Dienstag, 18. Feber 1975
Im Preisausschuss hat der Vertreter der Süsswarenindustrie erklärt,
dass durch die Zucker- und Mehlpreiserhöhung die Süsswaren jetzt
teurer werden, ohne dass die Zustimmung der Paritätischen Kommission
eingeholt wird. Dies hat die AK und den ÖGB sofort veranlasst von
mir zu verlangen, dass ich den § 3b anwenden sollte. Da die
Süsswarenindustrie aber nur eine Preiserhöhung von 3–5 % nur ver-
einzelt über 10 % erhöhen wollte, sah ich keine Möglichkeit, den
§ 3a – betriebswirtschaftlich nicht begründete Preise – feststellen
zu können. Die wäre der erste Fall gewesen, wo ich wahrscheinlich
schlecht abgeschnitten hätte. Ich habe deshalb sofort die Vertre-
ter der Süsswarenindustrie Ing. Riedl von Manner, den Fachverband
und die Handelskammer Farnleitner, die AK – Blaha und ÖGB – Schmidt
sowie Min.Rat Singer und Schmidt von der Abteilung Marsch zu einer
Aussprache gebeten. Es gelang mir, die Süsswarenindustrie zu über-
zeugen, dass es sich bei dieser Äusserung nur um ein Missverständnis
handeln kann und dass selbstverständlich das Preisverfahren in der
Paritätischen Kommission abgewartet wird. Bei dieser Gelegenheit
habe ich auch den Vertretern auseinandergesetzt, dass ich nicht
mehr bereit bin, auf mündliche Aussagen der Zuckerindustrie irgend-
welche aussenwirtschaftliche oder binnenwirtschaftliche Anordnungen
zu treffen. Ich werde auf alle Fälle nur mehr schriftliche Vorschläge
der Zuckerindustrie entgegennehmen. Einen diesbezüglichen Brief, wo ich
auf die Vorwürfe der Zuckerindustrie eingehe – Bachmayer hat hier
wirklich sehr gute Argumente geliefert – habe ich sogar handschrift-
lich noch vermerkt, dass ich in Hinkunft nur mehr schriftliche An-
träge von der Zuckerindustrie entgegennehme.
Im Ministerrat hat Androsch den Vorwurf, dass das Investitionspro-
gramm noch nicht abgeschlossen ist, den jetzt die Opposition er-
hebt, damit beantwortet, dass noch immer Besprechungen mit der
Industriellenvereinigung und der Handelskammer laufen. Die beiden
Organisationen aber sind im Konkurrenzkampf oder besser gesagt noch
im gegenseitigen Misstrauen soweit, dass sie sich nicht auf eine
einvernehmliche Lösung einigen können. Androsch versuchte deshalb
bei diesen Besprechungen zuerst zu einem Ergebnis zu kommen, bevor
er das Investitionsprogramm entsprechend der Regierung vorschlagen
wird. Die österreichischen Zeitungen berichten so falsch, dass sie
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z.B. die Meldung in der Financial Times, dass Österreich den Weltcup
für gute Wirtschaftsführung bekommen müsste, als bezahlte Anzeige
bezeichnen.
ANMERKUNG FÜR BUKOWSKI: Vielleicht könnten wir wirklich klären,
ob dies eine bezahlte Anzeige war.
Androsch hat zu meiner grössten Verwunderung einen mündlichen Vor-
trag in Form eines Wirtschaftsberichtes schriftlich vorgelegt, betref-
fend die wirtschaftliche Entwicklung im Jahre 1974. Er meinte, dass
damit kaum in der Öffentlichkeit grosse Erfolge zu erzielen sind, aber
man sollte doch nicht ungestraft immer wieder der negativen Kritik
nur zum Durchbruch verhelfen, indem man die positive Seite der Wirt-
schaft nicht herausstreicht. Ich weiss nicht, ob die angeführten Ziffern
den Tatsachen entsprechen, ich stelle mir vor, dass der ganze Bericht
vom Wirtschaftsforschungsinstitut erstellt wurde. Ich werde alle die
Ziffern prüfen lassen und wenn sich herausstellt, dass falsche darunter
sind, werde ich Androsch einen Brief schreiben und darauf hinweisen,
dass es doch vielleicht zweckmässiger ist, wenn wir solche Berichte
einvernehmlich erstellen. Nicht dass ich besonderen Wert darauf
lege, ebenfalls bei so einem Bericht aufzuscheinen, schliesslich könn-
te ich auch einen solchen verfassen, nur halte ich nicht allzu viel
davon, wohl aber, dass es notwendig ist, dass wir einwandfreie Ziffern
liefern. Das grösste Problem besteht doch darin, dass wir in Wirk-
lichkeit auch ins Parlament viel zu viele Berichte schicken, die Parla-
mentarier diese gar nicht aufarbeiten können, dadurch der Eindruck ent-
steht, wir blockieren das Parlament mit Berichten, ohne dass wir
wichtige Gesetze dann zum Beschluss bringen können. Zu den Wohnungsver-
besserungsgesetzen von Moser hat Androsch vorgeschlagen, dass die
steuerliche Anpassung im Nationalrat in den Ausschussitzungen vorgenom-
men werden soll. Ob eine solche Vorgangsweise zweckmässig ist, kann
ich nicht beruteilen. Ich fürchte nur, dass wenn wir in der Regierung
jetzt wichtige Gesetze nicht vorher in einzelnen abstimmen, die Gefahr
besteht, dass dann im Parlament drüben natürlich konträre Standpunkte
umso leichter herausgelesen werden können.
Im Unterausschuss des Handelsausschusses über das Berggesetz wurden die
Vereinbarungen, die Mock mit der Landwirtschaftskammer, aber auch mit
der Arbeiterkammer und der Gewerkschaft der Metallarbeiter getroffen
hat, nach längerer Debatte angenommen. Mock hat mit diesem Berggesetz
wirklich legistisch eine gigantische Lösung vollbracht. Durch seine
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Genauigkeit, durch seine ständigen Kontakte und Rücksprachen mit
den Interessensvertretungen, den anderen Ministerien und vor allem
auch den Wissenschaftlern hat er einen Entwurf zusammengestellt,
der überall Zustimmung fand. Die bei der letzten Aussschussitzung
festgelegten Experten haben deshalb auch im Grossen und Ganzen
diesen Entwurf so übernommen und zugestimmt, wie ihn Mock erarbeitet
hat. Die Arbeiterkammer – Mold – wollte nur noch eventuell, dass
für den ärztlichen Dienst, wo lt. Arbeitnehmerschutzgesetz 750 Be-
schäftigte notwendig sind, dass wir hier eine entsprechende Reduk-
tion vornehmen. Da aber die Bergwerke wahrlich nicht mit zusätzlichen
Posten belastet werden sollen, haben wir diesen Vorschlag nicht aufge-
griffen. Alles andere konnte einvernehmlich geregelt werden. Damit
wurde neben der Gewerbeordnung noch das Berggesetz im letzten
Moment über die Bühne gebracht. Mock hat vier Jahre fast daran gear-
beitet. Ob es ein gutes Gesetz wird, wird erst die Zukunft weisen.
In Feichtenbach ist die Wiener Metallarbeiter-Fraktion alle
Jahre zu einem Kurs. Benya hat vor mir referiert. Nach mir Kreisky.
Im vorigen Jahr war sogar von dort aus über Fernsehaufzeichnungen
diese Veranstaltungen allgemein bekannt geworden und hat Gelegenheit
gegeben, die gemeinsame Linie Gewerkschaft – Benya und Partei – Kreis-
ky herauszustreichen, aber auch gewisse differente Auffassungen
dort in freundschaftlicher Weise zu diskutieren. Ich habe mich
hauptsächlich auf die Preissituation und auf die Indexerstellung mit
mehreren Beispielen ausgestattet und sehr humorvoll vorgetragen,
gestützt, und auch allgemeine Zustimmung gefunden. Czettel, der
Obmann der Wiener Metallarbeiter, war wie er sagte von meinem
Vortrag und der Art der Darstellung begeistert. Dies ist sicher-
lich stark übertrieben, aber mit Hilfe von ein paar Schmähs kann
man auch trockene Materie ganz interessant vortragen.
Überrascht wurde ich, als mich der ORF anrief und mich ersuchte,
ich sollte zu einer Diskussion mit Lanner unbedingt sofort kommen.
Ursprünglich hatte für diese Diskussion Gratz zugesagt, er hätte
aber jetzt Terminschwierigkeiten. Ich habe Kreisky gefragt, ob er
resp. sein Pressereferent Kunz, der mit war von einer solchen Dis-
kussion etwas weiss, was aber beide verneinten. Kreisky war natür-
lich nur so wie ich der Meinung, man sollte Lanner unter keinen
Umständen allein lassen. Im Studio war ich dann nicht wenig über-
rascht, als sich herausstellte, dass es sich hier um eine
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Kabarett-Sendung handelt, wo vorgesehen war, dass zuerst Koren,
der aber dann Lanner schickte, Zeillinger, der schon seit eh und je
vorgesehen war und Gratz in Wirklichkeit in zwei Minuten jeder einen
Witz erzählen sollte, worüber die anderen nicht lachen sollen.
Ich war mir sofort im Klaren, dass ich dabei nicht nur den kürzeren
ziehen musste, sondern auch selbst wenn ich einen Schleinzer-Witz
bringen würde, nur Schleinzer aufwerte und den beiden anderen aber
Gelegenheit gebe, über Kreisky entsprechende Witze zu machen.
Ich schlug deshalb sofort vor, es ist doch viel humorvoller,
wenn wir die Rollen vertauschen. Zeillinger soll als Regierungs-
partei die Regierung verteidigen, ich werde angreifen und zwar
dass man zu wenig für die Landwirtschaft tut und Lanner soll sich
für die Konsumenten und die städtische Bevölkerung einsetzen. Als
typisches Beispiel hätte ich den Zuckerpreis gewählt. Lanner hat
sofort abgelehnt und gemeint, er könne in der kritischen Situation
in der sich jetzt die Landwirtschaft mit der Durchsetzung dieses
Zuckerpreises in ihren eigenen Reihen befindet, seinen Mitgliedern
so etwas nicht zumuten. Wir einigten uns daher auf eine allgemeinere
Diskussion. Vor uns war das Studio noch besetzt, weil der Hauptdarstel-
ler von der Onedin-Linie, der Engländer, der extra von London einge-
flogen wurde, in einer Badewanne mit einem Schiff spielte während
drei Mädchen sich entkleideten und dann zu ihm in die Badewanne
stiegen, er sich aber nur für das Schiff interessierte, heraus-
stieg und verschwand. Diese Szene, die ungefähr dreimal so lang war
wie unsere, kostete den Rundfunk leicht 100.000 S. Ich sagte deshalb
dort vor allen, da sieht man, wie es zum Unterschied bei Politikern
billig kommt, wenn man von denen einen Sketch will. Die machen sich
ihre Drehbuch selbst, wirken natürlich kostenlos mit und müssen
oft die Ideen auch bringen. Ob das Stück gut ankommt, weiss ich
nicht. Als wir uns die MAZ dann anschauten und allgemein einen Riesen-
beifall damit erreichten, meinte ich nur zum Schluss, das einzige
Ergebnis werden drei Parteischiedsgerichte sein. Ich verstehe nur
nicht, wenn man eine solche Sache anfängt und Dvorak, der immerhin
dort die Hauptrolle spielt und als sozialistischer Kabarettist sich
immer wieder für die Partei einsetzt, wie man ihn dann im letzten
Moment so hängen lassen kann. Andererseits dürfte sich in der Partei
vom propagandistischen Standpunkt überhaupt niemand mit dem Problem
beschäftigt haben, sonst könnte man sich doch nicht auf eine solche
Witzeerzählerei einlassen.
ANMERKUNG FÜR KOPPE: Wer koordiniert ist, wer ist dafür verantwortlich
und wie soll man in Hinkunft dies besser machen?
In der Sektionsleitersitzung in der Landstrasse gibt es immer
noch das Problem, dass unsere Genossen ungläubig zur Kenntnis
nehmen, wenn andere und nicht ich erklären, dass uns die umliegenden
Staaten um unsere Wirtschafts- und Sozialpolitik beneiden. Ich bin
daher nicht ganz sicher, ob unsere verschiedensten Bemühungen bei
der Bevölkerung gut ankommen. Vielleicht geben wir uns hier einer
Illusion hin. Sicher ist, dass jetzt die Arbeitslosigkeit ein
gewisses Unruhe-Moment in die Wirtschaft bringt und damit auf
der einen Seite zur Arbeitsmoral sicherlich beiträgt, auf der
anderen Seite aber den Vorwurf der Regierung bringt, nicht genug für
die Vollbeschäftigung zu tun. Ein Vergleich mit den grossen Arbeits-
losenziffern in Italien oder Deutschland oder sonst in Westeuropa
hilft uns in dem Fall nur sehr beschränkt. Wehe uns, gelingt es nicht
bis zum Ankurbeln der deutschen Konjunktur, die ich Mitte des Jahres
erwarte, die Vollbeschäftigung zu halten.
Tagesprogramm, 18.2.1975
Tagesordnung 152. Ministerratssitzung, 18.2.1975
24_0208_03hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)