Freitag, der 14. Jänner 1977

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Freitag, 14. Jänner 1977

Kreisky leitete die Regierungsklausur wieder mit den Mitteilungen
über die Parteiaktionen ein. Ihm liegt scheinbar ungeheuer viel da-
ran, alle für diese Aktionen zu motivieren. Diesmal waren ja auch die
Mitarbeiter der Minister anwesend. Niemand glaubt mir, dass wenn ich
allein komme, dies ausschliesslich durch die Entscheidung meiner Mit-
arbeiter so ist. Bei uns wird niemand zu einer Arbeit kommandiert,
allerdings auch niemand besonders aufgefordert. Eine solche Arbeits-
weise ist anderen scheinbar vollkommen unerklärlich. Bezüglich der
Regierungsarbeit meinte Kreisky, diese muss für sich selbst sprechen.
Dann forderte mich unmittelbar auf, über das Jugendproblem und über die
Beschäftigung zu referieren. Ich war sehr erstaunt, dass ich der erste
sein sollte, normalerweise ist es immer Androsch. Zum Glück hatte
ich die Unterlagen mit und schon am Vorabend verteilt. Da ich überzeugt
war, dass alle anderen ebenfalls referieren sollten, hatte ich mich
sehr kurz gefasst. Trotzdem meinte Kreisky dann, alles muss noch
viel kürzer gehen. Weissenberg meinte mir gegenüber dann mir Recht,
in Wirklichkeit möchte er, dass alles zur Sprache kommt, um, wenn er
bei der Presse oder sonst wo gefragt wird, zu sagen, die Regierungs-
klausur hat sich mit allem beschäftigt, aber in Wirklichkeit will
er gar nichts diskutieren, oder gar dort gemeinsame Programme er-
arbeiten. Weissenberg berichtet, dass Feber 76 die Arbeitslosen
3.6 % ausmachten, die Jugendarbeitslosigkeit aber nur 1.7. Die Jugend
ist immer bei uns günstiger darangewesen, trotzdem wir dagegen über
72 Mio. in 1976, 90 in 1977, in der Summe aber 145 Mio., wenn man alle
Aktivitäten für die Jugend zusammenzählt, bei rund 1 Mia. Arbeits-
marktförderung zur Verfügung stehen. Kreisky meinte, wir müssten
noch mehr Budgetmittel bereithalten. Unter anderem schlug er vor,
dass wenn ich mit den 30 Mio. Schilling für die Neugründungsaktion
Gewerbebetriebe, die ja letzten Endes dann auch Lehrlinge aufnehmen,
nicht auskomme, ich sofort vom Finanzminister mehr bekommen müsste.
Androsch stimmte dem zu. Androsch wieder meinte, Weissenberg sollte
aus seiner Reserve weitere 150 Mio. Schilling für die Jugendarbeitslosig-
keit zur Verfügung stellen. Das lustige bei dieser Art der Verhandlung
war, dass immer der andere auf Kosten eines Dritten vorschlug, wie
man neue Mittel bereitstellen sollte. Ich war und blieb mit meinen
Aussagen äusserst vorsichtig, weil ich mich nicht präjudizieren wollte
und vor allem nicht zusätzliche finanzielle Mittel habe, aber auch
nicht vom Finanzminister anfordern möchte. Androsch selbst nahm dann


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nach der Pause auf Aufforderung Kreiskys sehr umfangreich zu
seinen Aktionen Stellung. Die zusätzliche AVA für Bauten soll ver-
längert werden, wenn auch nicht mit 50 %, für die Exportförderung
soll mehr geschehen und auch für die kinderreichen Familien und
ledige Mütter, die entsprechende Wohnungsbelastungen haben, soll
aus dem Lastenausgleich mehr zur Verfügung gestellt werden. Staats-
sekretär Karl hat mir auf der Bahnfahrt schon geklagt, dass in den
Zeitungen schon über die kinderreicheren Familien, die jetzt
auch von SPÖ unterstützt werden sollen, angeklungen ist, ohne dass
sie davon etwas weiss. Ausserdem widerspricht dies ganz der sozia-
listischen und insbesondere auch ihrer Theorie, wonach wir endlich
die Einkind- und Zweikindfamilie mehr an die Mehrkindfamilien angleiche
sollen. Die Politik wird eben bei uns so gemacht, dass wenn wie beim
Familienausgleich Möglichkeiten sind, dann auf Grund von Interventio-
nen, sei es Kreisky oder einer dritten Person bei ihm, der Finanz-
minister entsprechende Vorschläge dann sofort über die Zeitungen
lanciert.

Das tollste war aber dann die Pressekonferenz. Kreisky hatte ersucht,
es sollten ihn alle Minister begleiten, die Vormittag schon refe-
riert hatten, oder zu dem Problem der Lehrlinge und Arbeitsbeschaf-
fung Stellung genommen haben. Die ganze Pressekonferenz beschäftigte
sich aber nur auf Anfrage aller Presseleute und Fernsehen und Rund-
funk nur mit dem Lütgendorf'schen Munitionsproblem. Nachher kamen
einige zu mir und sagten, wie ist es eigentlich mit ihren Vor-
schlägen. Zum Glück hatte ich noch Restexemplare, die ich verteilte.
Ich war mir allerdings vollkommen klar, dass sich niemand dann mehr
und vor allem die Zeitungen am nächsten Tag mit den Details beschäf-
tigen würden. Ich gab mir allerdings auch keiner Illusion hin, dass
bei den normalen Pressegespräch ohne den Lütgendorf'schen Affären
ich dort viel Möglichkeit gehabt hätte, meine Vorschläge auszubrei-
ten. Im übrigen war ich darüber gar nicht so unglücklich, denn ich
halte gar nichts davon, solange ich in Verhandlungen mit der Handels-
kammer in Regierungsklausuren grosse Entscheidungen herbeiführen
zu können.

Mit Benya, Weissenberg, Pahr besprach ich die weitere Vorgangs-
weise für das Berufsausbildungsgesetz. Pahr teilt meine Meinung,
dass auf Grund der Verfassung und Behördenorganisation ich die Zu-
stimmung der Landeshauptleute für eine mittelbare Bundesverwaltung


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bezüglich der Lehrlingsstellen brauche. Nur wenn ich zentralistisch
dies im Handelsministerium allein führen würde, ginge es ohne
die Landeshauptleute. Dies ist technisch aber unmöglich. Die zweite
Möglichkeit wäre, dass ich mir eine nachgeordnete Dienststelle auf-
baue, was ebenfalls gar nicht in Frage kommt. Wenn die Handelskammer
allerdings vollkommen stur ist, bezüglich einer Mitbestimmung der
Arbeitnehmerseite, dann bleibt der Ausweg über das Sozialministerium
mit den Arbeitsämtern dort die Berufsausbildung zu delegieren. In
diesem Fall würde dann der verfassungsmässige Artikel über Arbeits-
marktverwaltung anstelle Gewerberecht für die Lehrlingsbildung
gelten. Pahr und Weissenberg haben allerdings Bedenken, ob die ge-
samte Arbeitsmarktverwaltung verfassungsrechtlich gedeckt ist. Es
besteht also dann eventuell die Gefahr, dass die ÖVP diesen Tatbestand
ankämpft.

Aus einer Diskussionsbemerkung habe ich entnommen, dass Androsch
sich durchgesetzt hat und Lanc auf die LKW Sondersteuer verzichten
muss, soweit es den Inlandsverkehr betrifft. Im Transitverkehr, was
Kreisky unbedingt möchte, wird es allerdings grösste Schwierigkeiten
bereiten. Lanc selbst hat internationale Verträge abgeschlossen,
dass Ausländer nicht schlechter behandelt werden auf Österreichs
Strassen wie Inländer. Kreisky meinte zwar, man soll nicht so viel
fragen, doch glaube ich, dass hier Lanc grösste Schwierigkeiten ha-
ben wird.

Pansi als Klubvertreter machte aufmerksam, dass mit 1. Juli der Vor-
sitz im Bundesrat an die Sozialisten fällt, weshalb dort bei der Ab-
stimmung dann pari herrscht. ÖVP Einsprüche würden deshalb zu einer
neuerlichen Beschlussfassung im Nationalrat führen. Die Gesetze
können zwar nicht verhindert, wohl aber dadurch wesentlich ver-
zögert werden.

Über das Spitalsproblem hat Kreisky die Idee einen Fonds zu schaffen
und er liess sich dafür auch die generelle Ermächtigung aller Anwesen-
den Parteiobleute der Länder und der Landeshauptleute resp. Stellver-
treter geben.

Kreisky bracht auch für mich überraschend auch das Problem der Laden-
schlussfrage zur Debatte. Firnberg meinte er hätte das Recht, ihre
Meinung zu sagen, jetzt sei es aber notwendig, um die Partei nicht zu
belasten, da die Handelsangestellten furchtbar aufgebracht sind,


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endlich zu entscheiden. Er selbst könnte sich nicht vor-
stellen, dass sich etwas ändert. Die Bevölkerung sei daran wenig
interessiert. Firnberg war darüber sehr schockiert, meinte, dann
bräuchte man ja gar nicht mehr diskutieren. Kreisky bestand aber
darauf, damit alle Teile der Partei, hier meinte er ganz besonders
den Streit zwischen den Handelsangestellten und Firnberg wieder in
Hinkunft zusammenhalten. Benya forderte mich nach einem
kurzen Bericht über die Meinungsumfrage die ich jetzt anstellen werde
auf, man solle auch die Befragten nach Beruf, Arbeitszeit und Ein-
kaufsgewohnheit fragen. Eine Blitzumfrage des Gewerkschaftsbundes
hätte nämlich ergeben, dass nur Pensionisten und Hausfrauen, die
so wie so zum Einkauf viel mehr Zeit haben, für eine Änderung der
Ladenschlusszeit sind. Ich erklärte rundweg, dass ich seit 1970
dieses heisse Eisen erfolgreich in einem Eisschrank aufbewahrt habe,
und dass ich nicht daran denke eine Änderung herbeizuführen, um eben
nicht einen wirklichen schweren Konflikt innerhalb der Gewerkschaft und
teilweise auch mit der Partei ausbrechen zu lassen.

Die Ortsgemeinde Bad Kleinkirchheim möchte jetzt ein neues Thermalbad
bauen, wo sie 23 Mio. Schilling ERP-Kredite braucht. Die Hoteltreuhand
soll dies schon angeblich positiv in Arbeit haben, nur der E+E-Fonds
macht Schwierigkeiten. Eine diesbezügliche Kommission wird nächste
Woche in Kleinkirchheim erwartet.

ANMERKUNG FÜR TIEBER: Bitte erkundige Dich wie weit die ganze Ange-
legenheit steht.



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