Montag, 9. Mai 1977
Dr. Fehrer, Textilmaschinenerzeuger, erklärte Wanke und mir
seinen Ausbauplan bezüglich der neuen Open-End-Spinnmaschine
DREF. Für die nächste Stufe benötigt er nur einen höheren
Exportkredit, derzeit hat er bei der österr. Kontrollbank
30 Mill. Dr. Castellez von der Österr. Kontrollbank hat ihm
zugesagt, dass er sich einsetzen wird, den zu verdoppeln. Wenn
man bedenkt, dass dieser Mann 300 Patente, Dutzende Maschinen
nach seinen Plänen gebaut hat und kauft noch niemals vom Staat
eine Subvention bekommen hat, auch nichts vom gewerblichen För-
derungsfonds, so ist er zweifelsohne eine Ausnahme in Österreich.
Er braucht nur diesen Kredit sehr bald, denn allein im April
hat er 50 Mill. S Einkäufe tätigen müssen, um Maschine zu assemblie-
ren. Bis jetzt bezieht er alle Bestandteile von österreichischen
Lieferanten, die nach seinen Plänen die entsprechenden Teile her-
stellen. Um eine grössere Produktion bewältigen zu können, wird
er den Stahlbau aufgeben und sich in Hinkunft ausschliesslich nur
mit Textilmaschinen insbesondere seiner Open-End-Maschine beschäftigen.
Im Endausbau aber wird er so gross sein, dass er Milliardenumsätze
machen wird und dafür dann entweder ins Ausland mit der Produktion
geht oder wie ich ihm selbstverständlich sofort zuredete mit einer
grossen österreichischen Maschinenfabrik diese Produktion bewerk-
stelligen wird. Er selbst hat bereits Kontakt mit den General-
direktoren aller österreichischen grossen Firmen aufgenommen. Wenn
diese Maschine einschlägt und ich zweifle nicht daran, denn die
bisherigen konnte er anstandslos verkaufen, wird sein Ausbauplan
und insbesondere die Einschaltung der österreichischen grossen
Maschinenfabriken besser sein, als das Sulfatzellstoffprojekt
oder Austro-Porsche. Hier handelt es sich um eine neue Technologie
die Maschine die zu einer zehnfachen Leistung Streichgarnverfahren,
herkömmlich 30 m pro Minute, System DREF 100 bis 280 Meter pro
Minute erzielt, ist bereits im Export absetzbar, obwohl sie
sehr teuer ist.Ringspindel herkömmlicher Art 500 bis 600 S
Open-End 2.000 bis 6000 S, DREF 10.000 bis 12.000 S pro Einheit.
Die erste Taktstrasse ist bereits fertig und wird eine monatliche
Produktionsziffer von 150 Spinneinheiten ergeben. Die Stufe 2
wird eine Verdoppelung der Assemblierungskapazitäten vorsehen.
Stufe 3 wird dann 720 Einheiten fassen und mit diesen Maschinen
wird man nicht nur Deko- sondern auch Freizeittextilien, Blue Jeans
usw. Spinngarne herstellen können. Dann wird er in Feinheiten
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von 20 – 100 nn vorstossen und revolutionär alle anderen Verfahren
aus dem Feld schlagen. Dies wird dann Milliardenumsätze bedeuten
und kann nur mit anderen Maschinenfabriken VÖEST, Andritz, Voith
usw. bewältigt werden. Fehrer selbst war schüssiger und Ingenieur,
seine erste Maschine, die er erfand, war eine Spinn- und Krausma-
schine für Matratzenherstellung. Seine Familie wollte ihn dafür
bezahlen. Er zerstritt sich mit ihr, hat 1953 mit 100.000 S ange-
fangen, bei dieser Maschine allein 60 - 80 Mill. S Umsatz gemacht
und insgesamt bis jetzt 240 Mill. S investiert. In meinen Augen
ist er zweifelsohne das Unternehmergenie, der immer erklärt,
er hat ja müssen nur Unternehmer werden, weil er sonst von anderen
Unternehmern wäre ausgebeutet worden. Interessant ist es mir
auch diesmal nicht geglückt, ihn zu veranlassen, mit österr.
Textilfabriken Kontakt aufzunehmen, damit er eventuell auch
ihnen seine Maschinen anbietet, verkauft womöglich noch
gemeinsame Erfahrungen aus deren Produktionsergebnissen sammeln
könnte. Er will weder politisch mit der Handelskammer, Industriel-
lenvereinigung oder sonst jemandem etwas zu tun haben, noch
was mich am meisten verwundert wirtschaftlich. Irgendwer muss
ihn einmal gröblichst beleidigt oder enttäuscht haben.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte mit Castellez verbinden.
Beim Journalistenfrühstück berichtete Meisl über die Kooperation
Gemischte Kommission in Belgrad und Willenpart über den Besuch
des Handelsministers Dell aus Grossbritannien. Wichtig erschien
mir besonders, dass wir versuchten, dem Engländer klarzumachen,
dass das Antidumpingverfahren gegen die österr. Stahlindustrie
gewissenhaftest durchgeführt werden muss, was Dell versprach.
Weiters bemühen wir uns die Papierexportkontingente nach England
zu erhöhen und Dell klarzumachen, dass sich das EFTA-Gipfel-
gespräch nicht gegen die EG richtet sondern der Verdichtung der
europäischen Integration dienen soll. Dies wurde auch gegenüber
der österr. Presse besonders herausgestrichen. Ausnahmsweise pole-
misierte ich dann gegen die Behauptung der Präsidentenkonferenz
der Landwirtschaftskammern, dass wir den Holzexport mutwillig
ruinieren wollen. Zu diesem Zweck hatte ich vom Holzwirtschaftsrat
Dr. Sedelmaier und seinen Exportbüroleiter Ing. Kurzweil eingeladen.
Walz von der> Wanke-Sektion berichtete über die Fakten. Min.Rat
Hönel war vorige Woche krank, weshalb Wanke entschied, dass Walz
referieren sollte, der ja auch die Arbeit geleistet hat. Anschliessend
habe ich dann von Sedelmaier und Kurzweil in Anwesenheit von Wanke
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erfahren, dass früher es wesentlich besser mit Simoncsics als
Handelsminister-Vertreter funktionierte. Das Handelsministerium
beauftragt nämlich den Holzwirtschaftsrat den entsprechenden Export
abzuwickeln und genehmigt vor allem einmal die vom Holzwirtschaftsrat
vorgeschlagenen Kontingente. Entgegen der Behauptung von der Präsiden-
tenkonferenz haben wir selbstverständlich nicht gegen den Holzwirt-
schaftsrat entschieden sondern die 700.000 fm wurden bis jetzt immer
in zwei Etappen freigegeben. Das darin enthaltene Subsägerundholz.
kontingent mit 180.000 fm soll nun auf Vorschlag des Holzwirtschaftsra-
tes auf 230.000 erhöht werden und darüber wird noch verhandelt.
Die AK hat grösste Bedenken. Entstanden ist dieser Streit aber dadurch
worden, dass Hönel, wie sich Sedelmaier bei mir beschwerte, ohne
den Namen Hönel zu nennen, überhaupt keine Entscheidungen trifft, oder
verspätet nur entscheidet, weshalb das Büro des Holzwirtschaftsrates
auf eigene Kappe, ohne Rückendeckung agieren muss. Durch den An-
griff der Präsidentenkonferenz sind wir auf einen Zustand in unserem
Haus aufmerksam geworden, der sofort geändert werden muss. Wanke
wird deshalb die entsprechenden Konsequenzen ziehen. Eine Aussprache
mit Wanke, Meisl und mir ergab, dass es zweckmässig ist, wenn
Simoncsics wieder diese Funktion übernimmt und die Durchführung
bei der Abteilung Dr. Fischer am Rochusplatz erfolgt. Dadurch kann
auch die Arbeiterkammer stärker eingeschaltet werden. Ich kündigte
bereits in der Pressekonferenz an, dass wenn ich schon angegriffen
werde und dies insbesondere meiner Meinung nach grundlos geschehen
ist, dann werde ich Konsequenzen daraus ziehen. De beste wäre und dies
empfahl ich Wanke, die Arbeiterkammer jetzt im Holzwirtschaftsrat
einzubauen. Da der Holzwirtschaftsrat auf mein Mitwirken angewiesen
ist, haben wir jetzt eine verhältnismässig gute Ausgangsposition
für diese Verhandlungen.
ANMERKUNG FÜR PLESCH UND WANKE: Bitte unverzüglich die Besprechungen
aufnehmen.
BRO Nischkauer, Verbundgesellschaft und Angestellten-BRO Fröhlich
von der Verbund Korneuburg Dampfkraftwerkegesellschaft drängen mit
Recht, dass in der Korneuburger Organisation eine Änderung erfolgt.
Im dortigen Betriebsausschuss sind Prokurist Moraw, ein Techniker
und Genosse. l er Kaufmann ist Leidolf, ein aktiver ÖVP-ler. Prohaska,
der Betriebsleiter und Trübler, sein Stellvertreter, kommen aus NÖ.
Dazu kommen noch zwei Vertreter der NEWAG, selbstverständlich alle
Niederösterreicher, ja selbst Prohaska von der Verbund, keine Genossen.
In dem Betriebsausschuss steht es also 5 : 1 und dort werden alle
selbst die kleinsten Entscheidungen getroffen. Die beiden Geschäfts-
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führer Erbacher und Arthold von der Verbund sind pari und Erbacher
möchte nicht einmal die Dirimierung um nicht dann gegen die Ent-
schlüsse des Betriebsausschusses Stellung nehmen zu müssen. Die
beiden Betriebsobmänner glaubten, es wäre eine Lösung, wenn man
Prohaska einen Stellvertreter nämlich Kienast jetzt schon beigibt
damit wenn Prohaska in Pension geht, dann dort ein zweiter Genosse
wenigstens installiert ist. Diese Vorgangsweise halte ich nicht für
zweckmässig. Meiner Meinung nach, sagte ich ganz deutlich den beiden,
müssten wir eine Reorganisation der Korneuburger Kraftwerksorganisa-
tion herbeiführen. Die beiden Geschäftsführer der Verbund haben
dort meiner Meinung nach gar nichts mehr verloren, der Bau ist
vollendet und für den Betrieb sind sie nicht mehr notwendig. Ähnlich
wie bei der Enns müsste jetzt eine entsprechende umfassende Reorgani-
sation eingeleitet werden. Wais, der dann zu dieser Sitzung ebenfalls
kam, teilte meine Meinung und wird mit Bandhauer und den Betriebs-
räten dieses Problem besprechen.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte Frank sofort informieren.
Firmenvertreter und Patentanwaltsvertreter ersuchte mich um eine
Verbesserung des Services des Patentamtes für die Wirtschaft. Präs.
Leberl schilderte ihnen die Situation, dass er von 260 Beschäftigten
130 Techniker, 20 Juristen und die Bibliothek mit einem A-Mann
Massino, einem B-Mann und zwei C-Leuten und als Saalaufsicht, weitere
zwei C-Leute nur hat und keine zusätzlichen Arbeitskräfte zur Ver-
fügung stellen kann. Ich bestätigte sofort, dass wir 1 % einsparen
müssen pro Jahr und nicht zusätzliche Dienstposten schaffen können.
Wir einigten uns aber dann sofort, dass es möglich sein müsste, einige
technische Änderungen herbeizuführen, wie z.B. für 1 Mill. S Regale
heuer, nächstes Jahr für 1 Mill. S Lesegeräte, Ablagen nach Systemen,
die für die Wirtschaft besser brauchbar sind als die bisherigen.
Anstelle Skripten von Patentschriften nur entsprechend zweckmässiges
modernes Picken usw. Die Besprechung war sehr erfolgreich, denn mit
einigen Änderungen können wir die Wünsche der Vorsprechenden erfüllen.
Da sie auch eine Dokumentation der japanischen Patentschriften wünschen,
schlug ich ihnen vor, sie sollten, weil sie in den einzelnen Betrieben
wie z.B. Eumig einen Mann haben, der alle diese japanischen Patent-
schriften verfolgt, eine Arbeitsgemeinschaft gründen und wir sind
bereit, ihnen dann alle Unterlagen zur Verfügung zustellen. Bei dem
Unterausschuss im Parlament über der Patentgesetz und das Marken-
gesetz wird es einige Wünsche geben, die wir auch gleich durchbesprachen.
Wirklich begründet ist nur, dass die Prioritätsbelege für die
Einreichung gebührenfrei sein sollten. Jetzt muss 35.- S auf Grund
des Stempelgebührengesetzes und 20.- S auf Grund des Patentgesetzes
durch die Erhöhung von 50 auf 100 % bezahlt werden. Da die Patent-
urkunden jetzt bereits gebührenfrei sind, genüge es, wenn wir
dort in dem Gesetz die Prioritätsbelege einfügten. Da 85 % aus-
ländische Patentanmeldungen sind, die auf alle Fälle keinen Prio-
ritätsbeleg brauchen, weil sie eben im Ausland bereits die Prio-
rität haben, träfe diese Gebührenerhöhung wirklich nur die 15 %
inländischen Patente, die angemeldet werden. Das Finanzministerium
hat bis jetzt kategorisch abgelehnt. Leberl wird neuerdings mit
dem Finanzministerium Gespräche aufnehmen. Die anderen Wünsche
haben alle anderen eingesehen, können beim besten Willen nicht
erfüllt werden.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte setz Dich mit dem Büro des Finanzministers
in dieser Frage zusammen, um eine Lösung zu finden.
Der neue jug. Botschafter Pribicevic erzählte mir, dass er mit
Snuderl, den er scheinbar sehr gut kennt, den italienisch-jug.
Vertrag wegen der Zone AB ausgehandelt hat. Ich hatte immer angenommen,
dass diese neue Regelung, die eine Industriezone im Triester-Koper-
Raum vorsieht auf jug. Initiative zurückgeht. Genau das Gegenteil
ist der Fall. Die Italienische Zentralregierung hat erkannt, dass
Triest keinen Hinterraum hat und glaubte mit einer gemeinsamen
Industrie-Handelszone die Wirtschaftskraft des Triester Hafens zu
stärken. Die Triestiner wünschen dies aber nicht und sind dagegen
und protestieren bei jeder Gelegenheit mit dem Ruf "Zurück nach
Österreich". Nur so nebenbei kam der neue jug. Botschafter auch auf
die Minoritätenfrage der Slowenen in Österreich zu sprechen. Er
teilt meine Meinung, dass was immer auf dem politischen Gebiet
geschieht oder nicht geschieht, die Wirtschaftsbeziehungen nicht
beeinflussen soll. In dieser Beziehung wird er die Tätigkeit
seines Amtsvorgängers fortsetzen. Ich hoffe, dass dies auch die
Meinung des Aussenhandelsministers Ludviger sowie des Integrations-
ministers Smole und das weiss ich ganz genau auch von Snuderl ist.
Ludviger hat mich neuerdings eingeladen und ich werde wahrschein-
lich im September schon allein um die besseren Beziehungen zu Jug.
zu dokumentieren nach Belgrad fahren.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte Besuch mit gleichzeitigem Besuch
Albaniens verbinden und mit Fälbl besprechen.
Gen.Dir. Bauer, ÖMV, hat in der letzten Zeit einige Gespräche
mit internationalen Organisationen oder mit Vertretern von Multis
und Staatsrepräsentanten gehabt. Übereinstimmend stellte man
fest, dass sich die Multis in gewissen Ländern zurückziehen,
Österreich aber sicherlich nicht dazu gehört. Noch überein-
stimmender aber wurde festgehalten, dass in den Achtziger-
jahren u. zw. Anfang der Achtzigerjahre bereits eine Energie-
lücke kommen muss. Saudi Arabien hat seine Ölproduktion von
7 Mill. auf 9,7 Mill. Barrel pro Tag erhöht, in den Achtziger-
jahren wären aber 23 Mill. Barrel notwendig, die Saudi Arabien
nicht produzieren kann. Selbst die SU wird zu diesem Zeitpunkt
bereits Ölimporte von 1,6 Mill. t benötigen. Kohle kann diesen
Energieanstieg und Bedarf nicht befriedigen, ja selbst die
Kernenergie wird nicht ausreichen. Unter diesen Gesichtspunkten,
die CIA hat Carter einen diesbezüglichen Bericht gemacht, ist
die Carter-Message zu verstehen. Alle reden vom Sparen, niemand
weiss, wie man es machen soll. Wenn die wirtschaftliche Ent-
wicklung sich nicht verschlechtert, sondern der jetzige Kon-
junkturzuwachs bleibt, dann muss es Anfang der Achtzigerjahre
zum katastrophalen Zusammenbruch der Energieversorgung kommen.
Interessant ist, dass niemand eine Lösung aus diesem Dilemma weiss.
Ich habe mit Bauer vereinbart, dass wir unmittelbar nach Vorlage
des Energiesparbeirats-Berichtes sofort eine grossangelegte
Kampagne starten werden, die die ÖMV finanzieren wird. Ähnliche
Kampagnen möchte ich dann mit den Elektrizitätsunternehmungen
starten. Niemand soll und darf sagen, dass wir nicht zeitgerecht
zumindestens den Weg gewiesen haben, der beschritten werden müsste.
Ob er gegangen wird, bezweifle ich. Niemand glaubt nämlich ernst-
lich an die Gefahr und manche begeistern sich jetzt darin, dass
man eben die Atomkraftwerke ablehnt, sagt alles soll später
entschieden werden. Wenn die Energiekrise da sein wird, ist
es zu spät. Ich werde mich daher konsequent um die Fortsetzung
meiner Politik bemühen. Wenn die Energie nämlich nicht zur Verfügung
steht, werde ausschliesslich dann ich schuld sein.
In der Ministerratsvorbesprechung hat Kreisky, Kienzl und Rieger
von der ÖNB eingeladen, damit sie über die Zahlungsbilanz einen
Bericht geben. Kienzl erklärte, dass die Spekulationswelle ge-
brochen ist, aber 3,3 Mia. S Devisen letzte Woche abgeflossen sind.
Der normale Abgang hätte eine halbe Milliarde sein dürfen.
Diesen Montag ist nur mehr 9 Mill. $ abgegangen, so dass jetzt eine
Ruhe eintreten wird. Ausgelöst werden solche Spekulationen
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durch irgendwelche Bemerkungen wie Graber-Artikel, bezugnehmend
auf die Äusserungen des International Monetary Fund oder den
Vortrag des stv. Leiters der OECD bei der Länderbank. Natürlich
steht dieser Behauptung, dass es um die österr. Zahlungsbilanz
schlecht bestellt ist faktisch das Handelsbilanzdefizit des
vergangenen Jahres von 55 Mia. und auch das Zahlungsbilanz-
defizit im Hintergrund. Ansonsten würden nämlich solche Äusserungen
ohne Reaktion bleiben. Im ersten Quartal 1977 hat sich das
Zahlungsbilanzdefizit gegenüber dem Vorjahr von 3,3 Mia. auf 9,9 Mia.
d.h. verdreifacht. Das Handelsbilanzdefizit von 3,6 Mia. sogar
auf 13,6 Mia. im ersten Quartal 1977 gestiegen. Das Dienstleistungs-
bilanzdefizit von 6,4 Mia. auf 7,4 Mia. Die Reiseeinnahmen waren
höher netto um 16,6 %, weshalb sich hier der Saldo wesentlich
verbesserte. Im Vergleich zur Handelsbilanz ja zur Zahlungsbilanz.
Ein wirkliches Problem ist, dass 1956 die Kreditinstitute kurzfristig
100 Mia. Dollar aufgenommen haben, 60 Mia. davon wieder kurzfristig
veranlagt, aber 40 Mia. langfristig veranlagt haben. Das bedeutet,
dass jederzeit bei Rückfluss des Dollars nach USA die kurzfristige
Veranlagung fällig werden könnte, von den Kreditinstituten aber
langfristig gebunden ist. Kreisky war über diese Mitteilung sehr
beunruhigt und meinte, in den Dreissigerjahren hätte es auch eine
Kettentraktion ausgelöst dann durch die Creditanstalt gegeben.
Androsch beruhigte insoferne, als er mit Recht darauf hinwies,
dass wir ja jetzt über den Währungsfonds, über Sonderziehungsrechte
gewisse Möglichkeiten hätten. Was er aber in einem solchen Fall
befürchtet ist, dass dieser Fonds dann beweisen würde, dass er
etnsprechende Auflagen Österreichs bei Kreditzusagen erteilen würde,
die er jetzt auch gerne machen möchte aber den Schuldnern die
jetzt zu ihm kommen nicht getraut sich aufzuerlegen. Bei Österreich
wäre zu befürchten, dass sie dieses kleine Land mit Exempel-Massnahmen
"auszeichnen" würden. Banken machen mit den Veranlagungen ihr Ge-
schäft, auch bei der derzeitigen Refinanzierung, die die ÖNB
jetzt einbremsen möchte. Für die Refinanzierung zahlen sie 4,5 %
Zinsen, während sie eben mit 7 % anlegen können. Androsch möchte des-
halb eine Anhebung des Diskontsatzes.
Um die 300.000 Kleingehalts- und Einkommensempfänger in der Familien-
politik zu helfen, soll der Kinderabsetzbetrag von der Steuer
entfallen und dafür die Kinderbeihilfe verdoppelt werden. Dies
würde eine Vereinfachung der Lohnverrechnung bringen, Personal
einsparen und sehr sozial gerecht sein, weil die höher Einkommens-
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trächtigen beim Kinderabsetzbetrag natürlich mehr profitieren
als die kleineren Einkommen und vor allem einmal die 300.000
die überhaupt keine Absetzbeträge lukrieren können. Für die
höheren Einkommensbezieher ergibt sich dadurch aber natür-
lich Steuerbelastung. Benya äusserte insoferne Bedenken, als
bei den 300.000 wieder der grösste Teil Bauern sind, die gar
nicht so schlecht dastehen auf Grund unserer Steuergesetze aber
keine Steuern zu bezahlen haben. Ich bin allerdings davon
überzeugt, dass Androsch sich mit dieser Idee durchsetzen wird,
weil auch die soz. Frauen immer eine gewisse ausgleichende Mass-
nahme für die Familien verlangt haben. Weissenberg teilte mit,
dass die Pensionsanpassung 6,9 % betragen wird. Kreisky meinte,
das ist höher als sie bei dem öffentlichen Dienst jetzt als Ausgangs-
basis der Lohnverhandlungen vorgeschlagen haben. Die Gewerkschaften
verlangen 9,75 % mindestens 600.- S, Kreisky bot 6,5 % mindestens
500.- S. Wären dies normale Gewerkschaftsverhandlungen, würde ich
sagen, da kann man sicherlich sehr bald eine entsprechende Lösung
finden. Bei den Verhandlungen mit dem Bund wird es nur deshalb
sehr schwer werden, weil die Budgetsituation sehr triste ist und jedes
Prozent gleich Dutzende Millionen kostet. Das wirkliche Problem bei
dem öffentlichen Dienst liegt aber darin, dass im Jahresschnitt
sich dann die Lohn- und Gehaltssumme nicht selbst wenn man den
Wünschender öffentlich Bediensteten Rechnung trägt und mit 9 % z.B.
abschliesst, nicht um 9 % die Lohn- und Gehaltssumme steigt, sondern
um ein Beträchtliches mehr. Durch die automatischen Vorrückungen
noch viel mehr aber durch ständige Nebenleistungen wird das Budget
personalmässig viel stärker belastet als die reine Lohn- und Gehalts-
erhöhung ausmacht. Ich bin sehr gespannt, wie diese schweren
Verhandlungen enden werden.
Minister Pahr hat einen Ministerratsvortrag über die Verhandlungs-
delegation mit Spanien zwecks EFTA-Beitritt resp. bilaterale Ver-
handlungen eingebracht. Vorher sagte er mir noch in seinem Haus
wünscht man, dass das Aussenministerium die Federführung hat, er ist
aber der Meinung, dass das Handelsministerium diese Verhandlungen
auf Grund des Kompetenzgesetzes auch begründet zu führen hätte.
Der Ministerratsvortrag sieht allerdings vor, dass das Aussenmini-
sterium diese Verhandlungen führen würde und ist angeblich im
Einvernehmen mit Finanzen, LuF und Handel erstellt worden. Ich er-
suchte ihn, die ganze Angelegenheit eine Woche zurückzustellen,
damit ich im Hause dieses Problem klären kann.
ANMERKUNG FÜR MEISL UND HAFFNER: Bitte wieso kam es zu diesem
Ministerratsvortrag?
Tagesprogramm, 9.5.1977
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)