Samstag, 11. und Sonntag, 12. Juni 1977
In der Sozialakademie wird Klimpt jetzt endgültig in Pension gehen
und Erwin Weissel die Funktion übernehmen. Weissel wird das
ganze Sozialakademie-System ändern. Weg von dem schulischen Betrieb
weg von den Prüfungen, moderne Arbeitsgruppen-Methoden, wie es sich
für einen Linken, der endlich Gelegenheit bekommt, seine theore-
tischen Vorstellungen zu verwirklichen gehört. Klimpt aber auch
ich haben grosse Bedenken dass dadurch der Wert der Schule für
die Gewerkschaftsbewegung stark entwertet wird. Das System, das
ich seit Jahrzehnten kenne, teilweise sogar mitgestaltet habe,
beruht darauf, gute Spezialisten aus dieser Sozialakademie für die
Gewerkschaftsbewegung zu gewinnen. In der Sozialpolitik, Sozial-
versicherung, Arbeitsrecht und Wirtschaftsrecht mussten diese Leute
gewisse Grundkenntnisse durch schulische Übung erlernen, dass man
sie so weit gebracht hat, war nur mit einem Prüfungssystem möglich.
In der Praxis, kann ich bestätigen, haben sie dann als hervorragend
ausgebildet mehr gewusst als Unternehmer. In der Lebensmittelarbeiter-
gewerkschaft habe ich sofort einer Tradition folgend immer verlangt,
dass Sekretäre nur Absolventen der Sozialakademie sein können. Ein
einziges Mal wurde, bevor ich als Obmann die Verantwortung letzten
Endes zu tragen hatte, davon eine Ausnahme gemacht und das Ergebnis
war gerade nicht sehr positiv. Für die Hörer kann und wird dieses
neue System ein sehr interessantes Experiment, je weniger Prüfungen
es gibt umso lieber ist es diesen. Klimpt fürchtet auch ganz be-
sonders, dass die neuen Dozenten noch mehr Theorie verzapfen werden,
und dass die unmittelbare Konfrontation mit den praktischen Problemen
noch weniger gelehrt wird. Dozent Weissel, der dann als Leiter der
Schule seine auch jetzt schon Jahrzehnte gesammelten Erfahrungen
als Vortragender sicherlich verwirklichen wird, kommt von der
Theorie, ist ein ungeheuer gescheiter Mann, der schon vor Jahrzehnten
auf die Uni hätte berufen werden müssen. Erst in den letzten Jahren
ist dies gelungen. Seine Vorträge und Skripten, die ich mir gelegentlich
angesehen habe, sind höchste Qualität, leider auf einem viel zu hohen
Niveau- Die Hörer mussten ständig durch wirtschaftspolitische
Seminare und Vorträge den Stoff ergänzend für Gewerkschaftsfunktionäre
vorgetragen bekommen. Dieser Aufgabe hat sich auch Klimpt und wie
er mir sagte, auch ich mich unterzogen. Wichtig war, dass man diesen
Hörern eine Funktionärssprache entweder beibringt, wenn sie sie
noch nicht haben und falls sie sie haben, dann mit ihnen in dieser
Sprache spricht und denken lernt, denn das werden sie in der Praxis
brauchen, damit werden sie bei Unternehmerverhandlungen ständig kon-
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frontiert. Ich bin sehr gespannt, wie es weitergehen wird,
wünsche allerdings Weissel alles Gute und werde ihn in jeder
Beziehung unterstützen. Der Assistent Hufnagl, der jetzt schon
auch einige Jahre in der Sozialakademie tätig war, ist natürlich
auf das alte System von Klimpt eingeschustert, wird grosse Schwie-
rigkeiten haben, siech auf das neue System umzustellen. Er ist
zumindestens bis jetzt natürlich von dem derzeitigen System be-
geistert und fürchtet auch, dass die einzelnen Hörer nicht
bereit sind, ohne Prüfungen, ohne sozusagen einem stärkeren Druck
den doch sehr umfangreichen Wissensstoff sich anzueignen. Mit
dem neuen Haus ein neues System hoffentlich nicht ein neuer Beweis
des Parkinson'schen Gesetzes, dass jede Institution auf ihrer
Höhe sich entsprechend prunkvolle Gebäude errichtet und dann in
kürzester Zeit nicht an Gebäuden wohl aber an der Mentalität,
bürokratischer Ausdehnung, wahrscheinlich auch Überheblichkeit
zugrundegeht oder zumindestens an Bedeutung so verliert, dass sie
dann nur mehr durch die Prunkbauten repräsentiert.
Bei der Eröffnung des Hallenbades in Neusiedl, war ich persönlich
selbst sehr überrascht, vom Bürgermeister zu hören, dass das
Finanzministerium, das Handelsministerium 4,2 Mill. S Subvention
dafür gegeben haben. Das Hallenbad hat fast 70 Mill. S gekostet
und muss jetzt erst ausfinanziert werden. Vom Land wurden 6,5 Mill.
noch von Kery dem Bürgermeister versprochen und angeblich hat der
Bürgermeister auch Zusagen von Seiten des Bundes. Jetzt braucht er
dringend einen ERP-Kredit.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte lass den ganzen Fall Dir erklären
und teile mir dann die Details mit.
Da ich, wie ich sagte, nach burgenländischem Protokoll, immer als
erstes rede, Sinowatz war zwar angekündigt, hatte aber eine
Fernsehdiskussion gehabt, fragte ich Kery vorher, nicht zuletzt
weil ich die Plakate über die Atomfrage im Burgenland von der ÖVP
aufgepickt gesehen habe, ob ich auf dieses Problem eingehen soll.
Kery meinte, nein, das sei gar nicht notwendig, das Ganze ist schon
vorüber. Die ÖVP hat mit zwei Plakatserien sofort versucht, diese
Äusserung Kerys, dass er vor dem Atommüll keine Angst hat, auch
wenn dieser hinter seinem Haus gelagert wäre und er zwei stillgelegte
Bergwerke erwähnte, sofort eine Kampagne gestartet, Kery will den
Atommüll nach dem Burgenland bringen. Ich bin fest davon überzeugt,
dass wenn ein Regierungsmitglied eine solche unglückselige
Äusserung irgendwo machen würde, die ÖVP auch auf Bundesebene
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sofort vor den Wahlen eine solche Kampagne starten würde.
Man kann daher im wahrsten Sinne des Wortes nicht genug
vorsichtig vorgehen, auch dann, wenn sich herausstellt, dass
bei uns in Österreich die Atomuhren doch anders gehen als z.B.
in der BRD. Der für heute angesagte Marsch der Atomgegner nach
Zwentendorf ist in vollkommener Ruhe verlaufen. Von den Burgenland-
wahlen wird es nicht zuletzt auch davon abhängen, den Beweis zu
erbringen, dass – gehen die Wahlen für Kery gut aus – die Atomfrage
in Österreich nicht so brisant wie in Deutschland oder Schweden,
gehen sie schlecht aus, wird ein jeder sagen, das war ausschliess-
lich auf die Äusserung Kerys bezüglich der Atommüllagerung zurück-
zuführen.
Landesrat Vogl fragte mich, ob schon endgültig entschieden ist,
dass der Bund auch für den Ausbau von Bad Tatzmannsdorf entsprechende
Zuschüsse gibt. Ich versprach ihm eine unverzügliche Benachrichtigung.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte wie weit steht dieses Problem.
Der Bürgermeister von Pöttsching, wo sich ein Kinderdorf befindet,
eröffnet im September ein Freibad. Auch dort hat er grosse finan-
zielle Schwierigkeiten und ersucht, ob ich ihm nicht einen entspre-
chenden Zinsenzuschuss oder sonstige Hilfe geben könnte. Ich erkläre
sofort, dass dies wegen eines Freibades fast unmöglich ist, denn
in Österreich können Freibäder niemals rentabel geführt werden und
stellen auch für die Fremden keine besonders Attraktion dar.
Trotzdem erinnere ich mich, dass wir hier auch schon anderen Ort-
schaften geholfen haben. Ich versprach ihm womöglich sofort eine
positive Zusage schriftlich zugeben, wenn eine diesbezügliche Mög-
lichkeit besteht.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte unverzüglich prüfen lassen.
Für Kolbnitz haben wir ähnliches getan.
Der Bürgermeister von Andau, LAbg. Peck, urgiert bei mir sein
Ansuchen wegen Zinsenzuschuss für seine Gemeinde. Auch in diesem
Fall konnte ich ihm nur eine unverzügliche Überprüfung zusagen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte entsprechendes Antwortschreiben vorbe-
reiten.
Die Neusiedler Gemeinden sind mehr denn je durch den See ge-
prägt. Früher war ihr einziges Einkommen der Fischfang, und die
Schilfgewinnung. Beide spielen jetzt überhaupt keine bedeutende
Rolle mehr sondern entscheidend ist für sie jetzt der Fremden-
verkehr. In Neusiedl z.B. wurden Nächtigungssteigerungen von
bis zu 20 % Jahr für Jahr festgestellt. Die See-Einrichtungen
werden ständig vergrössert. Parkplätze geschaffen, wo natürlich
das Schilf zurückgedrängt wird. Durch Zufall traf ich den ehemaligen
Ernährungsminister Sagmeister, der seit über 20 Jahren dort eine
Hütte vom Jachtklub gekauft hat. Jetzt gibt es jeden Komfort,
Licht, Wasser und vor allem aber eine vollständige Kanalisation.
Diese Infrastrukturaufwendungen haben der Gemeinde viel gekostet
und sollen eben jetzt wie z.B. mit Hallenbad für Schlechtwetter
und Vor- und Nachsaison ergänzt in Hinkunft noch durch ein ganzes
Erholungszentrum mit Kurbad und Kurhotel ergänzt werden. Diesen
Aufschwung hat aber nicht nur Neusiedl, zweifelsohne die erste
Gemeinde, die den Fremdenverkehr schon in der Ersten Republik
richtig erkannt hat, sondern alle anderen Neusiedl-See-Gemeinden
genommen. Mit Hilfe des imposanten Schiffes von Koll. Reiss
hatte ich Gelegenheit, einen Teil des Sees abzusegeln und mich
nicht nur von den starken Besuch sondern auch von den grossen
Investitionen, die dort gemacht wurden, zu überzeugen. Die Tages-
besucher werden von Wien insbesondere auch ständig mehr. Reiss
sagte mir auch, noch niemals waren so viele Autos geparkt
und so viele Besucher zu verzeichnen. Für das Burgenland ist das
sicherlich ein bedeutender wirtschaftlicher Pluspunkt. Für
Neusiedl aber z.B. ist es ein verkehrstechnisches Problem
besonderer Art. Der Bürgermeister erwähnte deshalb in seiner
Ansprache, dass sie dringendst die Umfahrung von Neusiedl
bräuchten. Ich versprach ihm nur, mich mit Bautenminister Moser
diesbezüglich ins Einvernehmen zu setzen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: bitte bei Moser klären und dann einen Brief
von mir an Bürgermeister Halbritter, Neusiedl, schicken.
Tagesprogramm, 11.6.1977