Samstag, 10. Mai 1975
Bei der Schiffstaufe vom Sportklub Handelsministerium durch meine
Frau, traf ich auch das Vorstandsmitglied MR Steiger. Zu meiner
größten Verwunderung stellte ich fest, daß er von dem Brief einer
Textilfirma nichts wußte. Vor nicht allzu langer Zeit hatte sich
eine Textilfirma hilferufend an uns gewandt, weil die Belgier eine
Kontingentierung ihrer Textileinfuhr vorgenommen haben. Die Firma
ersuchte, wir sollten dringend ihr Nachricht geben, was an dieser
Behauptung wahr sein und welche Maßnahmen ergriffen werden. Ich
hatte selbstverständlich angenommen, daß die Sekt. II diesen Brief
zur Bearbeitung bekommen hat. Steiger nimmt an, daß ihm Dinzl als
Sekt.IV, d.h. Industriesektion bearbeitet. Dinzl ist aber meistens
gar nicht anwesend. Ich kann mir daher sehr gut vorstellen, daß
dieses Schreiben wochenlang wird wieder herumliegen. Steiger wurde
aber von anderer Seite bereits auf diese Vorgangsweise Belgiens
aufmerksam gemacht und hat deshalb bereits unsere Botschaft in
Brüssel, SChef Reiterer angeschrieben, er möge sich sofort erkundi-
gen, was dahintersteckt. Ich bin überzeugt, daß die Handelskammer
längst bereits weiß, um was es sich dabei handelt, resp. was an
dieser Behauptung richtig ist. Bei uns ergibt sich womöglich eine
lange und breite Diskussion über die Kompetenz. Der Vertreter von
Union Ruderklub, der ebenfalls anwesend war, seinen Namen habe ich
nicht ganz mitbekommen, hat mir nachher gratuliert wie gut ich immer
informiert bin und welch positiven optimistischen Eindruck ich
im Fernsehen zu allen Fragen habe und mache. Wenn der wüßte, wie
es wirklich um die Informationen in unserem Haus bestellt ist und
wie lange es dauert bis wirklich eine Information zu mir kommt.
Siehe obiges Beispiel.
ANMERKUNG für REIM: Wie steht die Angelegenheit, wann erfahren wir
etwas über das Schreiben, wann bekommt die Firma endlich Bescheid.
Wir müssen unser Informationssystem glaube ich ändern. Wenn tat-
sächlich die anderen Staaten schön langsam anfangen sich für Textil-
importe Maßnahmen vorzubereiten und einzuführen, wonach gewisse
Beschränkungen erfolgen, müssen wir nicht erst dann über dieses
Problem informiert sein, wenn es in Kraft tritt, sondern schon
aus Vorbereitungen entsprechende Informationen bekommen. Unsere
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Textilindustrie kämpft derzeit auch sehr mit den Import aus
Billigstländern, aber auch aus normalen Handelspartner-Ländern.
Im selben Moment, wo woanders Maßnahmen eingeführt werden, kommen
sie natürlich sofort an das Handelsministerium und werden ähnliches
verlangen. Wenn wir uns erst dann entsprechend informieren, kann
Gefahr bestehen, daß wir irgendwelche Entscheidungen treffen
ohne daß wir dies eigentlich wollten, da man uns einredet dort
und da geschieht schon etwas und bei uns geschieht gar nichts.
Andererseits kann man aber der österreichischen Textilindustrie
nicht zumuten, wenn die anderen Staaten Maßnahmen setzen, daß
wir dann zuwarten bis wir erst die Informationen haben und ich
weiß nicht, was alles erst in internalen Foren besprochen haben.
Hier müssen wir einen neuen Weg gehen. Die Handelskammer hat mit
ihren Außenhandelsstellen scheinbar ein besseres Organisations-
system und erfährt etwas früher die ganzen Maßnahmen. Wir
sind mehr oder minder dann darauf angewiesen was die Firmen uns
mitteilen. Wenn die Firmen aber bemerken, daß wir weniger wissen
als die Handelskammer, wenn die Firmen vielleicht sogar noch be-
merken, daß es bei uns dann monatelange dauert bis überhaupt eine
Information eintrifft, so werden sie diesen neuen Weg, sich auch
mit dem Handelsministerium sofort in Verbindung setzen, wieder
aufgeben. Die Meinung der Firma wird sein, es hat sowieso keinen
Zweck, dort erfährt man nichts, die kümmern sich nicht um mich.
ANMERKUNG für WANKE: Bitte in der Grundsatzgruppe ein neues System
mit der Handelskammer und den anderen Interessensvertretungen gemein-
sam diskutieren.
Bei der Schiffstaufe hat Kneissler ungeheuer geschickt die Leute dort
davon überzeugen wollen, welch guter kooperativer und ich dem Sport
zugeneigter Minister bin. Ich glaube zwar nicht, daß es auch nur
den geringsten Einfluß auf irgend welche Wahlentscheidungen der
immerhin einigen Dutzend betragenden Mitglieder der Sektion Ruderer
und gleichzeitig auch Mitglieder des Handelsministeriums, aber auch
anderer Ministerien war, doch macht sich ja vielleicht die so positiv.
Einstellung und vor allem der riesige Aufwand an Zeit, den ich den
Sportverein widme, vielleicht bezahlt.
Kneissler war sehr erschüttert, daß ich zur Generalversammlung nicht
kommen kann, weil ich an diesem Tag mit Patolitschew nach Steyr
fahre. Er ersuchte mich, ob ich nicht bei Kirchschläger interveniere,
daß eventuell der Bundespräsident einen Sprung zur Generalversamm-
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lung kommen kann. Dies habe ich ihm zugesagt. Gleichzeitig werde
ich ihm ein Entschuldigungsschreiben mit den besten Grüßen über-
mitteln.
ANMERKUNG für WIESINGER: Bitte Kneissler selbst fragen, welcher
Art er dieses Schreiben haben will. Er kann eventuell einen Ent-
wurf vorschlagen.
Wie gefährlich ein Politiker lebt, habe ich bei der Bootsfahrt
wieder festgestellt. Selbstverständlich ist das neue Boot raus-
gefahren, die anderen haben ihm begleitet, mich mit meinen glatten
Lederschuhen, wie ich erst zu spät bemerkte, schickte man auf
ein anderes Boot, nicht daß ich ins Wasser gefallen bin, sondern
auf den glatten Bootskörper bin ich natürlich ausgerutscht und ganz
schön aufs Kreuz gefallen, daß ich momentan paar Minuten gar keine
Luft bekommen habe. Bemerkt hat es aber niemand außer die unmittel-
bar in der Nähe waren und die glaubten mein Kreuz sei ab. Normal
läßt man jemand mit solchen Schuhen gar nicht ein Boot betreten
entweder fährt man barfuß oder man hat Gummischuhe, aber einen
Prominenten kann man das nicht zumuten und damit ist es schon
passiert.