Dienstag, 11. Feber 1975
Die Zuckerverhandlungen mit den Sozialpartnern insbesondere mit
den Präsidenten verliefen sehr hart. Benya war nicht bereit,
mehr als 90 Groschen zuzugestehen. Dies besonders dann, als er
bemerkte, dass der häufig verkaufte Feinkristallzucker, paketiert,
dann von 8.60 auf 9.50 steigt. Die Sitzung wurde einige Mal unter-
brochen und die Präsidenten und ich allein suchten die Lösung zu
finden. Immer wieder verlangten dann aber Lehner, dass man auch
Präs. Mang versucht zu überzeugen und Sallinger ruft immer wieder
nach Mussil. Ich schlug dort die 90 Groschen vor und nach einiger
Zeit gelang es auch tatsächlich auf dieser Basis den Akkord zu er-
zielen. Der Preis sollte aber nicht von den Präsidenten verlaut-
bart werden sondern eben der Preisminister hätte in der Preis-
kommission auf diesen Kompromiss eine Lösung zu suchen und zu
finden. Vorher waren noch einige Fragen zu klären. Ich habe des-
halb sofort die Leute, die die Berechnung durchführen, zu Mir gebeten
Mussil hat dort zugestanden, dass wir die Handelsspannen generell
nicht erhöhen können. Es wurden die jetzt gültigen Handelsspannen
perzentuell wieder auf den neuen Zuckerpreis gerechnet, nur bei
Kristallzucker, fein, wurde die paketierte Ware um 24/100 der
Handelsspannensatz erhöht. MR Kurzel meinte, der Preis könnte frü-
hestens am Sonntag in der Wiener Zeitung sein, d.h. mit Montan in
Kraft treten. Dagegen habe ich mich ganz entschieden ausgesprochen
und erklärt, es müsste von Dienstag bis Freitag gelingen, dass er
an diesem Tag in Kraft treten kann. Die Erzeugerpreise werde ich dann
auf alle Fälle verlautbaren, nicht aber in die Preisanordnung aufneh-
men. Durch die Verlautbarung werde ich den Bauern nachweisen, dass
sie einen befriedigenden Rübenpreis für die nächste Kampagne haben
und auch für die jetzigen eine gewisse Nachzahlung bekommen, wenn
die Zuckerversorgung mit eventuellen Importen bis zu 20.000 t im
Anschluss an die neue Ernte gefunden hat. Die Arbeiterkammer, Hrdlitsch-
ka und Zöllner, verlangten von der Zuckerindustrie die Erklärung,
dass die Lohnerhöhung, die im Mai fällig ist, in dem Zuckerpreis
seine Deckung finden muss. Die Antwort von Habig war: "Glauben Sie,
dass wir dafür eine neue Preiserhöhung bekommen würden?" Eine wei-
tere Frage war die Frachtenausgleichspreiserhöhung. Zuckerfracht
sollte um 4,3 plus 11 % Ausnahmetarif 126 erhöht werden. In der
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Vorbesprechung, an der ich dann auch noch teilweise teilge-
nommen habe, einigten sie sich auf 5 % bei der Rübe Ausnahme-
tarif verlangt die Bahn allerdings 7 %. Hier erklärte die Zucker-
industrie, sie könnte diesen Prozentsatz nicht akzeptieren. Derzeit
muss sie 76 Mill. S Frachtkosten bezahlen, davon 28 Mill. die
ÖBB bekommen und 48 Mill. die Frächter, die die Rübe bis 60 km
anliefern können. Die Zuckerindustrie muss nun, wenn die Bauern
ihre Rübe um 7 % erhöht ebenso die Frächtertarife um 7 % erhöhen.
Sie glaubt deshalb, dass es zweckmässig wäre, die Rübe nicht mehr
als den Zucker um 5 % zu erhöhen. Die Zuckerindustrie ist dann
bereit, die Bahntreue-Erklärung für den Zuckertransport, wo sie
über 80 km auf alle Fälle auf die Bahn geht und 40 Mill. S dafür
aufwenden muss, neuerdings zu bestätigen. Die Vertreter der Bahn
haben dort das erste Mal von diesem erzielten Kompromiss gehört
und ich ersuchte sie, den Generaldirektor davon zu informieren,
bevor ich auf Wunsch der Zuckerindustrie Lanc noch einmal über dieses
Problem spreche. Der Frachtenausgleich von 12.60 S muss auf alle
Fälle erhöht werden, weil nur mehr 9 Mill. S in der Reserve vorhanden
sind. Die Rübenbauern wollten zuerst, dass wir diese 9 Mill. S
aufbrauchen, bevor sie dann den Frachtenanteil erhöhen. Ich er-
klärte sofort, ein solcher Weg wäre möglich, wenn anschliessend
nach Aufbrauch, das würde in sechs Monaten der Fall sein,
die Zuckerindustrie bereit ist, den Fabrikabgabepreis dann zu sen-
ken, um die Erhöhung des Frachtenanteils. Da in diesem Fall
auch die Rübenbauern davon betroffen wären, hat Dr. Kraus davon
Abstand genommen. Das Landwirtschaftsministerium wird jetzt durch-
rechnen, wie hoch sie den Frachtenausgleich knappest kalkuliert er-
höhen muss. Die Verhandlungen werden morgen fortgesetzt.
Im Ministerrat berichtete Häuser so wie in der Vorbesprechung über
die Arbeitsmarktsituation, die nach wie vor äusserst günstig ist.
Trotzdem bedrücken mich die 74.600 Arbeitslosen. Spät abends im
Zweiten Zeit im Bild sah ich ein Interview mit einem arbeitslosen
Installateur, der seit 20. Dezember arbeitslos ist. Da er jetzt
erst um die Arbeitslosengeldunterstützung einkommt , nehme ich
an, dass seine Abfertigung bis zu diesem Zeitpunkt eben bezahlt
werden musste. Dies ist natürlich im Interview überhaupt nicht heraus-
gekommen. Ausserdem sagt er, er wird jetzt 4 Wochen auf ein Arbeits-
losengeld warten müssen. Der Eindruck musste daher, für jemanden,
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der die Details nicht kennt, verheerend sein. Gefühlsmässig habe
ich wieder, fast würde ich sagen, einen ausgesprochenen Hass bekommen
auf Leute wie Mitterer, aber auch Ausch, die meinen, eine leichte
Arbeitslosigkeit sei für die Wirtschaft unerlässlich und gesund.
Nur wer niemals arbeitslos war – ich habe Gott sei Dank diese Zeit
selbst mitgemacht – oder dies vergessen hat, kann so leichtfertig
eine makroökonomische Forderung erheben.
Bielka und ich besprachen die Frage, ob wir eventuell nach Nord-
korea zur Vertragsunterzeichnung fahren wollen, an der ich per-
sönlich gar kein Interesse habe. Bielka meinte, nachdem in Wien
die Anerkennung von Nordkorea verhandelt wurde, ein diesbezüg-
licher Vertrag wird gar nicht unterschrieben, sondern nur eine Er-
klärung herausgegeben, wird es zweckmässig sein, den ersten Ver-
trag tatsächlich in Pjöngjang zu unterfertigen. Bei meinem Bericht
an den Bundespräsidenten habe ich dieses Problem auch angeschnitten
und Kirchschläger meinte, ich sollte sehr zurückhaltend und wenn Bielka
und Sallinger von der Handelskammer daran krasses Interesse haben,
dann sollten sie bei Kreisky diesen Wunsch deponieren. Kirchschläger
kennt das Problem noch immer aus seiner Aussenministerzeit, dass
es dann immer heisst, der Staribacher ist schon wieder auf Reisen.
ANMERKUNG FÜR BUKOWSKI UND MEISL: Bitte die Besprechungen mit dem
nordkoreanischen Botschafter erst dann zu beginnen, wenn Österreich-
intern meine Reise endgültig beschlossen ist.
Lütgendorf, mit dem ich wegen der Textilsituation sprach, hat mir
versichert, er wird der Firma Brenner, die den letzten Zuschlag be-
kommen hat und eine Manipulationsfirma ist, die Auflage geben, dass
er österreichische Firmen und Materialien verwenden muss. Dies hatte
ich der Textilarbeitergewerkschaft zugesagt. Ettl, der mich des-
halb angerufen hat, war über diese Zusage sehr erfreut. Hauptschwie-
rigkeit ist nur, dass Brenner jetzt die österreichischen Firmen unter
ein gewisses Preisdiktat setzt, da er sehr billig den Zuschlag bekom-
men hat, verlangt er von den Produktionsfirmen entsprechend billige
Offerte. Hier konnte ich aber für die Textilindustrie derzeit nichts
viel herausholen.
Die Brauereiarbeiterdelegation ist in die Arbeiterkammer Wien gekommen,
um die Bierpreisverhandlungen zu erörtern. Die Brauindustrie rechnet
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fest, dass sie mit Anfang März den Bierpreis erhöht bekommt.
Die Arbeiterkammer wollte Detailinformationen von den Betriebs-
räten und deshalb ist diese Delegation tatsächlich in der AK
Wien erschienen. Ich habe mir die ersten Aussprache angehört
und festgestellt, dass natürlich die Brauarbeiter auf dem
Standpunkt stehen, wichtig ist, dass jetzt ihr Deputatbier wo-
möglich nicht erhöht wird und dass es überhaupt zu einer Einigung
zwischen Arbeiterkammer und Brauereiverband kommt.
In der Bäckerkonferenz wurde das Referat von Sekr. Gludowatz
insbesondere auch über die Abänderung des Bäckereiarbeitergesetzes
zur Kenntnis genommen. Zwei Diskussionsredner, eine grössere Dis-
kussion kam leider gar nicht zustande, meinte nur, man müsste vor-
sichtig sein mit der Änderung des 4-Uhr-Beginnes. Die Erhöhung
des Nachtarbeiterzuschlages von 4–6 von 50 % auf 75 % wird
sicherlich von den Bäckern gerne akzeptiert, da bis 4 Uhr Früh
dann ein 100 %-iger Zuschlag eingeführt werden soll, hoffen die
Bäcker, dass dann nicht mehr so viel Nachtarbeit verlangt wird
wie bis jetzt. Hier bin ich nicht ganz sicher, denn es wird eben
aus der Produktionsmethode, wenn das Bäckerei-Arbeitergesetz
novelliert wird, sehr wohl die Grossbetriebe zur Schichtpro-
duktion veranlassen und wahrscheinlich auch dann diese höheren
Zuschläge bezahlt werden. Was die Bäcker aber wollen ,ist womög-
lich später beginnen. Durch den Schichtbetrieb allerdings werden
sie dann wenigstens wie andere Berufsgruppen auch, zeitweise
zu normalen Arbeitszeiten und Bedingungen kommen. Da dies aber
nicht im Gesetz geregelt werden kann, der Sozialminister lehnt
es als Präjudiz für viele andere Berufsgruppen ab, wird es
notwendig sein, darüber einen Kollektivvertrag zu schliessen.
Ich habe mich deshalb unter Allfälligem Zu Wort gemeldet, um
erstens dem Verhandlungskomitee über die Erfolgreichen Abschlüsse
des Lohnvertrages zu gratulieren und zu bedanken und gleich-
zeitig aber die Bäcker darauf aufmerksam zu machen, dass wir
einer harten Zeit entgegen gehen. In den Gewerbebetrieben, wo wir
auch das letzte Mal den Kollektivvertrag gar nicht ändern konnten,
wird es notwendig sein, mit schweren Auseinandersetzungen zu rechne
Dort haben wir zum Unterschied von der Brotindustrie die 100 %-ig
organisiert ist, nur eine 10 %-ige Organisation und daher über-
haupt keine Kampfkraft. Der Vertreter der Konsumgenossenschaft
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hat dann die Frage des Zuckerpreises angeschnitten und darüber
entwickelte sich eine Diskussion. Ich konnte aber glaube ich alle
davon überzeugen, dass ich gar keine andere Möglichkeit habe, als
eben eine zweite Preiserhöhung heuer nach 7 Monaten neuerdings
festzulegen. Arbeiter, die für ihre Lohnerhöhungen oft 14 Monate
warten müssen, sind natürlich über eine solche kurzfristige zweimalig
Preiserhöhung nicht erfreut.
Die Sektionsleitersitzung kann, wie ich jetzt feststellte, auch
kürzer sein. Wir müssen nur verhindern, dass eventuelle Problem
nicht zwei- oder dreimal zur Sprache kommen. Dies gilt in diesem
Fall für Gröger, der glaubte bezüglich der Schrottarife auf der
Bahn, d.h. Autotransport von Westösterreich zur Schreitteranlage
nach Vösendorf die Bahnfracht zu ermässigen. Leberl wieder hofft,
seine Personalprobleme durch ewiges Wiederholen zu klären.
ANMERKUNG FÜR BUKOWSKI UND WANKE: Bitte versucht, den Teilnehmern
einzureden, dass das Wiederholen keinen Sinn hat.
Schipper berichtet über die Errichtung der neuen Telefonzentrale
und verlangt von den einzelnen Sektionen die Mitteilung, wer einen
Apparat zur Direktwahl ins Ausland und nach Österreich haben muss.
Ich glaube, dass dies wirklich nur auf ganz wenige Apparate be-
schränkt werden muss. Wenn nämlich in jeder Sektion mehrere sind,
dann bedeutet dies, dass auch jeder zu diesen aus Freundschafts-
dienst geht und dort dann seine Telefongespräche natürlich auch
privater Natur abwickelt. Mir ist es in meiner langjährigen Lauf-
bahn niemals eingefallen, selbst zu wählen, weil ich hier eine
billige Verlockung sehe, auch private Gespräche entsprechend zu
führen. Dies kann man nur über Sekretärinnen oder Telefonzentralen
anmelden lassen. Ich bin neugierig, wieviele Anträge
Schipper hier bekommen wird.
ANMERKUNG FÜR BUKOWSKI UND WANKE: Bitte sich zeitgerecht darum küm-
mern, damit nicht nachher womöglich ich eine Entscheidung treffen
muss und entsprechend restringieren muss.
Kirchschläger berichtete ich über die Reise nach Ägypten und ins-
besondere über die nächsten Aktivitäten. Kirchschläger selbst möchte,
dass ich ihn auf seiner Polenreise vom 20.–24. Mai begleite.
Er hat diesbezüglich mit Bielka gesprochen, der unbedingt möchte,
dass ich daran teilnehme. Da Kreisky aber bis jetzt sich noch nicht
positiv geäussert hat, meint, es wäre zweckmässig aus Ersparnis-
gründen, dass die Delegationen nicht zu aufgebläht sind und bis
jetzt immer nur der Aussenminister den Bundespräsidenten begleitet
hat, dass eine Teilnahme nicht sehr zweckmässig ist. Meine Be-
gleitung Jonas's nach Paris und Rom betrachtet Kreisky als eine
Ausnahme. Ich werde mich auf alle Fälle nicht vordrängen, damit
nicht der Eindruck neuerdings entsteht, dass ich ununterbrochen
nur wegfahren möchte. Kirchschläger berichtet mir auch, dass in
Opernballgesprächen Lehner, aber auch andere ihm erklärt hätten,
dass Kreisky 1.– S Zuckerpreiserhöhung in Aussicht nimmt. Benya
hat mir eine solche Andeutung von einem Strakosch-Besuch bei
Kreisky gemacht. Ich habe Kirchschläger dezidiert erklärt, dass
ich in dieser Frage ein Kompromiss anstrebe, das eben auch von
ÖGB und AK akzeptiert wird. Kirchschläger, mit dem ich in seiner
Aussenministerzeit sehr gut zusammengearbeitet habe, versteht
meinen Standpunkt vollkommen, dass ich in der materiellen Arbeit
mir nichts dreinreden lasse.Formell ist es mir ganz egal, wie
dann die Frage nach aussen eben abgewickelt wird. Wenn der EG-
Vertrag fertig war, war es mir wirklich wurscht, ob Kreisky
nach Brüssel mitfährt, zur Unterzeichnung. Wenn ich den Zucker-
preis einvernehmlich erledigt habe, ist es mir ganz egal, wer
dann die Verhandlungsergebnisse verkündet. Ich wünsche nur nicht
eine Konfrontation mit irgendjemandem, auch mit keiner einzelnen
Interessensvertretung, solange es mir gelingt, ein Kompromiss
zu erzielen, das letzten Endes von allen akzeptiert wird.
Im Vorstand auf der Landstrasse konnte ich den Vertreter der JG
für die Aktivität und Unterstützung in der Zuckerpreisfrage danken.
Ohne dass ich von den Details wusste, hat hier dich die JG eine
Aktivität an den Tag gelegt, die auch wesentlich dazu beigetragen
hat, dass die Zuckerindustrie verhandlungsbereiter wurde. Präs-.
Habig hat mir die Flugblätter, die in der Opernpassage usw.
verteilt wurden, gezeigt und meinte, was ich dazu sage. Von der JG
habe ich dann erfahren, dass diese Flugblätter von einzelnen Ge-
schäftsleuten zur Erklärung, warum sie keinen Zucker habe, in
die Auslagen gepickt wurden. Wenn dies tatsächlich in grösserem
Ausmass zugetroffen ist, dann war das sicher ein schwerer Schlag
gegen die Handelskammer. Im Vorstand war die Meinung geteilt,
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ob die Bevölkerung mit dem jetzigen Zuckerversorgungsstand
sehr unzufrieden ist und mehr oder minder hinnimmt. Kapaun,
Betriebsratsobmann vom Bahnhof Erdberg, meinte, dort gäbe
es keine Unruhe und Schwierigkeiten wegen der Zuckerversorgung.
wegen der Zuckerpreiserhöhung dagegen wird es grosse Schwie-
rigkeiten geben. Andere wieder teilten meine Meinung, dass
insbesondere die Zuckerversorgung, wenn sie nicht bald wieder
normal ist, der Regierung schwer schaden kann, weil man dann
doch Vergleiche mit der Kriegs- und unmittelbaren Nachkriegszeit
zeihen wird. Die Opposition wird alles daransetzen, uns und
insbesondere mich dafür schuldig zu sprechen. Ich bin in Wirklich-
keit sehr froh, dass es jetzt endlich geglückt ist, dieses Kompro-
miss zu erreichen.
Tagesprogramm, 11.2.1975
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesordnung 151. Ministerratssitzung, 11.2.1975
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