Mittwoch, 7. April 1976
In der Sozialakademie referierte ich trotz Heiserkeit und musste
vier Stunden sprechen. Nachher war meine Stimme total weg. Diesmal hat
sich in die letzte Stunde sogar der Leiter der Sozialakademie
Dozent Klimpt gesetzt, leider hatte ich anschliessend keine Zeit,
um mit ihm eine weitere und zweckmässigere Lehrplangestaltung
zu besprechen. Ich diskutiere mit ihm bereits seit über 20 Jahren
dieses Problem. Diesmal war es leider so, dass nach mir erst der
für Agrarpolitik zuständige Mann, Ing. Schneider vom Wirtschafts-
forschungsinstitut kam. Klimpt hat das Prinzip und damit bin ich
sehr einverstanden, die besten Fachleute auf den einzelnen Gebieten
zu holen und den Hörern so die Möglichkeit zu geben, aus erster
Hand wirklich eine umfassende Information und Vortrag zu bekommen.
Meine Aufgabe habe ich immer darin gesehen, den Standpunkt der
Arbeitnehmer insbesondere den der Arbeiterkammer und des Gewerkschafts-
bundes gerade gegen spezialisierte Fachleute der anderen Seite dar-
zulegen. Schneider z.B. hat allein auf einem Vortrag bei der landwirt-
schaftlichen Gesellschaft gezeigt, dass er einen ganz extremen Bauern-
standpunkt vertritt. Mir erschien es deshalb notwendig, jetzt
schon den Hörern unseren Standpunkt in der Agrarpolitik, den Markt-
ordnungsgesetzen und so weiter darzulegen. Am liebsten wäre mir, wenn
es auch in der Sozialakademie eine Konfrontation direkt mit den
verschiedenen Auffassung gäbe, womöglich wäre die idealste Lösung
für dieses Problem ganz einfach 1 oder 2 Stunden Kurzvorträge mit
anschliessender Diskussion der Hörer. Ich könnte mir sehr gut
vorstellen, dass ich mit einem Vertreter des anderen Standpunktes,
z.B. Schneider, es könnte aber auch ohne weiteres Lanner, der Bauern-
bunddirektor sein, eine solche Diskussion führen könnte, ja sogar möch-
te
ANMERKUNG FÜR TIEBER: Was hältst Du von einer solchen Idee?
Die Hörer kommen aus ganz Österreich und den verschiedensten Gewerk-
schaften, sodass sie bei den Aussprachen, die ich immer in der Sozial-
akademie führe, mich mit allen Problemen, die sie haben und die in
den Ländern und in ihrer Branche eine Rolle spielen konfrontieren.
Ich bin daher immer selbst erstaunt, wieviel Detailwissen diese
Hörer mitbringen, noch mehr erstaunt aber, dass ich doch das meiste
davon doch schon irgendwie gehört oder vielleicht versucht habe
zu lösen. Neu war mir diesmal und ich habe mich darüber hinweggeschwin-
delt, dass Sandoz im Industriegebiet ihre grosse Entwicklungsabteilung
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und Forschungszentrum jetzt entsprechend stillegt. Die Aufwendungen
betragen 100 Mill. S und sie haben trotzdem sie 800 Mill. S in-
vestiert haben, und knapp vor dem Abschluss der Entwicklung eines
neuen Produktes stehen, den leitenden Angestellten und Wissenschaftler
mitgeteilt, dass jetzt die Arbeit auf Beschluss von Sandoz, Schweiz,
eingestellt wird.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte sofortige Information einholen und fest-
stellen, mit wem ich bei meinem Betriebsbesuch dort gesprochen habe,
damit ich Verbindung aufnehme.
Dir. Bandhauer und Dr. Zluwa wünschen dringend eine Aussprache,
weil Bandhauer der Meinung ist, wir dürften keinesfalls wegen der
Aufsichtsratsverkleinerung in den Elektrizitätsgesellschaften die
ganze Frage übers Knie brechen. Die Betriebsräte haben Zluwa nämlich
vorgeschlagen, man soll den gesamten Aufsichtsrat neu bestellen,
dazu müsste ich jetzt sofort die Tagesordnung für die Donau ergänzen
da 14 Tage vor Zusammentritt des Aufsichtsrates die Tagesordnung
entsprechend festgelegt und den Mitgliedern mitgeteilt werden muss.
Es war nicht mehr möglich, Frank, den ich darum ersuchte, mit
LH Maurer die Sache zu besprechen. Selbst wenn der Proporz aufrecht
bleibt, würde es nach Meinung von Bandhauer aber auch von Zluwa
ein Kriegsfall mit Maurer und den anderen sein. Sie würden sich
überrumpelt fühlen. Bandhauer möchte daher unbedingt, dass man ent-
sprechende Vorbereitungszeit hat, die ganze Angelegenheit verschieben
Bandhauer meint, man könne ohne weiteres eine eigene Hauptversamm-
lung einberufen. Genau dies möchte ich aber nicht. Wir einigen uns,
dass als Ausweg alle die 1976 neu bestellt werden müssen, ein Jahr
bis zur nächsten Hauptversammlung 1977 bestellt werden, Bis dahin
können dann alle entsprechenden Vorschläge und Reduzierungen vorbe-
reitet werden. Bandhauer macht noch darauf aufmerksam, dass er die
Satzung genau studieren muss, ob dies überhaupt möglich sei. Bandhauer
möchte auch bei der Reform, dass in den bauenden Gesellschaften
das wären die Donau, Drau und Tauern unbedingt der gesamte Verbund-
vorstand als Aufsichtsräte verbleiben, nur bei den Illwerken schlägt
er zwei vor, ähnlich wie jetzt bereits ein Vorschlag bei den Enns-
kraftwerken von ihm mit 2 Verbundgesellschaftsleuten genügt. In diesem
Fall würde er bei der Enns verbleiben und Erbacher soll bei den
Illwerken bleiben. Die ÖVP müsste dann jeweils ihren Vertreter in
diesen Gesellschaften noch nominieren.
Ich mache Bandhauer und Zluwa auf den Beschluss des Parteitages
aufmerksam, wonach in Hinkunft Ausnahmegenehmigungen bei mehr
als zwei bezahlten Funktionen gemacht werden müssten. Ich habe
nicht die Absicht, die vielen Aufsichtsratsposten, die heute die
Genossen in der Verbund haben, zu befürworten. Bandhauer schlägt
vor, man soll ganz einfach die Aufsichtsratsgebühren einbehalten,
d.h. an die Verbundgesellschaft abführen, wie dies auch ursprünglich
bei der Gründung der Verbund und des Sondergesellschaften der Fall
war. Erst Sykora, erinnert sich Bandhauer, hat die Bezüge nicht mehr
eingebracht. Das ist allerdings jetzt schon bald 20 Jahre her und
wenn ich jetzt eine solche Anordnung erlassen würde, könnten zumindest
die ÖVP-ler diese Einbehaltung der Bezüge beim Arbeitsgericht ein-
klagen. Derzeit haben sie nämlich schon allein aus Gewohnheitsrecht
einen Rechtsanspruch, wenn es nicht auf freiwilliger Basis gelingt
eine Lösung zu erzielen, dann bleibt mir ja kein anderer Weg, als
keine Bestellung mehr vorzunehmen. Ich versichere Bandhauer, dass ich
die ganze Sache nicht übers Knie brechen möchte, dass ich andererseits
nicht unbedingt die drastische Reduktion um fast ein Drittel sofort
durchführen muss, dass aber doch ein deutlich sichtbares Zeichen der
Reduktion erfolgen müsste. Dies brauche ich, um insbesondere die
Angriffe der Spitzenfunktionäre in der Politik auch im ÖGB, die
eine Reorganisation erwarten, abwehren zu können. Bandhauer sieht
meine Taktik vollkommen ein und wird sich noch überlegen, wie wir
am besten vorgehen.
Frühbauer verständigt mich, dass er nach Rücksprache mit Bandhauer
auf dem Standpunkt steht, bei der Drau sollte unbedingt die Reduk-
tion der Aufsichtsräte jetzt erfolgen. Er gibt dort die grosse
Möglichkeit, den politischen Proporz zu ändern und trotzdem ein
Einvernehmen zu erzielen. Durch das Ausscheiden von Präs. Werner
können alle Probleme gelöst werden und doch die Aufsichtsräte
reduziert werden. Ich stimme natürlich dieser Lösung sofort zu,
weil sich auch in der Zwischenzeit herausgestellt hat, ich habe
mit Wais darüber im Detail gesprochen und er hat als Aufsichtsrats-
mitglied der Drau mir in den Statuten nachgewiesen, dass eine Be-
stellung der Aufsichtsräte auf drei Jahre normal zu erfolgen hat.
ANMERKUNG FÜR TIEBER UND WAIS: Da keine generelle einjährige Ver-
längerung möglich ist, unbedingt die Reduzierung der Aufsichtsräte,
wo es einvernehmlich möglich ist, veranlassen.
Zolles kommt zu einer Aussprache und möchte jetzt wegen der
Umsiedlung resp. Neu-Anmietung für die Zentrale eine endgültige
Richtlinie. Zolles war über Würzl sehr verärgert, weil dieser
in der Direktoriumssitzung zugestimmt hat, dass entsprechende Ver-
handlungen geführt werden, und jetzt einen ganz anderen Standpunkt mir
gegenüber eingenommen hat. Ich versuche Zolles neuerdings auseinanderzu-
setzen, dass es mir nicht darauf ankommt, wenn wir jetzt einige
Millionen Schilling ausgeben, sondern dass ich durch die Wert-
sicherung bedingt die zukünftigen Belastungen befürchte. Heindl
sagt mit Recht, dass gerade die Wertsicherung viele Unternehmungen
mehr oder minder an den Rand des Ruins bringt. Die Vermieter haben
sich auch bei Neubauten jetzt angewöhnt, Wertsicherungen mit
Lebenshaltungskostenindex gebunden einzuführen. Dafür besteht eigent-
lich vom Standpunkt des Vermieters gar keine Begründung. Er finanziert
und baut das Haus zu einer gegebenen Marktsituation. Die Rückzahlung
der Kredite erfolgt ebenfalls aus den Mieteinnahmen ohne Wert-
sicherung. Wenn er tatsächlich z.B. an die Bankrate gebunden ist,
so könnte ich mir noch vorstellen, dass man eine Wertsicherung aus
der Bankrate heraus schafft, unmöglich erscheint mir aber, dass
man tatsächlich auf den wesentlich höher steigenden Lebenshal-
tungskostenindex zurückgreift.
ANMERKUNG FÜR WAIS UND WANKE: Hier müsste eine grundsätzliche Dis-
kussion und ein neuer Weg der Absicherung gegen diesen Mietbelastungs-
vorgang gesucht werden.
Ich schlage Zolles vor, er soll einmal im jetzigen Haus – Hohenstaufen-
gasse – schauen, welche Möglichkeit sich dort für die Ausbreitung
bzw. Renovierung ergibt. Die derzeitige Unterbringung ist in einem
"Wagner"-Haus und könnte meiner Meinung nach allein schon durch die
grossen Eintrittshalle, die einmal ein Kassensaal war, zweckmässig
ausgestaltet werden. Es wäre nur notwendig, dass der Eingang und
die jetzigen Räume zweckmässigerweise verteilt werden. Die Reno-
vierung könnte mit Hilfe von Geldern, die für denkmalgeschützte Gebäude
zur Verfügung stehen und eigenen Mitteln durchgeführt werden. Zolles
gibt zu, dass dies eine sehr gute Idee ist, weil man bei dieser Ge-
legenheit gleich Austria-Information aus dem Palais Palffy, wo sie
unzweckmässig untergebracht ist und sogar eine falsche Informations-
politik betreibt, in die ÖFVW herübernehmen könnte. Zolles hat
mit dem Leiter vom Palffy, Gaisbauer, entsprechende Auseinander-
setzungen schon gehabt.
Zolles möchte nach einer Aussprache und Besuch mit den Ungarn
eine gemeinsamere Kooperation gerade zwischen Wien und Budapest
erreichen. Zu diesem Zweck glaubt er, dass es zweckmässiger ist,
auf die jetzigen Donauländer-Werbung zu verzichten, die sowieso
keinerlei positive Erfolge bis jetzt gebracht hat und mehr mit
bilateralen Gesprächen zwischen der ÖFVW und den einzelnen Oststaaten
Kooperationen und Abkommen zu vereinbaren. Ich stimme diesem Weg sofort
zu. Die Donauwerbung wird weiterhin zwar bestehen bleiben, aber
sich höchstens einmal im Jahr treffen, um Bericht zu erstatten,
was sie eigentlich nicht gemacht haben, resp. was sie nicht erreicht
haben. Bis jetzt sind sie nämlich wirkungslos, der einzige grosse
Schlager der Donau ist die Schiffahrt der Sowjetunion mit den
sehr modernen und in Österreich gebauten Donauschiffen.
Die Austria Touristik Börse war ein grosser Erfolg und es besteht die
Absicht, dass sich auch Oststaaten daran beteiligen wollen. Darüber
hinaus wäre die Möglichkeit, die gesamte gleichzeitig laufende
von Gaisbauer organisierte Fremdenverkehrsveranstaltung, die Bunte-
Weite-Welt, auch mit den einzelnen Ländern in die österr. Touristik
Börse einzubeziehen. Bis jetzt allerdings waren die Bundesländer
strikte dagegen, die Bundesländer sind allerdings auch dagegen, dass
jetzt die einzelnen Orte bei der Österr. Touristik Börse in Er-
scheinung treten. Zolles hat nun mit den Veranstaltern insbesondere
aber mit der Wiener Messe Gespräche geführt. Die Messe möchte unbe-
dingt ihre sonstigen Räume, die die Österr. Touristik Börse nicht
braucht, an andere vermieten. Deshalb besteht die grosse Gefahr,
wenn die ÖFVW das nicht in die Hand nimmt, dann doch letzten Endes
die Ausländer die Messe mieten und dort eine entsprechende Veran-
staltung durchführen, auf die wir keinen Einfluss mehr hätten. Die
Messe wäre, wenn dies alles in der Austria Touristik Börse (ATB) orga-
nisiert wird, bereit, von den 555.– S/m² Mieteinnahme 200.– S für
Propaganda und Durchführung der Österr. FVW abzutreten. Dies muss
allerdings strengst vertraulich behandelt werden.
In der Paritätischen Kommission musste ich den Vorsitz führen und habe
so wie immer ganz schnell die Tagesordnung abgewickelt. Es geht dort
schon der Spruch, wenn Staribacher Vorsitzender ist, dann ist die
Sitzung in kürzester Zeit zu Ende. Da ich die Paritätische Kommission
seit 1957, als sie gegründet wurde, kenne, und darin tätig bin und war,
kenne ich die Spielregeln sehr genau. Da die ganze Fragen vorher
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zwischen den Präsidenten vereinbart sind, ist es gar nicht notwendig,
hier einen langen Palaver abzuführen, weil sich an dem Standpunkt
überhaupt nichts ändern kann. Die Paritätische Kommission hat nur
mehr einen formellen Charakter. Alle Beteiligten sind daher mit
meiner Vorgangsweise sehr einverstanden. Seinerzeit als ich sogar die
Präsidentenbesprechung befürwortet, ja ich darf sogar sagen initiiert
hatte, wollte ich allerdings eine andere Politik damit erreichen
Seit 1945 war es üblich, dass selbst bei den Lohn- und Preisabkommen
in kritischen Situationen Böhm und Raab allein unter vier Augen
zusammengekommen sind und in diesen Präsidentenbesprechungen nur
die wichtigsten und kritischsten Probleme zwischen diesen allein
besprochen wurden. Niemals waren damals Experten dabei. Nur in den
seltensten Fällen wurden sie für Detailfragen ab und zu zugezogen.
Im Laufe der Zeit hat sich dann daraus aber entwickelt, dass alle
offenen Fragen, selbst dann wenn sie weniger bedeutungsvoll sind,
den Präsidenten zur Entscheidung vorgelegt werden. Damit wurde die
Präsidentenaussprache in meinen Augen entwertet, führt aber jetzt
dazu, dass das höchste Gremium der Sozialpartner entschieden hat.
Daraus resultiert, dass niemand dann auch nur im entferntesten eine
entsprechende Änderung vornehmen kann.
Ich habe deshalb nachher mit Vertretern der Arbeiterkammer und des
ÖGB in kleinstem Kreise die weitere Vorgangsweise für die Wirtschafts-
pakete besprochen Hofstetter bestätigte mir, dass auf der Sozialpartner-
ebene die Gespräche, wie ich auch glaube, erfolgreich weitergeführt wer-
den. Jetzt sind natürlich die Standpunkte noch sehr verschieden. Die
Punktation hat ergeben, dass man sehr schwierig nur ein Kompromiss
wird erzielen können. Trotzdem bin ich fest davon überzeugt, dass
es zu einem solchen kommen wird. In diesem Fall wird dann, wenn
die Marktordnungen im Prinzip geeinigt sind, von Seiten des ÖGB
und der AK auch der Vorschlag gemacht werden, im Preisregelungsgesetz
die Rohstoffpreissenkungen ebenfalls durch § 3b) oder 3a) zu einer
Preissenkung des Unternehmens, der es bis jetzt nicht weitergibt,
zu verhalten. Ebenso sollen eventuelle Währungsgewinne weitergegeben
werden müssen. Ich verlangte, dass ein diesbezüglicher Vorschlag gemein-
sam von den Interessensvertretungen dann an das Handelsministerium
gestellt werden soll. Ich möchte in diesem Fall nicht die Initiative
dann ergreifen, weil ich unbedingt will, dass die Handelskammer zu
dem Verhalten nicht nur zustimmt sondern zugibt, dass es eine Sozial-
partnerinitiative war. Ich brauche in weiterer Folge unbedingt diese
Erklärung der Handelskammer, damit wenn ich dann einzelne Unternehmer
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unter diese Bestimmungen zu Preissenkungen veranlasse, die Handelskammer
dann nicht gegen mich polemisieren kann, was ich nämlich, unter
uns gesagt, erwarte.
Tagesprogramm, 7.4.1976