Mittwoch, der 4. August 1976

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Mittwoch, 4. August 1976

Beim Besuch der Saatbaugenossenschaft Linz war ich überrascht, wie
gross diese ist und wie stark sie sich in den letzten Jahren durch
eigene Produktionen einschalten konnte. Früher war sie ein fast reiner
Handelsbetrieb, jetzt verkauft sie mehr als die Hälfte eigene Produktion.
Der Geschäftsführer hat seinerzeit, als ich die Probstdorfer-Besitzer
Fritz Mauthner, Saatzuchtgesellschaft besuchte und von Prof. Hensele
erfuhr, dass sie mit der Sorte Gigant den 2-1/2-fachen Ertrag haben,
mir geschrieben, dass dies unmöglich sei. Jetzt wollte er mir beweisen,
dass auch sie sehr ertragreiche Sorten für ihre nassen Böden haben.
Plesch der ihn sehr genau kannte, diskutierte sehr fachlich mit dem
Geschäftsführer. Heuer leidet das Getreide der Saatgutgenossenschaft
an Auswuchs, da der Regen zu früh eingesetzt hat. Die Hitzeperiode hätte
noch einige Tage verlängert werden müssen. Während der Besprechung war
auch Landesrat Diwold, der gleichzeitig auch Landwirtschaftskammer-
präsident von Oberösterreich ist, anwesend. Er war sehr erfreut zu
hören, dass die Regierung jetzt für die Dürre- und für die Naßschäden
Entschädigung geben wird. Vom Landesrat Trauner erfuhr ich dann bei der
Auszeichnung in Wels, dass die OÖ Landesregierung 42 Mio. jetzt sofort
für die Hilfe an die Bauern zur Verfügung gestellt hat. Beide be-
stätigten mir, dass sie unbedingt die Methoden und die radikale Art des
Bauernverbandes entschieden ablehnen. Da Kreisky auch jetzt nur mehr mit
den Interessenvertretungen der Bauern verhandelt und nicht mehr wie
er ursprünglich beabsichtigte und teilweise vom Landwirtschaftsminister
Weihs verlangte und auch praktizierte, den Allgemeinen Bauernverband
favorisierte, könnte es hier zu einer Normalisierung der Beziehungen
kommen. Wenn man eine starke Organisation wie den Bauernbund, der ja
die Landwirtschaftskammern dominiert und auch führt hat, dann ist
es noch immer am zweckmässigsten, so glaube zumindestens ich oder
würde ich handeln, sich mit ihm zu arrangieren. Er versucht durch
Radikalisierung oder radikale Politik die Bauern zu gewinnen, wie dies
jetzt bei einer teilweise aufgesplitterten Bauernschaft in Kärnten vom
Allgemeinen Bauernverband praktiziert wird, muss erst bewiesen werden.
dass sie erfolgreich ist. Ich bin schon sehr gespannt, wie die Ergebnisse
der Landwirtschaftskammer, vor allem in Kärnten ausgehen. Der Bauernbund
hat dort nur 56 % der Stimmen und müsste, wenn die radikale Politik
bei den Bauern einschlägt, einen grösseren Erfolg für den Allgemeinen
Bauernverband bringen.



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Die Saatbaugenossenschaft Linz hat grosse Angst, dass sich die
Multinationalen, die sich weltweit auch jetzt in die Ernährungs-
produktion einschalten und woanders bereits Saatbaugenossenschaften
bereits aufgekauft haben, auch in Österreich sich einnisten. Dafür
kam, ohne dass es von ihnen ausdrücklich gesagt wurde, hauptsächlich
die Probstdorfer, also Fritz Mauthner, oder die Harrachsche Saatzucht-
gesellschaft in Frage. Die Multinationalen wenden weltweit viel Geld
auf, um neue Erkenntnisse zu bekommen. Insbesondere auf dem Gebiet der
Protein-Forschung. Ich persönlich hätte gar nichts dagegen – habe es
dort allerdings nicht gesagt - wenn tatsächlich eine solche Konkurrenz
auch in Österreich entstehen würde. Die Saatzuchtgenossenschaft hat
nur Angst, dass sie dann finanziell nicht mehr mitkann. Derzeit hat
sie für eine neue Sorte ca. 4 Mio. Schillinge Kosten und bekommt nicht
annähernd die Hälfte durch die Preise herein. Das Land gibt ihnen
deshalb 1,2 Mio. Schilling Subvention. Von mir möchten sie gerne, dass
bei der Preisfestsetzung 1 Groschen für die Saatzuchtgenossenschaften
im Preis einkalkuliert wird und so wie bei der Rübe, d.h. den Zuckerpreis
ihnen dann abgeführt wird.

ANMERKUNG FÜR PLESCH: Lass durch das Landwirtschaftsministerium
recherchieren, was wirklich die Internationalen weltweit getan haben
und eventuell in Österreich beabsichtigen.

Die Welsermühle, eine Druckerei, die aus einem Mühlenbetrieb, der noch
immer existiert, sich abgesplittert hat und heute grosse Bedeutung und
Einfluss besitzt, bekam von mir das Staatswappen verliehen. Da ich
nicht genug Zeit hatte, besuchte ich dann nachmittags noch einmal
ein zweites Mal den Betrieb. Ich war sehr überrascht, bereits im
Anschlagkasten der Firma die Fotokopie des Dekretes und des Staats-
wappens zu finden. Der Firmenchef Fritsch meinte, die Belegschaft
soll nur sehen, wie ihr Betrieb und damit sie selbst auch ausge-
zeichnet werden. Auszeichnungen bedeuten noch immer in Österreich doch
sehr viel.

Dies konnte ich auch bei der Überreichung des Ehrenringes der Welser
Messe feststellen. Während ich mich ausgesprochen unwohl fühlte, hatte
ich das Gefühl dass sich die Ehrenringträger, sechs an der Zahl, die
ihn bereits erhielten, aber auch der jetzt auszuzeichnende Landesrat
Trauner, sehr wohl fühlten. Mir war an und für sich die Laudatio vom
Präsidenten der Messe, aber auch die lobenden Worte von Bürgermeister
Spitzer und Landesrat Neuhauser, beide Welser, sehr unangenehm.



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Insbesondere wurde zwar richtig dargestellt, dass ich mich um den
Ausgleich der Wiener und der Welser Messe bemühte, aber dann doch er-
wähnt, dass ich so wie Trauner durch finanzielle Unterstützung die
Welser Messe fördere. Neuhauser sagte mit aller Brutalität und ganz
offen, nur das Anerkennen hilft wenig, wobei meine Amtsvorgänger
oft nicht einmal das der Messe gegenüber machten, es muss auch in
den Kassen klingeln. Ich hatte somit das ungute Gefühl, dass man
sich also doch auch Anerkennung kaufen kann und dies nicht einmal mit
seinem eigenen Geld. Ich erklärte freimütig, dass mich der Beschluss
sehr überrascht hat und nachher nur unseren Genossen Neuhauser und
Spitzer, dass ich auch ein wenig verärgert war, weil man nicht vorher
fragte. Beide waren aber davon überzeugt, dass ich ablehnen würde,
weshalb sie mich vor eine vollendete Tatsache stellten. Sie meinten
und diese Ausrede habe ich mir auch beigelegt, ein Ehrenring sei
kein Orden. Da sie in Wels eine überwältigende rote Mehrheit haben
andererseits in der Messe viel mitzureden und nicht nur den schwarzen
Landesrat auszeichnen wollten, so haben sie eben einen roten Gegen-
part gebraucht. In der Sommerzeit wird dies untergehen und ich hoffe
es werden nicht noch welche nachfolgen. Mit dem Ring bin ich nämlich
jetzt ganz schön präjudiziert.

Die Neusiedler Papier AG, die ich anschliessend besuchte, die
grösste und wie Turnauer auch mit Recht behauptet, die modernste
Papiermaschine Österreichs, Dir. Holdt meinte sogar, von Europa.
Turnauer war nicht sehr begeistert, als ich auch seine Zellstoff-
fabrik in Kematen besuchte. Die Betriebsräte waren dagegen um so mehr
begeistert. Überall hatte man kleine rot-weiss-rtoe Fahnen angebracht,
dies nicht nur in der Papierfabrik in Hausmening, sondern wie ich
dann auch feststellen konnte, in Kematen. Dort hatte man also fest
gerechnet, dass ich kommen werde. Die Betriebsräte sind nur in sich
auch nicht einig, ob eine neue Zellulosefabrik in Kematen, Hausmening
oder wie Haffner mir gegenüber, aber auch gegenüber der Direktion meinte,
in Ybbs an der Donau. Jeder Betriebsrat möchte es in seinem Werk haben,
wobei Kematen die geringste Chance hat, da sie in einer Schlucht sich
befindet, wo ein Ausbau fast unmöglich ist. 1954 hat man dort noch eine
neue Halle für 2 Papiermaschinen gebaut, die weniger kostete als die
Stützmauern, die man errichten musste. Der Fluss Ybbs wird durch die
Zellstoff-Fabrik, obwohl sie nur 25.000 Tonnen maximal erzeugen kann,
mit 500.000 Einwohner, wie so schön die Meßzahl heisst, verschmutzt.



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Die neue Fabrik würde nicht einmal 1/10 bei 130.000 Mindestaus-
legung den Fluss verschmutzen. Abgesehen von den Schaum, den man mir
natürlich nicht zeigen wollte, den ich aber dann mit sicherem Instinkt
entdeckte, sind vor allem die 70 Tonnen Zellstoffrest und Chemikalien
die täglich in den Fluss geleitet werden, für das Gewässer verheerend.
Die Fabrik hat jetzt noch einen unbefristeten Bescheid, rechnet
aber in Kürze damit ein Abwasserreinigungsauflage zu bekommen. Dann
muss die Zellulosefabrik geschlossen werden. Turnauer erklärte mir dann
auf der Heimfahrt, er selbst plädiert für den bestgeeigneten Stand-
ort, damit sich auch die anderen Papierfabriken an dem Projekt betei-
ligen, ist überzeugt dass eine objektive Prüfung von einem Gremium
dann ergeben wird, in Hausmening sein wird.

Turnauer wollte mir unbedingt auch noch die Firma Teich, an der er
mit 70 % beteiligt ist, oder die er zumindestens vertritt und die
Ranshofner mit 30 % zeigen. Dort arbeiteten sie zu meiner grössten
Verwunderung in Schicht an den Walzen rund um die Uhr. Turnauer sagte
die Mengenkonjunktur hat jetzt überall voll eingesetzt, nur die
Preise, d.h. die Ertragslage lässt noch zu wünschen übrig. Turnauer,
das muss man im lassen, ist ein sehr progressiver Unternehmer, der
erkennt, man kann auf die jetzigen Produkte nicht die Zukunft auf-
bauen und hat deshalb ein riesiges moderne Laboratorium dort einge-
richtet, damit neue Produkte und neue Ideen gefunden und verwirklicht
werden. Nicht nur der Besitzer Turnauer, sondern auch die Betriebs-
räte waren überall sehr erfreut, dass ich endlich einmal einen Besuch
abgestattet hatte. Schade dass ich verhältnismässig so wenig Zeit
aufbringen kann, um mehr in die Betriebe zu kommen. Ich werde daher
auch in Zukunft bei Auszeichnungen oder sonstigen passenden Gelegenheiten
dies nicht in meinem Ministerium, sondern so weit als möglich in den
Betriebsstätten vornehmen, um Besuche nicht nur zu begründen sondern
auch endlich durchzuführen. Ich glaube wirklich dass dies zur Imagebil-
dung wesentlich mehr beiträgt als noch so viele sachliche Arbeit im
stillen Kämmerlein.

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Tagesprogramm, 4.8.1976


Tätigkeit: Landwirtschaftsminister bis 1976
GND ID: 130620351


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Industrieller


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Bundeskanzler
      GND ID: 118566512


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: Bgm. Wels (OÖ), SPÖ
        GND ID: 129447706


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: oö. LR (SPÖ), Präs. Welser Messe


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: MR HM


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Lebensmittelhändler
              GND ID: 118579304


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: oö. ÖVP-LR


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Kabinett Staribacher


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