Mittwoch, 9. Juli 1975
Mahdavi intervenierte neuerdings sowie der iranische Botschafter
wegen der Perser, die Finanzvergehen gehabt haben. Ich sprach sofort mit
dem Finanzministerium, Auracher gab mir die Auskunft, die Fälle über
50.000 S betreffen, liegen sie alle schon bei Gericht. Dr. Keller
vom Justizministerium habe ich dann ebenfalls sofort gesprochen, der
mir allerdings mitteilte, dass keine Möglichkeit besteht, einzu-
greifen. Dies war auch gar nicht beabsichtigt. Mahdavi selbst will
nur haben, dass alles so schnell wie möglich abgewickelt wird und
der eine Inhaftierte vielleicht auf freien Fuss gesetzt wird.
Die Generalversammlung der ÖFVW verlief problemlos, nur der neue
Kärntner Vertreter, FPÖ-Landesrat , bei seinem Antritt die sofortige
Kündigung gedroht hatte und mir sogar schriftlich mitgeteilt hat,
machte den Fehler, dies bei der Generalversammlung wieder in Er-
innerung zu rufen. Ich hatte versucht, ihm eine Brücke zu bauen,
indem ich einleitend gleich erklärte, der Bund beabsichtigt nicht,
auszutreten, wir können also alle schön zusammenbleiben und es gibt
sogar ein Kärntner Volkslied "Gscheit sein, beinander bleiben".
Alle lachten, verstanden die Anspielung und glaubten eigentlich,
dass damit die ganze Angelegenheit erledigt ist. Kargl aber wollte zum
Schluss bei Allfälligem, sein Brief müsse behandelt werden. Da erging
es ihm aber dann sehr schlecht. Alle Länder und Interessensvertretun-
gen machten ihm heftigste Vorwürfe und erklärte, wenn Kärnten aus-
treten würde, müsste dies bedeuten, dass in den Aussenstellen über
Kärnten keine Auskünfte mehr gegeben werden, die Prospekte nicht
aufliegen, keine mehr versendet werden usw. Am charmantesten aber am
härtesten hat ihm Vizebürgermeister Sandner ihm die Situation
geschildert und entsprechende Vorwürfe gemacht. Kargl hat denselben
Fehler gemacht, den seinerzeit Mitterer ebenfalls getan hat als er
mit einem Austritt drohte. Erreicht haben natürlich beide gar nichts.
Dr. Büttner von der Unilever gibt mir als Beweis, dass sie den Margarine-
preis, der gesenkt werden muss, dem Einzelhändler ebenfalls mitge-
teilt hatten, ein Belegexemplar des Lebensmittel-Einzelhändler-
Organes, das von der Bundesinnung herausgegeben wurde. Büttner ist
auch jetzt daran sehr interessiert, mit mir und Seefranz Gespräche
zu führen über die Errichtung einer Ölmühle, nachdem in der Schweiz
ihr Projekt gescheitert ist. Büttner ist nach wie vor noch über-
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rascht, dass meine Informationen über Brugger besser waren als die
Unilevers, die bis zuletzt gehofft hatte, in Kaiseraugst die Ölmühle
errichten zu können.
Bei der ausserordentlichen Regierungsbesprechung wollte Kreisky noch
einmal vor dem Urlaub seine Konzeption darlegen. Er meinte, jeder
Tag müsste jetzt beobachtet werden, die Wirtschaftslage in Österreich
sie nicht gut. Die österreichischen Unternehmer seien nicht so brutal
wie in Deutschland und in Amerika aber die Entlassungen im September
könnten insbesondere, wenn auch jetzt noch Lohnverhandlungen geführt
werden müssten, eintreffen. Er sprach sich neuerdings gegen eine
Konzentrationsregierung aus und meinte, dass diese faschistoide Züge
habe, die Niederl letzten Endes entrierte. In Wirklichkeit befürchtet
er, dass die bürgerlichen Parteien in einen Konzentrationsregierung
ständig die SPÖ überstimmen würden, wo diese dann letzten Endes aus-
scheiden müsste und damit eigentlich sich selbst aus der Politik
ausschaltet. Der Wahlslogan wird deshalb sein: Zusammenarbeit ja,
Packelei aber nein. Wir müssen jetzt bis zu den Wahlen unsere eigene
Politik präsentieren. Details seien uninteressant, die Ministerien
die den grossen Bericht, den er vor einigen Wochen verlangt hat, jetzt
vorlegen, sollten sehr vorsichtig in der Publikation sein, maximal
20.000 sollten gedruckt resp. abgezogen werden.
ANMERKUNG FÜR GEHART UND WANKE: Für den grossen Bericht wird sich
überhaupt niemand interessieren, daher auch gar nicht drucken.
Die Parteizeitung müsste jetzt in den letzten Wochen eine höhere Auf-
lage, ca. 70.000 derzeit AZ und die anderen, Neue Zeit plus die anderen,
auf 250.000 derzeit irgendwie gehoben werden. Er schlägt vor, man sollte
versuchen, dass jeder 5 Abonnenten der AZ gewinnt. Hier könnten unsere
Parteizeitungen, die derzeit 700.000 Leser haben entsprechend stärkeren
Einfluss nehmen. Blecha, der neben mir sitzt, sagte, hier irrt er,
es sind nur 400.000, entweder weiss es Kreisky nicht oder er möchte durch
diese Aktion entsprechend anregen, um einen Erfolg melden zu können,
tatsächlich weil sicher 700.000 Leser vor den Wahlen erreicht werden
können und auch gleich wieder einen neuen Vergleich, indem er meint,
1 Mia., die man bei der UNO ausgibt, bringt 66 % Arbeitsanteil Unter-
schied bei 1 Mia., die er für Strassen ausgeben würde, wo nur
30 % Arbeitsanteil wäre. Für die UNO braucht man 5.000 Telefone,
50 Aufzüge, damit den Beweis, dass er mit dem UNO-Bau vollkommen
recht gehabt hat.
Er möchte auch, dass die grossen Bauvorhaben auf alle Fäl-
le jetzt in der nächsten Zeit immer wieder publiziert
werden. Für uns käme eigentlich die E-Werke in Frage.
ANMERKUNG FÜR GEHART: Vielleicht könne man wirklich Gross-
projekte weiter mitteilen.
Bezüglich der Pensionen ist er sich vollkommen klar, dass die Alten
verunsichert sind. Hier hat die ÖVP-Propaganda gewirkt. Objektiv muss
ich zugeben, dass auch seinerzeit, als wir Raab als den Renten-Klau
hingestellt haben, wahrscheinlich bei den Pensionen einen entsprechen-
den Erfolg erzielen konnten. Interessant ist, dass er als letztem
Punkt dann noch den Handelspolitischen Gesichtspunkt herausstreicht.
Entweder hat er jetzt indirekt schon die Exportoffensive, die Koppe
sehr richtig jetzt gestartet hat, propagandistisch mitgekriegt,
oder er hat auch das Gefühl, dass hier etwas geschehen muss. Er
ist allerdings nur wesentlich pessimistischer als ich, obwohl auch
ich zugeben muss, dass die Entwicklung in den letzten Wochen sehr
negativ verläuft. Zuerst schlägt Kreisky vor, jeder Minister soll
seine wichtigsten Probleme darlegen. Häuser berichtet als erster
über den Pflege-Urlaub, dann über die 4 Wochen Mindesturlaub, die
immerhin 50.000 bis 60.000 Arbeitsplätze schaffen würden, weil die
Unternehmer so wie bei der Arbeitszeitverkürzung dann zusätzliches
Personal einstellen müssten. Nach Häusers Vortrag gibt Kreisky
die Idee, jeder soll ein entsprechendes Referat kurz halten um
seine Probleme darzulegen, wieder auf. Kreisky meint nur, die VP
müsse als Nein-Sager, Miesmacher und Unheilverkünder, Unheilverkünder
und Prophezeiungen usw. dargestellt werden. Dies müsse in der presse-
mässigen Versorgung in den nächsten Wochen gelingen. Positiv hat
er nur eine neue Aktion, die mich betrifft, nämlich eine Aufklärungs-
aktion über Kernenergie. Die Kompetenzen liegen, wie er sofort fest-
stellen im BKA, sagt allerdings sofort, dass wie beim Energie-
sparen sein Ressort vollkommen versagt hat. Dank der guten Unter-
lagen, die er aber vom Handelsministerium bekommen hat. wäre
dies ein ganz grosser Erfolg gewesen. Kreisky liegt dieser Kon-
zeption eine Information zugrunde, dass die Westinghouse-Verfahren,
die von Siemens und ASEA, d.h. den Westeuropäern fast allen übernommen
wurden, weniger Sicherheit bieten als die kanadischen Verfahren.
Diese aber konnten sich bis jetzt nicht durchsetzen, weil sie eine
schlechte Propaganda gemacht haben und weil sie vor allem in
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Westeuropa und in der Öffentlichkeit viel zu wenig bekannt sind.
Er möchte deshalb jetzt die Fakten zusammentragen. Dies soll der
Bundespressedienst machen. Dann müsste man die Interessenten ein-
schalten. Auf der einen Seite denkt er an den Wissenschaftler Weissecker
und möchte auch andererseits, dass Frank von der Energiesektion einge-
schaltet wird. Alle Vorschläge pro und kontra sollten in entsprechenden
Diskussionen auch im TV abgewickelt werden. Die letzte Entscheidung
aber liegt dann beim Parlament, dort soll jeder Abgeordnete nach seinem
Gewissen entscheiden, es sollte geheim abgestimmt werden. Ich erklärte
sofort, dass eine solche Aufklärungskampagne nicht schlecht ist, aber
dass 1976 das erste Kernkraftwerk in Betrieb gehen wird. Wir werden
ihm so wie bei der Energiesparaktion alle Unterlagen liefern und er
soll dann damit die propagandistische Arbeit machen, wie er es sich
vorstellt und wünscht.
ANMERKUNG FÜR GEHART: Bitte Reiter alle Unterlagen zur Verfügung
stellen resp. Frank damit beauftragen.
Kreisky erinnert noch dran, dass Palme in Schweden eine Aufklärungs-
aktion gestartet hat, dass diese falsch begonnen wurde, dann die
Partie hätte dort 3 % an die Parteien verloren, die die Grüne Welle
vertreten, d.h.sich gegen die Atomkraftwerke ausspricht. Bei uns ist
es Gott sei Dank so, dass die grosse Oppositionspartei nach wie vor
auch auf dem Standpunkt steht, dass Kernkraftwerke notwendig sind
und ich daher eigentlich diese Angst nicht habe. Trotzdem werde ich
mich hüten, eine entsprechende öffentliche Erklärung derzeit abzu-
geben, damit nicht jemand festhält, ich hätte die Wahlen verloren.
Meine Stellungnahme bleibt daher, das Kernkraftwerk II braucht derzeit
nicht beschlossen werden, weil entsprechende Untersuchungen noch not-
wendig sind. Erst bis die notwendigsten Detailarbeiten vorliegen,
werde ich entscheiden. Dass ich für das zweite Kernkraftwerk dann ent-
scheiden werde, brauche ich wirklich nicht nur aus politischer Opportu-
nität sondern weil ich jetzt momentan auch gar nicht noch die weitere
Entwicklung kenne und sehe, nicht vor den Wahlen treffen.
Eine Diskussion entwickelt sich dann noch über die Dienstpostenfrage.
Lausecker berichtet, dass derzeit 86.000 Bedienstete über das Zenbesoldungsamt abgerechnet werden. 4.500 werden pensioniert und scheiden
aus, sodass ständig auch ohne dass die Dienstposten vermehrt werden
entsprechender Nachwuchs angestellt werden kann. Sinowatz verlangt
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aber für die Lehrer weitere 500 Dienstposten, die dringendst not-
wendig sind. Er hat derzeit 17.000 Mittelschullehrer, wodurch
durch das Ausscheiden älterer Lehrer nur 300 zusätzlich frei werden.
wenn er die 500 Dienstposten jetzt kriegt, dann könne er alle von den
höheren Schulen jetzt austretenden Lehrer, die sich um eine Stelle
bewerben unterbringen. Firnberg macht darauf aufmerksam, dass sie jetzt
67 Professoren neu angestellt hat, dass aber jetzt etliche hunderte
Assistenten notwendig sind. Ich mische mich zwar in die Diskussion der
Lehrer usw. nur ungern ein, mache doch aber darauf aufmerksam, dass
vor Jahren ich bereits darauf hingewiesen habe, man müsse den Nach-
wuchs entsprechend besser informieren. Lenken können wir ihn ja
sowieso nicht. Derzeit haben wir noch Schwierigkeiten, die Lehrlinge
unterzubringen, heuer wird dies sicher aber gelingen, die grosse Welle
kommt aber im Jahre 1978, wo 135.000 Geburten zu verkraften sind.
Dann allerdings fallen die Ziffern sehr schnell ab, da wir heuer
wahrscheinlich nur 95.000 Geburten verzeichnen können. In diesem
Zeitraum, wird es dann grosse Nachfrage nach Lehrlingen geben. Was
man allerdings mit den vielen Lehrern und Schulen dann anfangen wird,
ist mir ein Rätsel, Ich verweise deshalb neuerdings darauf, dass
wir der Lehrlingsausbildung mehr Augenmerk schenken müssen. Kreisky
stimmt mir zu und bemerkt, er hätte diese Auffassung auch schon vor
Jahren vertreten. Dies bestätigte ich ihm gerne, meine nur sehr
schnippisch, wir haben uns eben nicht durchgesetzt.Alle lachen,
das ist aber die Tatsache. Rösch und Kreisky sind scheinbar nicht
gewillt, den Wünschen der Lehrer und der Hochschulen Rechnung au
tragen und vor den Wahlen womöglich noch hunderte von neuen Dienst-
posten zu schaffen. Ob sie allerdings diese Stellungnahme dann nach
den Wahlen auch noch aufrechterhalten werden, bin ich mehr als gespannt.
Tagesprogramm, 9.7.1975
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)