Montag, 6. Dezember 1976
Sallinger allein beim Jour fixe erzählte mir über eine Aus-
sprache von ihm mit Kreisky. Dieser hatte ihn wegen der Reprä-
sentationsaufwendungen und der Diskussion in der Öffentlichkeit
zu sich gebeten und auch auf die diversen Repräsentation der
Aussenhandelsstellen und Aussenhandelsorganisationen hin-
gewiesen. Sallinger erwiderte sofort, er sei über diese Dis-
kussion sehr unglücklich, da er zu den Repräsentationen steht.
Er fürchtet, dass wir uns immer mehr auseinanderleben. Sallinger
hat noch nicht erkannt, dass es Kreisky nicht nur um das Problem
der Repräsentationen sehr ernst ist, sondern bereit ist, wenn diese
Diskussion weitergeht, die härtesten Gegenmassnahmen auch gegenüber
der Handelskammer zu reagieren.
Bezüglich der Verhandlungen über das Berufsausbildungsgesetz über-
gebe ich Sallinger eine neue Kurzfassung der differenten Auf-
fassungen und eine Punktation. Sallinger selbst ist der Meinung,
es müsste jetzt ein Gipfelgespräch stattfinden und er hätte
diesbezüglich bereits mit Benya gesprochen.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Benya, Sallinger und mir versuchen
einen Termin vor Weihnachten noch zu vereinbaren.
Frau Uhereck soll einen Kommerzialratstitel bekommen, ist aber
erst 47 1/2 Jahre alt. Ich verspreche bei der Präsidentschafts-
kanzlei, gegebenenfalls beim Bundespräsidenten selbst zu inter-
venieren, damit vor dem 50. Lebensjahr eine Ausnahme gemacht wird.
Wallner , Effenberger und Weis sollen Auszeichnungen bekommen,
die dem Grad, wie ihn ihre Vorgänger auch bekommen haben, ent-
sprechen und wo es derzeit Schwierigkeiten angeblich geben soll.
Für die Staatswappenverleihung der Fa. EKOS solle die AK
Schwierigkeiten machen.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte leite die Fragen weiter und über-
prüfe die ganzen Wünsche.
Bezüglich der Aufwandsübernahme für ausländische Ministerbesuche
VERZICHTET Sallinger auf die derzeitige vorgeschlagene Formu-
lierung, dass die Reziprozität berücksichtigt werden muss und
ist für eine Soll-Bestimmung.
Ich berichte Sallinger über meine Aussprache vergangene Woche
mit Mussil im Nationalrat über die Bemerkungen Mussils in
seinem Budgetdebattenbeitrag. Sallinger meint, dass die Atom-
müllager selbstverständlich gelöst werden muss und auch die Frage
der Plastikflaschen-Verbote meine Stellungnahme wichtig ist.
Nur bezüglich des 1000-S-Kautionsbetrages für Autos meint er,
dies hätten wir vorher bei unserem Jour fixe besprechen sollen,
wenn einzelne Organisationen der Handelskammer hier auch meinen
Standpunkt einnehmen ja sogar diese Idee bei mir anregten, so
gilt dies nicht für die Bundeshandelskammer.
Betreffend der Lagerstätten für den Atommüll hatte ich dann abends
nach der Regierungsvorbesprechung eine Aussprache mit Lütgendorf.
Dieser teilt mir mit, dass er mit allen vier Standorten, die in
Allentsteig in Frage kommen, einverstanden ist. Die Entscheidung
liegt jetzt ausschliesslich bei der Elektrizitätswirtschaft,
Erbacher. Wenn die Elektrizitätswirtschaft zur Kühlung grössere
Wassermengen braucht wäre allerdings ein südlicher Standort
in der Nähe des Kamps notwendig.
ANMERKUNG FÜR FRANK UND WAIS: Welche Kühlung ist vorgesehen?
Beim Journalistenfrühstück berichtet Haiden über seine Verhandlun-
gen mit den Ministern der EG und in Brüssel selbst betreffend die
Landwirtschaftsfrage. Meisl über die Gemischte Kommission. Bei
keinem anderen Punkt gibt es Anfragen oder eine Diskussion.
Ich informiere Kreisky über den Stand der Besprechungen Ungarn we-
gen der Ausbeute der Kohlenvorkommen an der burgenländisch-unga-
rischen Grenze. Kreisky meint, dass der Nord-Süd-Dialog viel
weniger Ergebnisse in Bezug auf Energie-ausbeute und gemeinsames
Vorgehen bringt als die Möglichkeiten des Ost-West-Bezuges.
Er ist sehr einverstanden und bringt auch bei der Aussprache mit
Kadar bei der offiziellen Sitzung diesen Punkt sofort zur
Sprache. Ich informiere Kreisky auch vorher über die neuerdings
aufgetretenen Schwierigkeiten wegen der Durchleitung von polni-
schem Strom über die CSSR nach Österreich. Insbesondere dass die
Verbund jetzt ein weiteres Wärmekraftwerk 300 MW als Korneuburg III
plant, falls die polnischen Lieferungen ausbleiben sollten.
Taus spricht mich beim Mittagessen für Kadar wegen der
Verbundgesellschaft 4. Vorstandsabberufung an. Ich erkläre
ihm die Situation und dass es sich ausschliesslich um Sparmass-
nahmen handelt, die Kompetenzen von Arthold soll, wenn es
nur mehr 3 Vorstände gibt weitestgehend auf Zach übergeleitet
werden, sodass niemand sagen kann, der Einfluss der ÖVP soll gekürzt
werden.
Bei der offiziellen Besprechung mit Kadar verweist Kreisky zuerst
auf die gemeinsamen Projekte in Drittländern. Libyen, Indien, Irak.
Als zweites beginnt er sofort mit der Energiefrage und meint,
das Ziel müsste ein gemeinsames Dampfkraftwerk an der burgen-
ländisch-ungarischen Grenze sein. Er erwähnt, dass wir in Polen
diesen Weg bereits beschritten haben, Energiebezug anstelle von
Zahlungsstatt für Kredite und dass es derzeit noch Schwierig-
keiten gibt. Der dritte Punkt ist der Rhein-Main-Donaukanal.
der für die Ungarn von grossem Interesse ist und der noch durch
den Donau-Oder-Kanal ergänzt werden wird. Kadar erwidert sofort,
dass konkrete Abschlüsse bei dieser Aussprache nicht herauskom-
men werden, aber die zuständigen Stellen und Minister die ent-
sprechenden Richtlinie für ihre Arbeit bekommen sollten. Als
erstes erscheint ihm die Zollfrage dringendst zu untersuchen,
da die ungarischen Waren in Österreich von 7–8 % durch
den Zoll verteuert werden. Beim Abendessen beim Bundespräsidenten
erhalte ich mit Biro eine stundenlange Aussprache, zu der ich
auch Generalsekretär Reitbauer zuziehe. Dort erklärt mir Biro,
dass sie mit Juni nächsten Jahres ihre Importe aus Österreich
wesentlich reduzieren werden, weil sie durch die Zolldiskriminierung
nicht imstande sind, ihre Waren in Österreich zu verkaufen.
Die Zolldifferenz des gemeinsamen Aussenzolles der EG und des
österr. Hochschutzzolles ist so gross, dass die ungarischen
Aussenhandelsstellen ihre Waren lieber in Deutschland verkaufen,
weshalb ihm österreichische Schillingerlöse fehlen. Auch Kreisky
setzt sich nachher an unseren Tisch und ich informiere ihn eben-
falls über dieses Problem. Mit Pahr vereinbare ich dann nachher,
dass wir mit dem Finanzminister eine Lösung anstreben sollten,
wonach der österr. Zoll sich gegebenenfalls sich an den deutschen,
d.h. EG-Aussenzoll angleichen soll.
ANMERKUNG FÜR MEISL UND WAIS: Bitte diese Überlegung prüfen und
mit Finanzministeriumsbürokratie besprechen.
Kadar verweist darauf, dass das Aide memoire von den seiner-
zeitigen Premierminister-Besuch Lazars im Frühjahr in Österreich
als weitere Grundlage der Verhandlungen für die Fachminister
dienen soll. Unser Handelsdelegierter in Ungarn, Kuzmich, hat
seinerzeit mitgeteilt, dass die ungarischen Aussenhandelsstellen
die dort besprochenen Liefermöglichkeiten gar nicht sehen.
Kadar ist an einer Zusammenarbeit auf dem Energiesektor sehr
interessiert. Biro teilte mir mit, dass die SU Rinder und andere
Landwirtschaftliche Produkte bekommt und dafür 7 Mill. t Öl
im Jahr als Kompensation liefert.Die Gaslieferung, berichtet
Kadar, von Ungarn nach Österreich käme nur dann in Frage,
wenn dafür Elektrizität von Österreich nach Ungarn exportiert
werden könnte. Dieser Vorschlag ist derzeit für uns nicht inter-
essant, da wir keine Elektrizitätsmengen frei haben. Kadar
bietet neuerdings für die Adria-Pipeline, die von Jugoslawien
über Ungarn in die CSSR geht, freie Kapazitäten an. Die ÖMV
hat daran überhaupt kein Interesse, weil kein Bedarf dafür
vorhanden ist. Kadar verweist darauf, dass mit Drittländern
Handels- und technische Kooperationen gesucht werden sollen.
Nach Deutschland liegt Österreich an der zweiten Stelle bzgl.
der Kooperationen. Diese könnten rasch realisiert werden, ins-
besondere mit der verstaatlichten Industrie. Kreisky
bringt dann das Gespräch auf die Belgrad-Konferenz und meint,
dass gerade Vorfragen in der Zusammenarbeit auf dem Energie-
sektor geklärt werden könnten und dadurch die Entspannungs-
politik fortgesetzt. Bezüglich des Arguments der Ostabhängigkeit
verweist er darauf, dass die Verbundnetze in der Elektrizität
bei Gas und Öl ausgebaut werden sollen und wir die Energie brauchen,
der Osten aber das Geld aus diesen Energielieferungen. Westeuropa
ist übrigens auch von den arabischen Öllieferungen abhängig.
Durch die internationale Energieagentur und deren Lagerver-
pflichtungen kann die Energieabhängigkeit einigermassen ge-
drosselt werden. Im Korb III sieht Kreisky einen europäischen
Kodex für das Verhalten Ost und West. Kadar verweist darauf,
dass sich mit den Vorfragen zur Belgrader Konferenz insbesondere
Energie, Transport und Umweltschutz das ZK Ungarns aber auch
alle Ostblockstaaten beim Warschauer Treffen unterhalten haben.
Es gibt eben Gegner der Entspannungspolitik. Kreisky und
Österreich treten aber entschieden dafür ein, was lobend anerkannt
wird. Die Belgrader Konferenz dürfte nicht eine Klagemauer sein
sondern müsste ein positives Programm erstellen. Die Zeit des
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Kalten Krieges erzählt jede Seite der Bevölkerung immer wieder
dass der Tiger vor der Tür steht. Ungarn hat durch die Ereignisse
1956 einen schlechten Ruf im Westen.Nachdem sich die Lage konso-
lidiert hat, haben die Ungarn aber ihre Grenzen geöffnet.
Bei 10 Mill. Einwohnern sind 10 Mill. Touristen gekommen. Auch
die Ungarn sind 5 Mill. ins Ausland gefahren, 4 nach Oststaaten,
1 Mill. nach dem Westen. Durch die Liberalisierung sind nicht
mehr Flüchtlinge jetzt als früher unter dem Draht durchgeschlüpft.
Die Ungarn sehen im Westen, dass es auch dort Probleme gibt.
Die Kommunisten hatten früher argumentieren können, in Zukunft
werden sie dies wieder lernen müssen. Die Argumente, auf die kommt
es an und nicht auf die Lösungen. Wir würden sagen Parolen.
Kreisky erwähnte zum Schluss, nachdem immer wieder die verstaatlich-
te Industrie angesprochen wurde, dass bei uns die private und
verstaatlichte Industrie gleich behandelt wird, und alle Vorschläge
geprüft. Nach den stundenlangen Diskussionen, die ich mit Biro
führte und den Äusserungen Kadars spitzt sich unser Problem
mit Ungarn ausschliesslich jetzt momentan auf die Zollfrage zu.
Sicherlich wird nicht die ungarische Seite den Import nächstes
Jahr so stark drosseln, dass wir oder besser gesagt bis wir
einen Handelsbilanzdefizitausgleich haben. Die Entwicklung
zeigt aber bereits heuer, dass wir grössere Importe tätigen
mussten, ohne dass unsere Exporte entsprechend stark gestiegen
sind, obwohl einige grössere Projekte insbesondere von der
VÖEST-Alpine, Voith, SGP verwirklicht werden könnten und sollten.
Ich vereinbarte mit Kuzmich, unserem Handelsdelegierten, dass
wir eine vollkommen am letzten Stand befindliche Liste unserer
Lieferwünsche und Kooperationsmöglichkeiten Biro morgen über-
geben sollen und werden.
Bei der Ministerratsvorbesprechung wollte Kreisky zuerst meine
Meinung zu der Atommüllagerung, wie ihn die USA jetzt sieht,
wissen. Ich war sehr erstaunt von Gehart zu erfahren, dass er
eine diesbezügliche Anfrage an den zuständigen Referenten
des Handelsministeriums gerichtet hat, dieser antwortete ihm,
dass die Frage noch bearbeitet wird.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte sofort feststellen, wer dies
bearbeitet und Unterlagen sofort an mich richten lassen.
Kreisky wollte scheinbar zuerst auf Grund dieser Urgenz
das Atommüllproblem neuerdings besprechen, hat dann aber
sich ausschliesslich mit der schlechten Meinung
und insbesondere auch der Parteifunktionäre zur der Belastungs-
welle gewendet. Auf Grund von Aussprachen mit Funktionären
von Betriebsräten, von Telefonanrufen, die er bekommt, erkennt
er, dass wir in der Frage der Belastung sehr schlecht liegen.
Alles kann man den Leuten erklären, aber wichtiger ist es, dass
wir an die Leute herankommen. Die Begründung der Belastungswelle
mit der Arbeitsbeschaffungssicherung kann nicht auf die Dauer
aufrechterhalten werden. Derzeit wird die Arbeitsbeschaffungspoli-
tik durch die Koppelung mit der Belastung stark abgewertet.
Es besteht die Gefahr, dass eine negative Grundeinstellung
entsteht gegen die Regierung und dies kann eine Wende in der
bisherigen guten Aufnahme der Regierungspolitik bringen. Dazu
kommen dann noch einzelne in der Öffentlichkeit schrecklich
ankommende Korruptionsfälle. Er hat den Leiter der Staats-
druckerei sofort ausser Dienst gestellt, ähnlich müsste es auch ge-
gen den Goldschmuggelvorwurf des Hauptmünzamtes geschehen.
Koren behauptet, er sei drei Wochen früher schon informiert
worden über diesen Skandal. Androsch ist leider nicht anwesend
und daher bleibt die ganze Frage offen.
Bezüglich der Aussenhandelsgebühren und deren Verwendung wird
neuerdings von Kreisky mitgeteilt, dass sie genau kontrolliert
werden sollen und zwar durch den Rechnungshof, wie ihm sein
Verfassungsdienst jetzt ebenfalls berichtete. Für mich war
dies alles nichts Neues, denn im Gesetz steht ausdrücklich drinnen
dass der Verfassungsdienst zur Krontrolle zuständig sei.
ANMERKUNG FÜR MEISL UND WAIS: Bitte mit Gehart die Aufgliederung
für den neuen Ministerratsvortrag abstimmen.
Die Industriekommission wurde von Kreisky verschoben, weil
die Substanz für die nächste Tagesordnung seiner Meinung nach
zu gering ist. Ich verwies darauf, dass wir über die Ergänzung
der Industriestudie durch den Sozial- und Wirtschaftsbeirat
Vorsitzenden einen Bericht bekommen würden. Ebenso würde
Andrae über seine Frage Vermögensbildung referieren und ich
einen Zwischenbericht über die Papierindustrie geben. Kreisky
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möchte aber, dass bereits entsprechende Massnahmen wegen des
Sulfatprojektes beschlossen werden. Er sagt und dies sogar
zu Recht, dass man die Präsidenten nicht immer zusammenrufen
kann, um ihnen nur Zwischenberichte zu geben. Für einen
endgültigen Beschlussbericht aber werde ich aber im Jän-
ner keine wie immer geartete Chance haben, erklärte ich.
Die Projektanten des Sulfatprojektes haben keine finan-
zielle Basis und können auch keine entsprechenden Vorschläge
machen. Ausserdem gibt es fraktionell bei uns selbst noch
grosse differente Auffassungen. Haiden ist der Meinung, dass der
Holzbericht bereits als Grundlage dienen kann, um zu einer
Entscheidung zu kommen. Ich verwies auf die Gefahren der
Holzpreissteigerung, Kreisky meinte, die müsse man in Kauf
nehmen, wenn dadurch das Waldviertel endlich gewisse Holzauf-
bringung durchführen kann. Landegger will das US-Know-how,
Turnauer das schwedische. Die Papierfabriken sind natürlich gegen
das neue Projekt incl. Steyrermühl. Ich berichtete Kreisky über
meinen Besuch in Steyrermühl und dass dort nicht nur die
Direktoren sondern auch die Belegschaftsvertreter sehr gegen
dieses neue Sulfatprojekt sind. Kreisky sieht aber in dem neuen
Sulfatprojekt die einzige Chance, damit sich die VÖEST rehabili-
tiert. Im Kopplent-Verfahren bei Steyrermühl hat sie total ver-
sagt. Apfalter hat Kreisky informiert, dass er mit Turnauer
und Landegger gemeinsam eine Finanzierung finden könnte. wenn
dieselbe Unterstützung vom Staat erfolge wie die bei Leykam.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Ich habe Kreisky vorgeschlagen, eine
fraktionelle Sitzung einzuberufen. Bitte mit Gehart besprechen.
Kreisky wünscht einen Preisvergleich und eine Preisentwicklung
Schweiz-Österreich. Insbesondere kommt es ihm darauf an, zu
demonstrieren, wie in der Schweiz die Weltmarktpreise zuerst
durchgeschlagen haben und dadurch der Index über dem österrei-
chischen lag und jetzt eine entsprechende Wendung vorgenommen hat.
ANMERKUNG FÜR MARSCH: Bitte mit Krämer und mir entsprechendes
Schema besprechen.
Tagesprogramm, 6.12.1976