Donnerstag, 24. Juni 1976
Die Vorprüfungskommission für die Preisanträge Getreide und Milch
wurde von Kurzel für Getreide kurzfristig einberufen. Ich wollte
zuerst nur eine kurze Einleitung halten und sofort verschwinden,
weil ich im Industriezentrum einen Besuch angesagt hatte, blieb
dann aber viel länger, um mir die einzelnen Erklärungen der Inter-
essensvertretungen anzuhören. Ich ließ bei meinem Statement keinen
Zweifel, dass diesmal die Getreidepreisregelung nicht mehr so er-
folgen kann, wie wir sie die letzten Jahren durchführten. Ähnlich
wie bei Zucker soll ein Exportmodell entwickelt werden. Exportieren
können wir nur den Qualitätsweizen. Die Füllweizenproduktion ist
womöglich einzuschränken. Da wir keine Lenkung vornehmen, ist
dies nur über den Preis möglich. Es muss eine starke Preisdiffe-
renzierung zwischen Qualitätsweizen. Durum-Weizen und Füllweizen
erfolgen. Die Regierung und auch die Paritätische Kommission
wünscht, dass im Prinzip nur einmal im Jahr ein Preis erhöht
wird. Die Verbraucherpreiserhöhung erfolgte im Feber 1976.
Wenn es zu einer einvernehmlichen Regelung kommt, können natür-
lich Ausnahmen gemacht werden. Bei jeder Preiserhöhung muss man auch
mit den entsprechenden Lohnerhöhungen rechnen. Die Lohnerhöhung für
die Müller und Bäcker wird aber erst dann erfolgen, bis wirklich
eine Preiserhöhung beschlossen wird. Von Seiten der Löhne ist
ein Stillhalten möglich.
Ing. Altmann für die LWK erklärte, dass jetzt sofort über die
Kalkulation verhandelt werden sollte. Nach Abschluss der Preis-
bestimmung werden sie einverstanden, ein Exportmodell zu besprechen.
In den Kalkulationen seien die Kosten der Strohbergung und der
Gründüngung als Zwischenfrucht nicht berücksichtigt. Die so kal-
kulierte Preiserhöhung beträgt 29,13 Groschen. Der Arbeitsbauern-
bund erwähnte, er hat 20 Groschen, die freiheitlichen Bauern 84
Groschen und der Allgemeine Bauernverband 90,81 Groschen. Altmann
wollte damit beweisen, dass sie was die Höhe betrifft, im guten
Mittelfeld liegen. Der Vertreter der Arbeiterkammer Blaha
erklärte sofort, eine Füllweizenpreiserhöhung unter gar keinen
Umständen zustimmen zu können. Die Qualitätsweizenproduktion gehört
ausgeweitet und zwar nicht nur wie vorgesehen von 70.000 ha auf
85.000 ha sondern womöglich auf die gesamte mögliche Anbau-
fläche, das sind 120.000 ha. Der Vertreter der Handelskammer
Dr. Köllerer, Mühlenindustrie, sprach sich gegen eine solche Idee
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insofern aus, als dadurch die Qualität des Mehls leidet. Die
Mühlen kaufen heute in NÖ Qualitätsweizen, der nicht Kontrakt-
weizen ist, zu normalem Füllweizenpreis. Diesen mischen sie selbst-
verständlich zu dem Füllweizen, haben dadurch eine günstigere
Kostensituation und die Mehlqualität steigt. Die Handelskammer
verlangt für jede vorgesehene Erzeugerpreiserhöhung sofort die
Durchrechnung für eine entsprechende Verbraucherpreiserhöhung
und gleichzeitige Inkraftsetzung.
Min.Rat Stühlinger, der im Landwirtschaftsministerium für die
Getreidefrage zuständig ist, erklärte auch dezidiert, dass nur eine
Qualitätsweizenanbauvermehrung die Exportfrage befriedigend lösen
kann. Sowohl er als auch Kurzel erklärten mir übereinstimmend,
dass ihrer Meinung nach eine Erhöhung des Füllweizenpreises
aber auch des Roggenpreises überhaupt nicht in Frage kommt.
Andererseits ist er ein grosser Formalist. Er lasst das Preisver-
fahren so ablaufen, wie wenn er nächste Woche schon den Erzeuger-
preis festsetzen würde.
Weihs von der Arbeiterkammer hat mir anschliessend seine Bedenken
über diese Vorgangsweise mitgeteilt. Ich habe es ihm und dann auch
seinem Onkel, dem Landwirtschaftsminister, selbst gesagt, dass
wir in dem System durch den seinerzeitigen Beschluss der Preis-
kommission gefangen sind. Ich habe das Schema nie anerkannt und
werde es auch nicht anerkennen. Der Landwirtschaftsminister steht
auf dem Standpunkt und hat mir dies neuerdings bekräftigt. Er hat
sich darum niemals gekümmert. Er liess die Preiskommission be-
rechnen und agieren und hat dann ganze einfach besprochen, mit an-
deren Worten abgehandelt und dann festgesetzt. Das Ergebnis war
allerdings, dass die Bauern immer wieder erklären konnten, der
Getreidepreis sei ganz unbefriedigend, die Kalkulation zeige
eine viel höhere notwendige Preisfestsetzung.
ANMERKUNG FÜR PLESCH UND MARSCH: Bitte die vorbesprochene Prüfungs-
ergänzung sofort einleiten.
Im ARGE-Industriezentrum in Liesing hat man unglückseligerweise
viel länger auf meine Ankunft gewartet, ich ersuchte, mich
telefonisch für die Verspätung zu entschuldigen und man hätte so
war ausdrücklich mein Wunsch sofort beginnen sollen. Leider
dürfte hier beim Telefon ein Missverständnis entstanden sein.
Ich sprach deshalb sofort nach dem Bezirksvorsteher, wünsche
dem 15 Jahre bestehenden Industriezentrum weiterhin alles Gute
und fuhr sofort wieder weg. Dr. Kohmaier, Kettenproduzent, und
Schneider, Plastiktaschen, die Organisatoren hatten dafür
Verständnis, aber trotzdem war es glaube ich bei den anwesenden
sonstigen Firmenvertretern und Repräsentanten ein schlechter
Eindruck.
Bei der nächsten Veranstaltung, 100.000-ste Marke an Mautner Markhof,
der Feier des Patentamtes, kam ich dadurch wieder pünktlich, wie
es meine Gewohnheit ist. Ich hatte allerdings angenommen, dass bei
dieser Feier ein grösserer Kreis von Wirtschaftern sein wird. In
Wirklichkeit musste ich feststellen, dass ausser Mautner nur Ange-
hörige des Patentamtes anwesend waren. Hätte ich dies früher ge-
wusst, wäre ich lieber im Industriezentrum geblieben. Zwischen-
zeitig hätten die Patentamts-Angehörigen das vorbereitete Buffet
abräumen können.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte mir bei der Programmübergabe am Vor-
tag immer die Veranstaltungen ein bisschen schildern.
Leberl hat bei seiner Schlussbemerkung beim Festakt darauf verwie-
sen, dass diese Regierung viel für das Patentamt gemacht hat aber
es jetzt darauf ankommt, dass das Patentamt das internationale
Recherchen-Niveau hält. Ohne dass er es sagte, heisst dies in
Klarschrift, er will die 20 zusätzlichen Dienstposten, um die
notwendige internationale vorgesehene Anzahl von 200 Beschäftigten
zu halten. Ich habe mit Lausecker darüber gesprochen und dieser
meint, Heuer wird es grosse Schwierigkeiten geben. Wahrscheinlich
könnte man auch im Patentamt viele Agenden vereinfachen oder über-
haupt abgeben. Erst in der zweiten Republik haben wir das Marken-
register ins Patentamt übernommen. früher dürfte dies eine
Agende der Bundeskammer gewesen sein. Der Versuch allerdings,
auf privatwirtschaftlicher Basis Agenden loszuwerden, ist ja
durch die defizitäre Gebarung vom Auracher-Institut kläglich ge-
scheitert. Die internationale Patentdokumentationsorganisation
kostet Dutzende Millionen und bringt nichts. Da kann man
wirklich sagen, dies hätte man im Rahmen des Patentamtes auch
nicht schlechter machen können.
ANMERKUNG MIT PLESCH: Besprich mit Lausecker, wie wir aus diesem
Problem herauskommen.
In der Parteivorstandsitzung hat Marsch zuerst über die organisa-
torischen Fragen berichtet. Die SJ will einen zweiten Verbands-
sekretär, das Problem wurde zurückgestellt. Fischerlehner
wird Geschäftsführer der Sozialbau und Rosenberger wird daher
das Protokoll des Parteitages führen und ein gewisser Tschelko
wird als Sekretär anstelle Fischerlehners angestellt. In den
RUEFA-Aufsichtsrat kommt statt Marsch Eder, im SGP-Aufsichts-
rat statt Holzer Gehart und auch in die Tabakregie statt Sag-
meister ebenfalls Gehart. Überhaupt sollen über 70-jährige aus-
scheiden, weshalb im Aufsichtsrat der ÖIAG anstelle Kölliker
Hrdlitschka, anstelle Franc Fabricius und anstelle Walch Prof.
Leschaus aus Graz kommt. Im Aufsichtsrat der AUA wird Klenner
durch Flöttl ersetzt. Blecha berichtet dann über Bildungstätigkeit
und Änderungen. Die Elternvertretung wird in Hinkunft eindeutig
bei den Kinderfreunden liegen. Die Schülervertretung wird nicht
mehr von dem VSM oder VSStÖ durchgeführt sondern es wird eine
Service-Stelle der Zentrale in der Löwelstr. errichtet, wo man
alle Unterlagen und Informationen bekommt. Überhaupt geht dann
aus dem Referat von Kreisky hervor, dass die Beziehungen zu den
Organisationen stillgelegt bleiben. Der VSM ist davon kaum berührt
denn er hat sich ja seinerzeit selbst abgespalten und hat durch
den Bundesjugendringzuschuss finanziell eine gute Basis. Anders
sieht es bei den Soz. Studenten aus, die ja von der Subvention
der Partei abhängen. Kreisky referiert über die unglückliche
Entwicklung unserer Organisationen wie Studenten, JG und deren
Kooperation mit Kommunisten, die für nachmittags angesagte
Demonstration der Studenten wegen der angeblichen Aufnahmesperre
für Lehrer, an der auch die Soz. Studenten teilnehmen, ärgert
ihn scheinbar sehr. Er betrachtet dies als einen Angriff nicht nur
auf die Regierung sondern auch auf die soz. Minister, sprich eigent-
lich auf ihn persönlich. Er wirft unseren Organisationen vor,
dass sie sich überhaupt um nichts kümmern und sich vor allem nicht
einmal informieren. Dies gilt auch bezüglich der Slowenenfrage.
Konecny allerdings repliziert, dass er sehr wohl und die JG
sich informiert haben. Killian meint, in der Slowenenfrage hätte
er jetzt in internationalen europäischen Organen darauf hinge-
wiesen, dass ein kommunistischer Staat, nämlich Jugoslawien,
wo es gar keine Freiheit gibt, Österreich anklagt, dass hier die
Slowenen, die alle Freiheit haben, unterdrückt werden. Dies
ist nach Kreisky das schlechteste Argument, denn hier handelt es
sich um die Erfüllung eines Vertrages. Im Herbst erwartet Kreisky
eine grosse Aktion der ÖVP, weshalb auch die Sozialisten propa-
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gandistisch sehr aktiv werden sollen. Zeit Leitlinien, SPÖ
hält Wort und die Parteireform. Objektiv ist die Lage für
die Sozialisten schlecht. Durch den Konjunkturaufschwung in
Europa wird jetzt überall einen stärkere Aufwärtsbewegung zu
verzeichnen sein als in Österreich, da die Kapazitäten zu gross
sind, wird unsere Industrie sich sehr schwer tun. Die Arbeitslosen-
ziffern in der Welt sinken nicht wesentlich Häuser sagte, die
letzte aus Deutschland 950.000, das sind 4,2 %. Kreisky meint,
in der relativ kurzen Aufschwungphase, die wir jetzt erleben
werden, muss für die nächste Rezession ein finanzieller Spiel-
raum geschaffen werden, das Defizit sei zu stabilisieren und
durch die Gebührenerhöhung und Vermögenssteuer seien Einnahmen
zu schaffen. Die Vermögenssteuer trifft auch die verstaatlichte
Industrie mit mindestens 250 Mill. S. Man muss sich daher das
Ausmass sehr genau überlegen. Die Milchpreisstützung ist abzubauen
er hätte volle Zustimmung bei der Freiluftdiskussion im zweiten
Bezirk bei einer Gemeindebauhof-Aussprache mit den dortigen Be-
wohnern gefunden. Immer wieder wundert sich, wie durch Einzel-
eindrücke, sei es der Chauffeur von ihm, sei es gelegentliche
Begegnungen, sei es von Versammlungen er sich in seiner Politik
bestätigt fühlt. Ich persönlich hätte grösste Bedenken, aus
solchen Einzelerlebnissen allgemeine Schlüsse zu ziehen. Er
hat entweder das Glück oder doch das richtige Gspür, dass
diese Einzelinformationen repräsentativeren Charakter haben.
Andererseits ist mir vollkommen klar, dass dadurch, dass er
dann eine Politik macht, auch der.Ausfluss dieser Politik dann
wenn sie positiv verläuft die Bestätigung der Richtigkeit seiner
These war. Wenn es schief geht, wie in Einzelfragen auch schon vor
gekommen ist, dann wird es entweder kompensiert oder man vergisst
seinen damaligen Standpunkt. Typisches Beispiel dafür war sein Vor-
schlag, die Rationierung bei Benzin einzuführen. Leider konnte
ich die Diskussion, die noch etliche Stunden dauerte, nicht
mit anhören, weil ich zur 50-Jahr-Feier d. Fa. Hofman & Maculan
fahren musste. Auch dort war Kreisky angekündigt, er ist aber
durch die Länge des Parteivorstandes nicht gekommen.
Die Fa. Hofman & Maculan ist vor 50 Jahren aus einer kleinen
Baufirma hervorgegangen. Sicherlich war der tüchtige Mann
Maculan, dessen Sohn, nachdem er mit dem Privatflugzeug tödlich
verunglückt war, heute die Firma führt. Der neue Bauhof, der
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eröffnet wurde, liegt in Wien, was den Bürgermeister Gratz,
schon bei seiner Begrüssungsansprache hat er dies erklärt,
sehr freut. In einer Multimedia-Schau und vielen Rednern
hat auch Igler das Wort ergriffen. Er meinte, ein Offizier
hätte einmal zu seinen Leuten gesagt, sie sollen über die
Mitbestimmung diskutieren und dann kam nichts heraus, als
ein Palaver, in dem man letzten Endes dann den Hauptmann selbst wie-
der wegschickte. Letzten Endes musste sich aber dann sie
Soldaten wieder einen neuen Hauptmann suchen. Igler sagte zwar
sofort, hier handelt es sich nicht um ein österreichisches
Problem, sondern so etwas ähnliches gibt es jetzt in den umlie-
genden Ländern, wobei er sich auf die Wirtschaft, ohne es zu
sagen, bezog. Für mich war dies eine gute Gelegenheit, um sofort
zu replizieren, dass wir in Österreich andere Zustände haben
und diese Bundesregierung auch weiterhin dafür sorgen wird.
Als einziger erhielt ich bei dieser Gelegenheit Beifall, was
bei der sozialistischen Zusammensetzung der Bauarbeiter auch nichts
besonderes ist. Anschliessend nach der Staatswappenüberreichung
hatte ich zuerst ein Wettfahren mit Busek, Bulldozer zu
absolvieren und dann eine Urkunde mit ihm einzumauern. Natürlich
liessen wir beiden den Schmäh rollen. Er meinte, als er eine
rote Nelke beim Auslosen gewann, die er ansteckte, jetzt müsse noch
der 1. Mai sein, dann wäre er total fertig, ich fragte die
Fotografen, ob sie einen Farbfilm eingespannt haben, er mauerte
schlechter als ich, worauf ich ihm sagte, er pfusche eben nicht
und dabei gleich den guten Spruch anbrachte: schwarz arbeiten,
rot wählen. Der bestellte Conferencier, der das Ganze einbeglei-
ten sollte, meinte, solange wir solche Politiker haben, kann
man Österreich nur beneiden, da kann nichts passieren. Typisch
für mich war, dass Maculan Busek in diese Position hievte,
um gegen das sozialistische Übergewicht, das natürlich heute
bei solchen Festveranstaltungen immer wieder existiert, einiger-
massen zu kompensieren. Da ich der Sieger beim Bulldozer-Fahren
war, meinte Maculan, ich könne, wenn einmal mein Dienstauto
gestohlen wird, ein deutlicher Hinweis auf Androsch, würde
er mir einen Bulldozer zur Verfügung stellen. Ich replizierte
sofort, ich bitte mir aus, dass er heuer und nächstes Jahr mehr
Lehrlinge einstellt. Maculan hat dies dann auch tatsächlich ver-
sprachen.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte mit dem Betriebsrat sofort Kontakt auf-
nehmen, damit diese auch tatsächlich erfüllt wird.
Tagesprogramm, 24.6.1976