Samstag, 24. April 1976
Ein gewisser Dr. Frankel, angeblich auch Konsulent der ÖMV
aus England, wahrscheinlich ein Emigrant, hat in Wien ein
Symposium der Internationalen-Ökonomischen Ölfachleute zu-
sammen gebracht. Teilnehmer dieses Symposiums müssen 800 Dollar
zahlen. Was mich am meisten dabei überraschte war, dass bedeutende
Manager sowohl der Ölgesellschaften, als auch der Internationalen
Organisationen Opec, Unido usw. daran teilnahmen. Gen.Dir. Bauer
hatte mich ersucht, ich sollte ebenfalls an diesem Symposium
zumindestens zeitweise teilnehmen und dort in Erscheinung treten.
Ich kam gerade am zweiten Tag zur Diskussion zu recht. Von unserem
Ministerium waren Hladik und Obermair.
ANMERKUNG FÜR TIEBER: Die Beiden machen sicherlich für Frank
einen Bericht, lasse ihn Dir geben.
Zum Mittagstisch verlangte ich von Bauer dass ich neben dem
Generaldirektor der Agentur, Lantzke, zu sitzen kam. Dadurch hatte
ich Möglichkeit ihm auseinander zu setzen, wie weit wir in Öster-
reich jetzt mit der Erfüllung der internationalen Energiever-
träge sind. Ich erklärte ihm, dass nur eine Bevorratung der-
zeit von uns gesetzlich angestrebt werden kann, weil die ÖVP
als grosse Oppositionspartei derzeit nicht bereit ist mehr zu-
zustimmen. Lantzke meinte er könne mit den Internationalen Öl-
gesellschaften, die in Paris bestens mitarbeiten, reden damit
auf freiwilliger Basis, die die Agentur braucht, auch in Öster-
reich dem Staate gegeben werden. Gen.Dir. Bauer hat gegen diese
Vorgangsweise grösste Bedenken, weil er glaubt, dass die wirk-
lichen Ziffern auf freiwilliger Basis weder von den Internationalen
aber auch nicht von seiner Gesellschaft zu bekommen sind. In
Wirklichkeit wehren sich alle dagegen, angeblich aus Konkurrenz-
gründen, die wirklichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen.
Da wir für die Lenkung und auch Information, soweit sie nicht
die Bevorratung betreffen, eine verfassungsgesetzliche Bestim-
mung brauchen, sehe ich derzeit keine Möglichkeit diesen Punkt
des internationalen Agenturvertrages erfüllen zu können. Lantzke
bestätigte mir aber, dass jetzt der wichtigste Schritt ist, die
Bevorratung endgültig anzugeben. Er war sehr befriedigt von mir
30-0538
zu erfahren, dass es gelungen ist eine Einlagerungsgesellschaft
jetzt zustande zu bringen, die sowohl die ÖMV als auch die inter-
nationalen Firmen umfasst. Gen.Dir. Bauer wies neuerdings darauf
hin, wenn die ÖVP keine entsprechenden Beschlüsse fassen lässt
dass die ÖMV allein imstande ist und willens ist, das Bevor-
ratungslager zu bauen. Ich forderte Gen.Dir.Bauer auf, diesen
Standpunkt neuerdings der ÖVP mitzuteilen. Bauer wird nochmals
eine Vorsprache versuchen, gibt aber überhaupt, selbst wenn die
gesamte Branche mit ihm geht, dieser Vorsprache keine Chance.
Scheinbar hat die so mächtige Gruppe der Ölwirtschaft keinen wie
immer gearteten konkreten Einfluss mehr auf das Geschehen, obwohl
es um ihre Existenzfragen geht. Hier dürfte die Handelskammer
aus politischen Gründen sich den Bauern gegenüber so stark ver-
pflichtet haben, dass die Landwirtschaft jetzt in der ÖVP
diktiert und eine Koppelung aller Verfassungsgesetze scheinbar
die nur einigermassen mit Wirtschaftsfragen zu tun haben, in
das Wirtschaftspaket hinein durchgesetzt hat. Niemand kann
scheinbar dieses Paket aufschnüren.
Bei der Gesprächsführer-Schulung traf ich Kreisky und habe ihn
über diese Situation informiert. Ich verwies darauf, dass am
Dienstag ich im Handelsausschuss, wenn die ÖVP der Verfassungs-
2/3-Mehrheitsregelung nicht zustimmt, dann die einfachgesetzliche
Lösung vom Klub vorgeschlagen wird. Damit wird dokumentiert dass
die Regierung sehr wohl bereit ist, wenn die ÖVP glaubt mit
2/3-Mehrheit, sei es bei der Marktordnung oder bei der Preisge-
setznovelle eine solche Regelung erzwingen zu müssen, dann tat-
sächlich einfachgesetzliche Regelung an deren Stelle von uns
gesetzt werden. Kreisky ist mit dieser Vorgangsweise einver-
standen.
Beim Gesprächsführertraining hat den Vorsitz Marsch geführt und
Blecha selbst über die Öffentlichkeitsarbeit und ihre Schulung
gesprochen. Blecha ist ein blendender Redner, wird heute überall
verlangt, hat nur einen Nachteil, dass er viel zu lange und
viel zu sehr ins Detail geht, so daher immer alle Termine weit
überzieht. Die aus ganz Österreich zusammengekommenen Gesprächs-
führer mussten – und das war auch der Zweck – das Gefühl haben,
dass man sie wirklich gut betreut. Ausser Androsch und mir war so-
gar Kreisky dann zur Diskussion und Aussprache erschienen.
Als Kreisky begann, hat ihn Marsch angekündigt: Als Höhepunkt kommt
nun Bundeskanzler Kreisky. Kreisky selbst, der neben mir sass,
brummte: "So ein Unsinn diese Ankündigung, das kann ich schon
nicht leiden." Ich hatte das Gefühl, dass es ihm wirklich pein-
lich ist, wenn er immer als der Beste, als der Höhepunkt usw.
angepriesen wird. Natürlich könnte man sagen, er weiss, dass er
es ist und daher braucht er diese Ankündigung nicht. In Wirk-
lichkeit bin ich auch überzeugt, dass er ständig bemüht ist diesen
Mythos, diese Preisung, dieses Anhimmeln, vor allem innerhalb
unserer Partei abzubauen. Kreisky glaube ich erkennt genau diese
Gefahr, wohin eine solche Entwicklung führen kann. Dass diese
Gefahr bei ihm nicht besteht, habe ich mit grosser Befriedigung
durch diese Bemerkung zur Kenntnis genommen. Da ich alle Partei-
führer und Vizekanzler seit der zweiten Republik genau kenne,
weiss ich, dass alle eigentlich stets bestrebt waren, innerhalb
der Partei ein kollegiales und freundschaftliches Verhältnis
mit den Funktionären zu haben. Auch Schärf wollte ständig mit Ge-
nossen einen freundschaftlicheren Kontakt. Er hat deshalb auch
soweit es irgendwie nur der andere nicht missverstanden hat, sofort
geduzt. Auch Kreisky handhabt dies, bei den Gesprächsführern
konnte ich mich davon wieder überzeugen. Wenn es zu einer anderen
Entwicklung in unserer Partei kommt oder kommen sollte, so sind
sicherlich die daran schuld, die durch ewiges herausstreichen,
durch Speichelleckerei die grosse Masse unserer Funktionäre ver-
unsichern. Ich frage mich oft, ob es nicht gerade diejenigen
sind, die selbst durch ihren Titel oder gar noch durch Hoffnung
in die höchsten Positionen zu kommen, schon vorbeugend die
Distanzierung besonders jetzt gegenüber den Höheren herausstreiche;
und dann wenn sie diesen Posten erreicht haben, auch dann diese
Distanzierung zu verlangen. Getarnt wird diese Politik dadurch,
dass man sagt, es sollte und dürfte keine Kameraderie geben.
Zwischen dieser und einer echten Freundschaft mit echtem Zusammen-
halten mit gegenseitigen verteidigen auch dann wenn es aus
fachlichen Gründen manchmal schwer möglich ist, ist aber ein
himmelhoher Unterschied. Nue der weitesgehendste Zusammenhalt,
allerdings unter der starken Führung Kreiskys, hat bis jetzt die
Erfolge der sozialistischen Regierung und damit der Sozialistischen
Partei erbracht. Solange dieser Zustand anhält und vor allem
30-0540
die ÖVP in sich nach wie vor so zerstritten ist, wie es auch
in der Regierungszeit 1966–70 mehr oder minder gewesen ist,
wird sich an den Zuständen in Österreich nichts ändern.
Tagesprogramm, 24.4.1976
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)