Donnerstag, 9. September 1976
Dr. Heindl berichtet mir von den Reaktionen des Bezirkes,
der Bezirksvertretung und unserer Parteiorganisation auf die
Arena-Besetzung. Die ÖVP hat jetzt vom Bezirksvorsteher ver-
langt, eine ausserordentliche Sitzung einzuberufen, um die
Zustände am Schlachthof zu besprechen. Die ÖVP wollte sich damit
keinesfalls von der Arena-Besetzung distanzieren, sondern eher
die Gemeinde schuldig werden lassen. Die Anrainer und ganz be-
sonders unsere Genossen fürchten aber, dass in der Arena bald
die Zustände sich noch mehr verschlechtern und möchten eine
Lösung. Abends hatte ich Gelegenheit, inkognito mit Arena-
Vertretern zu diskutieren. Heute war ein Trupp von Schlägern
die zuerst in ihrer Küche Manner-Schnitten sich aneigneten und
sofort zu raufen begannen haben, in der Arena. Es war nicht
genau festzustellen, woher sie kommen, sie sagten nur, ob man
NDP kennt. Die Arena-Leute, und zwar die chten , die positiv
zu dieser Idee stehen, fürchten, wenn sie in den Inlandsschlacht-
hof übersiedeln, dort nicht genug Platz zu haben. Wir wollen noch
mehr Aktivitäten entfalten, ist ihr Ziel Ich setzte ihnen ausein-
ander, dass – wie sich jetzt zeigt – sie unbedingt einen Schutz
brauchen. Voraussetzung dafür ist die Legalität. Die Arena-Veranstalter
fürchten, dass sie durch entsprechende Vorschreibungen von Ver-
gnügungssteuer, Umsatzsteuer, Getränkesteuer und sonstige Auflagen
selbst im neuen Gebäude zwar dann legal sind, was sie anstreben,
aber zugrundegehen werden. Wenn jetzt aber in die Arena immer mehr
Schläger und Rocker und Rowdys kommen, dann geht die Arena aber
auch zugrunde. Man ist sich vollkommen klar, wenn die Polizei eingrei-
fen muss, dann wird sie nicht nach dem Störenfried allein suchen,
sondern diese ganze illegale Besetzung liquidieren.
Heindl erzählte mir auch, dass Gratz die Absicht hätte, Veleta als
Landessekretär zu engagieren. Im Bezirk ist man der Meinung, dass
der beste und tüchtigste, der bereits jetzt 50 % der Sekretariats-
arbeiten gemacht hat, GR Rudi Edlinger ist. Ich teile diese Mei-
nung und kenne ihn schon aus der Zeit der Jungen Generation und weiss,
dass er tüchtig und wirklich wahrscheinlich der beste Nachfolger
von Nittel wäre. Ich habe mit Gratz unter vier Augen vor dem Partei-
vorstand gesprochen. Gratz teilt auch meine Meinung, sagte nur, er ha
es nicht gerne, wenn man ihn aber unter Druck setzen will. Edlinger
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hat gesagt, wenn er nicht Sekretär wird, dann geht er. Dies ist
ein dummes Verhalten. Gratz ersuchte mich, ich sollte nichts
unternehmen. Er wird selbst mit ihm noch sprechen und ich
bin überzeugt, nicht zuletzt weil viele die Meinung teilen, dass
Edlinger der beste ist, ihn sicherlich nächste Woche bestellen.
ANMERKUNG FÜR HEINDL: Du musst glaube ich nichts mehr unternehmen,
es läuft richtig.
Im Parteivorstand berichtet Kreisky vorerst über die nächsten
Wochen, dass wir grosse Schwierigkeiten haben werden, d.h. wegen
der Schliessung von Fohnsdorf, Mitterberg und Hüttenberg. In der
Debatte darüber meinte sogar Sebastian, dass es nicht anders
gehen wird, obwohl er immer wieder auf die Schwierigkeiten, die
er und die steirische Partei hier haben, hier hinwies. Kreisky
hat vorher schon unter vier Augen mit Niederl gesprochen, meint,
von dort würde man keine Unterstützung bekommen, aber er glaubt doch,
dass er sich neutral verhalten wird, wenn man ihn nicht provoziert
und vor allem nicht sagt, er hat allem zugestimmt. Ähnlich
nehme ich an, wird es auch bei den soz. Vertretern der Steiermark
sein. Das Ganze muss wieder einmal die Metallarbeitergewerk-
schaft insbesondere Benya und Kreisky, der extra in die Gewerk-
schaft gehen wird, tragen. In Hüttenberg sind nach Auffassung
Kreiskys nur mehr für 40 Beschäftigte in etlichen Monaten, um
nicht zu sagen, paar Jahren, Arbeiterplätze zu schaffen, die anderen
sollten im neu errichteten Treibacher chemischen Werk für Ferro-
projekt unterkommen. In Mitterberg soll ein grosszügiges Fremden-
verkehrskonzept gestartet werden, dort wird es wahrscheinlich
am schwersten sein, die Bergarbeiter, überhaupt die Beschäftigten
von dem Kupferbergwerk unterzubringen. Anstelle der inländischen
Bergarbeiter sind sowieso heute hauptsächlich Gastarbeiter getreten.
In Fohnsdorf wird VÖEST-Alpine in Zeltweg um 250 Mill. S Investi-
tionen sofort in Angriff nehmen, um die Streckenvortriebsmaschinen
und Bergwerksabbaugeräte aber auch Weichen mehr produzieren zu
können, sie sind jetzt sehr gefragt, um zusätzliche Arbeitskräfte
aus dem Bergwerk übernehmen zu können. Das wirkliche Problem ist,
dass sie vor Ort im Bergwerk Facharbeiter und natürlich in Zeltweg
nur Hilfsarbeiter, vielleicht in einigen Monaten und Jahren ange-
lernte Arbeiter sein können. Selbst wenn sie keinen Lohnverlust
erleiden, erleiden sie auf alle Fälle ein Prestigeverlust. Trotzdem
bin auch in überzeugt, dass jetzt der letzte Zeitpunkt ist,
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wo die Stillegung beschlossen werden muss und kann.
Über den neuen Vorschlag der Regierungsmitglieder begann Kreisky
zuerst, dass es bis jetzt gelungen ist, die besten und richtig-
sten Männer immer zu finden, mit kleinen Missgriffen. Er erwähnte
in dem Fall Öllinger wörtlich und dann sagte er "krankheitshalber"
und meinte damit sicher Freihsler. Da die einzelnen selbst gesagt
haben, sie möchte demissionieren, Bielka wollte schon vor längerer
Zeit und hat es ihm sogar schriftlich mitgeteilt, so hat er jetzt
nicht zuletzt, weil die neuen ja ein Jahr mindestens brauchen, um
sich einzuarbeiten, den Zeitpunkt für richtig empfunden, mit Anfangs
Oktober. Weissenberg ergibt sich automatisch, weil das Ressort
immer vom ÖGB besetzt wird und daher gar niemand anderer etwas dazu
sagen kann. Haiden ist der selbstverständliche Nachfolger, so hat
er zumindestens jetzt dies dargestellt, von Weihs immer gewesen.
Da wir die Diskussion über die Staatssekretäre schon ausgestanden
haben, war es für ihn klar, dass man nicht jetzt auf einen Staats-
sekretär verzichten soll und es soll jetzt ein wirklicher Bauer,
dessen Hof sich auch als Musterbeispiels repräsentiert, berufen wer-
den. Die Kärnten, insbesondere Gallob, haben ihm Schober empfohlen.
Ins Aussenministerium hat er den guten, exzellenten Juristen Pahr
berufen und ausdrücklich keinen Mann vom Aussenministerium, auch
keinen Genossen, weil keine Kameraderie gelten dürfte. Bielka
war als Generalsekretär schon gefürchtet und deshalb für die Beamten
dort auch ein harter Chef. Dass er selbst die Aussenpolitik
führen will, ist ein Blödsinn, denn dieses grosse Ressort mit den
tausenden Meilen selbständigen Botschaftern, die grosse Herren sind,
kann man gar nicht so nebenbei führen, das muss ein starker Aussen-
minister tun. Er hätte höchstens dann, wenn ihn die Aussenminister
gefragt hätten, seine Meinung ihnen gesagt und in einigen schweren
politischen Entscheidungen dann aber auch nicht als Bundeskanzler
sondern vielleicht als sozialistische Internationale Politik gemacht.
Eigentlich hätte er können hinzusetzen, ohne dass er dies allerdings
weil, er taktisch viel zu klug ist, dass er in alle Ressorts hinein-
regiert, wenn es sich nach seiner Meinung um wichtige Fragen handelt,
oder wenn man ihn gar fragt. Dann wären aber alle Minister sauer ge-
wesen und deshalb bezog er seine Ausführungen auch hauptsächlich
wegen des konkreten Anlasses nur auf das Aussenministerium. Bezüglich
der Vizekanzlerschaft, wo er bald darauf vergessen hätte, erwähnte er
dann nur, dass Androsch in den letzten Monaten und Jahr wegen der
von allen gewünschten Budgetpolitik und im Auftrag der Partei
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handelnden Minister hart attackiert wurde. Deshalb sei es ge-
rechtfertigt, ihn jetzt als Vizekanzler zu nominieren. Er möchte
aber besonders herausstreichen, dass die Kronprinzen-Frage ein
glatter Unsinn ist, in unserer Partei herrschen andere Bestel-
lungs- und Berufungsmethoden und niemand könnte jetzt schon dies-
bezügliche Entscheidungen wegen seiner Nachfolge treffen. Auch
er nicht. Wenn die Zeit kommen wird, dann wird man in den dafür
zuständigen Gremien darüber reden und verhandeln. Was die Informa-
tion über die Presse betrifft, so sei er darüber sehr unglücklich.
Er selbst hätte ja mit ganz wenigen nur gesprochen und war sehr er-
schüttert, als dann die Presse doch davon insbesondere über Pahr
erfuhr. Als man ihn dann fragte, konnte er nicht die Presse anlügen.
Er hat aber immer nur erklärt, er könne sich vorstellen, dass dies
auch einer, der dafür in Frage kommt, ist. Die Entscheidung trifft aber
der Parteivorstand. Der ganz kleine Kreis, mit dem Kreisky über diese
Personalprobleme gesprochen hat, war sicherlich mit der Entscheidung
einverstanden, und auch mit der Vorgangsweise und die grosse Masse
der anderen Parteivorstandsmitglieder hat ja sowieso nichts zu
reden. Die Diskussion darüber war deshalb auch verhältnismäs-
sig kurz. Solange ich anwesend war, hat nur Czernetz in Erwähnung vor
anderen Kandidaten der Sozialistischen Partei und Broda durch beson-
dere Bestätigung, dass die Leute alle richtig sind, Gratz vor
allem aber dahingehend seinen Beitrag geleistet, dass es Kreisky
überlassen bleiben muss, wen er wählt. Deshalb würde auch nicht
die Person bestätigen, sondern nur, dass er Kreisky das Vertrauen
gibt, dass dieser wählen kann, wen er will. Ähnlich auch Czettel .
Die Personalfragen werden ja, bevor sie überhaupt in ein offizielles
Gremium kommen, von ganz wenigen, ich glaube vielleicht zählt neben
Benya noch Androsch dazu und einer oder der andere des Präsidiums,
besprochen. In Erweiterten Präsidium wurde auch die ganze Personal-
frage diskutiert, scheinbar eingehender und vor allem der Streit
mit Hartl. Im Parteivorstand wurde nämlich, solange ich dort war,
überhaupt keine Erwähnung gemacht, zumindestens nicht von Kreisky
in seinem Referat und von Gratz nur erwähnt, dass man jetzt alle
offenen Fragen bereinigt hat und wieder gemeinsam freundschaftlich
in die Zukunft blicken kann. Solange eine Partei im Aufstieg ist,
oder Positionen halten kann, solange spielen scheinbar auch grösste
personalpolitische Differenzen, die bei einem verlierenden Trend
sofort grosse Polemiken auslösen und harte Diskussionen ergeben,
überhaupt keine grössere Rolle. Wenn man dann, wie Kreisky dies
noch so geschickt doch planieren kann, wenn er ganz hart angreift,
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weil er, wie bei Hartl, sich beleidigt fühlt, dann werden
eben unangenehme Personalentscheidungen oder Personaldiskussionen
doch in Wirklichkeit allein von ihm entschieden und können allein
entschieden werden. Allerdings würde sich dies wahrscheinlich
ganz anders entwickeln, wenn erstens andere Gegenspieler wären,
ich denke hier z.B. an Olah, oder wenn gar wir in einer verlierenden
Phase wären. Die Klausurtagung Schallaburg und deren Ergebnis
erwähnt er in einem Satz nebenbei, die Informations- und Zeitungs-
situation mit dem Verstärkereffekt gegen uns ebenfalls, die ÖVP-
Personaländerung sei ein Beweis der Härte Taus', Bauer hätte
als Wiener Kleinbürger richtig erkannt, dass man das Brücken-
unglück nicht politisch hochspielen darf. Dies geht dem harten
Taus gegen den Strich, weshalb er ihn abgeschossen hat und gleich-
zeitig seinen grössten Konkurrenten Busek los wurde. Taus hat
harte Ellenbogen und wird sich durchsetzen. Er ist der gefährliche
Mann. Mit dem Sparappell bei Reisen insbesondere Einladen ausländi-
scher Minister, wollte er nur den Widersinn dokumentieren. Jetzt
kommt schon Sallinger und auch andere zu ihm und meinen, so kannst
Du das doch nicht machen. Kreisky wird genauso wie bei der Nassrasur
auch hier wahrscheinlich, wo er sicherlich unüberlegt besonders
was die Einladung von ausländischen Ministern betrifft, gesagt hat,
die Kurve nehmen.
In der Diskussion über seinen Bericht gab es die verschiedensten
Anfragen und so weiter. Kaum aber Kritik an seinem Referat. Einige
meinten nur, dass die Bestellung Schobers von unseren Leuten nicht
verstanden wird, der zuerst ein Freiheitlicher war und jetzt
beim Arbeitsbauernbund ist. Für mich wichtig war, dass sowohl
LR Körner von NÖ als auch LH-Stv. Czettel das Problem des Atom-
müllagerung zur Sprache brachten. Leodolter ist sofort zu mir gekommen
und ersuchte mich, ich sollte dann dazu Stellung nehmen. Zum Glück
hatte ich die Fernsehsendung gesehen, wo Nentwich von der Tullner-
feld-Kraftwerksgesellschaft erklärte, die Endlagerung müsste in
einem harten Granitgebiet sein und dafür käme das Waldviertel in
Frage. Selbstverständlich hat dann Maurer, der ebenfalls inter-
viewt wurde, sofort erklärt, es gibt einen Krach. Bei mir hat
er, als ich ihn auf der Messe diesbezüglich ansprach, ohne dass
ich wusste, dass er ein Interview gibt, schon zurückgesteckt
und meinte, als ich ihm sagte, wir können dies nur einvernehmlich
lösen oder gar nicht, dann müssen wir uns gemeinsam sehr anstrengen.
Ich berichtete dem Parteivorstand über die Situation, wie ich
sie sehe. Das Kernkraftwerk wurde seinerzeit der Baubeschluss
gefasst und damit in Auftrag gegeben, ohne dass über die
Endlösung von Müll auch nur eine Vereinbarung existierte. Man
hatte angeblich angenommen, dass die Verarbeitungsbetriebe auch den
Atommüll dann behalten werden. Dass dies nicht der Fall ist,
steht jetzt fest. Leodolter und ich werden deshalb auf eine
Endlösung drängen müssen, die jetzt bereits, bevor das Atomkraft-
werk in Betrieb geht, zumindestens im Prinzip vereinbart ist.
Dafür kommen nur geologisch einwandfreie Gebiete in Frage und das
ist nun einmal der Granit. Ausserdem wies ich darauf hin, dass es
sich womöglich um unbewohnte Gebiete handeln sollte, und dafür
ohne dass ich den Namen sagte, ist Döllersheim am Truppenübungsplatz
am besten geeignet. Nach diesen Ausführungen musste ich aber dann
schon zur vereinbarten Lebensmittelpräsidiumsbesprechung und konnte
nicht einmal die weitere Diskussion und vor allem auch nicht das
Schlusswort Kreiskys hören.
Mit den Salinen – ZBO-Leuten – hatten wir eine harte Diskussion.
Kuntner als der Sekretär, mit dem sie sich sehr schwer tun, hat
ein Forderungsprogramm, das sie vor längerer Zeit uns sendeten,
und in seiner Anwesenheit auch dem Generaldirektor übergaben, nicht
durch einen Brief von der Gewerkschaft sozusagen offiziell sanktio-
niert. Ich konnte mich flüchtig erinnern, dass Blümel gegen einen
Punkt besonders Bedenken hatte. Damit würden nämlich die älteren
Beschäftigten, die sowieso schon mit 55 Jahren in Pension gehen
können und auch gehen, gegenüber den ASVG-Pensionisten, die
frühestens mit 60 Jahren in Pension gehen können, einen weiteren
Vorteil bekommen. Die Salinenarbeiter stehen aber auf dem Stand-
punkt, dass bis jetzt die anderen grosse Vorteile gehabt haben
und sie nur in zwei Punkten nachziehen. Wie immer die sachliche
Diskussion ist und war, es war ungeschickt, die Salinenarbeiter
nicht zu einer Aussprache einzuladen sondern nichts zu tun.
Ich habe diesen Fehler sofort zugestanden und damit ein bisschen
freundlicheres Klima geschaffen.
Der zweite schwere Fall sind die Verhandlungen mit den Brauerei-
unternehmern. Das Verhandlungskomitee, d.h. die Leitung, hat mir
auseinandergesetzt, was ich übrigens schon wusste, dass nach
sechsmaligen Verhandlungen sie keinen Schritt weiterkommen. Die
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Unternehmerseite möchte nur 7,5 % genehmigen, während sie jetzt
d.h. das Verhandlungskomitee 10 % noch immer fordern. Wahrschein-
lich wird man sich in der Gegend von 9 % einigen. Macho als der
Sekretär, aber auch einige Betriebsräte wollten nun sofort, dass
wir einen Streik in den Brauereien beschliessen. Sie schlugen sogar
vor, man sollte die Belegschaft fragen, ob sie einen solchen
Streik will. Gegen diese Vorgangsweise habe ich mich ganz ent-
schieden ausgesprochen. Ich setzte ihnen auseinander, dass ich sicher-
lich auch für die demokratischen Einrichtungen bin. Die Verhand-
lungen bei uns führen gewählte Funktionäre, meistens Betriebsrats-
obleute in den Verhandlungskomitees. Wenn es Schwierigkeiten gibt,
bin ich immer bereit, einzugreifen und mich ebenfalls einzuschalten.
Bei uns wird nicht von oben diktiert und schon gar nicht der Obmann
die einzelnen Verhandlungen führt oder gar vielleicht dann immer
die Abschlüsse macht. Die Verantwortung aber tragen wir alle
insbesondere die Funktionäre und der Vorstand. Deshalb muss meiner
Meinung nach unbedingt auch diese Institution und diese Funktio-
näre entscheiden. Ich halte gar nichts davon, mit Urabstimmungen
in den Betrieben Zufallsentscheidungen herbeizuführen. Natürlich
wird sofort, wenn ein Arbeiter wegen der Lohnentwicklung unzufrie-
den ist, er erklären, jawohl, härteste Kampfmassnahmen. Dies vielleicht
sogar auch in einer Urabstimmung bestätigen. Die Frage wird nur sein,
wenn er nach dem ersten Mal feststellt, dass auch nicht alles zu
erreichen ist, sondern man muss ja ein Kompromiss dann schliessen,
er aber durch den Streik entsprechende Einkommensverluste hinnehmen
muss, dann wird er nicht nur auf die Gewerkschaft schimpfen, sondern,
was noch viel schlimmer ist, beim nächsten Mal sich schon ganz anders
verhalten. Ausserdem werden die Unternehmer diese Situation garantiert
nützen, um ihre Politik zu betreiben. Selbst wenn einzelne Leute
nach einem Abschluss mit den Ergebnis nicht zufrieden sind, so
werden sie von der grossen Masse und vor allem einmal nach einiger
Zeit, wenn er dann sieht, wie andere abschliessen oder wie sich
die ganze Situation entwickelt, doch befriedigter sein als dies
wahrscheinlich der Fall ist, wenn er durch lange Kampfmassnahmen
zuerst schon auch einen grossen finanziellen Verlust erleidet.
Demagogische Forderungen haben sich auf lange Sicht gesehen, niemals
bewährt. Demagogische Politik aber kann sehr wohl zu einer noch
grösseren Verärgerung der Mitglieder führen. Ich habe deshalb
auch auf einen Hinweis, dass jetzt manche Leute die Forderung des
Gassner von der christlichen Gewerkschaft, 13 % müssten die Löhne
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jetzt mindestens erhöht werden, so schrieb das Süd-Ost-Tagesblatt .
leicht widerlegen können. Meine Argumentation war, das ist
reinste Demagogie, die muss man erst einmal durchsetzen und auch
der Vertreter der christlichen Gewerkschafter in unserem Prä-
sidium hat mir vorbehaltlos recht gegeben. Auch im Vorstand wurde
dann über dieses Problem eingehen diskutiert. Die christlichen
Vertreter dort sind genauso meiner Meinung gewesen. Wir
werden daher in der Lebensmittelarbeitergewerkschaft unsere
selbständige Politik unabhängig von rechts und links weiter
fortsetzen. Die Verhandlungen werden nur in der nächsten Zeit
immer schwieriger werden. Die Unternehmer wollen die Rationa-
lisierungseffekte, weil sie immer geringer werden, auch jetzt
nicht mehr der Belegschaft sofort weitergeben. Ausserdem gibt
es viele Rationalisierungen, die Fehlinvestitionen waren. Z.B.
hat die Linzer Wurstfabrik der Konsumgenossenschaft, als sie
vor Monaten einen modernen Betrieb eröffnete, von uns verlangt,
es müssten die 100 Beschäftigten um mindestens 10 % verringert
werden. Wir haben erklärt, ja wenn sich herausstellt, dass dies
möglich ist, weil uns die Kollegen schon mitteilten, dass es
sich um einen ganz falsch konzipierten Betrieb handelt. Jetzt
hat diese Betrieb nicht Zoo Beschäftigten sondern 150 und pro-
duziert jährlich 6 Mill. S Verlust. Andere Betriebsräte haben
mitgeteilt, dass insbesondere deutsche Firmen jetzt in Österreich
ebenfalls trotz der gespannten Arbeitsmarktsituation Leute ent-
lassen wollen, nach Methoden, wie ich sie in dem Buch
von Wallraff im Urlaub "Ihr da oben, wir da unten" in Deutschland
geschildert bekommen habe. Wir kamen überein, dass wir alles
tun müssen, so wie auch in der Vergangenheit mit Erfolg, die deut-
schen Methoden in Österreich abzuwehren.
Tagesprogramm, 9.9.1976