Montag, 20. Oktober 1975
SChef Frank möchte bei der Strompreisüberprüfung einen Sach-
verständigen zuziehen, wie die Arbeiterkammer angeblich ver-
langt. Ich spreche mich dagegen aus, weil ein diesbezügliches
Gutachten nur Kosten verursacht und kaum eine Entscheidungs-
hilfe bringt. Die Forderungen sind meistens so hoch und werden
dann entsprechend im Preisverfahren reduziert, daß ein Sachver-
ständigengutachten hier der Preisbehörde kaum etwas nützt.
Anmerkung für GEHART: Bitte auf den nächsten Jour-fixe nit
der Arbeiterkammer setzen.
Bei Prüfung der Ölgesellschaften möchte Frank, daß Dr. Neumer
vom Finanzministerium der Prüfungskommission beigezogen kann.
Das Finanzministerium hat es bis jetzt abgelehnt. Ich spreche
darüber auch mit Androsch nach der Ministerratsvorbesprechung.
Dieser erklärt, und ich habe gar nichts anderes erwartet, daß
das Finanzministerium als Steuerbehörde kaum bei Prüfungen teil-
nehmen kann, er wäre sehr interessiert, über den Öleinstands-
preis etwas zu erfahren, damit er gegebenenfalls ein Pedaltransfer
resp. Gewinntransfergesetz im Parlament vorschlagen könnte. Aus
prinzipiellen Gründen aber dürfe sich eine Steuerbehörde an kon-
kreten Prüfungen von Firmen beteiligen.
Zöllner teilt mit, daß er mit Bauer und Feichtinger eine Aussprache
gehabt und denen mitteilte, daß in den deutschen und Schweizer
Ofenölheizpreisen auch die Zustellung angeblich drinnen sein soll.
In diesem Fall würde dem 3-S-Preis noch 65 Groschen Zustellung in
Österreich dazukommen, womit Österreich an der Spitze liegt.
Anmerkung für WAIS: Unterberg soll dies sofort in Bern und Bonn
in Erfahrung bringen.
Die VÖEST-Alpine hat den Schienenpreis um 15 % erhöht, ohne daß
die Paritätische Kommission dies genehmigte. Es besteht die Gefahr,
daß die ÖBB dies in der Öffentlichkeit kritisieren. Zöllner hätte
nichts gegen die Erhöhung, obwohl es ihm recht ist, daß die Paritäti-
sche Kommission nicht damit beschäftigt wurde, weil er dort einer
solchen Erhöhung hätte nicht zustimmen können.
Zöllner möchte für den Getreideexport Weizen eine Koppelung mit
dem Gersten-Import von 50.000 Tonnen um eine Art Kopplungs-Geschäft
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zu machen. Ich kann mir nicht vorstellen wie ihm dies
gelingt.
Anmerkung für WAIS: Bitte Blaha und Pleschiutschnig beim nächsten
Büro Jour-fixe zu erinnern.
Beim Jour-fixe mit Sallinger und Mussil behandeln wir die Anzeige
wegen eines Disziplinarverfahrens gegen Mussil und Sallinger von
Osberger. Dieser Weinhändler wehrt sich gegen die Berufung von in
Prozessen verwickelten Funktionären zu neuen Gremialvorstehern,
resp. Ausschußmitgliedern. Beide meinen, solange kein Gerichts-
verfahren mit einer Verurteilung abgeschlossen ist, haben sie keine
Möglichkeit gegen Petermichl und anderen Funktionären vorzugehen.
Mussil verweist mit Recht, daß beim Weinhandel so wie beim Vieh-
handel gewisse Gruppen existieren, die sich gegenseitig hart be-
kämpfen. Sallinger hat Osberger allerdings einen Brief geschrieben,
wo er darauf hinweist, daß das Handelsministerium entsprechende
Abberufungen vornehmen müßte. Die Abteilung schlägt mir aber vor,
jetzt zuzuwarten.
Anmerkung für GEHART: Jagoda soll die ganze Angelegenheit mit uns
besprechen.
Mussil beschwert sich, daß die Ölpreisverhandlungen ohne die
Handelskammer durchgeführt werden. Ich verweise darauf, daß die
ganze Angelegenheit sehr bald mit den Interessensvertretungen wird
besprochen werden weil die Ölfirmen mir sowieso bei den beiden
Aussprachen gar nichts anderes gesagt haben, als daß sie eben den
Rabatt jetzt kündigen werden. Ich wäre sehr froh gewesen, wären
die Interessensvertretungen dabei gewesen.
Anmerkung für WAIS: In Hinkunft, wahrscheinlich zweckmäßiger, die
Interessensvertretung hinzuzubitten.
Mussil ist angeblich überrascht, daß ich das Energiesicherungs-
gesetz in derselben Fassung wieder einbringe wie in der vorigen
Legislaturperiode. Er meint, damit wollen wir die Bewirtschaftung
aller Energiesparten und nicht nur bei Rohöl einführen. Vor allem
verlangt er aber, daß die steuerliche Neutralisierung der Ölvorräte
usw. gesichert werden müßte. Ich verweise darauf, daß dies in
einem eigenen Steuergesetz, wenn überhaupt, zu geschehen hätte.
Mussil möchte in das Gesetz eine vollkommene Gleich-
stellung zwischen Ölimportfirmen und Ölimport-plus Produktions-
firmen, wie das für die ÖMV aber auch Shell und Mobil mit der
RAG zutreffen würde. Dann Könne er sich vorstellen, daß von einer
Abgabe abgesehen wird und tatsächlich unser Weg über Finanzierung
über den Preis bei Wettbewerbsgleichheit zwischen diesen beiden
Gruppen gegangen wird. Dies können wir alles, sage ich sofort,
im Parlament dann diskutieren. Bezüglich des Ladenschlusses ver-
weise ich darauf, daß die Presse jetzt geschrieben hat, die Handels-
kammer hat in ihren Erhebungen jetzt festgestellt, daß der derzeitige
Ladenschluß unverändert bleiben soll. Diese Auskunft hat laut.
Mussil, Schönbichler gegeben, da er nicht anwesend war und er ist
nicht ganz sicher, ob dies tatsächlich die Intension der Handels-
kammer ist. Das interne Begutachtungsverfahren dieses Problemes
lauft erst mit Oktoberende ab. Mussil gibt aber zu, daß die beste
Lösung ist, wirklich jetzt gar nichts zu unternehmen.
Mussil hat gehört, daß die Vidierungsliste geändert werden soll.
Ich erkläre ihm sofort, daß wir vor allem jetzt zwischen der Vi-
dierung und der Entliberalisierung eine neue weitere Stufe ein-
schalten sollen.
Anmerkung für WANKE: Was ist bei der Listenänderung tatsächlich
beabsichtigt?
Mussil ist sehr besorgt, daß jetzt bei der Berufsausbildung ein
ganz neuer Entwurf gemacht wird. Am liebsten würde die Handels-
kammer gar nichts ändern. Ich verweise auf das Skandalplakat
der ÖVP, welches die radikaleren Gruppen innerhalb der Gewerkschafts-
jugend und der Gewerkschaft veranlaßt hat, jetzt eben entsprechende
Maßnahmen zu verlangen. Ich werde bestrebt sein, einen einver-
nehmlichen Entwurf mit den Interessensvertretungen zu erarbeiten.
Sallinger berichtet Mussil, daß ich mich bei der Handelskammer
in Salzburg sofort sehr aufgeregt habe, als er von einer Peitsche
im Fenster bezüglich der Preisgesetze gesprochen hat. Ich nütze
die Gelegenheit um zu sagen, diese Rute im Fenster werde ich auch
weiter anstreben, dies sei aber keine Peitsche sondern eben nur
die Möglichkeit, gegebenenfalls einzugreifen, wenn dies durch Aus-
wüchse notwendig ist. Mussil meint, ich müßte ja doch mit dieser
Verfassungsbestimmung auf alle Fälle mit der ÖVP verhandeln.
Die Gelegenheit nützend erkläre ich, daß ich jetzt
Ersatzlösungen ohne Verfassungsbestimmungen anstrebe. Mussil
meint. dies hätte Schleinzer bereits bei den Marktordnungs-
gesetzen versucht und sei damit gescheitert weil die privat-
rechtlichen Verträge, auf denen eine solche Lösung basiert,
kaum zielführend abgeschlossen werden können. Ich informiere
nach der Ministerratssitzung Weihs und Haiden über die beab-
sichtigte Politik der Arbeiterkammer und insbes. des Gewerk-
schaftsbundes, Dr. Lachs. Weihs meinte, man könne über alles
sprechen.
Anmerkung für WAIS und WANKE: Bitte den Preisgesetzentwurf
ohne Verfassungsbestimmung im Prinzip einmal mit den Inter-
essensvertretungen diskutieren ohne den konkreten Entwurf
schon vorzulegen.
Mussil fragt, ob Gröger jetzt der Nachfolger von Römer wird,
den die Handelskammer sehr forciert. Ich erkläre, daß ich eine
Ausschreibung machen muß und sich dort herausstellen wird, wer
der Beste ist. Die Diskussion geht dann soweit, ob ich bei Gleich-
wertigkeit der Bewerber einen Außenstehenden, der meiner Partei
nachsteht, einem Bewerber, der der ÖVP nahesteht, aus dem Ministerium
bevorzugen würde. Über diesen Fall sage ich, habe ich noch nicht
nachgedacht, denn für mich war dies jetzt immer entscheidend, daß
der Beste berufen wird.
Für MR Dinzl wo ebenfalls interveniert wird, sehe ich vor, daß
wie bei MR Mache eine kurzfristige Verlängerung durch Werkvertrag
beabsichtigt ist.
Ich berichte der Handelskammer über die Vorsprache von Komm.Rat
Schreiber einem Wirtschaftsbündler mit dem afrikanischen Interessenten
Diallo, betreffend Kauf von Merino. Da angeblich Ausgleichsverwalter
Kaltenböck diese ganze Transaktion in die Zeitung gebracht hat,
andere behaupten wieder, es war Bundesrat Steinle von der Textil-
arbeitergewerkschaft, erscheint das ganze Projekt jetzt gefährdet.
Insbesondere der Schwarz-Afrikaner Diallo fürchtet dadurch die
70 Mio. Schilling, die er hereinbringen wollte, nicht mehr so
leicht loseisen zu können, wie er mir bei einer Vorsprache am
Freitag mit Schreiber mitteilte. Die Handelskammer weiß von diesem
Projekt überhaupt nichts.
Beim Journalistenfrühstück wird nach dem Bericht von Jagoda
über die Preisreferententagung von mir bereits die einfach
gesetzliche Regelung des Preisgesetzes angedeutet, daraus er-
gibt sich eine rege Diskussion. Ich nütze die Gelegenheit, auf
die Wünsche hinzuweisen, die z.B. von den Ländern jetzt für
eine Obst-u.Gemüsepreisregelung gemacht wurden. Diesen Vorschlag
werde ich mit den Landeshauptleuten diskutieren, nachdem ich
mit den Interessensvertretungen gesprochen habe.
Anmerkung für WAIS: Jagoda soll nach einiger Zeit eine Sitzung
einberufen, wo ich gegebenenfalls dazukomme.
Das Wirtschaftsforschungsinstitut hat eine Kapazitätsauslastungs-
erhebung u. Bericht fertiggestellt, danach wurde auf 70/74, also
die Hochkonjunktur bezogen, die derzeitige Kapazitätsauslastung mit
minus 9.8 % festgestellt. Die daran anschließende Diskussion über
die Konjunkturlage ergibt, daß ich mit dem Wirtschaftsforschungs-
vertretern der selben Meinung hin, daß wir jetzt einen Aufschwung
zu erwarten haben. Für die Konsumgüterindustrie erwartet Dr. Schenk
in absehbarer Zeit eine wesentliche Produktionssteigerung. Die
Produktionserwartung und die Auftragslage ist dort jetzt günstiger.
Dieselbe ergibt auch die Quantex-Studie, die Gröger für die Textil-
und Bekleidungsindustrie vorlegt.
In der Vorstands-Sitzung von Wien berichtet Gratz über die National-
ratsbesetzung. Die Wiener Organisation hat den Eisenbahnern ver-
sprochen, daß wenn Prechtl einmal in den Nationalrat kommt, dann
das Bundesratsmandat bei den Eisenbahnern bleibt, dadurch hätte
jetzt Schmölz, der Zentralsekretär, dieses Mandat bekommen. Um nun
den Arzt Steyrer von der Landstraße in den Nationalrat zu bringen,
mußten die Niederösterreicher auf ihr Reststimmenmandat verzichten,
das ihnen auf Grund der Stärke zugestanden wäre. Deshalb soll jetzt
Arbeiterkammer-Präs. Hesoun von NÖ in den Bundesrat kommen, u. zwar
auf die Stelle von Bundesrat Demuth, diese soll als Zentralsekretärin
der Frauen auf ein Wiener Mandat, eben dieses von Prechtl, nominiert
werden. Mit diesem Arrangement ist jetzt alles einverstanden. An
Stelle des in den Nationalrat aufgerückten Bezirksobmann von der
Donaustadt, Schemer, rückt der nächste Listenplatz, Huber, in den
Gemeinderat vor.
Im Hinblick auf die Kronen-Zeitung, Dokumentation Bauring-Skandal,
wird diskutiert, wie weit überhaupt eine Besetzung von Aufsichtsrats-
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posten mit Politikern zweckmäßig ist. Bis jetzt war es selbst-
verständlich, daß diese Politiker nur eine Formalverantwortung
tragen können. Sie haben weder die Zeit noch können sie sich ent-
sprechend bei den Aktiengesellschaften von Ges.m.b.H.s ganz
zu schweigen, gegen die Vorstände durchsetzen. Der Vorstand fühlt
sich den Eigentümervertretern verantwortlich, und weiß, daß der
Politiker ja nur in den Aufsichtsrat berufen wurde, wo er eine
politische Funktion zu erfüllen hat. Gratz erwägt ernstlich, ob
man nicht alle Politiker aus den Aufsichtsräten abberufen soll.
Niemand kann nämlich verantworten, wenn tatsächlich jetzt eine,
zwar dem Gesetz entsprechende, aber in der Praxis nicht durch-
führbare volle Verantwortung, dem Aufsichtsrat treffen würde. Ich
bin der Meinung und erkläre dies auch deutlich, daß eine Reorgani-
sation des ganzen Aufsichtsrechtes und Aktiengesellschaftsrechtes
und des G.m.b.H.-Gesetzes kommen wird. Der Gewerkschaftsbund und
die Arbeiterkammer werden entsprechende Änderungen der Publizitäts-
pflicht verlangen, was uns die Möglichkeit gäbe, eine Reform des
Aktien- u. GmbH-Rechtes zu benützen auch das Problem des Aufsichts-
rates dort neu zu formulieren. Durch die Einschaltung der Holding
jetzt noch zwischen den Eigentumsvertretern
Finanzressort und den Vorstand resp. Aufsichtsrat der AG ist
eine weitere Komplikation entstanden. Der tüchtige Vorstand wird
sich auf alle Fälle an den stärkeren Partner wenden. Dies wird
auf jeden Fall nicht das Aufsichtsratsmitglied, ja nicht einmal
der Vorsitzende des Aufsichtsrates sein. Mayr meint, daß der
Bauring jetzt durch die Ausscheidung der Montagebau in Fertigteil-
Ges.m.b.H. mit einer Verlustabdeckung mit 350 Mio. Schilling
saniert werden kann. Am Abend bei der Betriebswirtschaftlichen
Woche gesteht mir Mayr, daß dies sein einziges großes Problem
jetzt in der Stadtverwaltung ist. Mayr ist gegen die Herausnahme
der Politiker aus den Aufsichtsräten, weil dadurch der Gemeinderat
sich der Möglichkeit begibt , ca. 50 Betriebe doch indirekt zu
überwachen.
Nowotny hat bei dieser Dokumentation jetzt die Kontrollamtsberichte
falsch zitiert, dort wird immer von der Verantwortung des Vorstandes
geredet und er schreibt von der Verantwortung des Aufsichtsrates,
Suttner und Hofstetter. Durch eine Gegendarstellung soll die Kronen-
Zeitung fairerweise veranlaßt werden, auch diese zu bringen. Ich bin
überzeugt, daß dies nicht der Fall sein wird. Presseberichtigungen.
werden auch nicht den gewünschten Erfolg zeitigen. Am besten
hat Suttner bis jetzt insofern reagiert, als er, und dies erkläre
ich mit Nachdruck, die Staatsanwaltschaft aufgefordert hat, den
Fall zu prüfen. Suttner bedauert nur, daß die Staatsanwaltschaft
sich so lange Zeit läßt. Wieder einmal mehr glaube ich, kann man
feststellen, wie durch Massenmedien, sei es das Fernsehen oder von
einer Zeitung, ein Politiker fertiggemacht werden kann und wird.
Jeder Unternehmer, und ich bin auch überzeugt, jeder Aufsichtsrat
bezieht zu begünstigten Preisen nicht nur in seinem eigenen Unter-
nehmen sondern wahrscheinlich auch durch Geschäftsverbindungen bei
allen anderen Waren und Leistungen zu äußerst günstigen Konditionen,
dort wird dies selbstverständlich empfunden und kein Wort verloren,
auch dann, wenn der Betrieb pleite geht. Nur ein Politiker kann
sich scheinbar gegen all solche Angriffe nicht wehren, auch dann,
wenn er, wie Suttner schon bei der seinerzeitigen Auftragserteilung
das Kontrollamt eingeschaltet hat. Ich weiß, daß man bei Politikern
einen ganz besonders strengen Maßstab anlegt und dies ist sicherlich
auch richtig. Solange er Erfolg hat wird auch kaum irgendetwas
über seine Lebensweise geschrieben, wenn aber dann ein Mißerfolg
eintritt, dann werden gerade diese kleinlichen Probleme ans Tages-
licht gezerrt, sein ganzes Leben wird dann sozusagen durchleuchtet
und aufgedeckt. Wahrscheinlich dürfte ein Politiker überhaupt
nichts kaufen, allerdings die Lösung, die ich seit 1970 handhabe,
nämlich alles der Frau zu überlassen. die einzig richtige Lösung
ist, bezweifle ich auch. Mir tut Suttner, ein Kollege aus der
Arbeiterkammer, der äußerst anständig ist und immer war, richtig
leid. Die angeblich dritte Wohnung, nämlich im 19. Bezirk, ist
eine Genossenschafts-Mansardenwohnung, die er seinerzeit ausschließ-
lich von Hans Czettel erworben hat, um so wie dieser einen Wohnsitz
in Wien zu haben.
In Wien gibt es drei große private Zeitungsherausgeber, die mit
Bezirkszeitungen die Haushalte gratis beschicken und von Inseraten
leben. Die Bezirkszeitung von einem gewissen Pirkfellner, der Einkauf
und die Extra, letztere steht der ÖVP nahe und kostet pro Nummer
cirka 500.000 Schilling. Die ersteren zwei sind noch größer und
leben nur von Inseraten, die jetzt nach den Wahlen nicht mehr
so reichlich fließen. Die Frage war, ob sich die Wiener Organisation
durch Kreditgewährung, 6 Mio. Schilling werden gewünscht. daran be-
teiligen sollte. Da die Bezirksorganisationen, außer Hernals, Bezirks-
zeitungen haben, kommt dies nicht in Frage.
In der Ministerratsvorbesprechung meint Kreisky, daß
die erste Aussprache mit Taus genauso verlaufen ist wie alle
bisherigen Aussprachen die er als ÖIAG-Präsident mit ihm hatte.
Taus theoretisiert und hat keine konkreten Vorschläge. Er fürchtet,
daß Taus jetzt von den Löwen bemuttert wird, mit der Zeit aber
dann natürlich die Löwen sagen, sie können das besser als er.
Eine Spannung mit Koren ist dazu zu erwarten. Der von Taus ange-
kündigte Ideologisierungsprozess wird dazu führen, daß noch eine
härtere, politische VP-Linie zu erwarten ist. Dies wird bereits
bei der Regierungserklärung der Fall sein und sich dann in der
Budget-Debatte fortsetzen. Man dürfe dem Finanzminister aber diesen
Abwehrkampf nicht allein überlassen. Keinesfalls könne man aber
von einer Sanierung des Budgets reden. Die Maßnahmen die gesetzt
wurden sind Regierungspolitik, wofür wir alle verantwortlich sind
und hätten dazu geführt, daß wir die hohe Beschäftigung erhalten
konnten. Die Wirtschaftspolitik wird also fortgesetzt, Kreisky
möchte eine kürzere Regierungserklärung und nur einige Schwerpunkte
herausarbeiten. Durch die derzeitige Wirtschaftspolitik wurde die
Infrastruktur gefördert und durch die Aufträge des Staates Öster-
reich reicher. Andere Staaten haben dies in die Rüstung gesteckt.
Die Reformpolitik wird weitergehen, obwohl die Öffentlichkeit und
insbes. die Journalisten darunter immer nur Hundert-Jahr-Gesetze
verstehen. Die stillere Reform der Familienpolitik und der Sozial-
politik muß aber mehr herausgestrichen werden, insbes. nach wie vor
die Bekämpfung der Armut, es darf zu keiner Pauperisierung von
Kultur und Wissenschaft kommen. Der Fortschritt in Österreich kann
nicht nur allein am Wachstum des Bruttonationalproduktes oder der
Exporte gemessen werden, sondern auch an der Beschäftigungs-
situation und dem Lebensstandard. Fischer vom Klub muß ihm jetzt
zusammenstellen, was aus der Regierungserklärung 70 und 71 nicht
erfüllt wurde, damit er dies rezipiert oder erklärt warum es nicht
erfüllt werden kann und jetzt ausscheidet. Mittwoch werden die
einzelnen Minister ihre Schwerpunkte ganz kurz vortragen. Von mir
und insbes. von Sinowatz wollte er wissen, wie es mit dem Film-
förderungsgesetz weitergeht. Ich erklärte sofort, daß dies aus-
schließlich an den finanziellen Möglichkeiten des Finanzministers
hängt. Sinowatz hat immerhin ein paar Dutzend Millionen, ich
1.000 Schilling. Sinowatz möchte nämlich jetzt von den seinerzeiti-
gen Ideen, daß er die Filmförderung macht, nichts mehr wissen. Der
Entwurf, meint Sinowatz ist fertig, und könnte jederzeit in Kraft
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gesetzt werden, wenn das nötige Geld vorhanden ist. Kreisky
selbst wird als Koordinator mit Finanzminister Androsch, Unter-
richtsminister Sinowatz und mit mir das Problem im einzelnen
besprechen. scheinbar wird er aber in die Regierungserklärung
doch etwas über die Filmförderung übernehmen.
Kreisky war gar nicht glücklich, daß Veselsky erklärt, daß wir
uns um den Sitz in der Energiekommission in Paris bewähren. Da
es sicher ist, daß wir diesen Sitz nicht bekommen, wird die ÖVP
dann kritisieren, daß sich die Regierung nicht durchgesetzt hat.
Mehr denn je bin ich glücklich, daß Veselsky und eigentlich
Kreisky sich für die Energieagentur zuständig erklärt haben. Hier
wird es noch viele Zores geben, die weder Veselsky noch Kreisky
werden lösen können.
Der nächste Parteitag im Feber 1976 wird sich mit der Parteireform
beschäftigen. Kreisky meint, daß auch die Parteiorganisation eine
intensive Diskussion über diese Probleme durchführen müßte. Die
Bezirksorganisationen sind hier eine zu große Einheit, er stellt
sich vor, daß sich zwei oder drei Ortsorganisationen zusammen-
schließen und dann jeweils in jedem Ort eine diesbezügliche Teil-
diskussion erfolgt. Zusammenfassend könnte dann im Bezirk eine
Abschlußdiskussion und Veranstaltung erfolgen. Die Minister sollen
sich hier ebenfalls einschalten. Ich bin zwar prinzipiell geneigt
alles zu tun, was die Partei von mir erwartet, aber eine Partei-
reform-Diskussion ist das letzte, was ich mir vorstellen kann und
wo ich mitwirken möchte. Ich habe mich mit diesem Problem über-
haupt nicht beschäftigt und habe auch gar nicht die Absicht, es zu
tun. Kreisky ist wirklich von einem Reformwillen beseelt der überall
eindringen soll. Ich bin über diese Entwicklung nicht gerade sehr
glücklich, weil ich nicht überzeugt hin, daß die Bevölkerung und
insbes. die Partei tatsächlich nichts als wie Reformen wünschen.
Ich fürchte und glaube, daß eine gewisse Reformmüdigkeit jetzt
allgemein Platz greift. Vielleicht aber täusche ich mich und bin
nur ich ein Gegner dieser Reformbestrebungen. Für mich geht das
ganze viel zu schnell, ist viel zu umfangreich und verlangt von
den Menschen ein viel zu großes Engagement. Vielleicht täusche ich
mich, aber ich habe das Gefühl, die Leute möchten eine gewisse
Verschnaufpause, vielleicht aber wünsche nur ich mir diese.
Mit Heinz Fischer bespreche ich jetzt unter vier Augen die
Beschäftigung von Tieber. Ich erkläre ihm, daß Herbert Tieber
mir dezidiert versichert hat, daß er ins Ministerium kommen will.
Fischer selbst hatte eine Aussprache mit Kreisky über seine
Bestellung als Klubobmann. Beide sind übereingekommen, daß jetzt
eine Bestellung von einem Sekretär nicht zweckmäßig ist. Ich
hatte immer das richtige Gefühl, daß Kreisky gar nicht sehr großen
Wert darauf legt, daß Tieber im Klub als Sekretär kommen soll.
Kreisky selbst nämlich hat vorgeschlagen, daß jetzt ein paar
Monate überhaupt keine Besetzung erfolgt und man sehen wird, wer
dafür in Frage käme. Sollte dann wider Erwarten, so Heinz Fischer,
noch immer die absolute Notwendigkeit bestehen, daß Tieber diesen
Posten bekommt, so würde Kreisky gegebenenfalls mit mir über die
Besetzung oder Abgabe, besser gesagt von Tieber, sprechen. Ich ließ
Heinz Fischer nicht im unklaren, daß ich um Tieber auf alle Fälle
mit allen Mitteln und Möglichkeiten kämpfen werde, dies umso mehr,
als ja Tieber wahrscheinlich selbst gar nicht in den Klub gehen
will, wie er mir versicherte.
Tagesprogramm, 20.10.1975
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)