Donnerstag, 3. Juli 1975
Der Holländer, Vizepräsident Noordhof von Philips erhielt von mir
eine hohe österreichische Auszeichnung. Bei dieser Gelegenheit dankte
ich Philips, dass sie in Österreich die Investitionen und Errichtung
von neuen Fabriken durchgeführt hatten. Noordhof war wesentlich dran
beteiligt, insbesondere an der Errichtung des Farbfernsehwerkes in
Lebring. Philips hat derzeit grosse Absatzschwierigkeiten und
tausende Kurzarbeiter in den anderen Ländern. Österreich hat Philips
mit dem Betriebsrat vereinbart, dass im August eine freiwillig längere
Urlaubswoche angeschlossen wird und die Betroffenen 75 % ihrer
Löhne erhalten. Der Betriebsrat ersuchte mich auch, dafür mich zu
bedanken, was ich natürlich gerne machte. Reim hatte Gelegenheit, den
österreichischen Generaldirektor kennenzulernen. Dieser beklagte sich
insbesondere, dass von Japan jetzt eine sehr starke Konkurrenz
und was noch viel schlimmer ist, Anbote kommen, die kaum österr.
Kosten insbesondere Löhnen vergleichbar sind. Noordhof bemerkte, dass
die Japaner sehr viele mächtige Firmen wie Sony usw. haben, die
auf riesigen Lagern sitzen und deshalb unter allen Umständen ihre
Produkte verkaufen müssen. Sekt.Chef Meisl soll erklärt haben, er
würde sich für entsprechende Lösungen einsetzen.
ANMERKUNG FÜR REIM: Bitte feststellen, was hier vereinbart wurde.
Der neue amerikanische Botschafter Buchanan, den ich vor Monaten bei
einem Essen getroffen habe und den wir genauso sagten, ein formeller
Antrittsbesuch sei nicht notwendig, kam jetzt mit seinem Handelsrat,
um eine Delegation in die Staaten einzuladen. Dort sollte über die
Atomkraftwerke insbesondere wie ich dann vorschlug über die Sicher-
heit bei Atomkraftwerken eine Studienreise durchgeführt werden. Er
übergab uns eine Liste, wo allein von Energiesektion 4 Leute vorge-
sehen waren. Ich bedankte mich für diese Einladung, halte auch eine
Studienreise, die sich tatsächlich mit den Sicherheitsproblemen beschäf-
tigt für zweckmässig, glaube aber nicht, dass wirklich so viele fahren
müssen, ja wahrscheinlich gar nicht fahren können, weil ansonsten die
Arbeit hier liegenbleibt. Frank erwiderte mit Recht, dass die Durch-
führung dieser Reise dem Bundeskanzleramt obliegen würde. Da es sich
um eine interministerielle handelt. Ich glaube auch, dass amerikanische
Firmen, die ansonsten Beamte sehr gerne einladen, um sie für ihre Pro-
dukte zu gewinnen, wissen, dass es wahrscheinlich äusserst schwierig
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ist, diesen bis jetzt eingeschlagenen Weg fortzusetzen. Ich kann
mit sehr gut vorstellen, dass sie sich deshalb hinter den amerika-
nischen Staat gestellt haben, der jetzt eben die entsprechenden wich-
tigen Leute der Ministerien einladen soll. Als sich IBM um die Compu-
terisierung Österreichs und insbesondere der Verwaltung interessierte,
haben sie einzelne Beamte eingeladen. Kreisky hat damals mit Recht
auf diese unmögliche Situation verwiesen. Ich bin mir nicht ganz klar,
ob die Amerikaner daraus nicht den Schluss gezogen haben und jetzt der
Staat einspringt. Ich mache diese Politik nämlich bei Einladungen
ausländischer Minister für österreichische Firmen bereits seit
Jahren, warum könnten nicht auch die Amerikaner auf dieselbe Idee
verfallen sein. Wenn also eine Delegation auch mit Beteiligung von
Handelsministeriumsleuten in die Staaten fahren, dann soll dies optisch
für mich auch dazu dienen, dass ich auch Studienreisen befürwortet
habe, nur um die Sicherheit von Atomkraftwerken zu studieren.
Kreisky hat für die Bundestagsdelegation ein Frühstück gegeben und
bei dieser Gelegenheit einen reichen Ordenssegen der höchsten österr.
Orden über die Delegation ergossen. Kreisky hat freimütig dabei bekannt
dass so wie in Deutschland wir auch in Österreich strenge Ordensregeln
haben und deshalb nach gewissem Schema vorgegangen wird. Es müssen
riesig hohe Orden gewesen sein, denn trotz meiner fünfjährigen Ver-
teilung habe ich noch niemals solche Exemplare gesehen, geschweige
denn verteilen können.
ANMERKUNG FÜR BUKOWSKI: Vielleicht kann man mir eine Aufstellung mit
den Ordensrängen womöglich mit Bild verschaffen, damit ich sie einmal
kennenlerne.
Frühstück konnte ich wegen der Vorstandssitzung Lebensmittelarbeiter
nicht mehr teilnehmen, doch hat mir Robert Weisz anschliessend im
Parlament gesagt, so ein schlechtes Essen hat er schon lange nicht
gehabt. Ich kann ja überhaupt nicht verstehen, warum wir nicht eine
wesentlich andere Küche servieren, womöglich hausgemacht.
In der Vorstandssitzung der Lebensmittelarbeiter kam unter Allfälligem
wieder einmal die Politikerbezüge zur Diskussion. Mit Recht wird
kritisiert, dass für Teuerungsabgeltungen die Perzente jetzt im
Juli 11,8 bezahlt werden, wodurch der kleinste Empfänger 400.– S und
der Minister bis zu 8.000 S bekommen kann. Der Beschluss dass die
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sozialistischen Mandatare einen Teil für soziale Zwecke freiwillig
zur Verfügung stellen, war nicht bekannt, hat aber meiner Meinung
nach auch nicht einen entscheidenden Einfluss auf die Meinung der
Bevölkerung. Die stehen auf dem Standpunkt, Politiker sind alles
Bülcher, Abizahrer , die sich alles richten, sodass auch solche Gesten
kaum eine Wirkung haben. Natürlich nehmen alle, die einen Politiker
kennen, diesen Politiker aus, ich bin wirklich überzeugt, dass auch
in meiner Organisation alle Leute, die mich kennen, auf dem Standpunkt
stehen, dass ich mir das Geld redlich verdiene, Blümel meinte sogar
nachher zu mir, am liebsten hätte er gesagt, was ich mit meinem Geld
anfange, was ich ihm natürlich sofort ganz entschieden verboten
habe. Für mich ist das eine wertvolle Diskussion gewesen, weil ich
doch zumindestens einige Aufklärungen geben konnte. Kreisky hat ja
seinerzeit als er die Politikerbesteuerung eingeführt hat, die Schwierig-
keit gehabt, eine gerechtere Lösung zu versuchen. Er hat zu diesem
Zweck eine Kommission eingesetzt, die dann entsprechende Vorschläge
gemacht hat. Auf Grund dieser Vorschläge wurde dann das neue System
geboten. Kreiskys Hoffnung, damit aber die Bevölkerung zu beruhigen
und eine befriedigende Lösung gefunden zu haben, hat sich glaube ich
auch nicht erfüllt.
Mit der Arbeiterkammer, Zöllner, Blaha auf der einen Seite mit Minkowitsch
und Sallinger auf der anderen besprach ich vor allem die Milchpreis-
regelung. Ich konnte alle überzeugen, dass ich ein Kompromiss Trink-
milch 60 Groschen Erhöhung, Butter 6.– S, Käse dafür nur 4.– S Erhöhung
als die beste Lösung halte. Minkowitsch war sehr froh, dass ich mit Leh-
ner die 4.– S Käsepreiserhöhung nur in Aussicht nehme, da gerade da-
durch die geringstmögliche Belastung auf Käse gelegt wurde und damit
der Käseexport insbesondere in die USA nicht allzu sehr gestützt
werden muss. Die Arbeiterkammer wieder hat zwar eine 40-Groschen-Milch-
preiserhöhungs-variante vorgesehen und wir diese auch in der Preis-
kommission beantragen, was natürlich sofort von der Landwirtschaft
abgelehnt wird. Dafür wird Brandstätter von der Präsidentenkonferenz
die gewünschte 1.– S-Variante dort zur Debatte stellen. Alle sind
sich aber einig, dass wir so schnell wie möglich die Preiskommission
einberufen sollen, um die Preise endgültig zu fixieren. Der Milch-
wirtschaftsfonds hat zwar erklärt, er braucht dazu 14 Tage, Kurzel
meint aber, dass es bis Mittwoch nächster Woche möglich sein müsste.
Ich selbst habe der Landwirtschaft zugesichert, wenn sie imstande ist
den Milchwirtschaftsfonds zu einer schnelleren Arbeit zu veranlassen,
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dass ich auch bereit bin, früher schon die Preiskommission ein-
zuberufen und die Preisanordnung zu unterschreiben. Hier handelt
es sich ja auch nur um die Milchpreise so wie Butter und Emmentaler
Preise, die festzusetzen sind. Alles andere geschieht in der Pari-
tätischen Kommission. Die AK hat erklärt, sie stimmt dem Kompromiss
nur dann zu, wenn der offene Milchpreis von 5.60 auf 6.20, der
Milchpreis in Foliopackung von 6.– auf 6.60 und der von allen
anderen Packungen von 6.20 auf 6.80 erhöht wird. Derzeit gibt es
noch ein Pure-Pack mit 6.30, die dann ebenfalls nur auf 6.80
erhöht werden dürfte. Minkowitsch und Brandstätter haben dies zur
Kenntnis genommen.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte sofort diese Lösung zur Durchführung ver-
anlassen.
Bei der Getreidepreislösung zeichnen sich Schwierigkeiten ab, die aber
nach stundenlangen Verhandlungen doch bereinigt werden könnten. Die
Handelskammer hat einen Vorschlag vorgelegt, wonach im Mai erst die
Preiserhöhung erfolgen müsste, dann allerdings eine wesentlich höhere
Preiserhöhung als auf Grund der den Bauern zugestandenen 10, 15 und
20 Groschen notwendig ist. Das System wäre also: die Preiserhöhung
zeitlich hinauszuschieben, dafür aber anstelle von 10 Groschen Roggen-
und Weizen 15 Groschen anstelle von 15 Groschen Qualitätsweizen
und anstelle von 20 Gr. Durumweizen 30 Groschen den Kalkulationen
für die Verbraucherpreise im Mai zugrundezulegen. Dass sich daraus
eine wesentlich höhere Brot- und Mehlpreiserhöhung ergibt, ist selbst-
verständlich. Ich habe dieses System daher kategorisch abgelehnt.
Brandstätter war ebenfalls sehr verärgert, weil nach diesem System
dann die Verbraucher für die neue Ernte 1976 wie die Handelskammer
meinte auch eine entsprechende Weizen- und Roggenpreiserhöhung von
5 Groschen bereit inkludiert sei für die neue Ernte 1976. Ich konnte mir
nicht verkneifen Minkowitsch und Brandstätter darauf aufmerksam
zu machen, dass die Handelskammer ihnen 5 Groschen anbietet, da die
ÖVP-Vertreter jetzt immer davon ausgehen, dass sie das letzten Endes
als ÖVP-Regierung zu beschliessen haben werden, sagte ich sofort, wir
kommen wieder in die alte Situation. In der SPÖ-Zeit wurden auch
für die Bauern erträgliche Lösungen gefunden, in der zukünftigen
ÖVP-Zeit wird es so werden wie zwischen 1966 und 1970: Die Bauern
werden nichts bekommen. Die Arbeiterkammer ist nach wie vor strikte
gegen eine Getreidepreiserhöhung. Die Landwirtschaftskammer und auch
scheinbar jetzt die Handelskammer nehmen an, dass es nicht gelingen
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wird, bis Anfangs Feber mit dem alten Getreide aus der Ernte 1975
auszukommen. Sie erwarten deshalb, dass mir Jahresbeginn bereits
die neuen Preise und die neue Ernte vermahlen wird. Hier erklärte
ich, dass ich dies nicht zur Kenntnis nehmen könne, aber als ge-
lernter Österreicher erwarte, dass dieses Kompromiss letzten Endes
herauskommen wird. Der Finanzminister ist nicht bereit, eine ent-
sprechende Stützung zu geben, die Mühlen sehen ein, dass wir nur
für Qualitätsweizen und Durum ca. 3 Mill. S aus dem Getreidefonds
bekommen können, sodass auch wenn wir in der Regierung jetzt keine
Erklärung abgeben, bereits im Jänner die Notwendigkeit uns dazu zwingen
wird. Die Handelskammer, insbesondere die Müller, wünschen deshalb
eine entsprechende Erklärung, ich habe aber sofort gesagt, wird
werden über das Ganze einen schriftlichen Pakt schliessen. Sallinger
hat es übernommen, mit den anderen Präsidenten zu Sprechen, damit
entgegen der Gepflogenheit der Paritätischen Kommission die Löhne
erst nach 14 Monaten bei den Bäckern und Müllern freizugeben, viel-
leicht doch schon nach kürzerer Zeit eine entsprechende Freigabe
erfolgen kann, damit man mit Anfang des Jahres dann auch gleich-
zeitig die Lohnerhöhung einkalkuliert und so nur zu einer einmaligen
Brot- und Mehlpreiserhöhung kommt. Mussil hat mit einem Fussleiden
derzeit Ausgangsverbot, liegt im Bett, muss sogar vielleicht ope-
riert werden und ist daher nicht einsatzfähig. Sallinger selbst, der
sich ja mit solchen Detailfragen nie beschäftigt hat, möchte daher
am liebsten die Zustimmung aller seiner Gruppen, Müller, Händler
usw. bekommen. Die Aufkäufer haben aber jetzt schon wieder einen
Groschen neue Getreidepreisspannenerhöhung verlangt. Ich erklärte
bereits bei der Besprechung, wo die Arbeiterkammer ja nicht anwesend
war, dass dieser Wunsch kaum realisiert werden kann. Wir haben bereits
zweimal die Getreidespannen erhöht, während sie vorher in 10 Jahren
unverändert geblieben sind und ich sehe derzeit keine Möglichkeit,
diesem Wunsch Rechnung zu tragen. Die Hauptschwierigkeit sehe ich
aber darin, die Arbeiterkammer von der notwendigen Getreidepreis-
erhöhung für Normalweizen und Roggen zu überzeugen. Zöllner ver-
gisst nur vollkommen, dass eine 10-Groschen-Preiserhöhung in Wirk-
lichkeit nicht einmal 4 % sind.
Reim kam mit einem Artikel von Gnam in der morgigen Kronenzeitung
wo er über die blau-rote Koalition schrieb. Er meint, Peter
wird Vizekanzler und die FPÖ wird das Landwirtschafts- und Handels-
ministerium verlangen. Das Landwirtschaftsministerium wird sie
leicht kriegen, im Handelsministerium gibt es nur Schwierigkeiten,
weil Staribacher als Aktiv-Minister gilt. Reim meinte, hier sollten
wir irgendetwas unternehmen. Genau das Gegenteil ist aber hier wirk-
lich das Richtige. Nicht nur, dass Reim selbst einsieht, man kann,
wenn man zuviel in der zukünftigen Ministerbesetzung sich jetzt
schon aufregt, sich einschaltet oder auch nur Wind macht, oft genau
das Gegenteil erreichen, so passt mir dieser Artikel sehr gut.
Ich habe nämlich bei der Aussprache mit Minkowitsch und Sallinger
also in kleinstem Kreis Minkowitsch gesagt, dass die Handelskammer
immer fürchtete, ein anderer Minister kommt dorthin. Als das Gerücht
ging, ich würde Bürgermeister, war niemand mehr besorgt als
Sallinger und Mussil. Dir Drohung, dass im Handelsministerium jetzt
ein anderer Minister womöglich von der FPÖ kommt, ist für die
ÖVP wahrscheinlich sehr unangenehm. Ich erklärte Minkowitsch
wortwörtlich, ich sehe die Zeit noch kommen, wo Sallinger mich
bittet, Handelsminister zu bleiben und mich dafür einzusetzen.
Diese Freude würde ich ihm allerdings nicht tun.
Tagesprogramm, 3.7.1975
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)