Dienstag, 23. August 1977
Min.Rat Steiger hatte mit dem Geschäftsführer des Fachverbandes
Schuhe, Leopold, eine Aussprache, weil diese Gruppe ähnlich
wie die Bekleidungsindustrie einen besonderen Schutz gegen die
Niedrigstimporte wünschen. Steiger hat die richtige Einstellung,
dass er nicht auf Wunsch eines Fachverbandes bereits entsprechende
Vorschläge im Rahmen des GATT oder EFTA- oder EG-Vertrages unter-
breiten könne, sondern diese Frage unbedingt zuerst in der
Handelskammer koordiniert werden muss und von der Handelskammer ein
diesbezüglicher Vorschlag kommen muss. Steiger befürchtet, dass
ansonsten jeder Fachverband oder sogar Gremien kommen werden, um
Sonderregelungen zu erzielen. Steiger teilt mir auch mit, dass er
einen Vertreter der Wiener Handelskammer getroffen hat, der
ihn wegen der Einführung der Importscheine am Bekleidungssektor
heftigste Vorwürfe machte. Dieser war dann sehr erstaunt zu er-
fahren, dass diese Importscheine auf einem Vorschlag ja sogar auf
den dringlichen Wunsch der Handelskammer zurückzuführen sind. Jetzt
bewährt sich resp. muss sich das System bewähren, dass ich doch
immer im engsten Einvernehmen mit den Interessensvertretungen
und ganz besonders mit der Handelskammer in all diesen Fragen
vorgegangen bin. Wichtig ist nur, dass es mir gelingt, die Handels-
kammer auch für ihre Forderung dann in der Öffentlichkeit dafür
eintreten wird. Scheinbar würde, wie sich jetzt die Situation
darstellt, sehr gerne die Bundeshandelskammer oder zumindestens
Teile dieser Organisation in der Öffentlichkeit von ihren einver-
nehmlich gefassten Präsidial-, resp. Vorstandsbeschlüssen abweichen.
Bezüglich der Schuhe habe ich Steiger auf Giglinger verwiesen, der
ja als Konsulent für die Schuhindustrie tätig ist. Am meisten hat
mich verwundert, dass Steiger mit Giglinger bis jetzt überhaupt noch
keinen Kontakt genommen hat; unwahrscheinlich, wie schlecht noch
immer die Koordination innerhalb unseres Hauses funktioniert.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER UND PLESCH: Bitte die Koordination verbessern,
damit unser Haus einheitliche Stellungnahmen abgibt.
Ing. Szebo, ein tschechischer Flüchtling aus der Prager Frühlingszeit,
hat mit seiner Frau ein Haus in Zistersdorf gekauft und möchte dort
ein Restaurant, Hotel usw. eröffnen. Da ihm Koll. Reim vor Jahren
behilflich war, ohne eine Prüfung ablegen zu müssen und auch keine
entsprechenden Praxisjahre zu haben, eine Konzession für eine Kantine
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in Schwechat zu bekommen, glaubte er jetzt müsste dies auch für
das Restaurant und den Hotelbetrieb gehen. Seine Frau ist Ärztin,
er Dipl.Ing., beide sicherlich sehr tüchtige Leute, haben bei mir
interveniert in der Hoffnung, der Minister kann alles anschaffen.
Min.Rat Kinscher hat mir dann allerdings schlüssig nachgewiesen,
dass lt. Gewerbeordnung und ein Gesetz kann auch ein Minister
nicht umgehen, er notwendigerweise eine Prüfung durchführen müsste.
Da er sich in NÖ sehr benachteiligt fühlt, hätte Kinscher vermittelt,
dass er in Wien schon nach 3 Monaten zu einer solchen Prüfung
antreten könnte. Szebo war aber so verbittert, dass er ohne nur diese
Möglichkeit in Betracht zu ziehen sofort weglief. Koll. Reim
wird mit ihm diesen Fall neuerdings besprechen. Ich selbst, muss
gestehen, war auch einigermassen verwundert, dass die höchsten und
besten Ausbildungen branchenfremd nichts nützen, um gewisse Tätig-
keiten im Gast- und Schankgewerbe ausüben zu können. Mit Recht
hat Kinscher aber gesagt, selbst der Minister könnte nicht ohne eine
Prüfung, wo er eben die Fähigkeiten für Gast- und Schankgewerbe
nachweisen muss, eine solche Konzession erhalten. Vielleicht hat
Szebo noch immer den Eindruck, auch in einer Demokratie kann der
Minister alles, wie er es wahrscheinlich in der CSSR beobachtet hat
oder dort zutrifft. Gott sei Dank ist dies bei uns in Österreich
nicht möglich.
Dr. Lachs möchte jetzt nach seinem Israel-Besuch das Problem der
Ölmühle, wenn notwendig, selbst in die Hand nehmen. Er könnte
dies, weil der jetzige Vertreter Dir. Seda in der Gesellschaft
Olioprot in absehbarer Zeit in Pension gehen wird. Für die
Produktionsbetriebe wird dann der jetzige obersteirische Genossen-
schafter Baumgartler im Vorstand zuständig sein, doch kann Lachs,
da er für die Planung ebenfalls zuständig ist, zumindestens solange
dieser Betrieb nicht errichtet ist, diese Kompetenz an sich reissen.
Lachs hat in Tel Aviv festgestellt, dass die der Histadrut gehörende
grosse Industriekomplex Koor mit seiner Maschinenfabrik die Anlage
für Eisenberg machen würde. Der Generaldirektor der Holding, Blumenthal
möchte natürlich unbedingt diesen Auftrag bekommen. Lachs fürchtet
nun, dass wenn die Unilever in die Gesellschaft wegen Errichtung
einer Ölmühle einsteigt, dann dieses Lurgi-Verfahren, wie es die
Unilever hat und die deutschen Maschinen gekauft werden müssen.
Lachs sieht andererseits ein, dass schon allein wegen des Absatzes
der Mühle Unilever unbedingt mit eingebunden werden muss, weil
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ansonsten früher oder später die ganze Ölmühlengesellschaft
in grösste Schwierigkeiten kommen würde. Der Vertreter der
Histadrut Holding Koor ist in Österreich Gen.Dir. Berg, der die
Firma Electic vertritt. Lachs wird mit ihm auf meinen Wunsch
die Möglichkeiten, wie österr. Firmen mit Israel bessere Geschäfte
machen können, ohne auf die arabische Boykottliste zu kommen,
besprechen.
Herr Keyl, der Autodiskonter, der bis jetzt französische Autos
Peugeot, Renault, Citroen um bis zu 20 % billiger abgeben konnte,
beschwerte sich bei mir, dass es jetzt heisst, er bekommt von
der SPÖ entsprechende finanzielle Unterstützung. Ich beruhigte ihn
sofort, dass dieses Gerücht sicherlich niemand glaubt. Für sein Ge-
schäft kann dies sogar nur günstig sein, denn wenn Käufer Bedenken
haben, so dass.er vielleicht doch nicht die Autos zu den versprochenen
billigen Preisen liefern kann. Bis jetzt hat er 100 Stück ausge-
liefert und macht einen durchschnittlichen Gewinn trotz der
Diskontpreise von 15.000 S je Stück. Keyl hat mir gegenüber sofort
zugegeben, dass er mit seiner jetzigen Firma in Zwangsausgleich
gehen muss, deshalb hat er bereits eine neue mit dem stillen Teil-
habe Ringhofer geschaffen. Die Autos bekommt er über Filialbetriebe
der französischen Mutterwerke, wobei er mir gegenüber streng ver-
traulich erklärte, er muss 2 % Provision an Vorstandsdirektoren
bezahlen. Was mich meisten dabei überraschte war, dass er erklärt,
in der nächsten Zeit wird er auch bei BMW, Audi und Mercedes
dieselbe Politik machen können.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Halte Kontakt, damit wir über die weitere
Entwicklung frühzeitig informiert werden.
Dr. Roden, der Leiter des Lehrlingsheimes der Arbeiterkammer
wird jetzt in der Wochenpresse bereits mit einem dritten Artikel
hart attackiert. Angeblich ist er homosexuell und schlägt die
Jugendlichen. Er schwört mir, dass dies nicht der Fall ist und
ich muss eigentlich auch zugestehen, dass ich sie während der
langen Zeit, wo ich Kammeramtsdirektor war, niemals diesbezüglich
irgendwelche Beschwerden gehört habe. Eine diesbezügliche Diszi-
plinaruntersuchung, die er gegen sich angestrengt hat, ist vollkommen
negativ verlaufen. Die Wochenpresse schildert aber Vorgänge wesentlich
anders als sich gewesen sind. Ein Pamphlet einer Gruppe, die scheinbar
auch die Informanten der Wochenpresse sind, wurde jetzt von der
AK geklagt. Solange dieses Gerichtsverfahren aber nicht abgeschlossen
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ist, kann auch das Disziplinarverfahren nicht abgeschlossen
werden. Sowohl Wais als auch mir ist unerklärlich, was hinter
dieser Kampagne stecken soll. Roden ist ein viel zu unbedeutender
Mann, um von der Wochenpresse eine so grosse Aktion zu rechtfertigen.
Roden war in Tränen aufgelöst, weil seine ganze Familie, und das
kann ich gut verstehen furchtbar unter dieser Zeitungskampagne
leidet.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte recherchiere, was hier wirklich los ist.
Bei der Eröffnung der Lagerhalle der Fa. Eckes in Traiskirchen
lernte ich auch den deutschen Besitzer Ludwig Eckes kennen. Dieser
deutsche grosse Konzern, über 3.000 Beschäftigte, hat vor 14 Jahren
die Firma hier gegründet und wie er mir sagte, Jahr für Jahr
nur Geld zugelegt. Dies ist mir vollkommen unerklärlich, denn
Eckes erzeugt lauter Qualitätsprodukte und dürfte nach Aussage
des Betriebsrates und auch des neuen Geschäftsführers, Kom.Rat
Kantor, auf die schlechte Leitung zurückzuführen sein. Dies war
der Grund, dass Eckes sich jetzt mit der Fa. Kantor & Öhler
fusioniert hat, Komm.Rat Kantor hat bis jetzt grosse Schwierig-
keiten gehabt, die finanziellen Mittel für seine Firma zu bekommen.
Er dürfte sehr geschäftstüchtig sein, denn in kürzester Zeit
hat er bei Eckes nicht nur die Halle gebaut – 20 Mill. S investiert –
sondern auch die gesamte Reorganisation des Betriebes durchgeführt.
Eckes ist fest davon überzeugt, dass es jetzt in Österreich
besser gehen wird. Bei seiner Ansprache erklärte er auch, dass
die Politik Eckes weltweit und er hat von Südamerika, Mittelamerika
Afrika bis Europa überall Betriebe, irgendwo Gewinne nach Deutschland
transferiert. Da er ununterbrochen bis jetzt Verluste gehabt
hat, sagte er auch, er würde gerne in Österreich Steuer zahlen,
damit die Gemeinde Traiskirchen aber auch der Bund entsprechend
mehr Einnahmen hätte, die dieser ja auch dringendst braucht.
Eine solche Aussage kann ich mir sehr gut vorstellen wenn ein
Verlustbetrieb immer Geld zuschiessen muss statt dass er doch
einen gewissen Gewinn macht, selbst wenn de Finanzminister
dann daran mit 70 % partizipiert. Was mich bei dieser Feier
sehr gestört hat, war, dass man zuerst einmal nicht einmal
die Gewerkschaft eingeladen hat, ich habe allerdings dann den
Sekr. Schuster sofort mit mir mitgenommen und dass man dann den Betrieb
nicht abgestellt hat sondern nur bei den geladenen Gästen die
Ansprache und Feier gehalten hat. Ebenso wurde die Brettljause
im Freien sozusagen nur unter den Gästen gegeben. Der Firmeninhaber
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Eckes hat zwar mir gegenüber dann geäussert, er hätte sich
niemals gedacht, dass ein Minister so leutselig sein kann,
so eine humorvolle Ansprache hält, obwohl ich ihm einiges
durch die Blume gesagt habe, doch bin ich selbstverständlich
dann nach den Ansprachen gleich gegangen. Ich bin überzeugt,
dass unser Sekretär Schuster nicht zuletzt durch die Verbindung,
die ich ihm jetzt geschaffen habe, in kürzester Zeit in diesem
Betrieb einiges ändern wird. Wieder einmal mehr zeigte sich,
dass eine gewerkschaftliche Organisation und vor allem einmal
auch der Betriebsrat in einem Verlustbetrieb sehr gehandikapt
ist. Alle mussten durch um die 60 Arbeitsplätze dort ständig zittern
niemand hat sich richtiggehend getraut irgend etwas zu tun und
einmal mehr hat sich bewiesen, nur gesunde Betriebe geben jeder-
mann die Möglichkeit, eine gesunde Politik in jeder Beziehung zu
machen.
Präs. Sallinger hat mich angerufen, um zu intervenieren, damit
die Lohnverhandlungen für die Brauereiarbeiter in einem vernünftigen
Ausmass abgeschlossen werden können resp. sollen. Unternehmer
sind bereit maximal 7 % zu geben, die Gewerkschaft ist von
einer fast 10 %-igen Forderung auf 8 % zurückgegangen. Scheinbar
stockt man jetzt vollkommen und ich erklärte mich selbst-
verständlich bereit, wenn man an mich herantritt, eine diesbezüg-
liche Vermittlungsversuch zu unternehmen. Die Lohnverhandlungen
in der nächsten Zeit werden für alle Gewerkschaften aber auch
natürlich für uns Lebensmittelarbeiter immer schwieriger werden.
Jederorts hört man, dass die Löhne zu hoch sind und daher jetzt
die Forderungen zurückgesteckt werden müssen. Maximal könnte
die Inflationsrat abgegolten werden. Von den unmöglichsten Stellen
hört man einzelne Vertrete fordern die überhöhten Wünsche der
Arbeiter müssten jetzt im Interesse der gesamten Wirtschaft
und der Sicherung des Wirtschaftswachstums zurückgeschraubt
werden. Die Forderungen seien immer schon zu hoch gewesen, aber
jetzt seien sie unerträglich, weil auch viele andere, ins-
besondere der Finanzminister zur Sanierung der Staatsfinanzen
immer mehr den Unternehmern wegnimmt. Gerade die Arbeiterschaft müsste
einsehen, dass es bei der Sicherung ihres Arbeitsplatzes darum geht,
den Bogen nicht zu überspannen. Ich glaube, dass alle diese
Theorien wirkliche nur Theorien sind und bleiben werden. In der
Praxis sieht dies nämlich ein wenig anders aus. Einzelne Betriebe
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und Branchen habe eine verhältnismässig gute Konjunktur.
Die Arbeiter könnten und würden nicht verstehen, wenn man
dort ihre berechtigten Forderungen nicht berücksichtigt. Das
wirkliche Problem sehe ich vor allem darin, dass die Leistungen
der einzelnen Beschäftigten und dies beginnt primär bei den
Beamten und Angestellten, immer geringer werden. Die Arbeiter
sehen, wie ein immer grösserer Verwaltungsapparat entsteht, den
sie mehr oder minder natürlich mit erhalten müssen. Der Baraber
sagt mit Recht, ich muss schuften und der andere führt ein herr-
liches Leben. Noch dazu hört er dann, wie dort entsprechend
nicht nur hohe Gehälter sondern sogar entsprechend viele Gehälter
ausbezahlt werden. Dadurch entsteht eine sehr grosse Unzufrieden-
heit. Kreisky dürfte dies auch spüren, weshalb er die Idee hat,
dass die Minister und Landeshauptleute, die ja ebenfalls im Ge-
haltsgesetz ihren Bezug geregelt haben, nicht mehr den vollen
Betrag, den die Gewerkschaft für den öffentlichen Dienst ausge-
handelt hat, bekommen sollen. Hier wird er im Herbst ein Gesetz
einbringen müssen, welches für diese Spitzenverdiener eine
entsprechende Reduzierung vorsieht. Dies Ganze wird ihm aber
nicht sehr viel nützen, wenn gleichzeitig, wie jetzt im Auf-
sichtsrat der ÖIAG beschlossen wurde, für die Manager 17 Ge-
hälter bezahlt werden. Vorstandsdirektor Grünwald hat mir ver-
sichert, es gibt in der Verstaatlichten Industrie einzelne
Fälle, wo bis zu 20 Gehälter bezahlt wurden. Gleichzeitig
meinte er, dass ja auch in der Elektrizitätswirtschaft so
etwas existiert. Hier irrt er, denn dort habe ich zwar vorgefunden,
dass ebenfalls 17 Gehälter bezahlt werden, doch eine Ausnahme
darüber gibt es nur bei den Sondergesellschaften, die dann bei
Abschluss von grossen Kraftwerksbauten auch eine Bauprämie in
Form eines Monatsgehaltes bezahlen. Dies ist so alle 3, 4 oder 5
Jahre einmal der Fall. Auch dieses System halte ich für voll-
kommen falsch, doch wird es mir kaum gelingen, es wesentlich
zu ändern, da diese Bauprämien auf die ganze Belegschaft zumindestens
zum Teil ausbezahlt werden, sind die Betriebsräte natürlich davon nicht
abzubringen. Kreisky hätte jetzt im Herbst eine gute Gelegenheit,
wenn er dieses System tatsächlich bei den Höherverdienern nicht
nur stoppen sondern auch ändern will, mit einem Gesetzesbeschluss
eine solche Änderung herbeizuführen. Ohne Gesetz wird sich dies
nicht machen lassen, weil nicht nur die Betriebsräte dafür sind
sondern das Gewohnheitsrecht einen rechtlichen Anspruch der einzelner
begründet.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte lass dieses Problem von diesem
Gesichtspunkt aus noch einmal prüfen.
Tagesprogramm, 23.8.1977