Montag, der 23. Mai 1977

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Montag, 23. Mai 1977

Der 11. Metallarbeitergewerkschaftstag wurde so wie alle vorher-
gehenden sehr feierlich eröffnet. Symphonieorchester, drei Schau-
spieler sprechen den Prolog in Anwesenheit vieler Regierungs-
mitglieder und ausländischer Gäste. Benya als Noch-Vorsitzender
hat vor seiner Begrüssungsansprache ein kleines Referat gehalten,
da er bereits 1947 beim ersten Metallarbeitergewerkschaftstag an-
wesend war und seither alle mitgemacht hatte, kennt er die Geschichte
der Metallarbeiter der zweiten Republik wahrscheinlich wie kein
zweiter. Da die Klubvertreter – Pansi – SPÖ, Mock für die ÖVP
und Peter – FPÖ – anwesend sind, geht er selbstverständlich auch
auf die politische Situation ein, wonach "die Gewerkschaften alles
nur machen, um die Regierung zu decken." Gewerkschaftstage
wandeln sich zumindestens bei den anderen Organisationen. Der Zufall
will es, dass wir bei den Lebensmittelarbeitern in dieser Wochen eben-
falls unseren Gewerkschaftstag haben. Ich beabsichtige an unserer
Tradition und Gewerkschaftstagen in jeder Beziehung festzuhalten.
Wichtig ist ja nur, dass bei der Eröffnung Prominenz anwesend ist.
Selbst die Delegierten der anderen Gewerkschaften verschwinden dann
meistens bei den Referaten und Diskussionen. Mir ist es in dieser
Beziehung egal, ob sie anwesend sind oder nicht, die Begrüssung
soll aber die Begrüssung bleiben und nicht wie es jetzt überall ge-
schieht, fast ein Referat des Vorsitzenden sein. Vom Fernsehen
wurde ich schon jetzt gefragt, was auf unserem Gewerkschaftstag
der Lebensmittelarbeiter es Neues geben wird. Ich war nicht bereit,
einen Hinweis zu geben. Was sie wollen, ist doch gar nichts
anderes als Sensationsmeldungen, vorweggenommene Personaldiskussionen.
Mit der Übergabe des Vorsitzes bei den Metallarbeitern von Benya
auf Sekanina ebenfalls schon die Weiche gestellt, dass Sekanina
Benya als Gewerkschaftsbund-Obmann nachfolgt. Niemand weiss dies
und niemand kann es daher sagen. Obwohl ich natürlich dann die
allgemeine Ausrede, das bestimmt der Gewerkschaftskongress, als
zwar richtige Antwort aber eindeutig als eine Leerformel betrachte.
Benya hat jahrelang, als er schon Gewerkschaftsbund-Präsident
war, noch immer die Metallarbeitergewerkschaft geführt. Ich habe
dies für falsch gehalten, weil er unbedingt in Interessenskonflikte
als Präsident für alle Organisationen und gleichzeitiger Obmann der
Metallarbeiter kommen musste und sicherlich auch gekommen ist.
Weder Böhm noch Olah haben dies getan, Benya hätte keine Haus-
macht gebraucht. Wenn Benya so lange gezögert hat, so deshalb,
weil er innerhalb der Metallarbeiter immer wieder gedrängt wurde,


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die Obmannstelle zu behalten. Jetzt dürfte sich Sekanina Schritt für
Schritt, aber systematisch durchgesetzt haben.

Bei der Eröffnung besprach ich mit Leodolter die angebliche Absicht,
für die Lagerung des Atommülls eine eigene Gesellschaft des Bundes
zu gründen, wie Frank mir verzweifelt mitgeteilt hat. Leodolter er-
klärte mir nur, dass sie eine Aussprache mit Bandhauer, Verbund, gehabt
hat in Anwesenheit ihres Sektionschefs Pindur, um den weiteren Vorgang
zu klären. Pindur, der Maurer, auch ein Trautmannsdorfer, gut kennt,
glaubt, dass eine Lagerung in Niederösterreich nicht möglich sein
wird, da Maurer nie zustimmt. Leodolter fürchtet nun, dass Pindur vom
ursprünglichen Plan, dass der Landeshauptmann letzten Endes auf Grund
des Strahlenschutzgesetzes die Genehmigung zur Lagerung geben muss, mit
Maurer übereinstimmt, weshalb sich eine lange Diskussion darüber ergeben
könnte. Die Gemeinschaftskraftwerk-Tullnerfeld-Gesellschaft die Zwenten-
dorf nur betreibt, kann keinesfalls die Lagerung vornehmen. In diesem
Fall müsste Leodolter die Genehmigung dazu geben. Eine eigene Gesell-
schaft muss deshalb gegründet werden und Leodolter erwägt, ob der Bund
und die Länder sich eventuell daran beteiligen sollten. Das ständige Ändern
von Konzepten liegt daran, in meinen Augen, dass wir weder von den E-Gesell-
schaften noch von den Beamten der einzelnen Ministerien, geschweige denn
in der Regierung von der Öffentlichkeit ganz zu schweigen, eine einheit-
liche Linie in der Atomenergiepolitik haben. Jeder versucht immer irgend-
welche Auswege verschiedenste Vorschläge werden gemacht, geprüft, wieder
verworfen, in den Zeitungen die unmöglichsten Meldungen lanciert, wie
am Sonntag in der Kronen-Zeitung, dass das Kernkraftwerk das unsicherste
ist, was es überhaupt gibt, weil bei Prüfungen sich herausgestellt hat,
dass – wie es in jedem Kraftwerk üblich ist – Herstellungsfehler gemacht
werden, die eben durch die Prüfung abgestellt werden. Es wird höchste
Zeit, dass wir so schnell wie möglich versuchen, die endgültige
Entscheidung im Parlament herbeizuführen. Die Diskussion wird zwar dann
auch nicht aufhören, aber sie wird in irgendeiner Weise die Weichen end-
gültig stellen. Von meinem Gesichtspunkt aus kann es gar nicht anders
sein, als Zwentendorf in Betrieb zu nehmen und dann zu sehen, wie man
mit den weiteren Kraftwerken verfahren soll.

ANMERKUNG FÜR FRANK UND WAIS: Bitte die neue Gesellschaftsidee, eventuelle
Beteiligung des Bundes prüfen.

Beim Journalistenfrühstück berichtete Jagoda über die Kreditvermittler-
Verordnung, die jetzt endlich mit 1. Juli in Kraft tritt. Daran ent-
wickelte sich nach längerer Zeit wieder einmal eine Diskussion mit den
Journalisten, da dies doch unmittelbaren Einfluss gegen die Auswüchse


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des Kreditwuchers haben könnte. Ich liess aber keinen Zweifel daran,
dass in Wirklichkeit selbst mit der Begrenzung von 5 % für die Kredit-
vermittler-Provision nicht viel gemacht ist. Die wirklich entscheiden-
den Änderungen könnte nur eine entsprechende Regelung im Kreditwesen-
gesetz herbeiführen. Dies wird jetzt momentan im Finanzministerium
allerdings schon 5 Jahre lang besprochen. Min.Rat Fälbl berichtete
über Ägypten und Sudan und Min.Rat Pschorn über die Accordino-Ver-
handlungen, zu diesen Themen gab es überhaupt keine Wortmeldungen.
Die Erfahrung, die wir jetzt mit unserem Pressefrühstück machen können
ist, dass entweder die Journalisten ebenfalls müde werden und daher nicht
bereit sind zu diskutieren, geschweige denn mich anzugreifen, oder Themen
für sie wirklich nichts hergeben. Berichtet in den Zeitungen wird dann
allerdings immer sehr brav.

Der brasilianische Minister für Bergbau und Energie Ueki stattete dem Bun-
despräsidenten einen Besuch ab und hat dort, was für mich auch einiger-
massen neu war, die brasilianische Wirtschaftsentwicklung auf seinem
Gebiet geschildert. Beim Essen im Imperial hatte ich dann auch noch
Gelegenheit, mit Frank gemeinsam, da wir ihn zwischen uns setzten,
es war kein Protokoll Gott sei Dank vorhanden, über diese Entwicklung
zu diskutieren. Während bei uns in der Vergangenheit innerhalb von
10 Jahren die Elektrizitätsproduktion verdoppelte, stieg diese dort
auf das Dreifache. In Zukunft nimmt man eine weitere, wesentlich höhere
Steigerungsrate noch an. Brasilien hat fast alle Mineralien und wird sie
systematisch abbauen. So wie Afrika inbesondere aber Westafrika alle
Mineralien hat, ist auch in Südamerika dieselbe Situation. Beide
Kontinente werden deshalb in Hinkunft die bedeutendste Rolle für
die Industriestaaten spielen. Dieses gleichzeitige Vorhandensein
in diesen Regionen hat ja auch die Theorie ausgelöst, dass beide
Kontinente einmal zusammen waren und sich im Laufe der Jahrmilliarden
erst trennten. Die eingeladenen Direktoren der österr. Firmen nützten
die Gelegenheit, um mit dem Minister die entsprechenden Absichten,
Projekte liegen ja leider noch nicht vor, zu besprechen. Bei dieser
Gelegenheit erfuhr ich von Direktor Lukesch, Treibacher, TCW, dass
sie jetzt ihr Ferrochromprojekt in Hüttenberg aufgegeben haben.
Die Strompreise wären dort zu hoch gewesen. Im Vergleich z.B. kosten
in Brasilien für die Industrie die Preise nicht einmal die Hälfte.
Treibach wird aber jetzt in Hüttenberg ein Recycling für Metall-
schmelzen mit 150 Beschäftigten errichten. Dort spielt der Strom-
preis nicht mehr die Rolle, denn Ferrochrom mit 15.- S bei hohen Strom-
preisen eine stärkere Belastung als das Metallschmelzmaterial, das 70.- S
kostet.



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als in den vergangenen Jahren. Mauthner steht nach wie vor
auf dem Standpunkt, dass das Landwirtschaftsministerium, welches
die Lenkung des Getreides über hat, daher auch alle diesbezüglichen
Aufwendungen zu leisten hat. Ihm schwebt nach wie vor vor, gegebenen-
falls eine Klage gegen das Landwirtschaftsministerium einzureichen,
wenn die diversen Stützungsaktionen über Nacht eingestellt werden
sollten. Für mich ist es eine Bestätigung mehr, dass wir langfristig
eben jetzt schon festlegen müssten, was nächstes Jahr bei der Ge-
treideernte geschehen wird. Dies betrifft den Preis, die Export-
möglichkeit, die Lagerung, die diversen Aktionen und ich weiss nicht
was sonst noch alles.

ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte beim nächsten Jour fixe dieses Problem
auf die Tagesordnung setzen.

Der Besitzer der grössten deutschen Altrohstoff-Raffinerie Haberland
erklärte uns auf Wunsch von Heindl die Methode, wie in Deutschland
Altöl beseitigt wird. In 140.000 Übernahmestellen werden durch-
schnittlich 600.000 kg erfasst. Da der Antransport sehr teuer ist
und die Erfassung natürlich viel Geld kostet, wird ein Zuschuss
von 100 DM pro t gegeben vom Staat. Dies ist auf die Fertigungs-
produkte ungefähr 125 DM pro t. Bei Frischöl wird dafür eine Ab-
gabe von 90 DM pro t verlangt, wodurch die 360 t pro Jahr erfasst
werden. Ich persönlich fürchte auch, dass es ohne eine diesbezüg-
liche Reglementierung und insbesondere Abgabe nicht gehen wird.
Tausendmal lieber wäre es mir allerdings, wenn ohne einen büro-
kratischen Apparat in Deutschland machen dies nachgeordnete Dienst-
stellen des Wirtschaftsministeriums, wir eine Beseitigung des
Altöls erreichen könnten.

ANMERKUNG FÜR WANKE: Vielleicht fällt uns doch noch etwas ein.



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als in den vergangenen Jahren. Mauthner steht nach wie vor
auf dem Standpunkt, dass das Landwirtschaftsministerium, welches
die Lenkung des Getreides über hat, daher auch alle diesbezüglichen
Aufwendungen zu leisten hat. Ihm schwebt nach wie vor vor, gegebenen-
falls eine Klage gegen das Landwirtschaftsministerium einzureichen,
wenn die diversen Stützungsaktionen über Nacht eingestellt werden
sollten. Für mich ist es eine Bestätigung mehr, dass wir langfristig
eben jetzt schon festlegen müssten, was nächstes Jahr bei der Ge-
treideernte geschehen wird. Dies betrifft den Preis, die Export-
möglichkeit, die Lagerung, die diversen Aktionen und ich weiss nicht
was sonst noch alles.

ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte beim nächsten Jour fixe dieses Problem
auf die Tagesordnung setzen.

Der Besitzer der grössten deutschen Altrohstoff-Raffinerie Haberland
erklärte uns auf Wunsch von Heindl die Methode, wie in Deutschland
Altöl beseitigt wird. in 140.000 Übernahmsstellen werden durch-
schnittlich 600.000 kg erfasst. Da der Antransport sehr teuer ist
und die Erfassung natürlich viel Geld kostet, wird ein Zuschuss
von 100 DM pro t gegeben vom Staat. Dies ist auf die Fertigungs-
produkte ungefähr 125 DM pro t. Bei Frischöl wird dafür eine Ab-
gabe von 90 DM pro t verlangt, wodurch die 360 t pro Jahr erfasst
werden. Ich persönlich fürchte auch, dass es ohne eine diesbezüg-
liche Reglementierung und insbesondere Abgabe nicht gehen wird.
Tausendmal lieber wäre es mir allerdings, wenn ohne einen büro-
kratischen Apparat in Deutschland machen dies nachgeordnete Dienst-
stellen des Wirtschaftsministeriums, wir eine Beseitigung des
Altöls erreichen könnten.

ANMERKUNG FÜR WANKE: Vielleicht fällt uns doch noch etwas ein.

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Tagesprogramm, 23.5.1977


GND ID: 1017902909


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Gesundheitsministerin


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Leiter Sekt. III HM


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: Lebensmittelhändler
        GND ID: 118579304


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: Beamter HM


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: Österr. Chemische Werke [Identifikation nicht ganz sicher, bitte nachprüfen]


            Einträge mit Erwähnung:


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: SPÖ-NR-Abg.


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: FPÖ-Obmann


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: Abg. z. NR, Klubobmann, ÖVP


                    Einträge mit Erwähnung:


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: SChef HM
                        GND ID: 12195126X


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: 1970-1973 Büro Staribacher, SPÖ-NR-Abg., stv. Vors. SPÖ-Landstraße
                          GND ID: 102318379X


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: Chef Energiesektion


                            Einträge mit Erwähnung:
                              GND ID: 118937308


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: Kabinett Staribacher


                                Einträge mit Erwähnung:
                                  Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
                                  GND ID: 119083906


                                  Einträge mit Erwähnung:
                                    Tätigkeit: nö. LH (ÖVP), AR-Vors. DoKW


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                                      Tätigkeit: MR HM


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                                        Tätigkeit: GD Verbund


                                        Einträge mit Erwähnung:
                                          Tätigkeit: erster ÖGB-Präs.


                                          Einträge mit Erwähnung: