Mittwoch, 10. März 1976
In der Gewerkschaft der Lebensmittelarbeiter hat BRO Serini mit
seinem Kollegen vom Konsum in einer offenen Aussprache die Streit-
probleme mit uns gelöst. Er hat mit seiner Fraktion beschlossen
höhere Gewerkschaftsbeiträge einzuheben als wir eigentlich auf
unserem Verbandstag festgelegt haben. Er verlangt 1 % vom Brutto-
bezug incl. aller Zulagen. Für den höheren Beitrag, er kommt bis zu
110.- S pro Monat möchte er eine entsprechende Rückvergütung in Form
eines Zuschusses für Schulungs- resp. Betriebsratsbesprechungen, die
er auf seine Kosten durchführt. Bekommt er diesen Zuschuss, dann führt
er die abgezogenen Gewerkschaftsbeiträge sofort an, derzeit ist er
3 – 5 Monate im Rückstand und legt zwischendurch dieses Geld
hochverzinst 8 % bei der BAWAG an. Die differenten Gewerkschaftsbeiträge
verstehen sicherlich die Gewerkschaftsmitglieder kaum. Wir müssen des-
halb, wenn wir diesen höheren Beitrag überhaupt annehmen, den Be-
triebsrat einen Teil dieses Betrages wieder rückvergüten, um eine
Begründung gegenüber den Mitgliedern zu haben.
Die Gewerkschaftsbeitragsdifferenzen nicht nur innerhalb einer
Organisation sondern auch innerhalb der Gewerkschaften sind sehr unange-
nehm. Das Problem der Beitragswahrheit, wieviel jedes Mitglied in
einer Organisation de facto zahlt, ist seit jeher einer der grossen
Streitpunkte. Noch schwieriger wird dieses Problem, wenn ein Mitglied
aus einer Organisation ausscheidet und in eine andere überwechselt. Dort
stellt er fest, dass er dann höhere Beiträge zu leisten hat. Bei
uns ist es so, dass wenn Metallarbeiter oder andere Gewerkschafts-
verbände ihre Mitglieder mit unseren Mitglieder die Gewerkschafts-
beiträge vergleichen, dann sind angeblich die Lebensmittelarbeiter
viel teurer als ganz grosse Gewerkschaften. Nur bei den Gemeinde-
bediensteten gibt es 1 % vom Bezug und dies unbegrenzt. Da alle
Mitglieder sich als Mitglieder des ÖGB betrachten, erwarten sie, dass
auch eine gleichmässige Leistung der Mitglieder in Praxis verlangt
wird. Auf dem Gewerkschaftskongress aber auch bei den einzelnen
Gewerkschaftsgen wird immer wieder über dieses Problem geklagt.
Theoretisch fasst der Gewerkschaftskongress für alle Gewerkschafts-
mitglieder sogar eine Beitragsrichtlinie. Die Gewerkschaftstage
beschliessen sogar die Gewerkschaftsbeitragstabellen. In der Praxis
halten sich aber nicht alle daran. Auch ein Problem, das bereinigt
gehört, bevor dies nicht der Fall sein wird, kann es kaum zu einer
Konzentration oder gar einheitlichen Gewerkschaftsbund kommen.
Dazu kommt noch, dass die Partei einen wesentlich geringeren
Betrag 15.- S pro Monat im Verhältnis zu dem mindestens 5-fach
höheren des Gewerkschaftsbundes verlangt. Natürlich sind die Lei-
stungen der Gewerkschaften höher als die der Partei. In unserer
materiell ausgerichteten Zeit schlage ich deshalb bei jeder Ge-
legenheit vor, man müsste doch den Mitgliedern eine grössere Leistung
sozusagen, Du bezahlst, wir leisten, anbieten. Wenn es irgendwo schief
geht, erwartet man nicht zuletzt wegen der hohen Leistungen an Ge-
werkschaftsbeiträgen, dass der Gewerkschaftsbund auch wesentlich
mit Hilfe einspringt. Im Fernsehen kann man immer wieder sehen,
und ich bemerkte dies spät abends als über die Notstandsgebiete
Wilhelmsburg, Schmidt-Werke und Köflach, Juniorwerke berichtet
wurde, wie z.B. dort die Lehrlinge vom ÖGB eine wesentlich
grössere Unterstützung erwarteten.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte mit Häuser verbinden.
Tieber hat die Messe-Eröffnung optimalst vorbereitet. Erstmalig
haben wir auch eine Presse-Aussendung mit Sperrfrist an die Redaktion
versandt. Nach der Theorie, die Zeitungen bringen nur etwas, wo sie
Material vorbereitet und aufbereitet in die Hand bekommen, müsste
also ein Presse-Echo festzustellen sein. Ich bin überzeugt, dass
dies aber nicht der Fall sein wird. Ich hoffe, dass Tieber nicht
allzu sehr deshalb enttäuscht ist. Ausser in Wien handhabe ich es,
dass bei jeder Messe-Eröffnung eine entsprechende Pressekonferenz or-
ganisiert sind . Dann sind die örtlichen Redakteure nicht nur sehr
dankbar, mit einem Minister zu sprechen, was dort draussen ja
viel seltener der Fall ist, als in Wien, sie können daher alle Fragen
stellen, die sie wünschen, und es gibt ein sehr starkes Presse-Echo.
In Wien ist das ganze anders. Hier habe ich Tieber gesagt, hier wird
es höchstens dann ein entsprechendes Presse-Echo geben, wenn ich
mit irgendeiner Ankündigung z.B. dies ist meine letzte Messe, Furore
machen würde.
Aus mir unerklärlichen Gründen, hatte der Bundespräsident verhält-
nismässig viel Zeit und ist nicht in seinem normalen Umgang zu
den Kammern und sonst wohin gegangen. Dadurch besuchte er, ohne
dass ich es vorher wusste, die ausgezeichneten Möbelaussteller.
Ich benützte natürlich dann sofort die Gelegenheit, um den auch
sehr überraschten Firmen mitzuteilen, dass dies eine zusätzliche
Anerkennung für ihre Anstrengungen, den Staatspreis zu bekommen, ist.
Die Idee hatte ein ganz kleiner Messe-Angestellter, der die Führung
veranlasste. Sofort hat sich Direktor Hintschig dann gerühmt, dass
diese Idee von ihm stammt. Ich konnte dem verdutzt dreinblickenden
der wahrscheinlich das erste Mal hörte, dass Hintschig angeblich
diese für uns das Handelsministerium gute Idee hatte, nur sagen,
auch bei der Messe ist es scheinbar so, dass gute Ideen und Durchführung
der Vorstand für sich beansprucht und wenn etwas schief geht, dann
die kleineren dafür verantwortlich sind. Ganz schief gegangen ist
nämlich die Begrüssung durch den Hofrat Strauss bei der Eröffnung.
Protokollarisch ganz falsch breit und dann noch viele zu begrüssen
vergessen, löst eine Verärgerung aus, die man gar nicht erwarten
würde.
Ich informierte Benya und dann im AK-Pavillon auch Czettel über
die Ölpreisregelung 80 gr + 20 gr für Extra Leicht, womit beide
einverstanden waren.
Bei der Landwirtschaftsmesse Ferien am Bauernhof ergab es natürlich
schon bei der Eröffnung durch Präs. Bierbaum und dann Minister Weihs
eine kleine Kontroverse. Zum ersten Mal hat Weihs sich gegen den
Vorwurf, dass für die Landwirtschaft zu wenig geschieht und vor
allem einmal jetzt die Marktordnungsgesetze eine Gefährdung der
Landwirtschaft darstellen, gewehrt. Bezüglich Getreide verwies z.B.
Bierbaum darauf, dass die Welt nur für 33 Tage Vorrat hat, Weihs
konterte, ich glaube sogar extemporiert 300 Tage haben wir in Öster-
reich. Bezüglich der Marktordnungsgesetze meinte er, er habe für die
Kraftmeierei nichts übrig. Werde verhandeln und schauen, dass man
zu einem erträglichen Kompromiss kommt. Als Beispiel einer Lösung
zitierte er auch die Durum-Weizen-Lösung. Die Bauern erklärten mir
anschliessend, die Durum-Lösung sei noch nicht perfekt, weil noch
immer nicht feststeht, wer die Differenz im Getreidefonds bezahlen
wird. Ich wollte die Lage nicht verschärfen und erklären, dass gar
niemand im Getreidefonds diese Leistung erbringen wird, sondern
dass man über dieses ganze System eben, wenn tatsächlich der Getreide-
fonds verlängert werden sollte, wird verhandeln müssen. Wenn es
nach mir geht, wird auch bei Qualitätsweizen ein ganz anderes System
eingeführt. Auch dort müssten durch Kontrakte und nicht durch An-
ordnung des Getreidefonds ein entsprechende Anbau gesichert werden.
Ob das allerdings gelingt, bezweifle . Da Weihs nicht bereit ist,
aus dem jetzigen Schema und System auszusteigen.
Min.Rat Bachmayer hat mir eine Formulierung für das AHF-Gesetz
vorgelegt, die der Rechnungshof wegen Deckung der Aufwände der
Handelskammer verlangt und auch formuliert hat. Bachmayer erklärte
dezidiert, er hätte nach Rücksprache mit Marhold und Schwarz
grösste Bedenken gegen diese Formulierung. Ich habe sofort Meisl
und die drei zu mir gebeten und festgestellt, dass tatsächlich der
Vorschlag vom Rechnungshof gar nichts anderes bedeutet, als dass
der Finanzminister zusätzliche Mittel bekommen könnte. Auf keinen
Fall ist gedeckt, dass wir im Handelsministerium dann von der
Handelskammer entsprechende Aufwendungen direkt vergütet bekommen
können. Ich telefonierte mit Androsch und Mussil und wir vereinbarten
eine neue Formulierung, die Marhold, Schwarz, Vranitzky, FM, und
Reiger, BHK-Präsidium, erarbeiten sollen. Was mich am meisten
erschüttert, war, dass in unserem Haus keine Koordinierung erfolgt.
Meisl hat die Formulierung vom Rechnungshof-Beamten übernommen, ohne
auch nur im entferntesten daran zu denken, die juristische Koordinie-
rung oder die finanzielle Koordinierung – Marhold – zu verstän-
digen, geschweige denn um ihre Meinung zu fragen. Wir müssen hier
vom Büro noch wesentlich besser koordinierend eingreifen.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Wie können wir diese schon vor Jahren eingeleitete
Ziele endlich erreichen.
NR Schlager von Pöls kam mit Herrn Bartenstein, Hoteliervereinigung
Kitzbühel. Dieser will sein Hotel auch moderne Betten umbauen. Von
100 hat er nur 30 mit Bad. Da er gleichzeitig eine Bettenvermehrung
damit auf lange Sicht beabsichtigt, hat sowohl Würzl als auch ich ihm
sofort erklärt, da wird er grösste Schwierigkeiten beim ERP-Fonds resp.
sogar bei uns bei der Komfortzimmeraktion haben. Ich verwies Barten-
stein auch auf die Tatsache, dass durch die starke Überlastung des
Kitzbüheler Raumes die Wintergäste sich heute schon über den Andrang
und ganz besonders die lange Wartezeit bei der Hahnenkamm und der Horn-
bahn beschweren. Bartenstein meinte, auf den Hahnenkamm geht auch
parallel ein Doppelsessellift, der niemals ausgelastet ist.
ANMERKUNG FÜR TIEBER: Bitte einen Bericht oder Untersuchung des ganzen
Kitzbüheler Problemes veranlassen.
Im Bundesparteivorstand fanden die Anträge zum Parteitag doch
ein lebhafteres Interesse als ich erwartete, ja als ich diesen Anträ-
gen immer wieder beimesse. Insbesondere wurde darüber diskutiert, ob
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es wirklich zweckmässig ist, Staatsbürgerversammlungen im Statut zu
verankern. Ich verteidigte dies, da für die offene Partei zumindestens
in diesem Punkt jetzt verankert werden soll, dass die seinerzeitigen
Österreich-Gespräche eben jetzt als Staatsbürgerversammlungen die
Mandatare verpflichten, daran teilzunehmen. Blecha hat vielleicht
nicht ganz zu Unrecht die Angst, dass von der grossen Reform, Öffnung
auch man für Parteimitglieder, nicht allzu viel übrig bleibt. Eine
noch grössere Debatte löste die Frage der Begrnezung der entgeltlichen
Funktionen aus. In den Vorbereitungskomitee hat man sich nach längerer
Debatte auf Beruf + 1 entgeltliche Funktion geeinigt. Mit entsprechenden
Ausnahmegenehmigungen. Benya wollte dagegen die Berufseinkommen + 2 zu-
sätzliche entgeltliche Funktionen aber ohne Ausnahmen. Sein Muster-
beispiel ist ja die Sozialversicherung, wo Betriebsräte, die gleich-
zeitig meistens Mandatare sind, hindelegiert werden. Für alle diese
muss man in Hinkunft Ausnahmen machen. Kreisky wieder wollte und damit
hat er sich durchgesetzt, wo die Ausnahme beschliessenden Organe
zu berichten haben. In Hinkunft wird die Landeskontrolle und die
Bundeskontrolle einen entsprechenden Bericht über die Ausnahmen bekommen.
Ich fürchte, das werden ganze Listen werden. Robert Weisz hat vollkommen
recht, als er meinte, die Leute interessiert nicht, wieviele Posten einer
hat sondern was er bei diesen Posten verdient. Wenn jemand bei zwei
Posten je 1.000 S bekommt, wird dies niemanden aufregen. anders sieht
dies schon aus, wenn er das zehnfache bei den zwei Posten erhält. Der
nächste Schritt wird also dann sicherlich sein, dass man über
die Höhe der Einkommen wird berichten müssen und wahrscheinlich dann
auch starke Kritik erhalten wird. Einmal mehr konnte ich feststellen,
dass Statutenfragen äusserst kompliziert sind, sobald man in die
Details einsteigt und für die Fälle durchexerziert, ergibt sich immer
wieder, dass diese oder jene Bestimmung noch aufgenommen werden müsste.
Dann aber wieder gibt es wieder die Meinung, eine solche kasuistische
Formulierung bringt auch nur wieder grosse Schwierigkeiten und neue
Probleme. Dies dürfte die Erfahrung vom seinerzeitigen Parteiobmann
Schärf gewesen sein, der immer erklärt, an der Verfassung und an
Statuten und an Bezügen von Abgeordneten soll man womöglich überhaupt
nichts ändern. Jede Neuregelung bringt nur wieder neue Probleme, in
der Öffentlichkeit eine riesige Diskussion, letzten Endes dann ein
unbefriedigenden Ergebnis und damit nur Kritik.
Der Dienststellenausschuss, Herold, hat eine Brief geschrieben,
dass er über die Besetzung der Sektion und der Abteilungen mit mir
auf Grund des Personalvertretungsgesetzes reden will. Ich habe mit
ihm drüber diskutiert, dass er doch persönlich oder zumindestens ein
Vertreter in den Ausschreibungskommissionen sitzt, auf Grund des
Personalvertretungsgesetzes allerdings hat er die Möglichkeit, noch
einmal eine Diskussion über die Besetzung zu führen, allerdings nur
mit dem Dienststellenleiter. Ich nehme an, dass dies nicht der Minister
ist sondern höchstens der mit Personalfragen betraute. Trotzdem werde
ich, wenn auch nur kurze Zeit an diesen Aussprachen teilnehmen. Plesch
berichtete mir dann, dass er alle Punkte sich mit ihm geeinigt hat.
Ich persönlich habe den Eindruck, dass es ihnen nur drum geht, keine
Beamten aus anderen Ressorts nach dem Handelsministerium in leitende
Positionen zu bekommen. Herold sprach sich ganz besonders gegen den
FM-Mann Min.Rat Müller als Nachfolger von Zienert aus. Er fragte
mich, ob ich den Mann persönlich kenne, was ich mit ruhigem Gewissen
erklären konnte, nein, ich habe wirklich noch niemals mit ihm gesprochen.
Herold meinte, der Vorschlag der Personalvertretung, Fels dafür zu
nehmen, sei sachlich begründet, da er der bessere Mann sei. Ein offenes
Problem ist noch die Besetzung von der Abteilung Marsch im Sektionsbe-
reich Jagoda, wenn dieser die Abteilung Gehart übernehmen wird. Da ich
Abteilungsleiter einsparen möchte, beabsichtige ich, den Gruppen-
leiter Singer mit der Leitung der Abteilung Marsch auch zu be-
trauen. Eine Rücksprache mit Staatssekr. Lausecker ergab, dass ich
rein formell wahrscheinlich doch auch diese Besetzung ausschreiben muss.
Wenn ich die Ausschreibung umgehen möchte, dann bleibt nur der Weg,
keinen Abteilungsleiter zu bestellen, sondern den Gruppenleiter Singer
mit der Leitung der Abteilung interimistisch zu betrauen. Ich glaube,
dass es zweckmässiger ist, tatsächlich die Ausschreibung vorzunehmen.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte prüfe noch einmal den ganzen Fall.
Tagesprogramm, 10.3.1976
TB-Beilage Tieber betr. Parteitag