Donnerstag, 23. Jänner 1975
Frau Minister Leodolter ersucht mich, dass ich die Widerstän-
de im Handelsministerium gegen das Plasmapherese-Gesetz
beseitige. Bei der Herstellung von Gamma-Globulin sollen unmög-
liche Zustände herrschen. Die Firma IMMUNO und eine zweite Firma,
insbesondere ein gewisser Ing. Eibl, ein sehr tüchtiger Geschäfts-
mann, mobilisiert alles, damit er die bisherige Praxis beibehalten
kann. Leodolter möchte nun, dass eben wie bei chemischen Labora-
torien der oberste Sanitätsrat zu prüfen hat. Dagegen wehrt sich an-
geblich die Handelskammer und auch natürlich das Handelsmini-
sterium. Interessant ist, dass mich Otto Effenberger vom ARBÖ
schon einmal ersucht hat, ich soll die Firma Ing. Eibls besuchen,
weil von dort haben sie Blutplasma billig oder vielleicht sogar
als Geschenk bekommen. Ich erkläre Effenberger die neue Situation
und ersuche ihn, er soll sich mit Leodolter ins Einvernehmen
setzen.
ANMERKUNG FÜR JAGODA UND BUKOWSKI: Bitte mir die Problematik vom
Standpunkt des Handelsministeriums unverzüglich vortragen.
Schwierigkeiten hat Leodolter auch mit dem Hygienegesetz. Ich habe
mit Stadtrat Schieder über dieses Problem gesprochen, der meint,
die Formulierung, wie sie jetzt vom Gesundheitsministerium ver-
langt wird, sei unmöglich. Dadurch würden alle Bäder einen Hygieniker
anstellen müssen und finanziell so grosse Belastungen auf sich nehmen
müssen, dass viele Bäder geschlossen werden. Leodolter meint,
sie wäre zu jedem Kompromiss bereit, man sollte entsprechende Vor-
schläge ausarbeiten. Ausgelöst wurde diese ganze Aktion durch
die Überprüfung des Vereins für Konsumenteninformation im vorigen
Sommer. Sicher ist, dass wir oft in hygienisch nicht einwandfreien
Bädern die Bevölkerung baden lassen und dass des abgestellt ge-
hört. Hier müsste sich ein vernünftiges Kompromiss finden lassen.
ANMERKUNG FÜR JAGODA UND BUKOWSKI: Bitte das Problem im Einverneh-
men mit der Konsumenteninformation und der Gemeinde besprechen und
einen vernünftigen Vorschlag zur Stellungnahme des Handelsministe-
riums vorbereiten.
Gen.Sekr. Mussil mit seinen Aussenhandelsexperten und Meisl
diskutierten die Präferenzzollösung. Die Bundeskammer möchte
weder Griechenland noch der Türkei die Präferenzzölle gewähren,
die wir anderen Staaten durch Erhöhung von 30 auf 50 % Präferenz-
zollermässigung gegeben haben. Die Handelskammer hofft noch immer,
dass Griechenland bereit wäre, uns bei Wünschen wie z.B. Aufhebung
der Depotverpflichtung und sonstigen administrativen Beschränkungen
und zollmässige Benachteiligungen entgegenzukommen. Bei unserem
Flug nach Ägypten hat aber sowohl der Botschafter als auch der
Handelsdelegierte in Athen dezidiert erklärt, dass sie eine
solche Entwicklung nicht sehen. Sie erwarten im Gegenteil, dass
sehr bald eine politische Intervention kommen wird, warum Griechen-
land gegenüber hier afrikanischen und sonstigen Staaten benachtei-
ligt wird. Nach längeren Verhandlungen ist die Handelskammer bereit,
dass wir für handwerkliche Erzeugnisse, die Zollfreistellung oder
Zollermässigung auch diesen Staaten geben. Für Spanien möchte dagegen
die Handelskammer, dass wir im Rahmen der EFTA oder bilateral diesem
Staat ganz grosses Entgegenkommen zeigen. Ich erkläre, dass in der
EFTA von meinem Amtsvorgänger schon eingeleitet, festgelegt wurde,
dass für Spanien die Schweiz zuständig ist, die die Verhandlungen
führt und diesbezügliche Vorschläge machen soll. Wir haben seiner-
zeit übernommen, für Jugoslawien die entsprechenden Kontaktstelle
zu sein. Gleissner, aber auch Dr. Ertl, erklären zu meiner grössten
Überraschung, dass sie davon noch nie etwas gehört haben und Mussil
vermutet sogar in seiner bekannten Art, nicht ganz ernst meinend,
aber doch dezidiert, eine riesige Verschwörung hinter dieser Ver-
einbarung. Mir selbst ist es unerklärlich, wie mir vor Jahren
bereits diese Politik von den eigenen Beamten erklärt wurde, wie wir
dann auch bei der Wiener Konferenz der EFTA sogar eine Minister-
besprechung hatten, wo diese Taktik klar und deutlich zum Ausdruck
kam und wie jetzt die Handelskammer davon zum ersten Mal erfährt.
Meisl erklärt dies nur so, dass bei der EFTA-Tagung eben nur Beamte
sind, während die Handelskammer nur im Konsultativrat mitwirkt.
Hier hätte aber doch schon längst die Handelskammer irgendetwas be-
merken müssen, da ja auch Tommy Lachs, der Mitglied des Konsultativ-
rates ist, mir diese Politik bestätigt hat. Die Gewerkschaften wehren
sich nämlich dort die ganze Zeit gegen den Versuch der Schweiz, die
Spanier stärker an die EFTA zu binden.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Wieso wurde dieses Problem überhaupt nie mit der
Handelskammer besprochen und nicht einmal in der Grundsatzgruppe er-
örtert?
Bezüglich der Hemdenimporte aus Hongkong, wo 630.000 Selbstbe-
schränkung vereinbart wurden und 782.000 bereits autorisiert
vereinbaren wir, dass sofort an den Hongkonger Wirtschafts-
minister ein Telegramm von mir gehen soll, wo ich auf die Über-
schreitung aufmerksam mache, dann wird es zu Konsultationen
kommen. Die Handelskammer befürchtet nur, dass von Seiten der
Hongkonger Behörde darauf hingewiesen wird, dass auch auf Portugal
im Jahre 1973 nur 680.000 Hemden und 1974 1,3 Mill. importiert
wurden. Darin wird Hongkong die Marktstörung sehen.
ANMERKUNG FÜR REIM: Bitte zwischen Industriesektion IV und
Sektion II ein Konzept sofort erstellen lassen.
Von der Verbundgesellschaft kommt Betriebsrat Mischke und ein
zweiter mit dem Fraktionsobmann Perl, der gleichzeitig auch die
Tarifpolitik in der Verbundgesellschaft bearbeitet, um sich
über die Presseerklärung Erbachers zu beschweren. Erbacher
hat – mir auch unerklärlich – in das Horn der NEWAG und anderer
Elektrizitätsgesellschaften gestossen und erklärt, es müsste jetzt
der Elektrizitätspreis erhöht werden. Die Verbund hat dabei einen
einmaligen Supergewinn, da sie 1974 kaum kalorische Kraftwerke
stark einsetzen musste und deshalb über die billigeren Wasserkraft-
werke einen Supergewinn hatte. Ich erkläre den Arbeitnehmern,
dass ich mit Bandhauer in dieser Frage gestern eine Aussprache
gehabt habe und wir einig wurden, dass die Verbund unter gar
keinen Umständen vor den nächsten Wahlen einen Preiserhöhungsantrag
stellen wird, aber auch vor allem keine Preiserhöhung bekommt.
Diese Meinung kann ich dann sogar am späten Abend nach einer Aus-
sprache über den Gaspreis, dem Gen.Dir. Gruber von der NEWAG
auseinandersetzen. Gruber selbst bestätigt mir, dass er mit der
jetzigen Preispolitik, die ich seit 1. Jänner 1974 mache, sehr zu-
frieden ist, er fürchtet nur, dass er durch die Erhöhung des Öl-
preises zu sehr in die Hinterhand kommt. Er verweist darauf, dass
sowohl die Wiener als auch jetzt die Steirer für ihre Sonderab-
nehmer besonders Zugeständnisse bekommen. Ich erkläre rundweg,
dass wenn er solche kleinere Korrekturen für den NEWAG-Tarif
braucht, er dies einreichen soll, darüber würden wir Verhandlungen
führen. Im Prinzip erkläre ich allen dezidiert, dass sie an einem
neuen Tarifschema arbeiten sollen, damit unmittelbar gegen Ende
dieses Jahres dieses neue Tarifschema dann von mir in Kraft ge-
setzt werden kann.
ANMERKUNG FÜR GEHART UND WAIS: Burian soll sich über die neuen Wün-
sche der Newag interessieren, bevor im Tarifausschuss der Verbund-
gesellschaft ein grosses Palaver entsteht.
Die Betriebsräte und der Bürgermeister Pölzl von Pölfing-Bergla
waren bei Kreisky, um neuerdings ihr Problem der Schliessung zu be-
sprechen. Kreisky hat mich im letzten Moment zugezogen und ich traf
dort von der ÖIAG Geist und Grünwald, von der VÖEST-Alpine Steflitsch
von der GKB Juvancic, vom Ministerium Gatscha und Veselsky und ein
Dutzend Betriebsräte sowie den Landesrat Klauser von der Steiermark.
Diese fraktionelle Besprechung dient dazu, um jetzt endgültig zu
klären, was in Pölfling-Bergla zu geschehen hat. Der Verlust wird
heuer 45 Mill. betragen, die GKB rechnet überhaupt mit einem Verlust
von 215 Mill., wozu noch die Investitionen für Zangtal Unterflöz
von 65 kommen – sodass sie allein aus der Bergbauförderung 280 Mill.
bräuchte. Die Stillegung wird ebenfalls 55 Mill. betragen wovon
allerdings 1975 nur 20 Mill. und 1976 erst 35 Mill. notwendig sind.
Ich erklärte sofort rundweg, dass dies unmöglich zu finanzieren
sei. Der Finanzminister war nicht anwesend, doch ich weiss, dass
er keinesfalls diese hunderte Millionen zur Verfügung stellen kann.
In Pölfing gibt es ausser der Hütte, die errichtet wird noch eine
Firma Gamma, die Heizwände und Konvektoren erzeugt, derzeit 17 Be-
schäftigte und auf 45 aufgestockt werden könnte. Dazu benötigt sie einen
ERP-Kredit von mehr als 4 Mill. Veselsky teilt mir mit, dass er jetzt
konjunkturellen Einsatz 235 Mill. zur Verfügung hat, die er für die
Bergbaugebiete bereitstellen möchte. Differenzen mit der Belegschaft
gibt es primär deshalb, weil ersten die Belegschaft noch immer offiziell
nichts weiss von der Errichtung der Hütte und der Stillegung des
Kohlenbergwerkes und es sich jetzt auch Differenzen auch wegen der
Wohnung und der Wasserversorgung ergeben. Juvancic und Steflitsch
erklären, dass sie das erste Mal von diesem Schwierigkeiten hören und
sie werden selbstverständlich dafür sorgen, dass hier eine soziale
Lösung gefunden wird. Die grosse Gefahr besteht immer bei der steiri-
schen Politik, dass zwar die vernünftigsten Massnahmen von allen er-
kannt werden aber dann lokalpolitische insbesondere landespolitische
Gründe die Lösung verhindern. Dann wird jahrelang weitergewurschtelt
um dann letzten Endes doch zu einer Stillegung kommen zu müssen.
Pölfing-Bergla ist spätestens im Jahre 1976 zu schliessen, weil
nämlich dann die ÖDK keine Kohle zur Verfeuerung für Voitsberg I
mehr übernehmen kann, weil das Kraftwerk in Reserve geht. Die
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Betriebsräte beschwerten sich glaube ich sogar zu recht, dass man
immer wieder Entscheidungen hinausgezögert hat. In Wirklichkeit wün-
schen sie dies allerdings, weil sie dadurch doch immer wieder Jahre
gewinnen, wo weitergewurschtelt wird. Allerdings kann es dann passie-
ren, dass wir in einer Krise kaum mehr die Arbeitskräfte werden ander-
weitig verwenden können. Wenn es z.B. nicht zur Errichtung der Wolfram-
hütte in Pölfing-Bergla kommt, sind wieder 120 Arbeitsplätze ver-
loren. Kreisky regt an, dass er, der Finanzminister und ich dieses
Problem jetzt kurzfristig lösen sollten. Da die Vorarbeiten eigent-
lich von meinem Ministerium in der Kommission weitestgehend gelöst
sind, verbleibt nur mehr die Entscheidung des Finanzministers. Ich
habe Gatscha aufgefordert, er soll die entsprechenden Schritte
im Finanzministerium unternehmen.
ANMERKUNG FÜR GEHART: Sterk soll bitte die endgültige Entscheidung
durch einen Ministerratsvortrag vorbereiten, der im Einvernehmen mit
dem Finanzminister erfolgen muss.
Skritek, der Sekretär der Handelsangestellten, hat seinen Nachfolger
mit zwei Betriebsräten bei mir vorgestellt. Ich kenne sie alle und
haben ihnen sofort versichert, dass ich in der Ladenschlussfrage im Ein-
vernehmen mit ihnen vorgehen werde. Die Handelsangestellten sind er-
schüttert, dass in der Steiermark jetzt das ganze Problem aufgerollt
wird und von dort die grösste Gefahr besteht, dass ich doch irgend-
welche Massnahmen werde treffen müssen. Bis jetzt ist es mir geglückt,
dieses Problem im Ausschuss – Vorsitz Schönbichler – Stellvertreter
Skritek – zu deponieren. Dort sollen die Sozialpartner mir entsprechen-
de Vorschläge machen. Wenn es nach mir geht, werde ich diese Taktik
nicht verlassen. Ich muss mir allerdings vollkommen klar darüber sein,
dass ich letzten Endes die Prügel dafür bekomme. Auch bei Zucker
waren alle so froh, dass ich einvernehmlich vorgehe, als dann aber
das Debakel entstanden ist, hat mich niemand unterstützt, sondern
im Gegenteil, ich wurde von allen Seiten angegriffen. Die Sozial-
partnerschaft und das Kooperieren ist etwas Schönes für alle,
solange es gut geht. Wenn etwas daneben geht, daneben geht, so ladet
man die ganze Verantwortung auf den Minister ab.
Über die Preisfestsetzung resp. Genehmigung der Paritätischen Kommis-
sion für die Gaspreise gab es ein ganzen Auftrieb für die Sitzung.
Alle Gasgesellschaften waren mit 3–4 Vertretern erschienen.
Die Handelskammer schickte Dr. Rief, die Arbeiterkammer Dr. Zöllner
und vom ÖGB ist aus Linz im letzten Moment doch noch Dr. Schmidt
herangeeilt. Auch das Handelsministerium war mit einer ganz grossen
Besetzung erschienen. Sitzungen und formelle Unterlagen verlangen,
das ist etwas, wo sich die Beamten glücklich fühlen, Mit Recht hat
Gen.Dir. Gruber und insbesondere sein Preisreferent Ing. Schmidt, der
auch in der Austria-Ferngas eine bedeutende Rolle spielt, darauf ver-
wiesen, dass man im Zuge der Vorprüfungen jetzt ihnen eine Unzahl
von Unterlagen abverlangt. Ich war sehr erstaunt, was man alles
seit dem Jahr 1970 bis 1975 von den Unternehmern verlangte. Da hätte
eine Buchhaltung monatelang zu tun, um dieses Unterlagenmaterial
vorzulegen und die Beamten wahrscheinlich jahrzehntelang, um es zu
prüfen. Ich zweifle überhaupt, dass er imstande wäre, aus dem Material
irgendwelche Schlüsse zu ziehen. Mit Recht hat Ing. Schmidt darauf
verwiesen, dass von den ersten Materialien, das vorgelegt wurde,
man überhaupt nicht Notiz genommen hat. Zum Glück konnte ich er-
reichen, dass alle Gasgesellschaften sich bereiterklärten, der Pari-
tätischen Kommission ihre Unterlagen zu geben und die Interessen-
vertreter akzeptierten, dass sie unverzüglich die Verhandlungen über
die Genehmigung der Gaspreise aufnehmen. Obwohl ein halbes Dutzend
Beamte bei mir für diese Frage sich zuständig erklärten, zumindestens
waren sie alle bei der Sitzung anwesend, bin ich überzeugt, dass sie
letzten Endes dann nur kämen, um zu sagen, jetzt bräuchten sie
einen Wirtschaftsprüfer, der ihnen das ganze Material überprüft,
aufarbeitet und dann letzten Endes doch alle Unterlagen so zu akzep-
tieren, wie es die Unternehmer vorgelegt haben. Der einzige Effekt der
amtlichen Preisregelung ist, dass alle geschockt sind, was sie hier
an Material und Unterlagen liefern müssen und wie lange es dauert,
bis sie überhaupt, zu einem Preis kommen. Diese ganze amtliche Preis-
regelung mit diesem Behördenaufbau ist unmöglich.
Tagesprogramm, 23.1.1975
SL-Sitzung, 24.1.1975
24_0080_03Titel/Auftragnehmer von 4 wipol. Schriften