Freitag, der 1. April 1977

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Freitag, 1. April 1977

Eine Vorbesprechung Blümels mit dem christlichen Gewerkschaftern
der LUGA ergab, dass diese mit den Vorschlägen zu unserem Ge-
werkschaftstag einverstanden sind. Bis jetzt war es wirklich
möglich, ohne irgendwelche Schwierigkeiten unsere Gewerkschafts-
politik gemeinsam festzulegen. Hacker, ihr Sekretär, beschwerte
sich nur bitter bei mir, dass Blümel in der letzten Ausgabe des
Lebensmittelarbeiters wieder so gegen den ÖAAB und gegen die ÖVP
gewettert hat. Insbesondere störte es sie, dass gegen den Besitzwechsel
im Kurier, der von Blümel als ein ÖVP-Organ hingestellt wurde,
er – wie sie glauben – so stark polemisiert wurde. Hier hatten sie
noch Verständnis für den Angriff durch den ÖAAB bei den Betriebs-
ratswahlen in Hainburg bei Altesse. Dort haben ÖVP-Funktionäre
erklärt, wenn der ÖAAB gewählt wird, dann würden sie als Tabak-
arbeiter aufgenommen werden. Das war ein ganz billiger Wahltrick,
da die Direktion der ÖVP-Vorstand selbst erklären musste, dass
dies nicht stimmt. Blümel selbst hat sich mein Motto: christliche
Gewerkschafter gut, ÖAAB schlecht, nach dem Slogan von Animal Farm:
four legs good, two legs bad, zurechtgelegt. Natürlich bringt dies
unsere christlichen Gewerkschafter, die meistens auch ÖAAB-Funktionär
sind, in eine unmögliche Situation.

Der einzige kommunistische Vertreter in unserem Gesamtvorstand,
mit dem wir auch Kontakt aufnehmen, beklagte sich bei mir,
dass Blümel ihre Anträge nicht mehr berücksichtigen möchte. Die
Anträge waren tatsächlich einen Tag zu spät von ihm gebracht
worden. Wir fanden aber eine Lösung darin, dass er am Gewerkschafts-
tag 17 Unterschriften braucht, damit diese Anträge auch behandelt
werden. Wir appellierten an unsere Genossen, ihm diese Unter-
schriften zu geben, was sicherlich der Fall sein wird.

In der Gesamtvorstandssitzung wurde mein wirtschaftlicher Bericht
überschattet und von mir ganz besonders herausgearbeitet die be-
absichtigte Schliessung der Dürnkruter Zuckerfabrik. Die Belegschaft
hat sich in einer Resolution ganz entschieden dagegen ausgesprochen,
festgestellt, dass diese Fabrik jahrzehntelang seit 1844, wo sie
errichtet wurde, Profit abgeworfen hat, und dass insbesondere
die Arbeitsverfassung, wonach die Betriebsräte entsprechend zu
informieren sind, verletzt wurde. Die AK NÖ hat sich ebenfalls mit


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dieser Schliessung befasst und darauf aufmerksam gemacht, dass
NÖ im Budget 200 Mill. S für Arbeitsplatzschaffung hat, dafür
aber mehr als die Hälfte ausschliesslich für die Landwirtschaft
ja sogar für die Unterstützung der Bauernkammern ausgibt. Die
Arbeiter erwarten jetzt, dass das Land einspringt. In einer Presse-
aussendung verwies die Lebensmittelarbeitergewerkschaft darauf,
wenn ein verstaatlichter Betrieb z.B. in Fohnsdorf oder Pölfing
Bergla schliesst, dann wird entweder von den verstaatlichten Be-
trieben oder durch die Regierung Ersatzarbeitsplätze geschaffen.
Die erwartet man jetzt auch von der Zuckerindustrie resp. dem Land
Niederösterreich.

Auf Grund des Berichtes unseres Jugendobmannes diskutierten wir
die Verhandlungen über das Berufsausbildungsgesetz. Hier konnte
ich auch auf die Entwicklung in der BRD verweisen. Bei der Eröff-
nung der Internationalen Handwerksmesse in München hat der Prä-
sident dieser Organisation Schnittker erklärt, das von Bonn
aufgezwungene Lehrlingsgesetz nach Meinung des deutschen Handwerks
die Verstaatlichung an sich selbst zugrunde. Tatsache ist, dass
die Betriebe Lehrlinge, wenn sie ein Jahr den Grundlehrgang gemacht
haben, ganz einfach dann nicht mehr nehmen. Die dortige vorgesehene
Fondslösung ist auch noch nicht in Kraft getreten und wird wahr-
scheinlich auch gar nicht zustandekommen. Unsere Jugend beschwerte
sich aber darüber hinaus bitter, dass bei Lohnabschlüssen wie z.B.
die Zuckerbäcker in einzelnen Bundesländern Lohnerhöhungen für
die Arbeiter zugestanden bekommen, wobei die Lehrlinge nur 1/3
dieser Erhöhungen, obwohl sie von einer niedrigeren Basis aus-
gehen, erhalten. Die Sekretäre der Länder erklärten dies dadurch,
dass sie gewerkschaftlich überhaupt keine Kraft haben, um Lohn-
erhöhungen durchzusetzen und daher, wenn man so will, betteln
müssen, überhaupt irgendwelche Erhöhungen sei es für die Arbeiter
oder für die Lehrlinge zu bekommen. In der Steiermark wollte man
darüber hinaus ausländische Jugendliche als Lehrlinge aufnehmen.
Dies lehnt die Gewerkschaft ganz entschieden ab, da sie überzeugt
ist, in Juni nach Schulschluss die nötigen Lehrlinge zur Ver-
fügung stellen zu können.

In Tirol, wurde uns berichtet, hat der Landeshauptmann die Fleisch-
preise freigegeben, in der Hoffnung, dass die Konkurrenz eine Über-
höhung dieser Preise nicht zulassen würde. Genau das Gegenteil ist
eingetreten. Die AK hat festgestellt, dass sofort um 25 % die
Preise erhöht wurden, obwohl die Innung nur 10–12 % für Fleisch


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und Wurst und für Rindfleisch sogar nur 6 % empfohlen hat. Jetzt
versucht die AK Tirol wieder die Einführung von Höchstpreisen
durch den Landeshauptmann zu erreichen.

ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte lass Dir den Sachverhalt von unserem
Haus schildern.

Beim Essen, das ich für Hassan gab, und an dem viele Vertreter
der Bundeskammer teilnahmen und insbesondere dann in der Aussprache
in der BHK mit interessierten Firmen für jordanische Exporte oder
Importe war ich über die rege Anteilnahme sehr erstaunt. Beim
Essen kann ich das noch verstehen, bei der Aussprache aber
Freitag nachmittags, die drei Stunden dauerte, vor den Osterferien
ist mir dies schon weniger erklärlich. Zuerst gab Hassan ein
Statement über die Entwicklungsmöglichkeiten von Industrieansied-
lungen in den drei Freihandelszonen Jordaniens. Eine in der Nähe
Amman, die zweite im Hafen von Akaba und die dritte an der syrischen
Grenze. Wenn man in diesen Freihandelszonen produziert, hat man
35 % Zollermässigung. Jordanien legt keinen Wert auf Lieferungen
allein, sondern wünscht joint venture oder zumindestens Kooperationen.
Für die Diskussion, nachdem sich zuerst niemand mehr zum Bericht
Hassan, der dann wegging, stand der Handelsminister zur Verfügung.
Dieser und die Bankleute sowie der Präsident der Industriekammer
von Jordanien gaben auch noch erschöpfend Auskunft. Ein halbes Dutzend
von Firmenvertretern meldete sich. Insbesondere beschwert sich
Ingenieurbüros, dass die Planungsarbeiten von nur gewissen Ländern
gemacht werden und damit im Zusammenhang dann sofort unsere Export-
firmen, dass sie dadurch nicht zum Zuge kommen, weil durch die
Ausschreibung schon das Geschäft in ein bestimmtes Land gelenkt wird.
Ich forderte daher unsere Firmen auf, zu versuchen über die
Planungsgesellschaften mehr Aktivitäten in Jordanien zu entfalten,
wobei insbesondere aber grössere Importe aus diesem Land getätigt
werden müssten. Auf die Dauer bin ich nämlich überzeugt, werden
de anderen arabischen Staaten insbesondere die Ölländer nicht Jordanien
ständig unterstützen. Österreich kann nicht damit rechnen, 150 Mio
zu exportieren, in Zukunft womöglich noch mehr, und 1 ‰, d.h. 180.000
S nur zu importieren.

Der Handelsminister urgierte neuerdings das gemeinsame Kommunique.
Kreisky hat bei der gestrigen Sitzung Gatscha auf Wunsch Hassans
damit beauftragt. Ich setzte mich mit Gatscha spät abends in Ver-
bindung und dieser erklärte, er warte noch immer auf den Protokoll-
entwurf des Bundespressedienstes resp. des Kanzleramtes.



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Fälbl und Sachs erklärten sich mit Recht ausserstande, jetzt
schnell etwas zusammenzuzimmern. Auch Handelsdelegierter Schneider
konnte sich nicht vorstellen, dass wir noch etwas tatsächlich auf
die Beine stellen können. Überall wurde dann herumtelefoniert,
herausgekommen ist selbstverständlich nichts. Gatscha ging in
die Ferien, der Hofrat, der im BKA zuständig ist, verabschiedete
sich auch, ohne irgendeinen Gigserl von sich zu geben, beim
Gegenessen brachte ich deshalb eine heilsame Unruhe in die Beamten-
schaft. Zuerst hatte ich den Protokollmann Min.Rat Nigisch damit
malträtiert. Beroldingen mischte sich dann auch noch mit ein.
Ich verlangte ausserdem von Sekt.Chef Jiresch als dem für das BKA zustän-
digen Mann, jetzt endgültig die Unterlagen zur Verfügung zu stellen.
Dieser meinte, ich sollte doch eventuell Kreisky fragen, da er sich
scheinbar nicht einmal getraut, eine Erwähnung ihm gegenüber zu machen.
Genau diese Absicht hatte ich nicht, sondern gab ihnen dann noch
von Fälbl eine handgeschriebene eine halbe Seite umfassende Darstellung
was man aber natürlich auch nicht annähernd als Grundlage für ein
Kommunique ansehen kann. Jiresch meinte, das Aussenamt verlangt immer,
dass es die Protokolle führt, jetzt sei nichts geschehen, in Hinkunft
liesse er sich nicht mehr dies aus der Hand nehmen. Alles natürlich
lauter Blödsinn, denn wenn es um das Arbeiten geht, interessiert
sich keiner in Wirklichkeit darum. Der Kampf in diesem Fall geht
ausschliesslich, wer die Kompetenz hätte zuarbeiten. Am besten war
der Leiter des Bundespressedienstes, Sekt.Chef Fischer, der mir
einreden wollte, nur bei Oststaaten, wird ein gemeinsames Kommunique
herausgegeben. Im BKA hat man glaube ich überhaupt noch nicht ganz be-
griffen, dass es hier nicht um ein Kommunique gehen soll, sondern
um eine Niederschrift von Verhandlungsergebnissen. Der jordanische
Handelsminister hat mir dann bei der Verabschiedung spät abends gesagt,
er hätte mit Kreisky darüber noch einmal gesprochen- Ich nehme aber
eher an, dass er eine flüchtige Bemerkung machte und Kreisky wahrschein-
lich irgendetwas hinbrummte. Ich würde mich wundern, wenn morgen
während des Tages, wo wir immerhin mit dieser Delegation noch bei-
sammen sind, ein Ergebnis herauskommen würde. Wenn ich mir den
Aufwand und die Kosten für mich gesehen auch noch diese persönlichen
Unbillen des ewigen Essens vorstelle und auf der anderen Seite das
konkrete Ergebnis eines solchen Staatsbesuches, dann kann ich wirk-
lich nur sagen, ausser Spesen nichts gewesen.

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Tagesprogramm, 1.4.1977


Tätigkeit: Leiter Außenhandelsstelle Beirut [1971]


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      Tätigkeit: Beamter (Leiter Beamtenkomitee)


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        Tätigkeit: Präsidialchef BKA


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          Tätigkeit: christl. Lebensmittelarbeitersekr.


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                Tätigkeit: Präs. Zentralverband d. Dt. Handwerks


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