Mittwoch, 12. Jänner 1977
Bei der Arbeitstagung der Jugendsekretäre des ÖGB in Bad Vöslau
ersuchte mich Verzetnitsch über den letzten Stand des Berufsaus-
bildungsgesetzes zu referieren. Die Gewerkschaftsjugend ist unge-
heuer aktiv und sehr, sehr sachlich. Ihr grosses Ziel ist es unter
der sozialistischen Regierung jetzt ein besseres Berufsausbildungs-
gesetz zu bekommen. Das im Jahre 1970 in Kraft getretene war ein rich-
tiges Koalitionskind. Die Handelskammer konnte dort alle ihre Wün-
sche, insbesondere die ausschliesslich von ihr beherrschte Organisation
durchsetzen. Jetzt will die Gewerkschaft mit aller Gewalt dies ändern.
Jagoda erklärte mir, dass Mussil aber recht hat, dass im neuen Entwurf
eine Organisation nur dann mit Mitbestimmung oder gar Parität erreicht
werden kann, wenn die Handelskammer zustimmt. Da die Organisations- resp.
Behördenverwaltung unbedingt eine mittelbare Bundesverwaltung sein würde,
müssen die Landeshauptleute zustimmen. Diese Situation erklärte ich
der Konferenz, die deshalb sehr unglücklich war. Ich liess auch keinen
Zweifel aufkommen, dass der Fonds mit 2 % der Lohnsumme ja selbst einen
Bruchteil dieses Betrages nicht zustande kommen wird. Ich legte grössten
Wert darauf ihnen zu erklären, dass es wichtig ist, dass entsprechende
Mittel für Lehrlingsausbildung zur Verfügung gestellt werden. Wie und
auf welche Art müsste egal sein. Eine ganze Reihe von anderen positiven
Punkten werden wir durchbekommen. Wichtig war der Konferenz, dass ich bei
der Regierungsklausur unbedingt ihren Gesetzentwurf erwähnen sollte. In
der Diskussion wurde auch gefragt, ob die Gewerkschaftsjugend jetzt Aktio-
nen setzen soll. Schon während meines Referates hatte ich heftigst kriti-
siert, dass die Oberösterreicher eine Kartenaktion gestartet haben, wo
sie Herrn Präsident Sallinger und mir von ihren Mitgliedern vorgedruckte
Karten geschickt haben. Wenn sie schon Aktivität machen und ihre Mit-
glieder mitspielen, dann soll dieser wenigsten selbst einige Sätze
schreiben. Vordruck, wo nur mehr die Unterschrift darunterzusetzen ist,
macht den denkbar schlechtesten Eindruck. Auch bezüglich der Unterschriften-
aktion einigten wir uns, dass sie sie vorbereiten sollen, aber erst der
zweckmässige Zeitpunkt wo sie gestartet werden soll noch zwischen uns
besprochen werden wird. Gen.Sekr. Hofstetter der einen Tag vorher draussen
war, erzählte mir nachher vor der Paritätischen Kommission, dass er
Jugendfunktionären auseinandergesetzt hat, eine Unterschriftenaktion
hält er zum jetzigen Zeitpunkt für unzweckmässig. Wir hoffen alle, dass
durch das Gipfelgespräch die Verhandlungen aufgelockert werden und wir erst
zu einem späteren Zeitpunkt eine Unterstützung, oder wenn man so will
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einen gewissen Druck von aussen bekommen sollte und bräuchte. Bei der
Gewerkschaftsjugendorganisation zeigt sich deutlich wie notwendig Jugend-
liche einen guten Sekretär brauchen, der dann allerdings, wenn er der
richtige Mann ist, zielstrebig auch die notwendigen Aktivitäten auf
der einen Seite um die Jugend zusammenzuhalten, auf der anderen Seite
aber eben zweckmässige und erreichbare Ziele anstrebt. Die bisherigen
Jugendsekretäre des Österreichischen Gewerkschaftsbundes und wahrschein-
lich auch in den meisten Fachgewerkschaften, auch bei der Lebensmittel-
arbeitergewerkschaft erfüllten diese Anforderung. Verzetnitsch ist wirk-
lich in dieser Beziehung der richtige Mann. In einigen Jahren wird er
in der Bürokratie des Gewerkschaftsbundes eine bedeutende Rolle spielen.
Vor der Paritätischen Kommission hat mir der Obmann der Angestellten-
gewerkschaft Dallinger mitgeteilt, dass die Diskussion über die Laden-
schlussfrage gut läuft. Kreisky hat ihm zu verstehen gegeben, er möchte
diese Problematik bei der Regierungsklausur insoferne anschneiden, dass
er dezidiert erklären will, es muss jetzt mit dieser Diskussion auch
Schluss sein. So wie die Raketendiskussion mit Lütgendorf möchte er jetzt
die Ladenschlussdiskussion mit Firnberg aus der Tagespolitik heraus-
nehmen. Die Hauptschwierigkeit liegt ja darin, dass die Massenmedien
und natürlich ganz besonders der Kurier immer wieder auf die Gegensätze
und die Uneinigkeit der Regierungsmitglieder hinweist. Kreisky möchte
nun alles her als mit dem Gewerkschaftsbund in dieser Frage in Konflikt
zu kommen. Wie recht hatte ich mit meiner Politik und Einstellung seit
1970, unter allen Umstände eine Konfrontation mit anderen Regierungs-
mitgliedern in der Öffentlichkeit zu bekommen. Dabei kann man sich in
Wirklichkeit keinesfalls profilieren. Das einzige Ergebnis ist, dass der
Gegner in den Gegensatz immer wieder hineinstösst, ihn nützt und damit
die Regierungseinigkeit öffentlich aufspaltet. Dann gibt es die Prestige-
aussagen und das Prestigedenken und schon ist jahrelange Aufbauarbeit
zerstört. Kreisky hat dies wahrscheinlich auch aus der jahrzehntelangen
Koalitionszeit gekannt und wollte dies von allen Anfang vermeiden und
verhindern. Bis jetzt ist es ihm auch tatsächlich geglückt. In der letzten
Zeit hat er diesbezüglich grosses Pech. Ich bin froh, dass ich trotz
öfters ungerechter Verhandlung, gegen die ich mich allerdings zur Wehr
setzte, nicht der Anstoss oder gar die Auslösung einer solchen Politik
gewesen bin.
In der Paritätischen Kommission hat Kreisky mitgeteilt, er will das
Statistische Zentralamt auffordern, durch eine Inseratenkampagne die
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Bevölkerung über den neuen Index aufzuklären. Er wollte dafür die
Zustimmung der Sozialpartner, die er zu meiner grössten Überraschung
auch sofort bekommen hat. Selbst Mussil musste zugeben, dass die
Sozialpartner ja bei der Erstellung dieses neuen Indexes mitgewirkt
haben und deshalb natürlich auch der Aufklärungskampagne über den
Verbraucherpreis zustimmen. Was immer Kreisky jetzt auf diesem Ge-
biet machen wird, er wird sich mit Recht darauf berufen, dass die Sozial-
partner ihn dazu ermächtigt haben. Präsident Seidl hatte nur den einen
Wunsch, dass die allgemein verständlich dargestellt werden sollte.
Kreisky hat sofort zugesichert, er wird ihnen den Entwurf zusichern.
Die Freigabe der Lohanträge der 380.000 Metallarbeiter, aber auch der
einigen tausend Bäcker und Müller, sowie viele andere, ging glatt über
die Bühne. Nur bei den Bäckern und Müllern gab es wieder die Diskussion
wegen der Zug-um-Zug-Bemerkung. Die Handelskammer verlangt immer im
Protokoll die Anmerkung, dass gleichzeitig mit dem Lohnabschluss die
Preiskommission resp. die Paritätische Kommission über das Verhandlungs-
ergebnis zu informieren ist, damit die entsprechenden Preisanträge Zug um
Zug berechnet, sie versteht allerdings darunter erledigt werden können.
Benya hat diesmal ganz besonders dagegen opponiert, weil er der Fest-
setzung der Preise der Molkereiprodukte in der Paritätischen Kommission
die Molkereigenossenschaftsvertreter nicht nur verlangten dass sie ihre
Preise Zug um Zug bekommen, sondern erklärten, solange nicht die Preise
befriedigt für sie erledigt sind, sie die Lohnerhöhung nicht unter-
schreiben. Dies widersprach eindeutig der bisherigen Praxis und wurde auch
letzten Endes nicht so gehandhabt. Benya ist aber darüber sehr verärgert
gewesen und hat dies auch klar und deutlich bei dieser Paritätischen
Kommission gesagt. Letzten Endes wurde dann im Protokoll auch eine dies-
bezügliche Bemerkung des Gewerkschaftsbundes festgehalten, dass vor
Inkrafttreten der Preise, resp. der Preisfestsetzung die ausgehandelten
Löhne unterschrieben sein müssen. Dies ist in Wirklichkeit sowieso das
jetzige System.
Anschliessend an die Paritätische Kommission hat Zöllner mich über die
Präsidentenbesprechung, insbesondere über die Gaspreisregelung informiert.
Die Arbeiterkammer Linz wünscht für die RAG-Gaspreisbildung eine Dele-
gierung an die Oberösterreichische Landesregierung. Zöllner würde dies
auch sehr begrüssen. Sieht aber interne Schwierigkeiten bei uns im
Handelsministerium. Wenn nämlich die RAG-Preisbildung nach OÖ delegiert
wird, müsste dann auch für die ÖMV Preisbildung in späterer Zukunft er-
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folgen. Dieses Problem stellt sich aber nicht für mich, da die ÖMV
derzeit nicht einer amtlichen Preisregelung unterworfen werden soll.
Wenn es deshalb zu keiner Einigung mit der RAG im Rahmen der Paritätischen
Kommission kommt, werde ich auf alle Fälle die Delegation für den
örtlichen und nur für Oberösterreich bestimmten Preis der OÖ Landes-
regierung, d.h. den Landeshauptmann Wenzl delegieren.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte Kurzel diesbezüglich informieren wie wir bereits
mit Frank besprochen haben.
Gen.Sekr. Effenberger vom ARBÖ schütte sich bei mir sein Herz aus. Der-
zeit haben sie mit dem ÖAMTC ein denkbar schlechtes Verhältnis. Wegen
Abwerbung der Mitglieder des ÖAMTC wurden sie geklagt. Die Fraktion soz.
Gewerkschafter hat in einem Rundschreiben an tausende Betriebsräte,
ohne dass der Name ÖAMTC genannt wurde, aufgefordert mit einer beiliegenden
Karte die Mitgliedschaft zu kündigen. Das Ergebnis dieser Aktion ist
ein ausgesprochener Fehlschlag. In der Zentrale waren es einige Neu-
beitritte, die nachweislich durch diese Aktion gekommen sind und
in den Ländern resp. Ortsgruppen können es vielleicht ein paar Dutzend
gewesen sein. Kein Erfolg, dafür die Klage. Ähnlich geht es bei den Ver-
handlungen über die oberste Sportkommission, wo der ÖAMTC alles in der
Hand hat. Zur Tarnung hat der ÖAMTC noch den Sekt.Chef Weissenburger einen
Genossen von uns im Innenministerium, der den Polizeimotorsport führt,
zum Präsidenten bestellt. Der ARBÖ hat vor Jahren mit abgesprungenen
Funktionären des ÖAMTC versucht eine Gegenorganisation aufzurichten.
Da die oberste Sportkommission und insbesondere der ÖAMTC aber die
internationalen Beziehungen hat, damit auch die entsprechenden Rennen
vergeben kann, bröckelt jetzt Verein für Verein ab. Während beim Aus-
gangspunkt der Verhandlungen der ÖAMTC nicht einmal ein Viertel der
Motorsportler hinter sich gehabt hat, hat sich jetzt die Situation total
gewandelt und er hat jetzt zwei Drittel hinter sich. Das seinerzeitige
Angebot des ÖAMTC an den ARBÖ haben aber die Funktionäre entgegen dem
Rat von Effenberger abgelehnt und jetzt bekommen sie natürlich fast
nichts. Die neue Strassenverkehrsordnung hat der ARBÖ sehr schnell in
Form eines Buches herausgebracht. Darin haben aber die Autoren des ARBÖ
das Stichwortverzeichnis des ÖAMTC übernommen. Dies ist angeblich rechtlich
nicht gestattet, weshalb Prof. Schönherr im Namen des ÖAMTC auch hier eine
Klage eingebracht hat. Effenberger ersuchte mich, ich sollte doch meine
guten Beziehungen aus der Vergangenheit mit dem ÖAMTC zur Verfügung stellen,
um mich als Vermittler zu betätigen. Natürlich legte er grössten Wert
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darauf, dass ich diese Aufgabe übernehme, ohne dass sofort erkennbar wird
dass er bei mir diesbezüglich interveniert hat. Ich ersuchte Gen.Sekr.
Veith um eine Aussprache und ging optisch äusserst wichtig, zu ihm in
die Zentrale, damit der Wunsch Effenbergers wirksam ist, erklärte ich
Veith ich käme wegen der Gewerkschaftsfraktionswerbeaktion, ohne dass der
Gewerkschaftsbund, ja auch nur ein einziger Mann davon etwas weiss.
Veith glaubte mir dies und wir begannen ein freundschaftliches Gespräch.
Der ÖAMTC ist, wie er mir versichert, sehr unglücklich, daß ich heute
nicht mehr die Strassenkompetenz habe, weil man mit mir unvergleichlich
leichter und zielführender verhandeln konnte. Damals der ÖAMTC gegen-
über der Regierung und all den Massnahmen die wir setzen mussten,
wesentlich zahmer. Veith der vor seiner Tätigkeit als Generalsekretär
Richter war und den ich aus einer Bekanntschaft mit dem jetzigen S.Chef
Dr. Heller, der damals auch Richter war, kannte, steht nach wie vor auf
dem Standpunkt, besser ein schlechter Vergleich als ein fetter Prozess.
Nach langer Diskussion, wo wir über alle Fragen uns ausführlich ausspra-
chen, einigten wir uns, dass es zweckmässig wäre, wenn ich mit Effenberger
sprechen würde, damit er und Veith eine inoffizielle Aussprache über
alle Probleme führen sollten. Falls es notwendig wäre, würde ich als
Katalysator sicherlich nicht als Schiedsrichter, wenn es beide Seiten
wünschten, auch zur Verfügung stehen. Effenberger den ich anschliessend
über dieses Ergebnis berichtete, war sehr froh, dass es mir gelungen ist
diesen ersten Schritt zustande zu bringen. Effenberger sagt nämlich mit
Recht, die meisten Funktionäre möchten bis zum letzten Blutstropfen
kämpfen, in der Hoffnung einen Sieg zu erreichen. Die Mitglieder er-
warten sich allerdings auch einen Sieg und Vorteile für die Mitglied-
schaft beim ARBÖ, würden aber wahrscheinlich kaum verstehen, wenn viel-
leicht dann doch bei Gericht kein Sieg, sondern eine Niederlage erreicht
wird. Das Prozessrisiko ist Effenberger zu gross. Auch Veith meinte mit
Recht und einem Zitat Ebner-Eschenbachs: Nicht triumphierend siegen,
siegen allein genügt. Ausserdem ist das Ergebnis jeden Prozesses eine
Verärgerung des Unterlegenen. Ein schlechter Vergleich ist deshalb
noch wesentlich besser, weil er beide das Gesicht wahren lässt und
zukünftige Zusammenarbeit oder zumindestens Miteinanderleben erleichtert.
Ich hoffe mit meiner Vermittlung den ersten Schritt dazu beigetragen zu
haben. Persönlich waren mir – und diesen Eindruck hatte ich wirklich -
sowohl Veith als Effenberger – sehr dankbar. Ob dies auch sachlich in
der Zukunft, wenn es zu keinem befriedigenden Ergebnis kommt, diese
Mission dann wirklich dankbar von allen insbesondere den Funktionären
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anerkannt wird, bin ich nicht so sicher. Dies soll aber meine ge-
ringste Sorge sein. Wichtig ist mir wirklich, dass durch diese Mission
ein erster Schritt gesetzt wurde um unangenehme Situationen aus der
Welt zu schaffen, Prozesse zu ersparen und wie ich hoffe für beide
Teile befriedigende Kompromisse erzielt werden können. Da dies seit
eh und je meine Politik war, stellte ich mich wahrscheinlich für
diese unangenehme Aufgabe, wie vielleicht die Zukunft zeigen wird, gerne
zur Verfügung.
Tagesprogramm, 12.1.1977
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Schreiben Gehart, BKA, an Staribacher betr. Treffpunkt Flughafen
hs. Notizen (Schreiben Gehart, BKA, Rückseite)