Mittwoch, 22. Juni 1977
Mit der ÖMV und Sekt.Chef Frank bestehen seit längerer Zeit grosse
Spannungen. Dr. Grünwald von der ÖIAG hat mich verständigt, dass
die ÖMV in ihrer Aufsichtsratssitzung beabsichtigt, ein Kommuniqué
zu beschliessen, worin das Handelsministerium beschuldigt wird,
die Energieversorgung durch gesetzlich nicht gedeckte Forderungen
und Auflagen zu gefährden. Es handelt sich dabei um die Auskünfte,
die Frank verlangt hat als er die Energiewirtschaftliche Notwendig-
keit der Gasleitung WAG im Verkehrsministerium bescheinigen muss.
Auf Grund des Pipelinegesetzes genehmigt nämlich jetzt das Ver-
kehrsministerium das Ansuchen der ÖMV. Frank steht auf dem Stand-
punkt, er als Energiesektion muss sich darum kümmern, die ÖMV ge-
gebenenfalls dazu zu zwingen, die Versorgung Westösterreichs mit
Gas bei dieser Transösterreich-Pipeline gleich mit zu versorgen.
Die ÖMV hat jetzt ein Rechtsgutachten von Prof. Kastner verlangt,
der diese Forderung nicht durch Gesetz gedeckt erklärt. Gen.Dir.
Geist hat mir in einem Brief dies mitgeteilt. Darin fordert er auch
eine Aussprache des ÖMV-Vorstandes mit mir unter Beiziehung seiner
Person. Wie immer man über die Sache denkt, eines steht fest, dass
wir dadurch jetzt die an und für sich spannungsreichen Beziehungen
zwischen ÖMV und ÖIAG, wenn man so sagen will, die feindlichen Brüder
zusammengebracht haben gegen das Handelsministerium. Auch Androsch hat
bei mir interveniert, weil er von seinem Schwiegervater Schärf,
dem Präsidenten des Aufsichtsrates der ÖMV darauf aufmerksam ge-
macht wurde. Ich selbst habe sofort gesagt, dass ich die Details
anderer Beschuldigungen nicht kenne und Androsch meinte, ihm sei
dies bereits monatelang bekannt. Wir einigten uns darauf, dass
Schärf mit mir sprechen soll. Schärf, der mich dann anrief war mit
dem Vorschlag, jetzt keinerlei Beschlüsse in der Aufsichtsrats-
sitzung der ÖMV zu fassen und die Öffentlichkeit zu gehen, einver-
standen. Ausser diesem monatelangen Streit gibt es jetzt noch
Schwierigkeiten bei der Beteiligung ÖMV an der Uransuche in Österreich.
Hier behauptet Frank, dass er es gewesen ist, der mit den Deutschen
verhandelt hat und erreicht, dass 51 % Anteil und gewisse Options-
recht der ÖMV beim Export Urans von den Deutschen durchgesetzt wurde.
Die ÖMV hätte sich mit einer 50 %-igen Beteiligung schon einverstanden
erklärt. Bezüglich der Flächenzinse muss die ÖMV jetzt mit dem
Ministerium neu verhandeln, weil die alten Verträge durch Verschulden
der ÖMV abgelaufen sind. Bei dieser Gelegenheit will Frank den
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Förderzins von 6 auf 10 % erhöhen. Darüber hinaus verlangt er
noch, dass 300 Mill. S zusätzliche Investitionen in den Bohr-
feldern von der ÖMV geleistet werden. Die ÖIAG, insbesondere Geist
aber auch sicherlich der gesamte ÖMV-Vorstand sieht darin ein
unzulängliches Eingreifen in die finanzielle Gebarung und Gestion
der ÖMV und lehnt dies ganz entschieden ab. Eine erste Aussprache
mit Frank beim Telefon zeigte mir, dass er gar nicht überrascht
ist, wenn es zu diesem Krieg kommt, sondern überzeugt ist, mit
Brachialgewalt durchsetzen zu müssen. Ich selbst habe bereits Grün-
wald auseinandergesetzt, dass die ÖMV bis jetzt halt nicht gewohnt
war, eine starke Energiesektion und insbesondere Oberste Berg-
behörde vorzufinden. In der Vergangenheit war es selbstverständlich,
dass alles das geschehen ist, was die ÖMV wünschte, ich selbst oft der
Eindruck hatte, die Behörde sei nichts anderes als ein Erfüllungsorgan
dieser Firma. Da die ÖIAG insbesondere Grünwald ja eine ähnliche
Situation gegenüber ihre verstaatlichten Betrieben, deren Konzern-
spitze sie glaubt zu sein, hat, hat Grünwald dies eingesehen. Dass
allerdings letzten Endes der Vertreter und Chef der ÖIAG, nämlich
Bundeskanzler hier damit befasst wird werden, bin ich fest überzeugt
wenn wir nicht zu einer friedlichen Lösung kommen. Ich habe allen,
die bis jetzt bei mir interveniert haben, vorgeschlagen, man soll
unter allen Umständen, bevor man in die Öffentlichkeit geht, eine
Aussprache mit mir durchführen.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bei Deinem ständigen Gespräch mit Frank
setze ihm die Situation klar auseinander.
Bei der Klausurtagung des Parteivorstandes in Baden wurde um
9 Uhr mit den Erklärungen von Kreisky zur Atomfrage begonnen.
Er hielt ein längeres Referat, wobei allerdings keine neuen
Gesichtspunkte, die er nicht entweder schon vorher gesagt hat
oder die er insbesondere im Präsidium des Vortages erörterte,
von ihm dargelegt wurden. Einzig neu für mich war, dass er mich
ansprechend erklärte, die Null-Leistungs-Genehmigung sei für ihn
bereits der Zeitpunkt, wo der Reaktor in Betrieb geht und daher zu
diesem Zeitpunkt bereits die Müllfrage gelöst sein muss. Nach
seinem Referat entstand eine Pause, wo sicherlich manche erwarteten,
dass ich mich sofort zu Wort melden sollte. Da ich dazu aber nicht
aufgefordert wurde, habe ich gewartet, was die Diskussion erbringen
wird. Bundesrat Körner, die sich dann meldete, meinte, im Wald-
viertel sei es noch verhältnismässig ruhig. Nur eine kleine Gruppe
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versuche jetzt die Bevölkerung zu mobilisieren. Insbesondere
ein Vertreter des Bauernbundes, gleichzeitig Bürgermeister von
Allentsteig, sei sehr aktiv, Samstag würde es dort eine grosse
angekündigte Kundgebung geben. Man wird sehen, wie sich die Bevöl-
kerung wirklich verhält. Bgm. Gratz hat dann als erster auf den
Regierungsberichts-Entwurf bezug genommen und festgestellt, dass
das Handelsministerium gar keine umfassende Kompetenz hat, einige
Fragen gestellt und zusammenfassend festgehalten, es wäre am besten,
keine Entscheidung zu treffen. Kreisky hat sich hier dann sofort,
wieder gemeldet und dezidiert erklärt, entschieden muss jetzt werden,
weil keine Entscheidung eine weitere Verunsicherung der Bevölkerung
auslösen muss. Die Diskussion ging dann 1,5 Stunden und durch
reinen Zufall kam ich als letzter knapp vor 11 Uhr zu Wort. Auch
ich konnte keine neuen Gesichtspunkte zur Diskussion bei-
steuern, ausser, dass ich dezidiert erklärte, nicht kompetent
zu sein, wie Gratz richtig feststellte, dennoch die Verantwortung selbst-
verständlich mit zu tragen habe und mich auch gar nicht drücken will
wichtig sei nur, dass jetzt im Entscheidungsprozess auch tatsäch-
lich eine Entscheidung fällt. Kreisky meinte, man müsse jetzt dann
wegen der weiteren Programmdiskussion die Verhandlungen über die
Inkraftsetzung des Kernkraftwerkes Tullnerfeld unterbrechen und
im Herbst fortsetzen. Immerhin waren noch 8 Redner gemeldet.
Zur Überraschung von Kreisky wurde dann festgestellt, dass im Juli
noch eine Parteivorstandssitzung schon einberufen ist. Man einigte
sich dann darauf, an dieser die Diskussion fortzusetzen, um zu
einem Ergebnis zu kommen.
Die weiteren Kapitel des Parteiprogrammes wurden von den einzelnen
Arbeitsgruppenleitern referiert und auch diskutiert. Kreisky
ging um 1/2 1 Uhr zu einer Pressekonferenz und liess dann aus-
richten, man sollte jetzt alle noch schnell drannehmen und
dann die Tagung schliessen. Tatsächlich war um 1/2 2 Uhr zur
allergrössten Überraschung vieler die ganze Diskussion zu Ende.
Androsch selbst hat bei seinem ökonomischen Kapitel erklärt, er
hätte noch keine Zeit gehabt, sie im Detail durchzuarbeiten
und wird dies nachholen. Kreisky selbst liess überhaupt aus-
richten, dass sein politischer Teil auch noch erst von ihm über-
arbeitet werden muss. Benya war während der Tagung nicht anwesend
und Hofstetter hat an seiner Stelle ganz kurz über die Sozial-
politik referiert. Beim Mittagessen hatte ich Gelegenheit, mit
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Salcher über die Frage von der TIWAG-Beschäftigung Herbert
Tiebers zu sprechen. In der Wochenpresse war ein Artikel er-
schienen, wo alles wieder in Frage gestellt ist. Salcher hat
aber in der Regierung mit Wallnöfer einen einstimmigen Be-
schluss zustande gebracht, wo auch der grösste Gegenspieler
Wallnöfers Prior zustimmen musste. Damit ist die Frage Tieber
endgültig geklärt und auch – wie ich hoffe – endgültig er-
ledigt.
Mit dem Bürgermeister von Bregenz und Landesparteiobmann Mayer
diskutierten Salcher, Leodolter, Heinz Fischer und ich seine
Stellungnahme jetzt bereits dezidiert zu erklären, dass Vorarl-
berg gegen die Inbetriebnahme von Zwentendorf sei und der dies-
bezügliche Beschluss des Landesparteivorstandes auch die National-
räte zu binden, dass sie dagegen stimmen müssen. Bei dieser Ge-
legenheit kam gleich von mir aufgeworfen die Frage der kamerad-
schaftlichen, besser gesagt freundschaftlichen Zusammenarbeit in
Spitzengremien zur Sprache. Ich werde und hoffe, dass ich dies
auch in Zukunft immer so tun kann, mich nicht von Sachfragen
und Diskussionen geleitet bemühen die freundschaftlichen Be-
ziehungen zu den einzelnen dadurch nicht trüben zu lassen. Ob dies
allerdings in jedem Fall gelingt, traue ich mir nicht zu behaupten.
Nach wie vor stehe ich auf dem Standpunkt und habe dies dort auch
dezidiert dort erklärt, dass die äusseren Umstände meistens wesentlich
mit mehr zur Urteilsbildung beitragen als es einem recht ist. Seit
1945, wo ich ja durch reinen Zufall in den höheren Gremien an-
wesend war, konnte ich immer wieder die Feststellung machen,
dass nicht ausschliesslich nach sachlichen Gesichtspunkten geur-
teilt und letzten Endes entschieden wurde sondern in ganz grossem
und starkem Ausmass persönliche freundschaftliche Beziehungen oder
Animositäten eine grosse Rolle spielten. Es wäre in meinen Augen
kindisch zu hoffen oder auch nur zu wünschen, dass dies anders
sein soll. Die Menschen sind eben einmal so, nur den Spruch:
Seid nett zueinander, immer wieder zu wiederholen, kann nützlich
sein, aber sicherlich keine Lebensmaxime. Sie sind es eben nicht.
Leodolter hatte zur Sicherheit ihren Sekt.Rat Vychytil, der
für die Genehmigung von Kernkraftwerken auf Grund des Strahlen-
schutzgesetzes zuständig ist, nach Baden gebeten. Ich nützte
die Gelegenheit, um einmal mehr mit ihm die Sicherheitsbestim-
mungen durchzubesprechen und sie mir erklären zu lassen. Über-
rascht war ich als ich erfuhr, dass erst jetzt bei der Genehmigung
des Kompaktlagers neue zusätzliche Schutzbestimmungen erwogen werden
Ursprünglich war geplant, 130 % der Kernkapazität des Reaktors
in Wasserlager daneben jahrelang abklingen zu lassen. Jetzt
weil die Wiederaufbereitung nicht so schnell funktioniert und
kein Vertrag vorhanden ist, soll dieses Lager zu einem Kompakt-
lager ausgebaut werden, das nach Meinung der Gesellschaft 9 Jahre
nach Meinung vom Gesundheitsministerium maximal 7 Jahre, wahr-
scheinlich aber 5 Jahre ausgebaut werden soll. Die GKT hat
ohne die diesbezügliche Genehmigung abzuwarten, bereits die
entsprechenden Aufträge für den Stahlbau gegeben. Bei dieser
Gelegenheit erfuhr ich zum ersten Mal, dass entgegen der Annahme,
das Kernkraftwerk auch von oben durch Flugzeugabsturz gesichert
sei, dies nicht zutrifft. Deshalb erwägt man jetzt bei der Geneh-
migung des Kompaktlagers diesbezügliche Auflagen zu geben.
Wie dies aber technisch geschehen kann, ohne dass das Dach neu
aufgedeckt werden muss, die Statik durchgerechnet werden muss,
ob überhaupt eine Verstärkung noch möglich ist, ist ungeklärt.
Das Betrübliche, aber scheinbar Übliche sowohl die Genehmigungs-
behörde weltweit als auch in unserem Fall in Österreich hinkt immer
den Entwicklungen nach. Auflagen und Beschlüsse werden werden
erst zu einem sehr späten Zeitpunkt endgültig festgelegt, müssen
sich dann Gegebenheiten anpassen und bringen noch immer grosse
Schwierigkeiten bei der Durchsetzung mit sich. Fast würde ich den
Vergleich wagen, dass dies ähnlich den Zuständen in der politischen
Entscheidung ist. Ich bin nämlich auch hier fest überzeugt, dass
wir den Entwicklungen nacheilen und sie nachvollziehen. Das ganze
ist äusserst unbefriedigend. Dazu kommt noch, dass die Methode Kreiskys
zwar richtig analysierend auch keinen Ausweg zeigt. Wenn wir nicht
entscheiden, wird es Atomwahlen geben. Wenn wir entscheiden und
das Kernkraftwerk in Betrieb geht, wird die ÖVP auch abspringen
und letzten Endes dann die SPÖ die alleinige Verantwortung tragen.
Dies bedeutet, dass wir Randschichten garantiert verlieren und
auch mehr oder minder von dem Atomkraftwerk beeinflusste Wahlen
geschlagen werden müssen. Ein wirkliche Dilemma, von dem niemand
weiss, wie es politisch, technisch und ich weiss nicht unter welchen
Gesichtspunkten dann noch ausgehen wird.
Tagesprogramm, 22.6.1977