Samstag, 25. Oktober 1975
Die Verhandlungen mit dem indischen Minister für Industrie
Pai musste in Englisch geführt werden und ich hatte deshalb grösste
Sprachschwierigkeiten. Vorher hatte ich bereits mit den Firmen-
vertretern vereinbart, dass sie auf alle Fälle, soweit sie es wünsch-
ten, Gelegenheit haben sollten, ihre Problem Minister Pai direkt zu
sagen. Ich halte an und für sich ja nichts davon, wenn nach Pro-
tokollgepflogenheit ständig nur der Minister spricht und die an-
deren nur dabei sitzen und mit dem Kopf nicken oder gegebenenfalls
ihm einige Ezzes zuflüstern. Dies gilt sowohl für die Firmenver-
treter als auch für Beamte. Freimütig hatte ich dazu aber noch einge-
standen, dass ich wahrscheinlich gar nicht imstande wäre, ihre spezi-
fischen Probleme mangels Sprachkenntnis so dazulegen wie sie dies
am besten machten. Sowohl die VÖEST-Alpine als ELIN und auch die Privat-
firmen, wie Plasser & Theurer und andere waren froh, dass ich ihnen
diese Möglichkeit gegeben habe. Die VÖEST- und Plasser & Theurer haben
in Indien mit Indern eine gemeinsame Firma, wo sie allerdings
die Mehrheit meistens 51 % noch besitzen. Insbesondere Plasser & Theurer
fürchtet, dass man ihn in eine Minderheit drängen will und würde.
Sollte dies der Fall sein, so erklärte Gen.Dir. Eichinger, würde er den
Betrieb dort mikribieren . VÖEST-Alpine wieder grosse Schwierigkeiten,
dass die Lizenzgebühren, die die Inder zu zahlen hätten, nicht ange-
wiesen werden. Zu diesem Zweck hat sie ein Memorandum ausgearbeitet,
welches ich selbstverständlich dem Minister übergeben habe. Als
Steyr-Daimler-Puch-Vertreter waren ebenfalls zwei anwesend, wollten
sie aber zu ihrem mit Indien gemeinsamen Kugellagerbetrieb nicht äussern,
sondern übergaben mir nur einen Brief in einer ganz anderen Angelegen-
heit, den ich sofort den an Meisl weitergab.
ANMERKUNG FÜR REIM: Bitte mit Meisl Erledigung besprechen und insbe-
sondere Eingangstempel auf den Brief geben.
Minister Pai wollte unbedingt Kreisky sprechen.Wie ich das Programm
mit dem indischen Botschafter durchbesprach, habe ich ihm bereits am
Flugplatz erklärt, es gäbe eine Möglichkeit, dass Pai an dem Empfang
am Staatsfeiertag teilnimmt. Nach dem gemeinsamen Essen hat mir der
Botschafter dann mitgeteilt, dass Pai sich dafür vielmals bedankt und
annimmt. Die VÖEST hatte ihren Helikopter zur Verfügung gestellt,
damit er zumindestens die Werke der VÖEST-Alpine vom Flugzeug aus
sieht. Es war ein sehr schönes Flugwetter, wie er mir nachher
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erzählte und er war über diesen Flug sehr beeindruckt. Leider
hatte die Maschine so wenig Platz, dass ich daran nicht teilnehmen
konnte. Ausserdem hatte ich natürlich die Verpflichtung, beim
Symposium "Rohstoffe und die Zukunft" zumindestens zeitweise
anwesend zu sein.
Vor dem Symposium fand allerdings nicht um 14 Uhr wie in meinem
Programm stand sondern um 14.30 die Verleihung der Staatspreise
für wissenschaftliche Leistungen am Energiesektor durch Minister
Firnberg statt. Beim anschliessenden zusammenfassenden Bericht
der Arbeitskreise durch Prof. Hoffmann wurden einige Zahlen genannt,
die meiner Meinung nach überhaupt nicht stimmen können. Das Aussen-
handelsbilanzdefizit 1974 von 35 Mia. S soll sich zusammensetzen
aus 22 Mia. S Rohstoff (19 Mia. Energieträger, 3 Mia. Rohstoffe)
5 Mia. Nahrungs- und Genussmittel-Defizit und 8 Mia. Fertigwaren
und sonstige Waren. Ich erfragte anschliessend sofort unsere Beamten
die bei diesem Symposium oder den Arbeitsgruppen teilweise dabei
waren und keiner konnte mir erklären, wieso sie auf diese Ziffern
und diesen Zusammenhang gekommen sind.
ANMERKUNG FÜR REIM: Bitte prüfen lassen.
Botschafter Sailer, die glaube ich jahrelang in Indien war. be-
richtete über die Idee, entsprechende Vorratslager anzulegen.
Sogenannte buffer stocks für 10 Produkte würden 6 Mia. $ nach
UNCTAD-Berechnung kosen und beruhten auf dem integrierten Rohstoff-
programm. Prof. Pichler von der Welthandel, seit neuestem heisst
sie Wirtschaftsuniversität, berichtet über die Zahlungsbilanz und
die terms of trade, die Arbeitsgruppe schlägt vor, man möge einen
mengenmässige Materialbilanz und Materialfluss weltweit erstellen.
Ausserdem sollte man über die Rohstoffimportbedingungen, Art und
Zahlung der Importeure und der Kontrakte usw. einen Studienauftrag
geben. Was mich aber dabei am meisten überraschte war, als er mein-
te, es hätte einen kühnen Vorschlag gegeben, die Verlagerung der
Verarbeitung die derzeit in den Industrieländern vorgenommen wird
in die Rohstoffländer. Was daran kühn sein soll, ist mir ein Rätsel.
Das ist ein wie ich glaube sogar legitime Forderung der Entwicklungs-
oder noch besser gesagt der Rohstoffbesitzländer. Um einen Ver-
gleich zur Vormittagssitzung zu bringen, ist es selbstverständlich,
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dass Indien jetzt versucht, seine Rohstoffe nicht nur selbst aus-
zubeuten, sondern auch dann zu Halb- und wenn möglich Fertigprodukten
zu verarbeiten. Indien hätte wahrscheinlich eine ganz andere Ent-
wicklung in der Vergangenheit genommen, wenn die englische Kolonial-
macht eben nicht nur ausgebeutet hätte und ansonsten die Industria-
lisierung nicht nur nicht gefördert sondern ich bin auch überzeugt,
wahrscheinlich grösstenteils verhindert hat.
Was ich in Wirklichkeit befürchtete, dass bei solchen wissenschaftli-
chen Symposien doch nur die grossen Pläne, die globalen Berechnungen,
die meistens falsch sind und überhaupt nichts für aktuelle und
praktische Fragen abwirft, ist auch bei diesem Symposium mehr oder
minder zu bemerken. Vielleicht aber täusche ich mich, da ich ja
nur ganz kurze Zeit anwesend war, zu skeptisch. Eines aber konnte
ich zuverlässig feststellen, was übrigens auch der Vorsitzende
de Hoffmann sagte, am Samstag waren es nur sehr wenige Teilnehmer
die noch anwesend waren. Hoffmann bezeichnete sie als den Kern
des Symposiums. Ich nehme nicht an, dass wir das nächste Jahr wieder
ein solches Symposium zum Nationalfeiertag veranstalten müssen,
weil sich darum ja eigentlich immer insbesondere das Wissenschafts-
ministerium reisst. Dort dürfte es ein ganz normaler Vorgang sein,
obwohl mir Firnberg auch zuflüsterte, allzu viel erwarte sie von die-
sem Symposium nicht. Aus der Themenstellung der Ausgezeichneten
vom Staatspreis für Energiewirtschaft oder -Sparen, hatte ich den
Eindruck, dass wenigstens dort vereinzelt Detailprobleme verhandelt
wurden und vielleicht sogar Lösungsvorschläge kommen, die tatsächlich
eine gewisse Energieeinsparung bringen. Was ich bei meinem Einleitungs-
vortrag heuer im Symposium sagte war, dass ich nur Detailinformatio-
nen und Kenntnisse für ganz kleine Gebiete oder, wie ich es ausdrückte,
kleine Schritte erhoffe. Ich halte so gar nichts davon, wenn man
kühne Pläne, globale Lösungen, weltweite Aufgaben bei solchen Sympo-
sien bespricht und dann vielleicht gar als einziges Ergebnis
herauskommt.
Tagesprogramm, 25.10.1975
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)