Mittwoch, 2. März 1977
In der Beiratssitzung bei der BÜRGES wurde der einstimmige Beschluss
gefasst, die Kreditzinsenobergrenze 9 % auf 8.5 % zu senken. Die Kredit-
sektion in der Handelskammer wollte unbedingt 8 3/4 % und oder zumindestens
eine Gleitklausel nach den Bundesanleihen, die sich zwischen
8 bis 10 % bewegen sollte. Derzeit wäre sie 8.75 %. Kopecky
der Handelskammervertreter trat dafür ein, doch konnte ich ihn
davon überzeugen, dass Sallinger und Mussil für die 8.5 % votiert
hatten. Das Teilproblem war, ob für die volle Laufzeit diese
8.5 % verpflichtend sein sollten, oder nur für die Zeit der
Zinsenzuschussgewährung 5 resp. 7.5 Jahre. Laut Kreditvertrag
haben die meisten Unternehmungen eine Klausel mit den Kreditinsti-
tuten, dass sich die Zinssätze ändern können sobald der Zinszu-
schuss entfällt, beginnen dann die Kreditinstitute höhere Zinsen
zu verlangen. Jagoda wird sich dieses Problem genau ansehen und
vor allem die BÜRGES wird bei der Einreichung die Verträge genauer
kontrollieren. Ich bin davon allerdings überzeugt, dass die Kre-
ditinstitute, wenn unser Zinsenzuschuss aufhört sofort dann ihre
höheren Zinssätze versuchen zu verrechnen.
Die Einreichungen bei der BÜRGES steigen ständig, obwohl wir
bereits 1976 eine gigantische Steigerung gehabt haben werden
jetzt in den ersten zwei Monaten in diesem Jahr bereits wieder
um 1/3 mehr Anträge gestellt. Diese Entwicklung und vor allem
den Erfolg, dass wir die Kreditobergrenze herabsetzten, sollten
wir, wenn die Zeitungen bis dahin nicht irgendetwas schreiben,
nächste Woche beim Pressefrühstück berichten.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Puffler verständigen, damit er BÜRGES
einlädt.
Die grossen EVUs als Errichter von Grosskraftwerken haben einen
eigenen Verein. Dieser hält in Wien eine Tagung ab. Ich sagte zu,
dort eine Einleitungs- resp. Begrüssungsansprache zu halten. Bei
der Vorsprache Janitschek machte ich diesen neuerdings darauf
aufmerksam, dass bezüglich der Zwischenlagerung und Entsorgung von
Brennstäben und Atommüll die KKWP und die GKT nach meinen Begriffen
viel zu langsam dieses Problem bearbeiten. Durch die Konstruktion
der verschiedensten Gesellschaften, Atomstörungsgesellschaft
KKW-Planungsgesellschaft, Gemeinschaftskraftwerk Tullnerfeld, d.h.
die Betriebsgesellschaft in Zwentendorf baut und betreiben wird,
sind verschiedenste Probleme bei verschiedensten Gesellschaften
anhängig, werden knapp oder viel zu langsam koordiniert und des-
halb geht meiner Meinung nach nichts weiter. Ich sehe schon den
Zeitpunkt kommen, wo zwar mit jahrelanger Verspätung das KKW fertig
ist und die Betriebsgenehmigung fraglich sein wird, weil die ent-
sprechenden Endlagerungsfragen nicht geklärt sind. Ich gebe zu,
dass ständig immer neue Lösungen auch weltweit immer gesucht
und gefunden werden, wie z.B. jetzt wieder die Versinterung und
Verwertung der eventuell nicht mehr wieder aufgearbeiteten abge-
brannten Brennstäbe durch ASEA neue Lösungen anbieten. Wenn aber
die Physiker und Techniker damit rechnen, dass dadurch vielleicht
bis zu den Zeitpunkt wo bei uns die Brennstäbe anfallen werden
auch schon neue Methoden angewendet werden können, so kann diese
Überlegung einmal nicht aufgeben. Die Politiker resp. die Be-
hörden werden sich mit vagen Zusagen nicht zufrieden geben und
es kann dann leicht passieren, dass keine endgültige Betriebsge-
nehmigung vom Gesundheitsministerium gegeben wird, oder der Landes-
hauptmann die Müllendlagerung und Brennstoffzwischenlagerung nicht
genehmigt.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte überall diese Gefahr innerhalb der Elek-
trizitätswirtschaft aufzeigen.
Die Firma Auer ein Waffelerzeuger, der in der Ersten Republik
und dann auch noch nach dem zweiten Weltkrieg eine ganze Reihe
von Produkten erzeugt hat, wird jetzt durch den Sohn, Ing. Auer,
geführt. Dieser hat zum Unterschied von seinem Vater sofort
erkannt, dass er nur den harten Konkurrenzkampf bestehen kann,
wenn er Spezialprodukte erzeugt. Zu diesem Zweck hat er sich jetzt
primär auf die Eiswaffeln und Hohlrippen sowie auf Auer-Schnitten
verlegt. Durch neue Maschinen und eben die von mir eröffnete neue
Backstrasse hofft er konkurrenzfähig zu bleiben. Der Vizepräsident
der Wirtschaftsprüfer, der auch Auer betreut, sagte mir dann unter
sechs Augen, dass Ing. Auer auch finanziell verhältnismässig gut
dasteht. Er meinte, hätten wir nur recht viele so junge, kleine
aber doch äussertst progressive Unternehmer. Eine Pressevertreterin
fragte mich, warum ich überhaupt in den Betrieb gekommen bin, diese
Backstrasse zu eröffnen. Ich konnte bei dieser Gelegenheit darauf
hinweisen, dass ich damit beweisen will, wie tüchtig kleine und
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mittlere Betriebe sein können, da sie sich gegen die grossen
durchsetzen müssen und auch tatsächlich behaupten können-Immer
wieder kann und will ich demonstrieren, dass sozial eingestellte
Unternehmer trotz der schweren Belastungen, denen auch sie ausge-
setzt sind, bei tüchtiger Geschäftsführung sich gegen die grossen
behaupten können.
Gen.Dir. Koller sieht innerhalb der Handelskammer eine grosse Gefahr,
dass der Schrottverband die Verteilung des anfallenden Schrottes
in Hinkunft nur mehr formell durchführen dürfte. Die Handelskammer
insbesondere die Händlerkreise wünschen, dass dies die Bürokratie
der Handelskammer übernimmt mit anderen Worten, die Händlerinteres-
sen stärker berücksichtigt werden. Dies würde zu einem entsprechen-
den Export führen. Die österr. Stahlindustrie müsste höhere Preise
für den Schrott dann bezahlen. Wanke und ich versprachen Koller,
dass wir versuchen werden, das jetzige System, d.h. den Schrott-
verband nicht nur formell, sondern de facto tatsächlich die Ver-
teilung vornehmen zu lassen, beibehalten wollen.Wenn allerdings
ein Händler oder die Handelskammer zum Verwaltungsgerichtshof geht,
dass wird unsere Anordnungsbefugnis mangels einer guten gesetzlichen
Grundlage sofort aufgehoben. Die neuen Bestimmungen in einem um-
fassenden Rohstoffgesetz sollen das unzulängliche Rohstoff-
lenkungsgesetz ersetzen. Ob und inwieweit die Handelskammer hier
zustimmen wird, werden erst die Verhandlungen ergeben. Bis dorthin
hoffen wir, dass wir die jetzige Regelung aufrechterhalten können.
Koller war mit meiner Stellungnahme sehr einverstanden.
Koller erzählte mir bei dieser Gelegenheit, dass es grosse Schwie-
rigkeiten gibt in der Bestellung des neuen Vorstandes der VÖEST.
Alpine. Durch Einzelpersonen, die entweder jetzt schon bestimmt
sind, wie z.B. Juvancic von der Steiermark oder den gewünschten
Plattner, vom Betriebsratsobmann Brauneis unterstützt, für den Ver-
kauf, kann die beabsichtigte divisionale Gliederung des Vorstandes
nicht mehr lupenrein durchgeführt werden. Koller erzählt mir, wie
er trotz seiner jahrzehntelangen Tätigkeit in der VÖEST und vor
allem jetzt als neuer Generaldirektor der VAL mit ungeheuren Auto-
rität selbst die grössten Schwierigkeiten hat, die Kooperation
zwischen den einzelnen Abteilungen herbeizuführen. Immer wieder
wird nur gestritten, Komitees eingesetzt, jeder ist auf seine Kom-
petenz bedacht, spricht nicht mit den anderen, erledigt andererseits
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auch nichts expeditiv genug und delegiert letzten Endes dann
alles auf den Vorstand und in weiterer Folge an den Generaldirektor.
Koller fürchtet nun, dass wenn es zu keiner divisionalen Gliederung
des Vorstandes kommt, Apfalter es sehr schwer haben muss und
wird. Zu diesem Zweck möchte er, dass Apfalter als Generaldirektor
des gesamt Marketing hat, mit einer zentralen Lenkung auch des
Verkaufes. Vielleicht macht sich Koller hier umsonst ein zu grosses
Problem, wenn er im Juli ausscheidet, wird Apfalter, wie immer
jetzt die Entscheidung fällt, davon bin ich überzeugt sich in diesem
Voratdn schon durchsetzen. Diese Aussprache hat mir nur wieder
einmal mehr bestätigt, wie schwer es ist, grössere Menschenmassen
zu führen, ganz egal ob es sich um ein Ministerium, um eine Kammer
oder um einen Privatbetrieb handelt. Wenn dieser dann noch ver-
staatlicht ist, wird es nicht leichter, sondern wahrscheinlich
schwerer. Immer und überall kommt es auf die Person, aber nicht
zuletzt auch auf die Organisationsform an, die diese Person, die
letzten Endes als einzelner die Verantwortung trägt, imstande ist
durchzusetzen.
Die Kremser Genossen hatten die Idee im Wahlkampf durch
eine neue Art der Werbung zu unterstützen. Nicht mehr Parteiver-
sammlung, sondern öffentliche Diskussion in Form eines Stammtisches
Besuch von Betrieben und auch von Fussgängerzonen. Natürlich war
ich sofort dazu bereit und habe sie in dieser Beziehung, sowie un-
längst St. Pölten jetzt in Krems für ihre Gemeinderatswahl im
Oktober mich zur Verfügung gestellt. Zuerst sollte ich die Hütte
Krems besuchen, doch dort hat mir der Generaldirektor dann frei-
mütigst, als ich ganz kurz nur durchgefahren bin, zugegeben, dass
ungeheuer viel Sozialisten dort beschäftigt sind. Von 10 Betriebs-
räten der Angestellten sind 9 Sozialisten und von 20 Betriebsräten
der Arbeiter sind 18 Sozialisten. Vizebürgermeister Dr. Preiss
ein Direktor des dortigen Gymnasiums hat deshalb vorgeschlagen,
mit Stadtrat Riederer den Geflügel- und Eierimporteur Höllmüller
zu besuchen. Dieser hat in den letzten Jahren eine gigantische Um-
satzentwicklung mitgemacht. 1976 wurde der Umsatz auf 273 Mio.
Schilling erhöht, eine Steigerung um 40 Mio. Schilling erreicht.
Bei 85 Beschäftigten eine gute Leistung. Schwierigkeiten hat jetzt
dieser Betrieb wie mir der Chef und ganz besonders dann der Prokurist
erklärte, durch die Knappheit an Betriebsmittel. Alle Möglichkeiten
der Verpfändung, Zession, Hypothek usw. sind schon ausgeschöpft.
Als wir das Kühllager und die Gefrieranlagen sowie die Ostereier-
färberei besichtigten, konnte man auch überall die Verpfändungshin-
weise lesen. Die Giro-Zentrale wird jetzt neuerdings mit Höllmüller
verhandeln, ob und inwieweit ein weiterer Kredit gegeben werden
kann. Ich versprach nur mit Gen.Dir.Stv. Fremuth über den Betrieb
zu sprechen. Nach meiner Methode sagte ich, wenn es nichts nützt,
schaden wird es sicherlich nichts. Höllmüller und seine Leute waren
sehr erstaunt, dass ich mich überhaupt bei der Bank dafür ein-
setzen werde. Einen Kredit vom Handelsministerium für Betriebsmittel
oder gar Zinsenzuschüsse, gibt es leider nicht.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte wie besprochen mit Fremuth verbinden.
In der Fußgängerzone besuchten wir verschiedenen Geschäfte,
u.a. ein grosse Schuhhaus, wo ich selbst überrascht war, dass in
Krems so grosse Schuhhäuser existieren können. Genau das Gegenteil
wurde mir von der Besitzerin gesagt ist der Fall. Die ganze Um-
gebung, ja sogar St. Pöltner kämen nach Krems Schuhe einkaufen.
Das Geschäft funktioniert aber nur, weil es im Zentrum, eben in
der oberen Landstrasse liegt. Das Forum-Kaufhaus ist ebenfalls gut
gelagert, ist aber viel zu klein, obwohl es in einem sehr schönen
alten Haus untergebracht ist. Jetzt will Forum in Bahnhofsnähe bauen.
Eine Weinstube in der Fußgängerzone, die wir auch besuchten, "Schwarze
Küche" genannte, hat interessanterweise von 7 Uhr morgens, bis 7 Uhr
abends offen und Samstag nur bis 1 Uhr. Der Besitzer erklärte mir,
dass wenn die Geschäfte schliessen, auch sofort sein Umsatz so zu-
rückgehen würde, dass ein Offenhalten ganz uninteressant wäre. Dies
gilt nicht jetzt nur in der schlechten Jahreszeit, sondern auch im
Sommer, wo doch mehrere Fremde in Krems und der Wachau sein müssen.
Dieser Besuch in der Fussgängerzone sagte ich den Genossen war für
mich sehr interessant, aber ich glaube optisch und politisch nicht
viel ergiebig. Besser wäre es gewesen, hätten wir in der Fuss-
gängerzone eine Diskussion mit Lautsprecher und den vorübergehenden
Passanten gestartet, wie ich dies beim AEZ in Wien ständig mache.
Einige Stadträte die uns begleiteten waren für diese Idee, andere
wieder meinten, dies käme in Krems nicht an. Selbstverständlich
habe ich mich in ihre Taktik überhaupt nicht eingemischt. Die öffent-
liche Diskussionsversammlung in der Sparkasse war, habe ich das
Gefühl ein riesen Erfolg. Der Saal war voll und nach einem Statement
mit einigen Wiener Schmähs aufgelockert, gab es eine stundenlange
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Diskussion. Der Handelskammervertreter beginnend mit den
Lehrlingsproblem zu der sogenannten Mittelstandspolitik und
dann Dutzende Diskussionsbeiträge und Anfragen von Unternehmer
über alle möglichen Probleme bis zum Gesundheitswesen und natür-
lich die Beschwerde über Petuely. Wie Vizebürgermeister Preiss,
der diese Aussprache leitete mir nachher versicherte, waren der
grösste Teil Nichtgenossen, die niemals zu einer Veranstaltung
der Sozialisten gekommen wären. Ein Teilnehmer meinte, sein
Freund, auch ein Autoverkäufer hätte an der Diskussion in St. Pölten
auch teilgenommen und ihm sofort gesagt, es kommt nicht ein Wiener
Bazi, wie ich immer in der Einleitung sage, den man jetzt heftigst
kritisieren sollte, sondern ein schlauer Fuchs. Die Stimmung war
aber sehr gut, Plesch sagte - der hinten sass - und auch die Meinung
der Leute hörte, die sich nicht zum Wort meldeten, über diese Ver-
anstaltung waren alle sehr angetan. Die Genossen haben in der
letzten Wahl sehr gut abgeschnitten, 3 Mandate dazugewonnen und
hoffen, dass sie diesmal stark genug werden, den Bürgermeister
zu stellen. Dies wäre natürlich nicht nur ein gigantischer Erfolg,
sondern meiner Meinung nach für die ÖVP verheerend. Ich habe es
nicht gesagt, aber ich dachte mir, dass dies kaum gelingen wird.
Die Gemeinde hat einige Mühlsteine am Hals. Das Parkhotel wird
mit Millionenverlusten betrieben, ein Krankenhaus, das sie jetzt
teilweise neu errichten müssen, wird das Gemeindebudget weiterhin
sehr belasten. Die finanziellen Möglichkeiten der Stadt sind also
sehr beschränkt. Die schwarzen Wohnbaugenossenschaften haben sich
dort stark eingenistet, bekommen die Gründe von den Grundbesitzern
wesentlich günstiger.Als der jetzige Versuch einmal zwei grosse
Wohnblöcke einer roten Genossenschaft dort zu errichten. Krems
leidet tatsächlich noch an Wohnungsmangel, weshalb die Wohnungen
auch sofort vergeben werden konnten. Die Hütte Krems hat ihre eige-
nen Wohnungen mit ihrer Wohnungsgenossenschaft errichtet. Wenn
eine Chance besteht, tatsächlich noch einen weiteren Erfolg zu
erzielen, so sicherlich deshalb, wie Vizebürgermeister Dr. Preiss
als Direktor des dortigen Gymnasiums in dieser Schulstadt natür-
lich einen respektablen Spitzenkandidaten abgibt. Ich wünsche den
Kremsern wirklich einen vollen Erfolg und erklärte ihnen, dass ich
jederzeit bereit bin, gegebenenfalls sie durch meine Anwesenheit
neuerdings zu unterstützen, wenn sie es wollen.
Tagesprogramm, 2.3.1977
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)