Dienstag, 11. Oktober 1977
Botschafter Schmid aus Jakarta berichtet mir, dass das Zellulose-
projekt 300 Mill. $ fast 5 Mia. S jetzt durch eine feasibility study
durch die Finnen und Austroplan vorbereitet werden soll. Eine Entwicklungs-
hilfe finanzierte Vorstudie hat 4 Mill. S gekostet, die feasibility
study wird nicht viel weniger kosten. Dieses Projekt können wir aber
nach Meinung von Botschafter Schmid nur dann bekommen, wenn ein
joint venture mit einem Kapital von 90 bis 100 Mill. $ entsteht.
Österreich müsste nicht die Hälfte, wohl aber 10 Mill. $ aufbringen.
Die VÖEST hat sich bereiterklärt, 3 Mill. $ beizutragen, wenn sie
die technische Einrichtung, die ca. 100 Mill. $ kostet bekommt.
Die Überlegung Apfalters ist, diese 3 Mill. mindestens verdiene ich
dabei, ich nehm sie nicht heraus, ich lass sie in Indonesien. Schmid
hofft, dass sich die Papierindustrie beteiligt und meint, mit Hilfe
der Starthilfe insgesamt aber nur 4 Mill. S angeblich im Budget des
Bundeskanzlers ebenfalls sich daran beteiligt. Schmid ersucht mich,
dass ich wenn das Projekt konkret wird, unbedingt nach Indonesien
kommen soll. Bundespräsident Kirchschläger, der auch beabsichtigt hat,
nach Jakarta zu reisen, dürfte jetzt diesen Plan endgültig
fallengelassen haben. Schmid wird mit Meisl, den ich zu der Sitzung
gebeten habe, die weiteren Details besprechen. Wenn ich überhaupt nach
Jakarta fahre, dann höchstens im nächsten Jahr bei der Asienreise und
bei der Unterzeichnung der Verträge in Korea und Vietnam.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte besprich das weitere mit Meisl.
Gen.Dir. Vockenhuber kommt mich besuchen, um festzustellen, dass er
die Industriellenvereinigung oder sonst irgendjemanden nicht er-
mächtigt hat in seinem Namen für seine Produkte derartige Erklärungen
abzugeben, dass der neue Mehrwertsteuersatz für ihn verheerend sei.
Enttäuscht war er nur, dass niemand mit ihm vorher gesprochen hat
und dass man ihn als österreichische Firma schlechter behandelt hat
als die internationalen Konzerne, die Farbfernseher erzeugen. Ich
erklärte ihm, dass dort der Exportanteil 1/3 ist, währenddem er ja
mit seinen Produkten 92 % exportiert. Vockenhuber hat jetzt in Europa
für die Projektoren ca. 50 % in jedem Land schon Marktanteil. Die wirk-
liche Gefahr, die ersieht, ist, dass Retorsionmassnahmen von anderen
Staaten ergriffen werden und er dort ebenfalls unter eine Luxussteuer
fallen würde. Die Schmalfilm-, also Kamera-Produktion geht zurück, er
selbst muss sich immer in höherklassige Projekte und Produkte hinauf-
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handeln. Die billigen machen jetzt ausschliesslich die Japaner.
Sein neuer Hi-Fi-Recorder wird um 11.000 S exportiert werden, aber
im Inland 25.000 S kosten. Da er eine neue Schwungräderlösung gefunden
hat, wird dieses Instrument unerreicht sein. 10.000 Stück wird er
jetzt einmal pro Jahr produzieren. Von seinen 100 Mill. S Entwick-
lungsforschungsaufwendungen kriegt er von den Forschungsfonds maximal
5 Mill. S. Netto verbleiben ihm davon durch die Besteuerung ca.
1 Mill. Mit den höherwertigen und interessanten Erfindungen möchte
er gar nicht mehr in den Forschungsfonds gehen, weil dort die Konkurrenz,
Philips usw., die auch drinnensitzen, nur seine Tendenz erkennen. Er
ersucht mich, zu prüfen, ob nicht auch von der Steuer inländische
Lizenzen abgesetzt werden könnten und auf diese Weise die Entwick-
lung und Forschung gefördert werden kann. Vor dem Ministerrat
spreche ich mit Dr. Auracher vom Büro Androsch, dem ich dieses Projekt
vortrage. Auracher verspricht mir, wenn wir ihm entsprechende
Unterlagen vom Patentamt zur Verfügung stellen, dies genau prüfen zu
lassen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER Bitte mit Leberl die ganze Angelegenheit
besprechen.
Im Ministerrat kommt es bei der neuerlichen Rückstellung des
Kernenergieberichtes zur Diskussion über die Inbetriebnahme des
Kernkraftwerkes, ich erklärte dezidiert, dass ich kein endgültiges
Datum nennen kann, doch die von Kreisky gewünschte Frage der Endla-
gerung des Mülls vorbereitet wird. Auf der einen Seite die Ver-
handlungen mit dem Iran und der Versuch mit anderen Staaten zu
einer Lösung zu kommen, auf der anderen Seite die Bemühungen der
Gesellschaft Grundstücke, die angeboten wurden jetzt zu untersuchen,
allerdings nur mit Genehmigung der Gemeinden. Die ersten Bohrver-
suche und Untersuchungen in Allentsteig wurden ohne Gemeindegeneh-
migung durchgeführt und haben zu entsprechenden Beschwerden geführt.
Kreisky hört sich das an und brummt dann: also er geschieht de facto
nichts, was zu einer absehbaren Lösung des Problems führe.
Nach dem Ministerrat macht mich Lanc darauf aufmerksam, dass er
als Sicherheitsminister nicht beabsichtigt, den Transport der
Brennstäbe über die Strasse zu genehmigen. Er fürchtet, dass dann
die Atomgegner ständig die Strassen besetzen und ständige Unruhe dadurch
entsteht. Lanc möchte überhaupt, dass die Stäbe erst hereinkommen,
wenn die Diskussion im Parlament abgeführt ist. Ich erkläre ihm
sofort, dies sei unmöglich, denn es war immer nur die Rede davon,
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dass die Inbetriebnahme des Kernkraftwerkes nicht vor der
Debatte erfolgen dürfe. Wenn Lanc die Stäbe über die Donau geliefert
haben möchte, dann müsse man sofort sowohl mit dem Gesundheits-
ministerium sprechen, damit es die entsprechenden Auflagen erteilt
als auch mit der GKT.
ANMERKUNG FÜR FRANK UND WAIS: Bitte diese Variante sofort unter-
suchen lassen.
Broda berichtet über die Stilllegung von Bezirksgerichten. Insgesamt
sind es 24 bis jetzt, das sind ca. 10 %, die mit Zustimmung der
Landesregierung erfolgen muss. Mit NÖ und OÖ gibt es erfolgreiche
Gespräche, strikt abgelehnt hat bis jetzt nur der alte und
der neue Landeshauptmann von Salzburg.
Kreisky bedankt sich für den Briefentwurf an Kossygin, doch will
er dies nicht schriftlich erledigen. Er wird sich deshalb den sowje-
tischen Botschafter kommen lassen. Von mir möchte er nun konkrete
Unterlagen über die Entwicklung des sowjetischen Handels und welche
konkreten Lieferwünsche Österreich hätte.
ANMERKUNG FÜR MEISL UND HAFFNER: Fälbl soll sofort eine Information
für Montag zusammenstellen.
Weissenberg berichtet über die Arbeitsmarktlage, seiner Über-
zeugung nach ist sie besonders günstig, insbesondere in Ober-
österreich, die Arbeitslosigkeit ist rein saisonal. Kreisky
vertritt nach wie vor die Meinung, dass in der nächsten Zeit ein
ungeheures Beschäftigungsproblem entstehen wird. Er ist von der
Krise in Westeuropa fest überzeugt.
Eine Ministerratsnachbesprechung beruft er ein, um sich mit dem
Kienzl -Interview im Kurier auseinanderzusetzen. Vor dem Sommer
hätte ihm das Notenbankdirektorium berichtet, vage Aussagen gemacht
und sich beunruhigt gezeigt wegen der Bankensituation. Im September
hätte er von Kienzl einen Brief bekommen, dass die ganze Lage nicht
beunruhigend sei. Dann kamen die Tata-Nachrichten von Kienzl
durch Spiegel, Profil- und jetzt Kurier-Interview. In der OeNB sei
er nie anzutreffen und man hätte dort sogar die Mehrheit der
Betriebsratswahlen verloren. Nichts hätte die OeNB getan, um den
Devisenabfluss zu verhindern, nichts tut sie, um die Fristen-
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transformation der Banken einzuschränken, Behauptungen werden
aufgestellt, wie dass wir keine Regionalpolitik betrieben haben,
ausser Aichfeld, die Stahlkonzentration, die Bergwerksschliessung
jetzt in der Steiermark und Voitsberg III, die Juniorwerke
Lösung mit Renault, die ganzen Aktionen im Grenzland und Burgen-
land, all das vergisst er oder will er nicht erkennen. In seiner
stadtbekannten Geschwätzigkeit urteilt er über etwas, was er
nicht versteht. Jetzt behauptet er, der Finanzminister sie am
Ball, seine seinerzeit vorgeschlagenen 12 Massnahmen, wo nur
eine zu verwirklichen war, lagen total daneben. Jetzt möchte
er eine Deflationspolitik betrieben, wie sie Schmidt in
Deutschland machte und welche nichts nützte. Androsch ergänzte,
dass die OeNB und der Kreditapparat jetzt bei ihm waren, um zu fra-
gen, wie sie eigentlich die Liquiditätsfrage lösen könnten,
ohne auch nur eine Vorschlag zu bringen. Beide waren also
sehr verärgert und Kreisky meinte, es müsse ein Minimum an
Zusammenarbeit geben und er wird heute in der Fraktion des ÖGB
über dieses Problem sprechen, denn dies sei die einzige Stelle,
wo er noch zur Verantwortung gezogen werden kann, nachdem
eine Aussprache in der Partei keine befriedigende Lösung zeigte.
Staatssekretär Nussbaumer als Jüngster, wie er meinte, möchte
und ich glaube, er hat damit gemeint das Problem entschärfen zu
können oder zumindestens die Laune Kreiskys ein wenig zu
heben, ihm zu seinem Namenstag gratulieren.
In der ÖGB-Fraktion hat Kreisky dann einleitend darauf verwiesen,
dass er über die Durchführungsproblematik des Paketes sprechen
möchte. Die Sozialversicherung ist eine gute Lösung, auch die
Transitsteuer-. Schwierig wird es mit den PKWs, denn der
30 %-ige Mehrwertsteuersatz natürlich veranlassen wird, bei
allen davon betroffenen Produkten die Steuer zu hinterziehen.
Und die Aufgabe wird in Zukunft sein, zu prüfen, wo sinnvolle
öffentlich vertretbare Investitionen in gewissen Gebieten möglich
sind, um die lang vorhergesagte und jetzt erwartete und einge-
tretene Krise mit einem umfassenden Überblick zu bekämpfen. Wo
gibt es ein Investitionsprogramm der Wirtschaft, das nicht
letzten Endes finanziert wurde und vom Staat entsprechend unter-
stützt. Dann griff er, zwar mit anderen Worten und nicht so scharf
wie in der Ministerratsnachbesprechung Kienzl frontal an.
Kienzl erwiderte, wie ich Kreisky auch schon versuchte habe
zu erklären, dass die Reporterin Palme etwas anderes schrieb, als
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sie mit ihm besprochen hat. Über die Industriefinanzierung, den
sogenannten Industriefonds wurde er gefragt nach der Regierungsklausur,
wie das weitergehen soll und er meinte nur, dies bearbeitet der
Finanzminister. In dem Brief, den Kreisky immer wieder heranzieht,
hätte er ihm nur gesagt, es wären 200 Mia. S Reserve vorhanden.
Der Brief sei mehr lustig gehalten, denn er hätte für alles Bibel-
Zitate verwendet, die er dann gleich wieder rezitierte. In Frankreich
ist es jetzt besser, in Grossbritannien wird die Ölproduktion
sich auswirken und in Deutschland wird man jetzt auch Konjunktur-
politik machen, sodass man nur die Kreditbremse seit Mai in
Österreich ziehen muss, um die Restriktion zu erreichen aber
keinesfalls eine restriktive Politik zu machen. Die Zukunft sei
nur von der Liquiditätsfrage bestimmt und hier müsse eben die
Bremse gezogen werden. Jeden Dirigismus, Depotgebühren, was Kreisky
ja wollte und scheinbar Androsch aber auch die OeNB ablehnte,
Devisenbeschränkungen für Auslandsreisen können nicht funktionieren,
weil sie nicht zu kontrollieren seien. Ein Lohn- und Preisstopp
sei unmöglich, man müsse nu trachten durch Energiesparen und
sonstige Massnahmen, die er immer wieder schon predigte die Zahlungs-
bilanzsituation zu verbessern. Wirklich entscheidend aber war, als
sich dann Benya meldete und Kienzl zu entschuldigen begann. Er
meinte, dass dieser schon vor Jahren auf die Lohnpolitik hingewie-
sen hätte und dafür Kritik einheimste. Er könne sich leicht machen,
indem er sich zurückzieht und nur als Generalrat im OeNB-Kuratorium
redet So aber zeigt er auf, was notwendig ist und ist damit
Zielscheibe aller Kritik. Natürlich sollte man aufhören mit den
Diskussionen aber das gilt allgemein. Broda kommt jetzt wieder mit
der Umerziehung der Verbrecher, wo alle die Todesstrafe wollen.
Staribacher wieder, ohne dass ich ihn kritisieren möchte, erzählt
im Fernsehen, das Kraftwerk Tullnerfeld geht erst 1979 in Betrieb,
obwohl der ÖGB sich dafür einsetzt, dass so schnell als möglich
der Betrieb aufgenommen wird. Kreisky meldete sich neuerdings und
meinte, dass Palme nicht allein schuld sein kann, denn immerhin
gibt es jetzt Aussagen im Spiegel, im Profil und jetzt in der
Kronenzeitung und immer wieder heisst es dann, der Redakteur hat
falsch berichtet. Ich selbst habe mich auch sofort gemeldet und
Benya erklärt ich könnte nirgends garantieren, dass 1978 tat-
sächlich der Betrieb aufgenommen werden kann. Deshalb erkläre
ich immer, dass ich mich sehr bemühe, wenn die entsprechenden
-Sicherheitsbestimmungen eingehalten sind und im Parlament dann
die Zwischenlagerung gelöst ist, der Betrieb aufgenommen werden kann.
Ich fürchte, dass die im Jahre 1979 erst der Fall sein wird und
man sich dann wirklich den Zeitpunkt des Betriebsbeginnes genau
überlegen muss. Von den Privatangestellten Braun und Grete
Berger haben in einem Zwischenruf gesagt, dass sie diese Aussage
auch im Fernsehen von mir so dargestellt wurde. Benya erklärte,
er hätte nicht das Ganze gesehen und vielleicht eben nur gerade
einen Teil aufgeschnappt, wo über 1979 Beginn dezidiert etwas
gesagt wurde. Kreisky wieder meinte dann, wenn das Kraftwerk fertig
ist, soll es in Betrieb gehen, ganz unabhängig, wann die Wahlen
sind. Ich bin ja sehr gespannt, wie er sich aus den Fesseln, näm-
lich zuerst muss die Endlagerung endgültig geklärt sein, lösen
wird, wenn das Kraftwerk dann wirklich betriebsbereit wäre. Derzeit
haben wir nur das ungeheure Glück, dass die Baugesellschaft nicht
schneller weiterkommt und die Termine nicht einhalten kann. Nicht
einmal über die Anlieferung der Brennstäbe besteht eine einheitliche
Meinung. Lanc meint, dies sei schon die erste Etappe der Inbetriebnahme
wie sie übrigens auch die Atomgegner immer wieder behaupten.
Kreisky selbst hat sich auch vor nicht allzu langer Zeit dieser
Meinung angeschlossen gehabt.
In der Fraktion musste ich dann über die administrativen Massnahmen
insbesondere auf dem Lebensmittel-, Textil- und Elektrosektor referier
Der Bericht wurde zur Kenntnis genommen, Hofstetter bemerkte nur,
ich müsste dafür sorgen, dass daraus nicht wesentliche Ver-
teuerungen entstehen. Die Preisüberwachung insbesondere über
die Spannen müsste entsprechend verstärkt werden.
Im VKI eröffnete ich die Ausstellung Sonnenenergie und richtig
heizen. Diese Ausstellung im Einvernehmen mit dem Fachverband
für Metallverarbeitung gibt einen guten Überblick. Koppe meinte
aber mit Recht, man müsse schauen, dass nicht die Geschäftsmacher
sondern jetzt die seriösen Geschäftsleute zum Zuge kommen. Fachver-
bandvorsteher Dr. Warnecke erklärte, sie werden jetzt prüfen,
wo Produktionsmöglichkeiten in Österreich sind, um die Metall-
warenimporte auch ein wenig zu verkleinern. Nach der Eröffnung hat
Koppe und Dr. Mayer vom Fachverband mit mir das Problem der
Qualitätszeichen Normung besprochen. Für gewisse Produkte gibt
es Prüfungsrichtlinien, die Frage ist nur, kann man auch einen
Weg finden für Qualitätszeichen, so keine Richtlinien bestehen,
wo allerdings Prüfungsanstalten die Qualität bestätigen. Ich
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hatte nur ein Bedenken, dass dadurch zweierlei Qualitätszei-
chenbestimmungen existieren würden. Die einen auf Grund von
Richtlinien und die anderen nur auf Grund von irgendwelchen
Prüfungen von Untersuchungsanstalten. Es dürfte nicht zu einer
Qualitätsklassifizierung des Qualitätszeichens kommen.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Wo bleibt die neue gesetzliche Regelung über
Qualitätszeichen nachdem die 42-er Gesetzesgrundlage dubios ist?
Präs. Minkowitsch und Lehner hatten am 28. September eine Vor-
sprache bei Kreisky, dort scheinbar dann vereinbart, mit Haiden,
Finanzminister und mir die Gespräche fortzusetzen. Der Finanz-
minister war entschuldigt und Minkowitsch meinte, es gäbe
längerfristige Vereinbarungen mit Absatzstrategie, die jetzt
vom Landwirtschaftsminister nicht eingehalten wurden. Es geht
in Wirklich um die Frage der Viehstützung. In den letzten Jahren
wurden dafür durchschnittlich 500 Mill. S, das ist das 5 – 10-fache
der ÖVP-Zeit aufgewendet. Haiden hat nun nicht das Geld vom
Finanzminister bekommen und betreibt daher eine bessere
Strategie. Senkung der Abschöpfung innerhalb der EG um
17.– S, Subventionskürzung um 12 S. Ein gutes Geschäft für
Österreich und sogar noch für Exportmöglichkeiten 5.– S für den
Handel oder für die Bauern. Tatsächlich stellt man nun aber, wo
die EG-Richtpreise von 22.– bis 23.– S erwartet und festgelegt
hat, um 18.– S Vieh an die Grenze. Damit werden die Genossen-
schaften und der private Handel das ganze Gefüge wieder zusammen
schlagen. Nach langer Debatte einigte man sich, dass zwar nach
Libyen keine zusätzliche Stützung mehr jetzt gezahlt wird, dafür
aber für Lieferungen an den Vatikan das Landwirtschaftsmini-
ster prüfen wird. Haiden hat mir beim Hinausgehen gesagt und
dafür habe ich volles Verständnis, er möchte nicht haben,
dass immer mit jeder Angelegenheit die Bauern zum Bundeskanzler
laufen. Sie müssen sich daran gewöhnen, dass sie mit ihm ver-
handeln und dass er eben mit den Stützungen und Subventionen
Agrarpolitik betreiben möchte.
Eine weitere wichtige Frage war die Erstellung der Prüfungs-
kommission. Staatssekretär Schober hat im Pressefoyer
schon angekündigt, dass der Bauernbund jetzt ja gesprächsbereit
sei und eine diesbezügliche Einigung bevorsteht. Tatsächlich
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möchten die Bauern jetzt einer Prüfungskommission bundesweit
zustimmen, wobei die Zusammensetzung so erfolgen soll, wie
in den Bauernkammern Delegierte sind. Nach längerem Hin und
Her über die Äusserung des Staatssekretärs waren weder Kreisky
noch Haiden glücklich, Staatssekretäre haben eben ein schweres Los,
einigte man sich darauf, dass man über dieses Problem sehr
konkret weiterverhandeln wird und zu einem Schluss kommen sollte.
Als Minkowitsch auf eine Bemerkung Kreiskys, dass ich z.B. der
beste Vertreter der Handelskammer in der Regierung darauf hin-
weist, dies wünsche er sich auch auf dem Landwirtschaftssektor,
erwiderte ich, dann müsse das Verhältnis zwischen der Bauernkammer
und dem Landwirtschaftsminister ganz anders sein. Bei meinem Jour
fixe mit der Handelskammer habe das letzte ich mich über eine
Belangsendung, die marktschreierisch war, beschwert und Sallinger
selbst wird dies sofort entsprechend korrigieren, da er für diese
Methode nichts übrig hat. Haiden bedankte sich nachher unter
vier Augen bei mir, weil ich ihn in dieser Beziehung immer sehr
unterstütze.
Minkowitsch selbst behauptete, dass im letzten halben Jahr die Einfuhr
von Lebensmitteln von 5,3 Mia. auf 4,7 Mia. gestiegen sei. Ein Brief,
den er an Leodolter geschrieben hat, wurde von dieser überhaupt
nicht beantwortet. Zum Glück musste Lehner mir gegenüber zugeben,
dass er sehr wohl schon eine Antwort bekommen hat. Ich wies deshalb
die Angriffe Minkowitsch's besonders in Abwesenheit von Minister
Leodolter als unfair mit aller Entschiedenheit zurück. Kreisky
ersuchte mich ich sollte jetzt die ganze administrativen Mass-
nahmen, die auch von den Bauern gefordert werden, koordinierend
behandeln und endlich durchführen. Ich habe nach Rücksprache mit
Leodolter sofort eine Sitzung einberufen und bin sehr gespannt,
wie es dann mit der Durchführung funktionieren wird. Leodolter
braucht mehr Personal. Der Finanzminister muss zustimmen, dass
an den Grenzen die Kontrolle erfolgt. Die in meinem Haus
durchgeführten Besprechungen mit Jagoda, Schwarz, Singer, Jakadofsky
Patentamt, ergab, dass wir sehr wohl auf § 35 UWG eine Verordnung
erlassen können, die aber letzten Endes dann vom Finanzministerium
in Zolltarifpositionen umgemünzt und von ihm exekutiert werden
muss.
Kreisky fragte Minkowitsch und Lehner, ob sie sich an dem Sulfat-
zellstoffprojekt beteiligen würden. Minkowitsch sagte im Prinzip
ja, nur muss man die Rentabilität und Kalkulation genau prüfen.
Minkowitsch urgierte dann neuerdings das Ölmühlenprojekt.
Ich erklärte, dass jetzt Unilever und Olioprot an einem Tisch
sitzen, Kreisky möchte auch am liebsten, dass dieses Projekt
heuer noch verwirklicht wird.
Dir. Mailath-Pokorny von der Ankerbrot-Fabrik berichtet mir,
dass die Verlustsituation heuer und in den nächsten Jahren verheerend
ist und deshalb eine Lohnkürzung von 6 % vorgenommen werden
müsste. Meine Zusage ihm gegenüber erstreckt sich nur darauf,
dass ich mit den Betriebsräten reden werde.
Im Bezirksvorstand diskutierten wir das Massnahmenpaket und
Kritik wurde laut über die wenig Disziplin der Spitzenfunktionäre
und das Nichtdurchziehen von Aktionen. Disziplin und Aktivität
sind eben noch immer sehr gefragt.
Die Spielkasinoeröffnung in Baden war ein Rummel wie noch
nie. So viele Leute, kaum ein Platz, beim Essen ein Gedränge
und dann noch dazu eine furchtbar lange Rede vom Bürgermeister
eine mittlere vom Landeshauptmann und eine ganz kurze und damit
natürlich von allen heftigst beklatschte von mir.Bei dem
Eröffnungsspiel, bei mir die erste Kugel geworfen wieder auf
noir, nur vom Landeshauptmann und vom schwarzen Bürgermeister
Wallner rouge. Fast könnte ich philosophieren, die Sozi mit
ihrer Politik, beginnend bei der letzten Eröffnung in Salzburg
helfen den Schwarzen, die Mehrheit der Schwarzen aber durch ihre Po-
litik helfen den Roten. Zwei rot zu 1 schwarz gestern abends
war auch ein schönes Ergebnis.
Tagesprogramm, 11.10.1977
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
Tagesordnung 90. Ministerratssitzung, 11.10.1977
38_1186_03hs. Notizen (TO Ministerratssitzung Rückseite)