Donnerstag, 30. September 1976
Präs. Lehner ruft an, und fragt, ob wir uns nicht einigen
können, die Preisregelung für Futtergetreide doch noch zu er-
lassen. Ich erkläre ihm, dass wir vorerst die Frage der Getreide-
versorgung also das neue Getreidekonzept besprechen müssten.
Lehner ist mit der Lösung einverstanden, dass wir nur die Preis-
regelung für Hafer des Vorjahres aufheben, damit die Importe,
die wesentlich teurer sind, getätigt werden können. Ich infor-
miere sofort Jagoda und Kurzel, der versucht, nachmittags eine
Preiskommission einzuberufen und diesen Vorschlag durchzusetzen.
Sowohl das Landwirtschaftsministerium als auch das Finanzmini-
sterium, die einer solchen Lösung zustimmen müssten, verweigern
diese. weil sie keine diesbezügliche Weisung ihrer Minister
hätten. Ich vereinbare mit Jagoda und Kurzel, dass sie neuerdings
eine Sitzung einberufen sollen, an der ich teilnehmen werde.
GD Fremuth von der Girozentrale möchte wissen ob ich persönlich
für eine Autoerzeugung in Österreich eintrete. Er meint, dass
die VÖEST-Alpine und Ranshofen ihre Bleche und Aluminiumprodukte
leichter verkaufen könnten, wenn diese in PKW in Österreich
verwendet werden. Ich frage ihn sofort und wer dann die verhältnis-
mässig sicherlich sehr teuer erzeugten Autos kaufen würde. Meiner
Meinung nach ist es besser, Alu- und Stahlblech gelegentlich auf
Vorrat zu produzieren oder gegebenenfalls billigst zu exportieren
als daraus Autos zu erzeugen, die man überhaupt schwer verkaufen
wird können. Ich gebe aber zu, dass ich vorerst die Studie,
die jetzt die ÖIAG anstellt, genau studieren möchte.Das Sulfatpro-
jekt Turnauer kommt nach Meinung Fremuths auf alle Fälle zustande,
wenn auch nicht unbedingt in dem Finanzkonzept von Turnauer
sondern gegebenenfalls durch andere Kapitalträger. Ich bin
genauso dieser Meinung, da früher oder später Sulfat auf
alle Fälle Sulfitzellstoff verdrängen wird. Da dieses Werk in
Ostösterreich errichtet wird, wird Kreisky ganz besonders sich
dafür einsetzen. Fremuth ist sehr beruhigt zu erfahren, dass
Gen.Dir.-Stv. Arthold von der Verbundgesellschaft gekündigt werden
soll, damit sein Vertrag sich nicht automatisch verlängert.
Fremuth teilt auch meine Meinung, dass zur Rationalisierung
ebenfalls Vorstände reduziert werden sollen und nicht nur
Aufsichtsräte, die ich in der letzten Zeit teilweise sehr erfolg-
reich im Elektrizitätssektor reduzieren konnte.
Heindl teilt mir mit, dass Abg. König ihn angerufen hat
und fragte, ob es stimmt, dass Arthold gekündigt werden soll.
Er hat erfahren, dass bei einer Betriebsrätebesprechung Perl dies-
bezügliche Mitteilungen machte, Ich informierte Heindl über die
Aussprache mit Präs. Weiss, wo mich dieser ebenfalls um meine
Stellungnahme fragte. Meine Argumentation ist und bleibt, dass
die dafür zuständigen Organe in ihrem Wirkungsbereich, d.h. der
Aufsichtsrat, ihre Beschlüsse zu fassen haben, ich wurde nur gefragt,
ob ich eine solche Politik für richtig halte. Nicht die ÖVP aus
Positionen zu verdrängen, sondern die Rationalisierung mit allen
Möglichkeiten auszuschöpfen, ist meine Grundsatzstellungnahme.
Heindl nimmt an, dass wir in diesem Fall mit der ÖVP einen
offenen Krieg im Parlament führen werden müssen. Auch dies schreckt
mich nicht ab, den Beschluss der Betriebsräte und Aufsichtsrats-
fraktion in der Verbund, Arthold zu kündigen, damit nicht der
Vertrag automatisch weiterläuft, zu decken. Zu Verhandlungen haben
wir dann noch ein halbes Jahr Zeit, nicht um den Vertrag Arthold
zu verlängern, sondern um die weitere Konzeption, wenn möglich
mit der ÖVP festzulegen.
Die Firma Yoshida wird eine eigene Produktion von Reissverschlüssen
im Burgenland aufziehen. Jetzt hat sie die Generalvertretung
der Importe von der Fa. Schoeller weggenommen und importiert
selbst. Schoeller hat 5,9 Mill. aus Japan bezogen, die andere
Hälfte aus den Niederlanden, BRD, Belgien usw. Dort hat, wie
Fischer von der Aussenstelle sehr richtig erklärte, auch jetzt
die Fa. Yoshida die Möglichkeit, jede Reissverschlussmenge hereinzu-
bringen. Scheinbar sind aber dort die Produktionskapazitäten ausge-
lastet und die Firma möchte daher aus Japan mehr importieren.
Fischer konnte ihnen nachweisen, dass sie anstelle der 5,9 Mill.
jetzt 11,3 Mill. bekommen haben, ausserdem ein Lager von Schoeller
mit 1 Mill. übernommen haben. Wir einigten uns dahingehend, dass
wir das nächste Halbjahr 1977 eine gewisse zusätzliche Menge bereit
stellen werden.
Bei der Unterzeichnung der Verträge mit Rumänien gab es eine lustige
und ein wenig konfuse Situation. Kreisky wollte zuerst das Memo-
randum nicht unterschreiben und die Rumänen, insbesondere Avram, waren
entsetzt. Ich habe dann mit Kreisky noch einmal gesprochen und
er meinte, dann sollen halt wir beide gemeinsam unterfertigen.
Natürlich waren die Memoranden in dieser Richtung überhaupt
nicht vorbereitet. Ich habe deshalb die letzte Seite genommen
und die entsprechenden Unterschriften von Manescu, Kreisky und
letzten Endes dann auch von mir daraufgesetzt. Kreisky meinte,
Du machst jetzt auch schon die Assistenz bei Vertragsunterzeichnung.
Wenn ich mir vorstelle, dass Fälbl noch anwesend gewesen wäre,
der ja in dieser Frage immer sehr pedant ist, dann bin ich
überzeugt, er hätte einen Herzinfarkt bekommen. Sachs aber hat
hier wirklich Grosses geleistet und in stiller und leiser Art
viel vorbereitet. Am meisten aber hat mir imponiert, dass als man
ihm dafür eine Sonderentschädigung in Aussicht stellte, er meinte,
er hätte nur seine Pflicht getan.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte den Sachs unter allen Umständen eine
Auszeichnung, gegebenenfalls einen Orden zu geben.
Das Reisebüro Alda (Smolka ersuchte mich es zu eröffnen) ist in
einem Neubau am Reumannplatz. Die drei Beschäftigten kommen von der
Ruefa und haben wesentlich bessere Bedingungen in ihrem neuen Job.
Ob dieses Reisebüro dort florieren wird, weiss ich nicht, die Lage
ist günstig, aber derzeit noch eine richtige Baustelle, sodass ich
nicht einmal hingefunden habe. Abgesehen von der Intervention
Heindl und anderer, die mich ersuchten, dieses Reisebüro zu eröffnen
ist es glaube ich ganz gut, wenn ich nicht immer nur ganz grosse
Betriebe und Handelsgeschäfte eröffne sondern wirklich auch einmal
ausgesprochen kleine.
Die AEZ-Diskussion hat diesmal wieder ganz einen anderen Charakter ge-
habt. Zu meiner grössten Verwunderung wurde nicht ich hart attackiert,
sondern die Sozialpartnerschaft Benya usw. Man glaubt, dass die
Arbeiter durch die gebremste Lohnpolitik Nachteile erleiden. Ins-
besondere waren Bauarbeiter dort, die keine gute Konjunktur
haben, deshalb weniger Prämien bekommen und dadurch entsprechende Ein-
kommenseinbussen erleiden. Ein Bauarbeiter aus dem Burgenland, der
bei der Montagebau arbeitet, schilderte mir, wie er 20 % deshalb
verloren hat, weil die Wienerberger, die die Montagebau übernommen
haben, die Prämie ganz einfach gestrichen haben. Er meinte nach,
die Betriebsräte hätten dem zugestimmt, was richtig ist, weil nämlich
ansonsten die Wienerberger den Bauring-Betrieb Montagebau gar nicht
übernommen hätten. Bei den Angestellten meinte er, sei aber keiner-
lei Kürzung vorgenommen worden. Dieser Mann war scheinbar sehr
verbittert, denn er sprach davon, dass man mit den Hungerlöhnen sich
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nichts leisten könne, die breite Masse auch kein Fernsehen,
keinen Urlaub, kein Auto usw. hat. Natürlich sprechen dagegen alle
Ziffern und Statistiken. Ich erörterte, dass es 1,7 Mill. PKW
gibt, fast so viele Fernsehempfänger, 22 Mia. S Devisen ausgegeben wur-
den im Ausland, 25 Mill. Übernachtungen in Österreich von Inländern
festgestellt werden usw. Einige Diskussionsteilnehmer meinten, ich
sollte nicht immer zulassen, dass die Regierung so attackiert
wird, denn noch niemals ist es den Arbeitern so gut gegangen,
wie jetzt. Selbstverständlich erkläre ich immer wieder, dass mich
eine solche Äusserung freut, aber in einer Demokratie es eben
üblich ist, dass man die Kritik immer mehr hört, als das Positive.
Trotzdem sind wir alle froh, in dieser Regierungsform zu leben.
Der Bauarbeiter begleitete mich nach Schluss der Diskussion, meinte
nur, er sei ja auch ein Sozi aber die Politiker lügen scheinbar die
Bevölkerung an. Ich sagte ihm auf den Kopf zu, weil wir bei einem
Auto vorübergingen und er dann nicht mehr weitergehen wollte, dass
dies wahrscheinlich sein Auto ist, was er auch zugab. Gleichzeitig
sagte er, dass er im Winter selbstverständlich auf Urlaub fährt.
Wir schieden also ganz versöhnt, in der Diskussion hat es aber
sicherlich den Eindruck gegeben, in welch schlechter finanzieller
und materieller Position sich der Mann befindet. Trotzdem werde
ich diese Passagendiskussionen fortsetzen. Da ich sie nicht vorher
ankündige und auch nicht regelmässig an gewissen Tagen mache, hat
es den Vorteil, dass die KP oder sonstige Kreise nicht eine konzen-
trierte Gegenaktion starten kann.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte nächste Termine womöglich jetzt
schon vereinbaren.
Beim Empfang der Fa. Philips für Präs. Riemsdijk erfuhr ich zwei
wichtige Einzelheiten. Der Generaldirektor von Philips für Öster-
reich, Koning, teilte mir mit, dass durch die gute Lösung der Farb-
fernsehröhren-Zölle, die Holländer jetzt beschlossen haben, die
Produktion von 400.000 Stück auf 500.000 Stück zu erhöhen. Der
Finanzdirektor von Philips, Ettl, erklärte mir, dass die Erhöhung
der Vermögenssteuer dem Konzern ca. 10 Mill. S mindestens wahrschein-
lich aber 15 Mill. kosten wird. Dies war in der Finanzplanung nicht
vorgesehen und gibt deshalb grosse Schwierigkeiten auch für Philips.
Androsch, bei dem sie vorgesprochen haben, hat ihnen aber zugesichert,
als Kompensation bei den Exportförderungskrediten entsprechend ent-
sprechend entgegenzukommen.
ANMERKUNG FÜR WAIS UND PLESCH: Min.Rat Müller soll sich über die
Steuerbelastungen informieren und entsprechend referieren.
Beim Abschiedsessen Kreiskys für die scheidenden Bundesregierungs-
mitglieder musste ich feststellen, dass Häuser noch immer sehr
verärgert ist, weil man ihm ja offiziell niemals gesagt hat oder
auch niemals mit ihm geredet hat, wann seine Ministerzeit zu Ende
geht. Häuser war ja bereit, unmittelbar nach der letzten Wahl sofort zu-
rückzulegen. Was ihn nur ärgert, und dies mit Recht, ist, dass Kreisky
niemals mit ihm darüber gesprochen hat sondern er dies aus den
Zeitungen erfahren musste. Kreisky, der dies scheinbar auch fühlte,
hielt dann eine sehr schöne Abschiedsrede an Häuser, Weihs und Bielka.
Die Erwiderungen der drei waren typisch. Häuser reagierte, indem er
meinte, man erzähle bei solchen Gelegenheiten immer nur
die guten und schönen Sachen, er hätte aber einmal, als er für Hille-
geist eine solche Laudatio halten musste, auch seine Schwächen ge-
sagt. Hillegeist hätte dann sich dieses Band immer wieder vorge-
spielt und war sehr beeindruckt von Häusers offenen Worten, Häuser
meinte zum Schluss, ich danke Dir Bruno, dass Du mir diese Gelegenheit
der Arbeit gegeben hast, Weihs dagegen war ganz auf Herr Bundeskanzler
eingestellt, erzählte, weshalb ihn die Arbeit besonders freute
und was er alles geleistet hat. Bielka dagegen, und das war typisch,
meinte, er hätte ja überhaupt nur deshalb angenommen, weil ihn Kreisky
mit zwei Argumenten überzeugt hätte, erstens sagte er, als er Bedenken
äusserte, dann müsste sich Kreisky eventuell um einen Aussenstehenden
umsehen für den Generalsekretär und, wie Bielka selbst sagte, nicht
Beamten, sondern Diplomaten, war eine solche versteckte Drohung ein
Grund sich seine Ablehnung noch einmal zu überlegen. Zweitens hatte
Kreisky ihm gesagt, er wisse ja noch gar nicht, ob der Parteivorstand
seinen Vorschlag überhaupt akzeptieren würde Hier brach ein allgemeines
Gelächter aus, weil jeder weiss und wusste, dass Kreisky selbstver-
ständlich seine Minister ganz allein auswählt, wohl vorher in klein-
stem Kreis bespricht, wenn er aber ins Präsidium geht, dann schon
genau weiss, den will ich und den muss ich auch kriegen. Von den
Neuen war glaube ich Pahr und Schober sehr überrascht, wie freundschaft-
lich sie aufgenommen wurden. Insbesondere hatte Lausecker unsere Genos-
sinnen ersucht, womöglich gleich mit ihm per Du zu sein, was ihn sehr
überraschte. Ich selbst erkundigte mich nur bei Lausecker, ob Pahr
Gewerkschaftsmitglied ist, was dieser nicht wusste, aber wahrschein-
lich nicht der Fall sein wird. Ich kündigte daher sofort an, ich
werde ihn organisieren, so wie ich dies auch bei Kirchschläger tat.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte sofort eine Beitrittserklärung für
Gewerkschaft öffentlicher Dienst besorgen.
In vorgerückter Stunde erzählte dann Krichschläger, wie er von
Kreisky als Minister geworben wurde. Er erreichte ihn telefonisch
in Brünn und fragte, ob er dieses Amt übernehmen würde. Kirchschläger
meinte, er müsse es sich überlegen. Kreisky antwortet darauf, er
weiss nicht, ob das noch gehen wird, denn er fürchtete einige
Journalisten dürften schon etwas wissen. Kirchschläger sagte
also mehr oder minder gleich zu und musste dann erfahren, dass
es bereits im Fernsehen um 10 Uhr dann gesendet wurde Zeit zum
Überlegen hat er wirklich nicht lange gehabt. Trotzdem muss
ich feststellen, waren die alle noch besser dran, weil
sie wurden wenigstens gefragt. Bei mir war es ja so, dass
ich überhaupt erst vom Fernsehen erfuhr, dass ich Minister wurde.
Allerdings muss ich zugeben, hätte mich Kreisky gefragt,
hätte ich wahrscheinlich auch Ja gesagt.
Tagesprogramm, 30.9.1976