Samstag, der 30. April 1977

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Samstag, 30. April 1977

Ein grosses Sägewerk und Kistentischlerei in Kalsdorf möchte
das Staatswappen verliehen bekommen. Der BAWAG-Vertreter
Dr. Elsner in Graz setzt sich dafür sehr ein. Bei einem Be-
triebsbesuch konnte ich mich davon überzeugen, dass diese
Firma tatsächlich wahrscheinlich die Voraussetzungen erfüllt.
Elsner, der sich ganz systematisch in Graz eine Firma nach der
anderen erobert, wird sich beim nächsten Wiener Aufenthalt die
Unterlagen holen.

Beim traditionellen Frühstück bei LH Niederl vor Messe-Eröffnung
habe ich ihn loyalerweise darauf aufmerksam gemacht, dass ich
auf sein Forderungsprogramm für die Steiermark, welches er
Kreisky wegen der Grenzgebiete übermittelt hat, zu sprechen
kommen werde. Diese Taktik hat zwei Vorteile. Erstens störe
ich sein sonst vorgedrucktes Konzept und zweitens kann er nicht
dann sagen, weil ich der letzte Redner bin, ich sei illoyal
ihm gegenüber. Die Tradition, die jetzt 7 Jahre bei der Messe-
Eröffnung mit LH Krainer ist begonnen habe, er hat immer angegriffen,
ich sofort darauf erwiderte, wird also ganz schön fortgesetzt.
LH-Stv. Sebastian informierte mich anschliessend, dass Niederl
bei der Eröffnung von Pöfling-Bergla immer nur die Leistungen
des Landes und ganz besonders natürlich seiner Person heraus-
streicht. Er ersuchte mich, ich sollte daher in meiner Rede
auch auf die Interventionen des LH-Stv. hinweisen. Natürlich
habe ich dies ausreichend getan. Beim Rundgang durch die Messe
hat die Verstaatlichte Eisenindustrie mich aufmerksam gemacht,
dass die Verhandlungen mit Grossbritannien wegen der Anti-
dumpingmassnahmen sehr schlecht stehen. Die Engländer wollen
unter allen Umständen eine entsprechende Antidumpingabgabe einheben.
Dieses Problem mit dem britischen Handelsminister zu besprechen,
bekomme ich noch bis Mittwoch die entsprechende Detailunterlagen.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte Meisl entsprechend informieren und
Unterlagen verlangen.

Der Zeitplan des chinesischen Aussenhandelsministers und sein
Zusammentreffen mit mir im Burgenland wurde durcheinandergebracht,
weil er sich nicht nur für die Landschaft Neusiedlersee, den
er auch dann besuchte, sehr interessierte, sondern bei dem Bauern-
hof, den er besichtigen wollte, sich viel länger aufhielt,


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als beabsichtigt. Überraschend für die Chinesen war, dass ein
Familienbetrieb 85 ha, meistens allerdings Pachtland, und 1.500
Schweine allein mästet. In China würden dafür Dutzende Menschen
eingesetzt sein. Natürlich diskutierten wir dann über die Erlöse
und über die jetzt verfallenen Schweinepreise. Der Durchschnitts-
erlös von 20.- S Lebendgewicht ist um 2 – 3 S zu gering. Dadurch
hat sich allerdings auch der Schweineberg schön langsam begonnen,
abzubauen. Im Herbst werden wir sicherlich dann wieder Einfuhren
benötigen. Interessanterweise habe ich dann spät abends im Burgen-
land bei einer ganz anderen Veranstaltung einen Architekten getroffen
der ebenfalls ca. 1.500 Schweine sozusagen im Nebenberuf mästet.
Die Schweineproduktion ist jetzt trotz des Viehverkehrsgesetzes so
wie die Hühnerproduktion zu einer Industrieproduktion gewandelt.
Nicht mehr der Landwirt hat neben anderen Produkten und Tieren
auch Schweine in seinem Stall sondern hier wird ganz systematisch
eine industrielle Schweineproduktion aufgezogen. Wenn die Ertrags-
lage unbefriedigend ist, stellen aber nicht die Grossbetriebe oder
industriellen Mäster ihre Produktion ein, sondern die doch noch immer
vorhandenen vielen kleinen Bauernbetriebe. Dieser Wandel in der Agrar-
politik sollte auch von uns genauer untersucht werden.

Die Mai-Veranstaltungen im Stadion Wiener Neustadt gut besucht,
Felixdorf im Arbeiterheim und dann die zwei freien Veranstaltungen
in Ortmann mit Fackelzug und selbst in Waldegg, wo ebenfalls ich
an dem Fackelzug teilnahm, waren verhältnismässig gut besucht.
Bei allen diesen Veranstaltungen kam ich auf die Forderungen der
Urgrossväter zu sprechen – Sicherung von Arbeit, Erziehung und
Alter für die Arbeiterklasse. Dieses Problem ist gerade in den
letzten Monaten wieder sehr aktuell geworden bei der riesigen Ar-
beitslosigkeit in Westeuropa. Voraussetzung für diese erfolgreiche
Beschäftigungssituation ist unsere Wirtschaftspolitik und da auch
die Energieversorgung. Die ÖVP hat erklärt, wir werden zusammen-
brechen, jetzt ist dies nicht eingetreten, weil ein milder Winter
uns gerettet hat. Wir haben eben gute Beziehungen zum Himmelvater
eine direkten Draht und daher auch keinen Streit mit der katholischen
Amtskirche. Den Konflikt hat die ÖVP und sie soll sich nicht
bemühen, uns jetzt in einen Kulturkampf jetzt hineinzudrängen. Das
ist ganz hoffnungslos. Diese Ausführungen fanden überall spontanen
Beifall. Mit einigen für mich allerdings schon altbekannten Gags
lockere ich diese Reden entsprechend auf, obwohl ich mich oft frage,
ob dies bei einer Festveranstaltung, wie diese Mai-Feiern immer genant
werden, zulässig ist.

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Tagesprogramm, 30.4.1977

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


Tätigkeit: BAWAG


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      Tätigkeit: Bundeskanzler
      GND ID: 118566512


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        Tätigkeit: steir. LH, ÖVP


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              Tätigkeit: Ministerialrat, Leiter Grundsatzabteilung


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