Freitag, der 19. März 1976

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Freitag, 19. März 1976

In der Gesamtvorstandsitzung der Lebensmittelarbeitergewerkschaft
referierte ich über die wirtschaftspolitische Situation. Die
Währungsunsicherheit durch das Ausscheiden des französischen Franc
aus der europäischen Schlange, kann die Konjunktursituation insbes.
in der Bundesrepublik sehr beeinflussen. Wenn die DM tatsächlich
aufwerten muß, wird die deutsche Exportindustrie neuerdings diese
Maßnahme spüren. Ob Österreich dann einen schnellen Konjunkturauf-
schwung erleben wird wo auch wir sehr stark exportorientiert sind,
ist wirklich zu bezweifeln. Nicht zuletzt hat sicherlich auch dazu
beigetragen, daß die DM gegenüber dem ÖS im letzten Jahr um etliche
Prozentpunkte aufwertete, daß wir in der Bundesrepublik eine 9 %-ige
Exportsteigerung verzeichnen konnten. Auch für den Tourismus ist
natürlich die S-DM- Relation von großer Bedeutung. Aus Stabilitäts-
gründen kann ich verstehen, daß Androsch jetzt schon erklärt, das
bei evtl. Aufwertung der DM Österreich mitmachen wird. Sofort hat
die Handelskammer dagegen polemisiert. Auch das erscheint mir ver-
ständlich, denn erstens richtet sich eine solche Polemik gegen den
Finanzminister und gegen die Regierung und zweitens überwiegen so-
wie in der Industrievereinigung die Exporteure und Fremdenverkehrs-
lobbies. Ich bin zwar überzeugt, daß wir letzten Endes wieder einen
Bruchteil der Aufwertung mitmachen, die Polemik wird aber sehr
hart werden. Wäre ich an Androsch seiner Stelle, hätte ich mir
wahrscheinlich schon irgend Gesprächsforum geschaffen wo ich die
verschiedenen Interessen durchdiskutieren würde, allerdings wäre
gerade bei einem Währungsgipfel so etwas sehr schwer möglich. Hier ist
vielleicht wirklich der einzige Punkt wo man autoritär entscheiden
muß. Österreich ist dabei noch in der glücklichen Lage, daß die
Nationalbank entsprechende gesetzliche Möglichkeiten hat, Aufwertungs-
spekulanten abzuwehren. Hier zeigt sich, daß wir doch nur eine
quasi- Liberalisierung des Kapital- und Geldmarktes haben.

So ausführlich erörterte ich natürlich dieses Währungsproblem in
der Gesamtvorstandssitzung nicht, sondern erklärte ihnen mehr oder
minder, ohne daß sie es bemerkten, die Grundprobleme einer Währungs-
auf- und -Abwertung. Wichtiger erschien mir, daß ich den Kolleginnen
und Kollegen die Probleme der Marktordnung, Nahversorgung, der
Zucker-, Getreide-, Kartoffel-Situation usw. darlegte. Dies interessiert
sie natürlich viel mehr, da kennen sie sich auch sehr gut aus und


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davon sind die Lebensmittelarbeiter wirklich unmittelbar be-
troffen. Ein Dutzend Diskussionsredner waren daher bereit,
über ihre Probleme mit mir zu diskutieren. Interessant für
mich war, daß Serini der Betriebsratsobmann vom Konsum, der
doch ein wenig in Opposition zu allen Sekretären in unserer
Organisation stand, meinte, er sei froh, wenn die Fonde ver-
schwinden. Hauptgrund dann würden die Sekretäre und die Ge-
werkschaft sich mehr um die Mitglieder kümmern. Zuerst war
dies für mich unverständlich, doch er erörterte dann, daß
er einmal als er Sekretäre in der Gewerkschaft suchte, erfuhr,
daß fast alle bei Fondssitzungen waren. Dies ist sicherlich
unmöglich, weil die Fonde kaum an einen Tag alle gemeinsam
Sitzungen hatten. Die Sekretäre fühlten sich dann so am Schlips
getreten, daß sie in der Diskussion resp. bei ihren Berichten
dann immer wieder erwähnten, wie sie sich um die Mitglieder und
ganz besonders um die Betriebsratsfunktionäre kümmern. Ausserdem
führen sie, wie sie besonders herausstreichen, einen Tätigkeits-
bericht und in der Gewerkschaft sogar ein Absenzbuch wo sie sich
immer eintragen, wenn sie das Haus verlassen. Ein weiterer Dis-
kussionspunkt war, daß doch bei einigen Funktionären der Eindruck
entsteht, daß die selbständige Lohnautonomie der Gewerkschaft ge-
fährdet ist. Die Unternehmer nützen jede Gelegenheit um immer
wieder darauf hinzuweisen, daß der Gewerkschaftspräsident Benya
erklärt hat, daß man zurückhaltend sein soll. Unsere Funktionäre
vermuten, dadurch, daß es oft Lohnleitlinien gibt, wo wirklich gar
keine vereinbart wurden, ja geschweige denn, festgelegt sind. Ich
konnte sofort entkräften, daß man immer wieder erklärt hat, die
Lohnleitlinie sieht vor, daß nur einstellige Lohnerhöhungen im
Vorjahr genehmigt werden. Viele Gruppen haben aber bei uns sehr
wohl ihre Löhne zweistellig wenn auch nur ganz knappe 11 % fixieren
können. Viel schlimmer ist die Kritik, daß die Unternehmervertreter
immer wieder sagen, sie haben mit ihrem Minister, dabei meinen sie
den Handelsminister, verhandelt oder haben von ihrem Minister die
und die Information bekommen. Meistens habe ich kein Wort über Löhne
mit den Funktionären der Unternehmer gesprochen und dennoch werden
natürlich ihre Beziehungen zu mir von ihnen bei Verhandlungen oder
bei Betriebsratsinformationen ausgespielt. Mit dieser Methode muß
systematisch mein Ansehen in der Gewerkschaft bei einigen Funktionären
untergraben werden. Besonders gilt dies für die, die mich persönlich


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nicht kennen. Ich habe deshalb sofort erklärt, jeder Sekretär,
jeder Funktionär kann, wenn so etwas behauptet wird, mich sofort
anrufen, damit ich den Unternehmer zur Rede stelle.

Anmerkung für WIESINGER: Bitte wenn solche Anrufe kommen, sofort
immer, wo immer ich sei, verbinden.

Beim Jour fixe mit der Arbeiterkammer und Gewerkschaftsbund ver-
suchte ich neuerdings Zöllner, Blaha, aber auch Schmidt davon zu
überzeugen, daß es notwendig ist, für die Kartoffelsituation eine
längerfristige Lösung zu finden. Lachs vom Konsum hat zugegeben,
daß sie momentan die einzigen sind, die die Kartoffel um 2.90
verkaufen und doch verhältnismäßig einen geringen Umsatz nur haben.
Der Kartoffelpreis bröckelt schon langsam ab. Die Arbeiterkammer
ist aber unter gar keinen Umständen bereit, irgendwelche Export-
genehmigungen zu gewähren. Ich fürchte, daß Weihs früher oder später
unter einen so großen Druck kommt, daß er doch dann die Exporte,
wenn auch nicht in 4 oder 5 Tausend Tonnen, zustimmen wird. Da die
EG angeblich mit 1. April eine Abgabe einheben wird, so fürchte
ich, daß bis zu diesem Zeitpunkt Exporte möglich, nachher dann
kaum mehr möglich sein werden.

Anmerkung für PLESCH: Bitte kontrolliere ob tatsächlich eine solche
Abgabe beabsichtigt ist.

Ich verständigte Häuser von der Behauptung des Landeshauptmannes
Kessler, daß Roylon ausschließlich deshalb jetzt von Vorarlberg
nach Deutschland übersiedeln wird, weil ein Schreiben des Arbeits-
inspektorates wegen Schutzmaßnahmen vorliegt. Häuser hat die
ganze Angelegenheit schon gewußt und darauf repliziert. Ich selbst
berichtete daher auch der Arbeiterkammer und Gewerkschaftsbund.

Die Glasfusion müßte jetzt endgültig in Angriff genommen werden
und ich ersuchte Tumpel vom Gewerkschaftsbund, daß er mit der
Chemie-Arbeiter-Gewerkschaft die Besprechungen führt und das
ganze Projekt vorantreibt. Die Hauptschwierigkeit liegt momentan
darin, daß Stölzle und Oberglas beide im Köflacher Raum Betriebe
haben, ihre Produktionsprogramme nicht abstimmen und daher auch
bei der nächsten Konjunktur sicherlich nicht mehr bereit sein werden
sich zu fusionieren. Deshalb müßte jetzt der erste Schritt von der
Länderbank und der CA, beide vertreten jeweils eine Glasfabrik,
erfolgen. Für die Brunner Glasfabrik gibt es keine Überlebenschancen


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außer sie bekommt von ihrem Konzern die Spezialglasfertigung
für das Floating, d.h. eine moderne Glasproduktion fehlt die
Auftragsgröße, man kann keine österreichische Floatingproduktion
aufnehmen. Der Markt ist zu klein.

Die Diskussion beim Jour fixe ist immer furchtbar anstrengend
weil insbes. Zöllner sehr extreme Standpunkte einnimmt. Er
meinte z.B. allen Ernstes, bei dem Kartoffelpreisproblem die
Lagerhausgenossenschaften und Händler hätten irrsinnige Gewinne
als die Kartoffelpreise so stark stiegen. Jetzt müßten eben die
Kartoffelpreise auf ein solches Ausmaß zurückgedrückt werden, daß da-
mit der Konsument einen Ausgleich für die vorhergehenden Erhöhungen
bekommt. Seiner Meinung nach müßte man eben den durchschnittlichen
3-S-Preis für Verbraucher der jetzt auf 8 S gestiegen ist auf 1 S
für den Verbraucher senken und den monatelang beibehalten und erst
dann dürfe etwas zur Stabilisierung des Erdäpfelpreises geschehen.
Natürlich meint er dies, so hoffe ich wenigstens, nicht ernst aber
bis man ihm seine Ideen ausredet dauert schrecklich lange und ist
furchtbar mühsam.

Durch reinen Zufall erfuhr auch vom Zöllner, daß es in der Fraktion
des Arbeiterkammervorstandes eine einhellige Verurteilung der
Benzinpreislösung gegeben hat, weil er dem Vorstand die Mitteilung
machte, daß alle europäischen Länder wesentlich geringere Lager-
kosten verrechnen als die österr. Ölgesellschaften. Zöllner hat
wider besseren Wissens die Unterlagen der Internationalen Energie-
agentur ohne Erläuterungen den Vorstandsmitgliedern zur Kenntnis
gebracht. Dort hat eine Erhebung auf vollkommen falscher Basis er-
geben, daß man Kraut mit Rüben verglichen hat. Dadurch kam heraus,
daß in Österreich die Lagerung drei oder viermal teurer ist als
in allen anderen europäischen Staaten. Als ich die Ziffern das
erste Mal sah und sowohl mit der Arbeiterkammer als auch mit den
Ölgesellschaften besprach, konnte man einwandfrei feststellen, daß
es sich hier um eine falsche Erhebung resp. um falsche statistische
Daten, resp. um falsche Ansätze handelt, die man verglichen hat.
Aus der Bemerkung Zöllners konnte ich entnehmen, daß er kritiklos
ja selbst nicht einmal aufklärend dieses Ziffernmaterial den Vor-
standsmitgliedern zur Kenntnis brachte und für die Untermauerung
seiner Theorie, es ist überhaupt nichts notwendig, auf dem Benzin-
und Heizölsektor zu machen, verwendete. Ich bin überzeugt, daß er
auch das vertrauliche erste Informationsmaterial über die Rohöl-


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preissituation aus unserer Prüfung ebenso kritiklos und ohne
Kommentar weitergibt auch dann wenn Hruby ausdrücklich mir
gegenüber erklärte, dieses Material würde keinesfalls in irgend-
einer Form gegen das Handelsministerium verwendet werden. Ich bin
für restlose Information unserer Kollegen und Freunde, was aber in
Hinkunft die Situation wesentlich erschweren wird ist, wenn ich
erfahre, wie man mit diesem Material dann gegen das Handelsministerium
agiert. Ich würde es zutiefst bedauern, wenn aus solcher Entwicklung
der Informationsfluß leiden würde. Die Arbeiterkammer wird dadurch
nur weniger informiert, beim Gewerkschaftsbund würde ich wahr-
scheinlich nur vollstes Verständnis finden und der Gegensatz in
Auffassungen zwischen Arbeiterkammer einerseits Gewerkschaftsbund
und Handelsministerium andererseits würde sich nur noch vertiefen.
Ich bin wirklich sehr froh, daß ich diesen Jour fixe eingeführt
habe, auch dann wenn er aufreibend und sehr zeitraubend ist,
vielleicht trägt er doch dazu bei, das Klima zwischen den drei
für mich und letzten Endes für alle Beteiligten so wichtigen
Institutionen zu verbessern. Manchmal habe ich allerdings oft den
gegenteiligen Eindruck.

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Tagesprogramm, 19.3.1976


Tätigkeit: AK


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