und hat mir berichtet,
daß er schon den Eindruck hatte, daß Platzer nicht dieser Unter-
nehmertyp sei, der über Leichen geht und nur seinen Profit sieht.
Er hat auch alle Unterlagen sofort einsehen können und hat den
Eindruck, daß Platzer nicht der gefinkelte Geschäftsmann ist.
Tatsächlich hatte auch ich dann bei der Aussprache mit Müller und
Platzer das Gefühl, einem Unternehmer gegenüber zu sitzen, der
sicherlich zuerst geglaubt hatte, es wird alles gut gehen, er
kann mit den Geschäften, Sirup in jeder Menge zu erzeugen, seine
Bilanz, die angeblich heuer schlecht ist, was ich gar nicht bezweifle,
aufbessern, und der erst in weiterer Folge, insbes. als sich Ecco
für ihn zu interessieren begann, bemerkte, in was er hier rein-
schlitterte. Wollinger, der Spediteur, der ihm angeblich vor seit
Jahren das erste Mal eine größere Menge von Importpulpe verkaufte,
sei mit einem ersten Anbot, er soll 500 Tonnen Sirup erzeugen, an
ihn herangetreten und er hätte nicht geahnt, daß behauptete er zumind.,
hier gegen ein Gesetz, ja nicht einmal gegen die guten Sitten
zu verstoßen. Der Zoll hätte ohneweiters die Abfertigung vorge-
nommen, er hätte angeblich den Zöllner noch gefragt, ob er hier
gegen irgendwelche Verordnungen verstößt und dieser hätte ihm
natürlich dann erklärt, daß alles in Ordnung sei. Seine Zucker-
lieferfirma Altzinger in Perg, wo er 2.922 Tonnen bezogen hat u.zw.
um 7.-- Schilling franko Haus, hätte ihm angeblich auch gesagt, daß
von den Zuckerlieferungen an ihn das Evidenzbüro der Zuckerindustrie
weiß. Sicherlich hat aber das Evidenzbüro nicht gewußt, daß er
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gleichzeitig wieder davon 180 Tonnen an die Firma Rauch ge-
liefert hat, zu einem Preis von 7.70 Schilling. Angeblich
davon 39 gr Fracht. Den Sirup mit 65 % Brix, das ist Zucker-
gehalt, hat er der Firma Wollinger mit 5.75 S in dem ersten
Anbot für 500 t verrechnet, beim zweiten Anbot hat er dann
5.93 S verlangt, weil diese Preiserhöhung möglich war, d.h.
Wollinger bereit war, mehr zu bezahlen, wobei der Zuckergehalt
ständig von Wollinger verlangt wurde, er müsse wechseln. Dies
veranlasste mich Platzer zu fragen, ob ihm nicht aufgefallen
ist, dass Wollinger irgendetwas verschleiern möchte, denn niemand
wird den Zuckergehalt einer Ware, wo man normalerweise grössten
Wert darauflegt, dass er konstant ist, ständig variieren. Ich
glaube, dass Wollinger damit dokumentieren wollte, bei der Aus-
fuhr oder wo immer dann letzten Endes auch der Sirup wieder
auftauchte bei der Kontrolle, dass es sich hier um verschiedene
Tranchen handelt. Platzer selbst verweist darauf, dass auch
die Firma Spitz, wahrscheinlich aber auch Rauch und Pfanner im
Westen Österreichs ähnliche Geschäfte machten. Dies bezweifle
ich gar nicht und Müller wird dies untersuchen.
Der Landesrat von Vorarlberg, der erst kurz im Amt ist, Rümmele,
hat mich angerufen und ersucht, ich sollte für die westlichen
Zuckerabnehmer eine besondere Regelung treffen. Früher hätte
man den Zucker in der Schweiz gekauft, jetzt kaufen die Schweizer
in Vorarlberg und deshalb kämen die Grosshändler und auch die
Kleinhändler mit den ihnen zugeteilten Mengen nicht aus. Mein
Hinweis, dass sie aber über diese Mengen, die sie selbst für
den Inlandsbedarf brauchen, wesentlich überzogen sind, konnte
er nicht abstreiten, er wird aber einen diesbezüglichen Vorschlag
machen.
Auch die Betriebsräte der Firma Jungbunzlauer kamen mit dem
NR Mondl wieder, weil sie bei Zöllner erfahren hatten, sie würden
nur 4.200 t Zucker noch bekommen, obwohl sie 9.200 brauchen.
Ich selbst erklärte ihnen dezidiert, dass ich keine Zusage
machen kann, ebenso wie bei Platzer sagte ich ganz klar und
deutlich, dass ich den Zucker nicht verteile, sondern dafür sorgen
muss, dass bis zur neuen Ernte der Konsument mit Zucker versorgt
wird. Diese Erklärung war zwar für sie nicht befriedigend, aber
alle mussten sie mehr oder minder zur Kenntnis nehmen.
Im Institut diskutierten wir fraktionell unseren Energieplan,
resp. besonders die Einleitung und die Empfehlung. Koppe hat
vollkommen recht, wenn er verlangt, dass vom propagandistischen
Standpunkt gerade diese beiden Kapitel ganz anders aufgebaut wer-
den müssen. Dies sachlichen Differenzen, die es natürlich zwischen
ÖMV und sogar Frank auf der einen Seite und Gehart und Bauer von
der ÖIAG auf der anderen Seite gab, sind meiner Meinung nach
nicht so schwerwiegend, daß wir sie nicht überwinden könnten.
Ein wirkliches Problem wird, daß wir diesen Energieplan so präsen-
tieren, daß
1.) von der Handelskammer akzeptiert werden kann, trifft dies zu,
dann wird es keine harte Diskussion im Parlament geben und daß,
2.) und dies scheint mir aber als das Wichtigste, von den Massenmedi-
en so aufgenommen wird, daß er wirklich ein positives Echo erreicht.
Zu diesem Zweck muß er propagandistisch aufgebaut werden.
Anmerkung für GEHART: Mir erscheint die Arbeit von Koppe, die du
bitte mit ihm im Einzelnen besprechen sollst, die wichtigste.
Zu meiner größten Verwunderung erfuhr ich von Frank unter vier
Augen, daß er von den Vorgängern bei der ÖDK nichts wußte. Da dies
auch von mir ein großer Fehler war, da ich ihn nicht gestern spät-
abends nach der Aussprache noch informiert habe, entschuldigte
ich mich sofort bei ihm. Weiss hat nämlich Frank angerufen und
gemeint, was er dazu sagt, daß es jetzt auch zu einem Krieg in der
ÖDK kommen wird. Da er von der letzten Aussprache keine Ahnung
hatte, hat er wahrheitsgemäß, und das war sicherlich das Beste, er-
klärt, er kennt den letzten Stand nicht. Dies ist natürlich blamabel
für einen Sektionschef, der sonst immer mit uns kooperiert und gut
informiert ist, ja der eigentlich immer in meinem Namen die not-
wendigen Maßnahmen ergreift und dies war daher für mich wirklich
ein Grund, mich bei ihm zu entschuldigen. In Hinkunft darf dies aber
nicht passieren.
Anmerkung für GEHART: Bitte die Koordination auch in dieser Hin-
sicht als Energieveranwortlicher im Büro durchführen.
Tagesprogramm, 18.12.1974
TB Koppe, 12.12.1974
23_1553_02Typoskript Vorschlag "Süßbuch" HM
Ergänzung Bukowski