Dienstag, 18. Oktober 1977
Der südkoreanische Präsident der Handelskammer Tae Wan-son
ist auf Einladung Präs. Sallinger nach Wien gekommen und
beide statteten mir einen Informationsbesuch ab. Immer wieder
tauchte die Frage auf, wie Österreich in den letzten Jahrzehnten
diesen Aufschwung haben konnte und Sallinger war sichtlich erfreut,
von mir zu hören, dass die Sozialpartnerschaft daran den wesent-
lichsten Anteil hatte.
Im Klub hat mich Abg. Schranz neuerdings gefragt, was ich gegen
die Ausbeutemethode gewisser privater Altersheime zu unternehmen
gedenke. Vor Jahren bereits hat er diesbezüglich mit Würzl
verhandelt, das einzige, was ihm Sekt.Chef Jagoda zusagte, war
dass eine Verordnung auf Grund der Gewerbeordnung gegen diese
Auswüchse erlassen werden soll. Bis jetzt ist aber nichts ge-
schehen.
ANMERKUNG FÜR JAGODA: Bitte Abg. Schranz über den weiteren Fort-
gang informieren.
In der ersten Plenarsitzung kam der Integrationsbericht neben
der Staatssekretärsbestellung zur Sprache. Da eine Dringliche
Anfrage wegen der Zeitungsmeldungen in den ÖVP-Organen über
Währungs- und Geldmassnahmen vor der Diskussion über die
Staatssekretärsbestellung behandelt werden sollte, wurde diesmal
der Integrationsbericht ausnahmsweise intensivst beraten.
ÖVP-Abgeordneter Lanner hat wieder einmal, obwohl er die
Details sehr genau kennt, in demagogischer Art und Weise
versucht, der Regierung Untätigkeit vorzuwerfen. Deshalb
auch dann momentan die Ankündigung, eines Zwei-Stufen-Planes,
den er der Regierung empfiehlt. Meine grosse Erwartung wurde
aber bitter enttäuscht, denn das einzige was er vorschlug, war,
in Hinkunft soll sowohl der Landwirtschaftsminister, der
Aussenminister und auch ich nach Brüssel fahren und mit allen
neun österreichischen Botschaftern in den EG-Ländern in Brüssel
vorzusprechen. Diese Massenversammlung brächte überhaupt nichts.
Als Vorbereitung meinte er dann, wäre die erste Stufe in alle
neun Länder ebenfalls wieder alle 3 Minister mit den dortigen
Botschafter und selbstverständlich wahrscheinlich auch mit den
Beamten der Minister vorzusprechen, um bei den einzelnen
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Regierungen unsere Situation zu schildern. Ich antwortete ihm
daher sofort, dass mich dies an die ÖVP-Zeit erinnert, wo
ebenfalls immer drei Minister gefahren sind, weil einer auf den
anderen aufgepasst hat und das Ergebnis bekanntlicherweise
Null war. Wie ein Oppositionsabgeordneter der Regierung empfehlen
kann, recht viel zu reisen und dies mit grössten Gefolge ist mir
ein Rätsel.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte lass errechnen, was die Reisen der
drei Minister mit Beamten und den neun Botschaftern nach Brüssel
und vor allem auch die Rundreise durch die neun EG-Länder Haupt-
städte kosten würde.
In der Paritätischen Kommission hat Mussil mich angegriffen,
weil das Handelsministerium in die Kompetenz der Paritätischen
Kommission eingreifen möchte und wie er sagte der Handelskammer
eine Spannenregelung bei Importwaren oktroyieren will. Ich
stellte sofort richtig, dass im Zuge des Massnahmenpaketes
wo die Wünsche der Handelskammer im Detail jetzt verhandelt
und wie ich überzeugt bin auch grösstenteils abgeschlossen werden
die Arbeiterkammer und der ÖGB einen Forderungspunkt, nämlich
Einbeziehung der Handelsspannen auf importierte Waren in die
Paritätische Kommission verlangt. Über diesen Punkt muss
daher genauso verhandelt werden wie über die anderen Punkte, die
von der Handelskammer vorgeschlagen werden. Die Vertreter der
Handelskammer haben dann, nachdem Mussil schon weg war, bei
meiner Zusammenfassung am Schluss der Paritätischen Kommission
zugestimmt, dass selbstverständlich über alle Punkte verhandelt
werden muss. Insbesondere Präs. Igler hat dezidiert erklärt,
dass die Industrie an einer solchen Besprechung auch für diesen
Punkt sehr interessiert ist.
ANMERKUNG FÜR JAGODA UND PLESCH: Bitte die Sitzung neuerdings
einladen, das Farnleitner und Klose bei der Paritätischen Kom-
mission meine Entscheidung mehr oder minder zur Kenntnis genom-
men haben.
Zum Gespräch mit Frau Minister Leodolter über Ministeriengesetz
ist nicht nur diese gekommen sondern hat ihre drei Kronjuristen
Havlasek, Boblek und Schäfer mitgenommen. Letzterer entwickelte
folgende Kompetenzkonzeption: Die Länder sollen bei Verhand-
lungen über ihr Kompetenzforderungsprogramm als Gegenforderung
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des Bundes für das Gesundheitsministerium die Lärm- und Luft-
kompetenz dem Ministerium abtreten. Bei Lärm haben sie nur mehr
Baulärm und Schallschutz, bei Luft nur mehr die Reinhaltung
des Hausbrandes. Alles andere liegt in Bundeskompetenzen allerdings
nicht im Gesundheitsministerium. Auf Grund der Gewerbeordnung
hat den grössten Teil der Kompetenzen das Handelsministerium.
Schäfer möchte nun so wie in Deutschland, dass der Immissions-
schutz aus der Gewerbeordnung herausgenommen wird. Ich erklärte
sofort mich nicht um Kompetenzen zu streiten, wohl aber um eine
zweckmässige Verwaltung. Einem neuen Betriebsgenehmigungsverfahren
für Umweltschutzfragen würde ich niemals zustimmen. Die Unternehmer
haben schon genug Arbeit und Aufwand, um bei uns das Betriebsgeneh-
migungsverfahren von der Bezirksverwaltungsbehörde bis gegebenen-
falls hinauf zum Handelsministerium mitzumachen. Diese Stellung-
nahme hat Leodolter vollkommen eingesehen, nicht allerdings ihre
Juristen. Um dieser Schwierigkeiten auszuweichen, hat Schäfer den
Plan entwickelt, dass die Arbeitsinspektoren des Sozialministeriums
dem Gesundheitsministerium zugeordnet werden. Leodolter hat
angeblich mit Benya und Hofstetter darüber gesprochen und dort
Wohlwollen für ihre Idee gefunden. Ich bin zwar fest davon über-
zeugt, dass der Sozialminister diese Arbeitsinspektoren niemals
hergeben wird. Sollte dies aber gelingen, dann würde ohne dass
ein zweites Verfahren notwendig wäre, der Arbeitsinspektor bei der
Betriebsgenehmigung auch für das Gesundheitsministerium die not-
wendigen Emissionsschutzauflagen prüfen resp. vorschreiben.
Eine solche Lösung könnte ich mir noch eher vorstellen. DAS
Land- und Forstwirtschaftsministerium, welches die Wasserschutz-
kompetenz auf alle Fälle beibehalten will, ist angeblich ein-
verstanden, bezüglich Lärm und Luft im Forstwesen diese Kompetenz
dem Gesundheitsministerium zu übertragen. Das Unterrichtsministerium
wieder soll die Schulärzte an das Gesundheitsministerium abtreten.
Wir einigten uns dann darauf, dass Leodolter jetzt versuchen wird,
mit den anderen Ministerien zu einer Einigung zu kommen, bevor
wir die konkreten Verhandlungen in diesem Punkt weiterführen.
Das Gesundheitsministerium hat ein Abfallbeseitigungsgesetz ausge-
arbeitet und wollte Leodolter und mir schmackhaft machen, diese
Kompetenz ebenfalls nur vom Gesundheitsschutzministerium aus
zu betrachten. Leodolter hat aber im Laufe der Diskussion eingesehen,
dass im Gegenteil diese Frage ausschliesslich vom wirtschaftlichen
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Standpunkt zu betrachten ist und deshalb die Abfallverwertung oder,
wie das neue schöne deutsche Wort lautet, "Recycling", bei uns
bleiben soll und muss. Entscheidend dafür glaube ich war, dass
ich Leodolter klar machte, was immer sie auf dem Altölsektor
Papiersammlung, Kunststoffverbot usw. erlassen würde, müsste
sofort wie in Deutschland wo die Kompetenz im Gesundheitsministerium
liegt, entsprechende Zuschüsse des Bundes auslösen. Meine Absicht war
und siehe Öllagerung oder jetzt Altölgesetz beweisen dies, alle
diese von der Industrie zu veranlassenden Massnahmen keinesfalls
mit Staatssubvention durchgeführt werden. Die Industrie hat für die
Aufwendungen aufzukommen. Dies kann glaube ich aber wirklich nur
der Handelsminister durchsetzen, wenn das Gesundheitsministerium
das verlangt, wird man sofort von ihr verlangen, dass sie die not-
wendigen Budgetansätze beim Finanzminister beantragt. Ich kann das
Ganze als wirtschaftliche Aktion aufziehen, die teils aus den
Erlösen die Kosten decken muss und, soweit dies nicht der Fall ist,
dann eben von der Industrie selbst bezahlt werden muss.
ANMERKUNG FÜR WANKE UND PLESCH: Bitte mit den Teilnehmern des
Gesundheitsministerium die Frage endgültig abbesprechen.
Das Interview mit Red. Sterk vom Stern bezog sich nicht auf die
sozialdemokratische Marktwirtschaft sondern auf die weitere Ent-
wicklung der österreichischen Wirtschaft. Plesch hatte aus einem
Vorgespräch geglaubt, dass der Stern tatsächlich neben aktuellen
Wirtschaftsfragen insbesondere im Rahmen des Massnahmenpaketes
sich für die neue Theorie "sozialdemokratische Marktwirtschaft"
interessieren würde. Ich bin eigentlich ganz froh, dass im jetzigen
Zeitpunkt noch nicht dieser Begriff eine grössere Publizität
bekommt, denn wir müssen doch noch etliche Vorfragen klären.
Mit Fremuth hatte ich auf der Heimreise aus Mailand lange über
diese Frage diskutiert. Fremuth selbst wird ebenfalls gerne mit-
arbeiten, glaubt aber, dass bei der Energiewirtschaft und Verkehr
sowie vor allem auch im Geldwesen eine sozialdemokratische Markt-
wirtschaft kaum möglich ist, weil er auf diesem Gebiet eine straffe
Lenkung als einzig mögliche Lösung sieht. Da wir diese Konzeption
erst zum Gewerkschaftskongress 1979 brauchen, haben wir Zeit genug,
um die verschiedensten Meinungen zu diskutieren und letzten Endes
auch, wie dies in der Oppositionszeit in der Arbeiterkammer von
mir so forciert wurde, über Wirtschaftsfragen dann doch zwischen
den ehemaligen Teilnehmern der Jungen Wissenschaftler und Wirtschafte
ein Kompromiss zu erzielen.
ANMERKUNG FÜR WANKE: Ich glaube, wir sollten in einem kleinen
Kreis einmal unseren Leitplan festlegen.
Bei unserer Bezirksausschussitzung auf der Landstrasse hätte es
bald wieder keine Diskussion über meinen Bericht gegeben.
Ich provozierte aber dann derartig alle Teilnehmer, dass letzten
Endes eine umso härtere Diskussion, wenn ich so sagen darf
in der zweiten Runde entstand. Dabei machte ich neuerdings die
Erfahrung, dass Probleme, von denen wir glauben, dass sie eine
Rolle spielen, kaum Anstoss erregen, während Fragen, die den
einzelnen unmittelbar betreffen immer wieder emotionell auf-
tauchen. Alle Autofahrer und das sind natürlich jetzt schon
sehr viele, wollten wissen, wer eigentlich das Bonus-Malus-
System beschlossen hatte und wer sie dazu ermächtigte. Man
wollte mir fast nicht abnehmen, dass auch ich erst über die
Beschlüsse aus der Zeitung erfahren habe. Dass die sieben
Weisen im Finanzministerium einstimmig glaubten, dass dieses
System das richtige sei. In Wirklichkeit glaube ich, geht es
darum, dass immer wieder jetzt bei einzelnen Blechschäden
es Schwierigkeiten mit der Abwicklung gibt, dass die Fahrerflucht
wahrscheinlich doch ein wenig stärker ist als bisher und daher
der einzeln davon Betroffene dann dem System die Schuld gibt
und nicht dem Fehlverhalten des Verursachers. Trotz dieser
langen Diskussion kam ich dann noch immer zu den Abstimmungen
für die zweite Parlamentssitzung rechtzeitig ins Parlament,
die infolge der Dringlichen Anfrage bis spät in die Nacht
dauerte. Dieser Parlamentstag brachte der ÖVP sicherlich nicht ein
positives Ergebnis- Überhaupt habe ich den Eindruck, dass die
Opposition sich eigentlich nicht kraftvoll an Parlamentstagen
durchsetzen kann. Dies liegt aber meiner Meinung nach daran,
dass ein immer geringeres Interesse der Abgeordneten am Parlaments-
geschehen festzustellen ist. Die Reden allein oder gar vielleicht
die Zwischenrufe und Krawallszenen machen auf keinen Fall das
entscheidende Auftreten nach aussen aus. In der ÖVP spürt
man stärker als dies in der SPÖ-Oppositionszeit bei uns der Fall
war, dass hier kein einheitliches Vorgehen vorliegt und dass
vor allem einmal die Solidarität der Abgeordneten sehr zu wünschen
übrig lässt. Jeder einzelne versucht sein Süppchen zu kochen,
bei einem lockeren Zusammenhalt der einzelnen Bünde. So glaube
und hoffe ich wird der ÖVP der gewünschte Durchbruch nicht ge-
lingen.
Tagesprogramm, 18.10.1977
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)
hs. Notizen
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