Donnerstag, der 18. November 1976

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Donnerstag, 18. November 1976

Im Finanzausschuss über das Kapitel Handel gab es diesmal
sogar drei Runden. Interessanterweise aber wurde von Mussil
in der Einleitung und als erster Diskussionsredner die
gesamtwirtschaftlichen Fragen resp. Steuerprobleme zur Debatte
gestellt. Ich schloss daraus und habe das dann auch sofort
erklärt, mit dem Handelsbudget sei man einverstanden und mit
der Politik des Handelsministeriums noch mehr, sodass man sozu-
sagen Fremdprobleme ressortmässige Fragen so in den Vordergrund
stellte. Natürlich kam das Energieproblem, der Energieplan mit
seinen angekündigten drei Kernkraftwerken immer wieder zur
Diskussion. Dr. Stix, FPÖ, und auch König, ÖVP, meinten, dass
eine Irreführung der Öffentlichkeit vorliegt, weil die Infor-
mationskampagne Kernkraftwerke abgeführt wird und trotzdem im
Energieplan bereits die Kernkraftwerke vorgesehen sind. Der schein-
bare Widerspruch erklärt sich sehr einfach, wenn die Prognose
des Energiezuwachses stimmt, habe ich trotz der Ausbauten der
österr. Primärenergie und der Importe keine andere Wahl als den
steigenden Bedarf durch Kernkraftwerke zu decken. Die Förderungs-
massnahmen spielten eine weitere Rolle, wobei natürlich von der
Opposition die Erhöhung der Förderungsobergrenzen verlangt wurde.
Mittelstandpolitik spielte eine Rolle und primär war für mich
interessant, dass Staudinger diesen Begriff als "nicht-glücklichen"
Ausdruck bezeichnete. Ich bezeichnete mich immer als sozialen
Marktwirtschaftler, was mich dann veranlasste, ihm neuerdings
die Definition der Marktwirtschaft, deren Wandel von der theoretisch
freien Marktwirtschaft, Smith und Ricardo Prägung, über
die soziale Marktwirtschaft, jetzt ÖVP-mässig immer definierten
qualitativen Marktwirtschaft bis zur sozialdemokratischen Markt-
wirtschaft hin zu erklären. Ganz sinnlose theoretische Ausein-
andersetzungen, die nichts bringen, aber politisch äusserst gefähr-
lich sein könnten. Wenn nämlich Mussil mich zu den sozialen
Marktwirtschaftern zählt, einreiht und so immer anspricht, will
er mich in den Gegensatz zu unseren sonstigen Regierungsmitgliedern
und ganz besonders natürlich unseren Linken in der Partei bringen.

Die wichtige Frage der Preisregelung für Milch und Milchprodukte
wurde teils im Ausschuss, teils aber ausserhalb mit Mussil, Hof-
stetter
und bei einer anderen Gelegenheit dann mit Lachs, Syndikus
Kloss von der Sektion Handel, Jagoda usw. diskutiert. Die


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Handelskammer ist gar nicht glücklich, dass seinerzeit der Gross-
und der Kleinhandel von mir verlangt haben, ich sollte die Preis-
regelung für sozial kalkulierte Produkte aufgeben. Jetzt kann ich
nämlich bei der Milchpreisregelung mit 1.1. ihnen einen Grossteil
dieser Forderungen erfüllen, indem die Käsesorten und Butter aus
der Amtlichen Preisregelung herausgenommen werden. Das Ergebnis
befriedigt insbesondere Mussil nicht, ganz besonders die Milch-
preisregelung stiert ihn sehr. Er meint, damit hätte ich die
Politik durchgesetzt, die ich bei der einfachgesetzlichen Preis-
regelung schon verlangt habe, nämlich notwendig nur den Verbraucher-
preis zu bestimmen. Die Aufteilung, wer kriegt dann die Differenz
zwischen Erzeuger- und Verbraucherpreis, überlasse ich dann anderen
insbesondere der Handelskammer, die sich mit den Genossenschaften
in dem Fall mit den Molkereien herumstreiten muss.

Im Unterausschuss über die Wettbewerbsgesetze berichtete Farn-
leitner
, dass sich die Experten über die Abgabepflicht an den Kon-
sumenten, Dardanariat einigen konnten. Alle anderen Fragen sind
mehr oder minder offen. Die Parteien sind sich klar, dass auf
Expertenebene keine Lösung erzielt werden kann, solange nicht ein
Gipfelgespräch die differentesten Meinungen doch einigermassen
beseitigt wurden, resp. zu einer einheitlichen Auffassung geführt
haben. Vorerst ist dringend notwendig, dies hatten wir bei unserer
fraktionellen Vorbesprechung festgestellt, dass innerhalb der
soz. Partei selbst eine einvernehmliche Auffassung zustande kommt.
Dies gilt primär für die differente Meinung des Freien Wirtschafts-
verbandes und der Konsumgenossenschaft, personell ausgedrückt:
MühlbacherHaberl.

In der Frage des Konsumentenschutzgesetzes hat mich Broda um meine
Meinung ersucht. Er möchte jetzt dieses Problem im Justizministe-
rium allen lösen. Er meinte, ich sei deswegen böse, weil es sozu-
sagen nicht mehr im konsumentenpolitischen Beirat und dem dafür
eingesetzten Ausschuss verhandelt wird. Dort war es bis jetzt
nicht möglich, zu einer einvernehmlichen Auffassung zu gelangen.
Mir ist diese Politik nur sehr recht. Die Handelskammer soll
klar und deutlich spüren, dass andere Minister gar nicht bereit
sind, auf alle Fälle mit ihr zu einer Lösung zu kommen. Im
Budgetausschuss hat Staudinger sogar gemeint, die Konsumentenschutz-
frage sei zivilrechtlich im Justizministerium zu lösen und das
Handelsministerium hätte sich ressortverteilungs-widersprechend


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eine Kompetenz angeeignet. Staudinger hat ganz gegen seine
Methode diese und einige andere Fragen von einem vorgedruckten
Zettel vorgelesen. Die Frage wurde ganz deutlich von einer
aussenstehenden Stelle, sei es der Klubführung, sei es von einer
mir unbekannten Organisation Staudinger mitgeteilt, damit er
dies im Budgetausschuss zur Sprache bringt. Hier konnte ich
sofort erklären, dass selbstverständlich das Justizministerium
dafür zuständig ist und dass eben jetzt de Justizminister allein
ohne den Konsumentenbeirat ohne den Ausschuss, der nicht zuletzt
auf Wunsch der Handelskammer eingesetzt wurde, das Konsumenten-
schutzgesetz bearbeiten wird. Sicherlich nach einer Begutachtung
dann dem Haus zuleiten wird.

Im Integrationsausschuss gab es nur einen Gesetzentwurf, der
auf 3 Jahre die mit einigen Staaten vereinbarte Untersuchung
über Turbinenschaufeln verlängert. Materiell hatte ich keine
Ahnung, ich habe erstmalig als mich ein ÖVP-Abgeordneter des-
halb fragte, sofort erklärt, da sollte der zuständige Beamte
vom Wissenschaftsministerium antworten. Der ÖVP-Abgeordnete
Brandstätter wollte dann Diskussion über Agrarfragen mit Brüssel.
Da dies nicht auf der Tagesordnung stand, hätte er gar keine Mög-
lichkeit gehabt, wenn ich nicht grosszügig sofort erklärt habe,
ich komme deshalb immer, damit die Abgeordneten immer über
alle Fragen der Integration mit mir diskutieren können. Wir
führten diese Diskussion dann eben ausserhalb der Tagesordnung.
Wenn einmal wieder irgendwo eine Frage auftaucht, wie wenig ich das
Parlament informiere, kann mir diese Diskussionsbereitschaft
sehr von Nutzen sein und zugute kommen.

Durch die beiden eingeschobenen Sitzungen im Parlament kam ich
nach dem Essen mit Gen.Sekr. Elsen, wo dieser über die Koopera-
tionsmöglichkeiten mit einem Wiener Vertreter und von der ÖIAG
Geist, Sekt.Chef Gatscha, Min.Rat Zimmermann und anderen Herren
diskutiert wurde. Gatscha hat die Junior-Werke sicherlich im
Namen von Bundeskanzler Kreisky den Renault angeboten und meinte,
es gibt auch noch andere Möglichkeiten. Ich habe bei dieser Ge-
legenheit sofort Anker-Daten in Graz auch vorgeschlagen und er-
klärt, im Handelsministerium gibt es noch verschiedenste Infor-
mationsmöglichkeiten für Renault, wenn es tatsächlich jetzt
nach Österreich mit Produktionen können möchte. Geist schlug
als Kooperationen Werkzeugmaschinen, Hydraulik und Pulvermetallurgie
vor.



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Gen.Sekr. Elsen meinte, für Renault käme höchstens in Frage
dass österr. Firmen sich an der Zulieferung beteiligen. Derzeit
werden grösstenteils von französischen Firmen 15 Mia. Ffrs. jährlich
zugeliefert. Renault möchte über seine österr. Autovertretung
so bald wie möglich eine Liste der Firmen, die sich für eine Zulieferung
interessieren.

ANMERKUNG FÜR PLESCH UND WANKE: Bitte sofort von der Handelskammer eine
solche Liste im Einvernehmen mit unserem Haus erstellen lassen.

Gen.Sekr. Elsen erklärte dezidiert, eine Kooperation auf Personen-
autos käme nicht in Frage. Dies sei wirtschaftlich und kommerziell
nicht tragbar. Die Idee Geists also, eine inländische Autoproduktion
aufzuziehen wurde damit dezidiert von französischer Seite abgelehnt.
Eine Möglichkeit der Kooperation sieht Elsen wohl aber auf dem
Schwer-LKW-Sektor. Er war zwar von Malzacher, der mich morgens
angerufen hatte, ob er mit den Franzosen Kontakt aufnehmen sollte,
was ich sofort bejahte, dahingehend informiert, dass Steyr-Daimler-
Puch ein grosses Interesse daran hätte. SDP und Renault könnten
sich sehr gut vorstellen, dass trotz der Bindung an Mercedes gewisse
Typen noch mit den auch jetzt zur Renault gehörenden Berliet-
Werken möglich sein herzustellen. Die ÖIAG hatte, ganz brutal
ausgedrückt – ausser Spesen – für das Mittagessen – nichts gewesen.

Der nigerianische Botschafter wollte mit mir unbedingt sprechen und
ich nützte daher sofort die Gelegenheit, ihn wegen der Einfuhr-
sperre von Stickereien neuerdings zu ersuchen, bei seiner Regierung
zu intervenieren. Zu meiner grössten Überraschung versprach der
Botschafter neuerdings, dass die Devisensituation sich jetzt ein
bisschen gebessert hat und deshalb mit der Aufhebung der Sperre
zu rechnen sei. Ich gebe mich keiner Illusion hin, dass dies in
absehbarer Zeit geschehen wird. Wichtig war für mich nur, dass
ich neuerdings den Vorarlberger Stickern mitteilen kann, dass ich
bei jeder sich mir bietenden Gelegenheit ihr Problem zur Sprache
bringe und eine Aufhebung der Sperre verlange.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte von Sachs Briefentwurf für Konsul Fend
vorbereiten lassen.

Min.Rat Marhold teilte mir mit, dass im Rechnungshofbericht im LWM
die drei Verträge über die im Ministerbüro Beschäftigten kritisiert
wurden. Im Budgetausschuss wurde ich auch über diese Budgetpost


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befragt und ich habe dort freimütig bekannt, dass ich 1970
andere Lösungen wollte, die aber nicht gegangen sind. Sekt.Chef
Schipper hat mir dann den richtigen Weg gezeigt, wofür ich ihm
jetzt noch sehr dankbar bin. Der Rechnungshof prüft jetzt bei uns
die Abteilung Hauffe insbesondere die Stärkeförderung. Da angeblich
bis jetzt kein Termin für den Rechnungshof zu einer Vorsprache
bei mir frei war, habe ich ihm sofort jetzt einen Termin gegeben.
Der zuständige Ministerialrat war gar nicht mehr anwesend und
sein subalterner Beamter war sehr überrascht, dass ich ihn jetzt
empfangen habe. Er lud mich zur Schlussbesprechung ein, was
ich aber glattweg ablehnte. Ich erklärte, ich wollte mich unter
gar keinen Umständen in seine Tätigkeit einmischen, die spezifisch
und gezielte Untersuchung nur einer einzigen Abteilung zeigt mir,
dass er irgendwelche Informationen hatte, um dieses Problem besond.
zu prüfen. Dies wurde zwar bestritten, für mich gibt es aber keine an-
dere Erklärung, warum gerade Hauffe und warum gerade die Förderung
bei ihm jetzt kontrolliert wird. Dass es harte Kritik von Seiten
des Rechnungshofes geben wird, steht jetzt schon fest. Auf die
Details bin ich sehr gespannt.

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Tagesprogramm, 18.11.1976

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


GND ID: 1017902909


Einträge mit Erwähnung:


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Leiter Sekt. III HM


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: AR ÖIAG; evtl. Falschidentifikation [Mai 1971 bereits ÖIAG?; auch am 21.7. gemeint?]


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg., Personalchef Unilever


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Vizepräs. BHK, Präs. FWV


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: GD Steyr-Daimler-Puch


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: MR HM
                GND ID: 133521052


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: SChef HM
                    GND ID: 12195126X


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                      Tätigkeit: Beamter (Leiter Beamtenkomitee)


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: FPÖ-NR-Abg.


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: MR HM
                          GND ID: 1035518031


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                              Tätigkeit: Leitender Sekretär ÖGB, SPÖ-NR-Abg.
                              GND ID: 136895662


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: ÖVP NR


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                                  Tätigkeit: Kabinett Staribacher


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                                      Tätigkeit: Bundeskanzler
                                      GND ID: 118566512


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                                          Tätigkeit: HK


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                                            Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg.; Bgm. Schwanenstadt, OÖ


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                                                Tätigkeit: Justizminister


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