Mittwoch, 18. Juni 1975
Bielka verständigt mich, dass bei Verhandlungen in New York über
die Indexierung von Rohstoffen für Ölländer er der Delegation
eine Weisung geben möchte, dass wir uns sehr rezeptiv verhalten.
Die Handelskammer lehnt dies ganz kategorisch ab und auch die Ver-
treter der Ministerien incl. Handelsministerium haben diese Stel-
lungnahme interministeriell vertreten. Bielka hat vom aussenpoliti-
schen Standpunkt grösste Bedenken, dass wir so wie die Amerikaner
oder die Deutschen uns gegen diese Indexierung so energisch aus-
sprechen. Mir ist es unerklärlich, wie ein Vertreter des Handels-
ministeriums, ohne dass ich davon etwas weiss, eine so bedeutende
Stellungnahme interministeriell abgeben kann.
ANMERKUNG FÜR BUKOWSKI: Wer war unser Vertreter, wer hat intermini-
steriell diese Stellungnahme abgegeben, ohne eine entsprechende In-
formation vorher von bekommen zu haben.
In Genf wird im Rahmen der UNDB über den Sonderfonds für Suez-
kanalausbau verhandelt. Kreisky hat Sadat zugesagt, dass sich Öster-
reich mit 5–10 % daran beteiligen wird. Kreisky glaubte, dies
gehe auf Kreditbasis. In Wirklichkeit aber bestätigt mir auch Vesels-
ky, dass es sich hier nur um Geschenke handeln kann. Insgesamt
haben die Ägypter Projekte für 3,3 Mia. Pfund, das sind 100 Mia S
vorgelegt. Eine gigantische Summe mit den verschiedensten Projekten
für die ganze Suezkanalzone, wer dies finanzieren soll, ist mir
ein Rätsel und wie die österreichische Beteiligung aussehen wird
noch viel mehr.
Die Verhandlung mit den Baufirmenvertretern-Arbeitsgemeineschaft ,
die die Untertunnelung des Suezkanalprojektes anbieten werden, zeigt
mir einmal mehr, wie schwierig es ist, konkrete Verhandlungen zu füh-
ren. Die Firmen sind zu Verhandlungen jederzeit bereit, erwarten
nur die entsprechenden Unterlagen über geologische Verhältnisse
usw. und vor allem aber wie mir Freibauer dann unter vier Augen
sagt, dass man ihnen auch die Planungskosten ersetzt. Ich glaube,
dass wir beim Tunnelbau die grösste Möglichkeit haben, unsere
Firmen einschalten zu können. Da angeblich 5 Tunnels gebaut werden,
müsste es wenigstens möglich sein, eines davon für Österreich
zu bekommen. Wir einigen uns darauf, dass wir den Wiederaufbauminister
Osman auf alle Fälle zuerst, bevor wir die Verhandlungen beginnen,
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die U-Bahnbauten besichtigen lassen. Da der Tunnel 1,5 bis 2 Mia. S
kosten wird und die Planungskosten ca. 3 % ausmachen, müsste, wenn wir
die Planungskosten übernehmen der Finanzminister über die Entwicklungs-
hilfe 60 Mill. S bereitstellen.
Das 5. Konsumentenforum war für mich überraschend wirklich ein voller
Erfolg. Über 300 Beteiligte, eine sehr rege Diskussion und doch
kein wirkliches Streitgespräch. Selbst die ÖVP-Vertreterin Fuchs,
die Konsumentensprecherin der ÖVP, hat nur schwach wegen der Preis-
entwicklung angegriffen. Dabei machte sie gleich den Fehler zu er-
klären, dass die Gemeinde Wien jetzt wieder eine Strom- und Gaspreis-
erhöhung beabsichtigt. Indem ich auf die Preisentwicklung bei anderen
europäischen Staaten hinwies, konnte ich dem Forum als Entschuldigung
noch sagen, ich hätte die Preisentwicklung deshalb ausgeklammert,
weil ich keine Parteipropaganda machen wollte. Da nach den letzten
OECD-Bericht wir für die vergangenen 12 Monate mit 8,6 an der zweiten
Stellen nach der Bundesrepublik mit 6,1 % Verbraucherpreisindex-Stei-
gerung liegen. Noch leichter war es den Angriff der KP-Frau Rihacek
abzuwehren, die entweder falsche Ziffern aufgeschrieben bekommen hatte
oder sich versprochen hat. Auch die Arbeit in den Arbeitskreisen war
sehr intensiv, wo Eva Preiss Vorsitzende war, gab es 82 Diskussions-
redner, in der Mehrzahl sogar Frauen, genauso wie bei meiner Diskus-
sion, was also deutlich zeigt, dass hier ein grosses Interesse auch
von den Zuhörern bestand. Wieso bei einer solchen überparteilichen
Veranstaltung das Fernsehen fehlte, ist eigentlich ein Rätsel.
ANMERKUNG FÜR KOPPE: Was geht im Fernsehen wirklich vor?
In der Pressekonferenz fragte Dunner, Konsumverband, ehemaliger
Kurierredakteur, was LAbg. Ebert als Obmann der Sektion Handel und
insbesondere Schönbichler als Obmann der Bundessektion Handel zu dem
Problem der Nahversorgung meint. Die Bundeskammer plädiert für eine
Reglementierung der Grossmärkte oder Diskonter, Kettenläden usw.
von 600 bis 2.500 m² einem Genehmigungsverfahren zu unterwerfen.
Zum Glück hat die Handelskammer sich entschieden, dass man bei den
Landesregierungen d.h. den Landeshauptleute solche Reglementierungen
verlangen sollte. Schönbichler begründete dies, dass man den örtlichen
Verhältnissen in den Ländern mehr Rechnung tragen kann. Ich verpflich-
te mich im Forum nur, dass wir diesem Problem der Nahversorgung unser
grösstes Augenmerk zuwenden werden. Unter gar keinen Umständen möchte
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ich, dass wir uns in die Diskussion jetzt der Landeshauptleute
mit den Handelskammer und vor allem einmal mit den Vorschlägen,
die sie untereinander derzeit austauschen, einschalten. Dies wird
ein ähnlich heisses Eisen wie die Ladenschlussgesetzgebung. Wir
müssen deshalb nach wie versuchen, dass es auf der Landesebene
bleibt.
Zolles, ÖFVW, hat angerufen und mir mitgeteilt, dass im Burgenland
die Absicht besteht, den dortigen Vertreter Hofrat Tschach in der
Landesverwaltung einen Direktorenposten zu geben. Tschach ist unschlüs-
sig, ob er diesen annehmen soll. Da Zolles meint, wir brauchen den
Mann dringend in der Fremdenverkehrssparte, erkläre ich mich bereit,
mit Sinowatz darüber zu reden.
Der neue Landesrat für Fremdenverkehr in Kärnten Brunnenfeld-Ferrari
hat bei einer werbewirtschaftlichen Woche in Innsbruck zu erkennen
gegeben, dass er für die ÖFVW nicht allzu viel übrig hat. Er möchte
sogar das Budget von Landesseite her für den Beitrag zur ÖFVW kürzen.
Wenn dies der Fall ist, könnte ein so kleines Land auslösen, dass
auch die anderen Bundesländer, die Handelskammer und vor allem einmal
auch der Bund weniger für die ÖFVW leisten. Anstelle einer Erhöhung
des Budgets käme es zu einer Kürzung. Eine solche Gefahr sehe ich
zwar nicht, doch wird die Erhöhung erschwert durchzusetzen sein.
Bei der Aussprache Regierungsmitglieder – Parteipräsidium geht es
primär um Länderfragen und Länderwünsche. Vogl vom Burgenland er-
läutert die Methode, wie sie die Bundesleistung gegenüber dem Bun-
desland Burgenland besonders herausgestrichen haben. Dabei kommt
allerdings zum Ausdruck, dass die Burgenländer über den Arlberg-
Tunnel z.B. nicht sehr glücklich sind, da sie meinen, man hätte
viel mehr noch für die sozialistisch geführten Bundesländer machen
können, wenn man nicht so Riesenprojekte in Angriff genommen hätte.
Insbesondere aber wehrt er sich gegen die Methode der Subvention
bei der Landwirtschaft. Da es Weihs nicht gelungen ist, die Subventi-
onsmethoden zu ändern, erschient noch immer jedweder Zuschuss als eine
Leistung der Landwirtschaftskammern, da die Auszahlung über diese
erfolgt. Nur ein geringer Prozentsatz der Bauern weiss, dass dies
eigentlich Bundesmittel sind. Kreisky meint, dass der Arlbergtunnel
aus verkehrstechnischen Gründen um in 4 Monaten des Jahren überhaupt
den Verkehr insbesondere den Güterverkehr aufrechterhalten zu können,
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notwendig war. Bezüglich der Landwirtschaftssubventionsmethoden
stimmt er Vogl zu.
Sebastian beschwert sich wieder, dass die 50 Mill., die bis jetzt
den Länderbühnen gegeben wurden, den Ländern jetzt gekürzt werden,
weil Wien, das 12 Mill. S auf Grund eines Verteilungsschlüssels
erhalten könnte, heuer tatsächlich die 12 Mill. S verlangt.
Nach Auffassung der Ländervertreter hätten sie sich seinerzeit ge-
einigt, das nur der Theatererhaltungsverband, wo nur Landesbühnen
organisiert sind, die Verteilung vornehmen soll. Androsch erwidert
sofort, dass im Finanzausgleich der Zweckzuschuss von 50 Mill.
taktiert wurde. Dadurch hätte, wenn Wien nicht freiwillig ver-
zichtet, auch Wien, aber auch St. Pölten, welches ein Privat-
theater führt, ein Recht auf den normalen Aufteilungsschlüssel.
In der ÖVP-Zeit wurden nur 15 Mill. S gegeben und es war eine
reine Ermessenssache, jetzt ist es eben mit Zustimmung der Länder
taktiert und daher müssten es die Ländern selbst aufteilen und nicht
bei ihm intervenieren. Ein Wiener Vertreter, Gratz oder ein Stell-
vertreter von ihm, war nicht anwesend, was sich in einem solchen Fall
als Nachteil entpuppt. Ein weitere Beispiel der schlechten Koordi-
nierung war, dass die Länder sich beschwerten, dass in Wien eine
Bundesregelung mit den Ärzten getroffen wurde, dass sie 5.400 S
für Samstag/Sonntag-Dienst bekommen. Lausecker erklärte, dass
dies nicht stimmt, da der Bereitschaftsdienst nur mit 40 % der Über-
stunden abgegolten wird. In Wirklichkeit aber dürften die Klinik-
vorstände den normalen Samstag- und Sonntagsbereitschaftsdienst
als volle Dienstleistung anordnen und daher die normale Bezahlung
plus 100 % Überstunden und Sonntagzuschlag noch zur Auszahlung
gelangen, was tatsächlich dann diesen Betrag ergibt. Ansonsten aber
konnte mit Recht darauf verwiesen werden, dass die Länder viel höher
Personalleistungen in allen Gebieten erbringen als der Bund. Hier
zeigte sich für mich deutlich, wie wenig eine Koordinierung in Wirk-
lichkeit erfolgt.
Auch bezüglich der Angestellten, d.h. der Beamteneinstellung sind
die Länder teilweise grosszügiger als der Bund. 1968 hat die
ÖVP-Regierung um bezüglich einer Verwaltungsreform gut dazustehen,
die Strassenwärter und sonstige Strassen- und Autobahnbedienstete
dem Landesdienst überwiesen. In der Steiermark sollen dies allein
500 gewesen sein. Die Bedienerinnen wurden in den Sachaufwand
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transferiert, indem man die Reinigungsfirmen beauftragte, die Gebäude-
reinigung durchzuführen. Beim Bundesheer und bei der Gendarmerie wurden
die freien Dienstposten, die man nicht besetzen konnte, ganz einfach
gestrichen, dadurch ergaben sich die 7.000 Dienstposten, die einge-
spart wurden. Auch hier zeigte sich für mich, dass eine Koordinierung
scheinbar sehr schwer ist. Das Hauptproblem liegt darin, dass
die Länder doch ihre eigene Politik machen und nur gelegentlich, wenn
irgendwo etwas ganz besonders unangenehmes passiert, dann der Bund ent-
weder informiert, in den meisten Fällen aber angegriffen wird.
So steht z.B. Winder von Vorarlberg auf dem Standpunkt, obwohl die
ÖVP die Schwangerschaftsunterbrechung in Vorarlberg verhindert, dass
Wien daran schuld ist, weil es entsprechende Einschaltung von Vorarl-
berger Stellen verlangt, bevor die Schwangerschaftsunterbrechung hier
erfolgt. Die ÖVP verhindert also in Vorarlberg die Durchführung des
Gesetzes, die Vorarlberger Frauen sind in einem Notstand, wollen es
sich verständlicherweise in Wien richten, werden hier auch entspre-
chend berücksichtigt, der Vorwurf aber über diesen Zustand trifft dann
trotzdem die SPÖ. Dies ist tatsächlich eine unleidige Sache. So
propagandistisch wir dabei aber unter die Räder kommen sollen, ist
mir ein Rätsel. Bei Straffreiheit bei Schwangerschaftsabbruch zeigt
sich jetzt deutlich ein Umschwung. Dies trifft zumindestens von den
betroffenen Kreisen zu. Früher oder später werden sicherlich auch
die Spitalsverwaltungen in den westlichen Bundesländern ihre Meinung
zu dem Schwangerschaftsabbruch ändern. In Wien stellt sich heraus,
dass sich immer mehr Ärzte bereiterklären, diesen durchzuführen.
Aus den Diskussionen mit Ländervertretern, mit Genossen oder eventuell
auch Gegnern, muss ich immer wieder feststellen, dass die grösste
Schwierigkeit in der Abgrenzung der Kompetenzen und in der Koordination
der Politik liegt. Die Länderkoordination auf parteipolitischer Basis
ist schon schwierig. Unmöglich wird sie fast mit den 9 Bundesländern.
Wäre Kreisky nicht durch das Vertrauen der Bundesländer in die Partei-
spitze berufen worden, so hätte er als Bundeskanzler jetzt irrsinnig
grosse Schwierigkeiten.
Die Agrarische Informationszentrale hat über die APA ausgesendet,
dass die Preiskommission den Milchpreis mit 42 bis 60 gr fixiert hat.
Zum Glück hat mich der Redakteur von der Neuen Zeit Babourek angerufen
sonst hätten wir dies wahrscheinlich – wenn überhaupt – zu spät er-
fahren, Wir haben sofort eine Richtigstellung hinausgegeben, da es
sich hier nur um Berechnungen in der Vorprüfungskommission handelt,
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die bis jetzt als vertraulich galten und keinesfalls dazu benützt wer-
den, in der Öffentlichkeit schon Stimmung zu machen für einen wesent-
lich höheren Milchpreis, als man allgemein erwartet. Ja selbst die
vernünftigen Bauernvertreter erwarten können. Kurzel, der mit
dieser Tatsache konfrontiert wird, ist über die Illoyalität
der Bauernvertreter sehr erschüttert. Er stimmt deshalb auch der
Formulierung, die Puffler bezüglich einer Berichtigung vorschlägt,
zu. Im Fernsehen stelle ich aber bei den 11-Uhr-Nachrichten fest,
dass man dort nur die AIZ-Information gibt, keinesfalls aber unsere
Berichtigung.
ANMERKUNG FÜR BUKOWSKI: Bitte prüfe, wieso dies möglich ist, dass
nicht einmal unsere offiziellen Berichtigungen beim ORF im Fernsehen
akzeptiert werden.
Kurzel erklärt mir streng vertraulich, dass er mit seinem Du-Freund
Präs. Lehner über die Milchpreis- und Getreidepreisverhandlungen
unter vier Augen gesprochen hat. Lehner hätte ihm mitgeteilt, er
kann dies keinesfalls offiziell tun, dass er 25 gr für den Milch-
preis erster Qualität Erhöhung erwartet. Zweite Qualität 20 gr,
dritte Qual. 10 gr. Ich erkläre sofort rundweg, dass ich eine solche
Zusage auch über Kurzel an Lehner nicht geben werde. Mir erscheint
der Preis von 25 gr zu hoch und wir werden sehen, was der Agrar-
gipfel am Freitag bringt. Wenn Lehner einer Milchpreiserhöhung
zustimmen könnte, die wir vereinbaren, dann wäre dies eine andere
Sache. Kurzel erklärt aber sofort, dass eine Zustimmung auf gar
keinen Fall in Frage kommt, wie hoch auch immer der Milchpreis
sein wird, den die Regierung festsetzt.
Bei Getreide verhält es sich so, dass Lehner einsieht, da Kurzel
sich gegen jedwede Preiserhöhung auch aus seiner innersten Über-
zeugung ausspricht, dass eine Roggenpreiserhöhung unter gar keinen
Umständen in Frage kommt, weil, wie Kurzel behauptet, dadurch der
Mehl- und insbesondere Brotpreis zu stark beeinflusst wird. Bei
Weizen möchte aber Lehner wenigstens 10 gr Preiserhöhung bekommen.
Kurzel meinte man könnte die vorhandenen Mengen kontingentieren
und dadurch die Preiserhöhung für den Verbraucher bei Semmel und
Mehl auf den Jänner nächsten Jahres verschieben. Ich spreche mich
gegen eine solche Regelung aus und verweise darauf, dass wenn
man den Weizenpreis allein unbedeutend erhöhen möchte, die beste
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Lösung wäre wie seinerzeit Leopold vom Getreideausgleichsfonds
vorgeschlagen hat, nur den Qualitätsweizenpreis erhöhen, den mehr
oder minder dann die Mühlen übernehmen könnten.
ANMERKUNG FÜR BUKOWSKI: Pleschiutschnig soll uns den seinerzeitigen
Leopold-Vorschlag verschaffen. Bitte auch Blaha, Arbeiterkammer, fra-
gen.
Tagesprogramm, 18.6.1975