Mittwoch, der 19. Jänner 1977

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Mittwoch, 19. Jänner 1977

Der Schweizer Botschafter Keller lädt mich ein, an einem Arbeits-
essen mit dem Militäreinkäufer Grossenbacher teilzunehmen. Dieser
kommt nach Wien, um hier scheinbar persönliche Kontakte mit Liefer-
firmen und vor allem aber mit Importeuren über Waffen und Geräte
aufzunehmen. Ich ersuche sofort, dass Wanke daran teilnimmt. Dieser
wieder meint, auch Meisl müsste bei diesem Gespräch anwesend sein.
Da ich dem Schweizer Botschafter schon einige Male eine Einladung
ausgeschlagen habe, ist dies eine gute Gelegenheit und eine wirk-
liche Begründung, diesmal anzunehmen. Interessanterweise ergibt
sich gerade in einem Zeitpunkt, wo die Waffengeschäfte im Mittel-
punkt der öffentlichen Diskussion stehen, jetzt immer mehr Gelegen-
heit, das Handelsministerium stärker einzuschalten. Ich nehme diese
Möglichkeit aber unter allen Umständen wahr, weil ich auf dem
Standpunkt stehe, dass wir so wie andere Staaten unbedingt die Inter-
essen der österreichischen Industrie bei Waffenverkäufen wahrnehmen
müssen. Ideologisch mag man als Sozialist und wie ich mich auch
bezeichnen darf als Pazifist zu diesen Problemen stehen, wie man
will. Die wirtschaftliche Notwendigkeit für die Steyr-Werke
und auch andere Produzenten wie Hirtenberg, Assmann usw. entweder
alte Absatzgebiete zu bewahren oder was noch wichtiger ist, neue,
wie z.B. eben Tunesien dazuzugewinnen, sind aus arbeitsmarktpoli-
tischen Gründen unbedingt notwendig.

Sektionsrat Fischer ruft mich an und ersucht um Zustimmung, dass
er alles Material der Wirtschaftspolizei geben darf, die sich in
der Munitionsaffäre bereits bei ihm gemeldet hat. Fischer meint,
er sei als Beamter zur Verschwiegenheit verpflichtet, doch meint
er auch, gegenüber einer anderen Behörde Auskunft geben zu müssen.
Ich bestätige nicht nur diese Meinung, sondern teile ihm ausdrück-
lich mit, dass er jedwede Auskunft und jedwede Unterlage zu geben
hat.

ANMERKUNG AN WIESINGER: Brief an Fischer: Bezugnehmend auf Ihre
telefonische Anfrage bestätige ich auch schriftlich, dass Sie jewede
Auskunft zu geben haben und jewede Unterlage auszufolgen haben.

Dr. Schachter interveniert wegen seines Klienten Heinz Werner
Schimanko
, der die Eden-Bar und Moulin Rouge betreibt. Allerdings
ohne Konzession! Sein Ansuchen wurde vom Land Wien abgelehnt,


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da er ein halbes Dutzend rechtskräftig erwachsene Verwaltungs-
strafen und ein Dutzend laufende Verwaltungsstrafen hat. Jagoda
und ich sind darüber sehr überrascht. Schachter will zuerst dar-
stellen, dass es sich um Verwaltungsstrafen, wegen unbefugten
Betriebes handelt. Darüber sehen wir bei anderen Gewerbe-Unter-
nehmungen auch hinweg. Denn wenn einer eine Firma hat, dann
bleibt ihm ja fast nichts anderes übrig, als bevor er seine
Konzession oder Gewerbeberechtigung bekommt, die Firma weiter zu
betreiben. Anders stellt es sich dar für die sonstigen Verfehlungen.
Schachter sagt, seine Strafkarte bezüglich Gerichtsstrafen ist
frei mit Ausnahme einer Hehlerei von einem Kamera-Wert von
600.- S. Auch dort soll er für seinen Kellner diese Kamera
übernommen haben, also nach Darstellung von Dr. Schachter, seinem
Anwalt, unschuldig verurteilt worden sein. Dies glaube nicht
einmal ich ihm. Angeblich soll der Wiener Magistrat über die
Entscheidung der Bezirksbehörde mit der Ablehnung nicht glücklich
sein. Schimanko hat viel in den beiden Etablissements investiert,
vom Standpunkt des Fremdenverkehrs muss ich auch zugeben, haben
wir grosses Interesse an solchen Lokalen. Da die Verlässlichkeit
schwer abzugrenzen ist und man wenn man Schachter glauben will,
dem Schimanko eine Chance geben sollte, schlägt Jagoda als Lösung
vor, er soll beim Magistrat um ein befristetes Betriebskonzessions-
ansuchen einreichen. Stellt sich innerhalb dieses Zeitraumes heraus,
dass keinerlei sonstige Verfehlungen vorliegen, dann kann man
ihm unbefristet die Konzession geben. Schachter möchte die ganzen
Verwaltungsstrafen immer als kleinliche Schikane darstellen.
Angeblich befasst sich eine mit der Tatsache, dass er über dem
Kücheneingang nicht das Taferl: Küche – Eintritt verboten – ange-
bracht hat.

Bei einem Arbeitsessen in der Zentralsparkasse mit Dir. Vak,
Europa-Institutsleiter Dr. Jabinger und dem Generalsekre-
tär der Z sowie Wanke und mir halten wir fest, dass für die
Innovation der Mittel- und Kleinbetriebe die Z mehr für das
Europa-Institut leisten würde. Ich wieder rege bei Wanke an,
er sollte im Einvernehmen mit Präs. Leberl die geistigen Kapa-
zitäten und das Wissen der Patentamts-Fachleute nützen. Dort
gibt es für jede Branche einen Spezialreferenten, der sicherlich
bereit ist, sein Wissen nicht nur für die Patentarbeit – Auskunft
über den technischen Stand usw. – zur Verfügung zu stellen.



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Die Z betreibt auch Vöslauer Tafelwasser und der Geschäftsführer
hat jetzt im Kur- und Heilbäderverband durchgesetzt, dass dieses
in die derzeit gültige Unterscheidung zwischen Tafelwasser und
Mineralwasser sind. Gasteiner und Vöslauer erfüllen nämlich nicht
die Codex-Verordnungspflicht – 1000 mg zu beinhalten – sondern Vöslauer
hat nur 642. Die Idee bei der Codex-Kommission eine Änderung herbei-
zuführen, halte ich nur dann für zielführend, wenn ein offizielles
Schreiben des Fachverbandes an uns gerichtet wird. Ich werde dann
persönlich veranlassen, dass Hauffe dieses Problem bei Gusch und
in der Codex-Kommission zur Sprache bringt.

ANMERKUNG FÜR PLESCH: Wenn der Brief kommt, bitte mit mir be-
sprechen.

Generaldirektor Mantler und der Verwaltungsausschuss-Vorsitzende
Busta sind sehr überrascht von mir zu erfahren, dass ich das
erste Mal in der Z dieses gute Werksküchen-Essen geniesse. Der
Versuch von uns, für das Büro eine Belieferung zu bekommen,
scheitert aber daran, dass die Z nicht einmal ihre Zweigstellen
beliefert. Die Kolleginnen sind, wie ich ihnen bei Rückkunft dies
mitteile, sehr betrübt. So viel besser als das Essen der
Arbeiterkammer ist es allerdings auch wieder nicht. Allerdings
bin ich bezüglich Essen wahrlich nicht zuständig, da ich weder
ein Gourmet noch ein Gourmand bin.

Auf meine Einladung kommen von allen grössten Kreditinstituten
die Personalreferenten, von der Giro-Zentrale Dr. Pale und
von der Länderbank Dr. Tichy persönlich. Alle geben zu und sehen
ein, dass wir uns gemeinsam anstrengen sollen, in den nächsten
drei Jahren mehr Jugendliche unterzubringen. Bei den Banken gab
es in der Nazi-Zeit noch den Banklehrling, der jetzt nicht mehr
aufscheint. Trotzdem sind sie bereit, zusätzliche Bürolehrlinge
aufzunehmen. Die Erste nimmt sogar pro Jahrgang 36 Lehrlinge in
eine Schule, die vom Unterrichtsministerium genehmigt wurde.
Diese kostet ihnen 1,5 Mill. S. Da heuer erst der zweite Jahr-
gang aufgenommen wurde, kann der Vertreter noch nicht sagen, wie
sich in der Praxis dieses Ausbildungssystem bewährt. Interesse
bestehen pro Jahrgang bei 500 Anmeldungen. Sollte im nächsten Jahr
sich herausstellen, dass die Eingliederung in die Filialen sich
bewährt, dann wird die Erste überlegen, einen Doppeljahrgang
zu führen.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte Kontakt mit den Kreditinstituten, die
nachweisen werden, wieviel sie mehr geleistet haben.



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Bei der Reisebürokommission teilt mir der Vorsitzende Dorner mit, dass
die Rechts- d.h. Beschwerdeausschuss-Leute übereingekommen sind,
ein Gesetz vorzuschlagen. In diesem Grundsatzgesetz soll über
die Gewährleistung, Schadenersatz, Veranstalter-Vermittler und
auch eine Haftpflichtversicherung vorgesehen werden. Durch die Ent-
scheidung des Obersten Gerichtshofes ist scheinbar auch jetzt die
Handelskammer bereit, einer solchen weitgehenden gesetzlichen Regelung
zuzustimmen. Ich bin eigentlich davon sehr überrascht zu erfahren,
dass Dorner mit seinem Fachausschuss in der Handelskammer schon dies-
bezügliche Gespräche geführt hat, die im Prinzip für eine gesetzliche
Regelung eintreten.

Der Handelsdelegierte aus Sudan Dr. Saitlinger meint, dass es unge-
heuer wichtig wäre, den Vertrag zwischen Sudan und Österreich in
Sudan zu unterzeichnen. Noch kein österreichischer Minister ist
in diesem Land gewesen, obwohl Sudan ein nichtölproduzierendes ja
sogar überhaupt ein armes afrikanisches Land ist, müsste sich für
dieses grösste Land Afrikas und deren österreichisch-sudanesischen
Wirtschaftsbeziehungen ein solcher Besuch, auch wenn er noch so
kurzfristig ist, gut auswirken. Ich sage zu, im Anschluss an
die Gemischte Kommission in Kairo auf einen Tag nach Sudan zu
fliegen. Dies geht umso eher, als dann Sonntag ein direktes Flugzeug
nach Zürich oder Frankfurt möglich ist.

Vor der Gewerkschaftsfraktion der Landstrasse referieren ich zuerst
über die Wirtschaftslage, dann allerdings sehr ausführlich über
den Munitionsexport. Interessanterweise gibt es über dieses Problem
gar keine Diskussion. Die Gewerkschafter interessieren sich scheinbar
mehr für die wirtschaftliche als über die politische Situation. Viel-
leicht auch waren meine Ausführungen so erschöpfend, dass eben keine
zusätzlichen Fragen notwendig waren. Ich persönlich bin allerdings
auch überzeugt, dass die Bevölkerung viel mehr wirklich die
wirtschaftlich essentiellen Fragen interessiert als noch eine so
hochgespielte Munitionsaffäre. Auch dort werden selbst die einge-
fleischtesten Pazifisten und Sozialisten meine Meinung teilen, wegen
der Beschäftigungslage der Steyr-Werke oder Hirtenberg, dass sehr
wohl Exporte erfolgen sollen. Dass diese nicht mit normalen Mass-
stäben zu messen sind, ist glaube ich auch übereinstimmende Meinung
aller.



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Bei der Eröffnung des neuen Intourist-Lokales am Schwedenplatz
hat die sowjetische Seite so lange zuwarten wollen, bis ich spät
abends gekommen wäre. Da dies nicht möglich ist, kam ich gerade
zum Schluss des offiziellen Empfanges. Präs. Lebedew von Intourist
war sehr erfreut, dass ich als für die SU auf vielen Gebieten zustän-
diger doch noch gekommen bin. Da der russische Botschafter schon weg-
gehen hat müssen, hat mir der Geschäftsträger versichert, die
sowj. Seite ist sehr froh, dass ich an allen ihren Veran-
staltungen teilnehme. Dies gilt wahrscheinlich für die Eröffnung
der sowj.-österr. Technischen Wochen und für allem einmal auch
der sowj. Aussenhandelskammerniederlassung in Wien voriges Jahr.
Natürlich habe ich diese Aktivitäten besonders herausgestrichen.
Meine Überlegungen, wenn es einigermassen meine Zeit erlaubt, an diesen
Veranstaltungen teilzunehmen, sind glaube ich wirklich goldrichtig.
Die Russen vermerken dies mit grossem Interesse und grosser Befriedigung.
Lebedew wollte mich unbedingt zu einem grösseren Urlaub in die SU
einladen. Ich habe mit vielem Dank abgelehnt, da ich ja sowieso
schon in der SU gewesen bin bei der österr.-sowj. Gemischten Kommission.

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Tagesprogramm, 19.1.1977

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


GND ID: 1017902909


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    Tätigkeit: Leiter Sekt. III HM


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                      Tätigkeit: Reisebürokommission (?) HM bzw. Vertr. Fachverband Reisebüros; evtl. Falschidentifikation


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                        Tätigkeit: Ministerialrat, Leiter Grundsatzabteilung


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