Montag, 14. November 1977
Beim Jour fixe ersuchte Sallinger, die Dienstpässe für seinen
Freund Gustav Hummel, einen Steinmetz, der angeblich im Ausland
einkaufen muss, und Haas, Waffelerzeuger , der nach Kuba exportiert,
auszustellen. Da es mir ganz egal, wer einen Dienstpass bekommt,
erkläre ich die Fälle zu prüfen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte erkundige Dich, wo die stecken.
Mussil beschwert sich neuerdings darüber, dass die Kolonialimport-
gesellschaft in Graz neuerdings mit ihm gesprochen hat, und lieber
auf die Auszeichnung, das Staatswappen führen zu dürfen, verzichtet,
als die Bilanz der Arbeiterkammer zu geben. Diese Gesellschaft
ist eine Personengesellschaft, hat daher gar keine Verpflichtung,
Bilanzen zu veröffentlichen. Da mir die Arbeiterkammer erklärt hat,
die Gewerkschaft und sie selbst hat gar keine Bedenken, der Firma
die Auszeichnung positiv zu bestätigen, schlage ich neuerdings
vor, die Firma soll doch mit der Arbeiterkammer ein Gespräch führen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte informiere die Arbeiterkammer Graz
und erledige den Akt.
Mussil legt eine Aufstellung über die Auslandsreisen, Konten
des Wirtschaftsförderungsinstituts, Messebeteiligungen und Aussen-
handelstagung vor. Ich erkläre sofort, dass der Bundeskanzler eine
detaillierte Aufstellung will, d.h. jede einzelne Reise vom
Computer herausgerechnet werden muss. Dies dauert angeblich zwei
Wochen, weil von den verschiedensten Konten jetzt alle Reisen
zusammengestellt werden müssen.
Steyr-Daimler-Puch hat sich bei der Handelskammer bitter beschwert,
dass auch die Faustfeuerwaffen als Kriegsmaterial genehmigungs-
pflichtig erklärt werden. Die Handelskammer steht auf dem Standpunkt,
dass dies in keinem anderen Staat so eingestuft wird.
ANMERKUNG FÜR WANKE UND PLESCH: Bitte bei den zuständigen Ministerien
erkundigen und intervenieren, ob dies tatsächlich notwendig ist.
Im Kinder- und Jugendlichenbeschäftigungsgesetz soll das Sozialmini-
sterium und Unterrichtsministerium für die Lehrlinge Vorschläge
haben, die die Handelskammer nicht akzeptiert und sogar behauptet,
39-1302
dass dies die Gesetzwerdung von der Berufsausbildungsnovelle
gefährdet. Nach 5 Stunden Berufsschule soll der Lehrling nicht mehr
in den Betrieb gehen müssen. Nach 5 Tagen Internatsschule soll
ihm ein Urlaubsanspruch trotzdem erwachsen. Der Klassensprecher
soll automatisch freie Tage für seine Tätigkeit bekommen usw.
Ich erkläre sofort, dafür nicht zuständig zu sein, werde mich
aber mit dem Sozialminister besprechen.
ANMERKUNG FÜR JAGODA UND WAIS: Bitte die endgültige Stellungnahme
des Sozialministeriums ergründen.
Mussil teilt mir mit, dass viele Firmen an einer Kooperation und
einem Joint venture mit den Volkswagenwerken interessiert sein
werden, die Handelskammer wird eine lange Liste dem Handelsmini-
sterium überreichen. Ich erkläre sofort, dass dies nicht sehr
zielführend ist, denn es kommen ja doch nur potente Firmen dafür
in Frage. Die Selektion will scheinbar die Handelskammer ausschliess-
lich dem Handelsministerium überlassen. Sallinger fragt, ob ich be-
reit bin, für die Fa. Denzel tatsächlich ein Telegramm welches
Benya, er und ich an die BMW-Leitung schicken soll, mit zu unter-
fertigen. Ich erkläre mich im Prinzip damit einverstanden, wie
ich auch schon Herrn Denzel erklärt habe, verlange aber von ihm
jetzt einen entsprechenden Entwurf.
Die Handelskammer hat grosse Bedenken zur Österr. Energieagentur
die jetzt einmal 10 Mill. S Budget hat, beizutreten. Mussil und
Sallinger meinen, sie würden 100 %-ig hinter dem Energiesparbeirat
des Handelsministeriums stehen, es bräuchte deshalb gar keine
neue Agentur errichtet werden. Ich rate ihnen, auf alle Fälle
der Agentur beizutreten, weil auch Teilorganisationen resp.
Unternehmungen bereits mit Begeisterung erklärt haben, dass sie
die Arbeit dieser Agentur nicht nur unterstützen sondern auch
aktiv darin mitarbeiten werden. Sallinger wird bezüglich der
Kostenbeteiligung noch mit Präs. Benya reden um zu erfahren, wie
der ÖGB sich in diesem Fall verhält.
Die Handelskammer sieht ein, dass die Einwegflaschen-Produktion
von Plastik geregelt werden muss, möchte aber bei den Besprechungen
ebenfalls zugezogen werden.
ANMERKUNG FÜR WANKE UND PLESCH: Bitte die Handelskammer unbedingt
immer mit einladen.
Mussil ersucht, ich sollte Abstand nehmen, je eine Prüfungsstelle
je Kammer zu errichten. Die Handelskammer hat in Wien grosse Schwie-
rigkeiten, weil es dort eine Prüfungsstelle für Meister aber auch
für Spediteure und für Fuhrwerker gibt. Ich erkläre dezidiert,
dass ich mich in diesem Fall erst erkundigen muss.
ANMERKUNG FÜR JAGODA UND WAIS: Bitte wie sieht diese Sache aus.
Bezüglich des österr. Qualitätssiegels resp. Zeichens schlägt die
Handelskammer jetzt endgültig vor, eine Arbeitsgemeinschaft ähnlich
dem Holzwirtschaftsrat zwischen der Handelskammer und der Arbeiter-
kammer zu gründen, an der auch das Handelsministerium und der
Verein für Konsumenteninformation als unterstützendes Mitglied
mitwirken sollte.
ANMERKUNG FÜR WANKE UND WAIS: Unabhängig von unserem Gesetzentwurf
bitte ergründen, ob diese Möglichkeit von den anderen Sozialpartnern
akzeptiert wird.
Ich informiere die Handelskammer über die am Sonntag geführten
Gespräche mit den Vietnamesen, nachdem anschliessend auch Sallinger
von der Delegation besucht wird.
In der Ministerratsvorbesprechung meint Kreisky, er hätte jetzt
Gelegenheit gehabt, den Kernkraftwerksbericht für das Parlament
zu lesen. Er sei erschüttert, wie Journalisten, namentlich nennt
er Konecny , ein so schlechtes Deutsch schreiben können. Er
zitiert einige Stellen und meint, so könne man den Bericht nicht
dem Parlament zuleiten. Ausserdem möchte er noch den deutschen
Parteitag abwarten, der sicherlich bezüglich der Weiterverwendung
der Kernenergie eine Entscheidung treffen muss, im Bericht soll
auch die bisher bekannten Tatsachen über die abgebrannten Brennelemen-
telagerung aufgenommen werden.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte letzten Punkt soll Frank eine entsprechende
Formulierung machen.
Kreisky behauptet, dass es bezüglich der Ölmühle Differenzen zwischen
den Ministerien geben soll. Ich erkläre ihm sofort, dass dies eine
falsche Information ist, weil ich mit Haiden vollkommen einig bin,
jetzt sind wir in ein sehr konkretes Stadium getreten, um Unilever und
Olioprot zu Berechnungen und wie ich auch hoffe zu gemeinsamem
Vorschlag zusammengebracht zu haben. Der Anbau für die 50.000 ha
39-1304
wird wesentlich länger dauern als die Errichtung der Fabrik,
die maximal 2 Jahre beansprucht, wenn einmal ein Baubeschluss gefasst
ist. Staatssekretär Schober erklärt mir nach der Ministerratssitzung
dass im pannonischen Klima die Ölsaaten als Fruchtwechsel vor
Weizen sehr beliebt sein werden und deshalb die 50.000 ha sehr bald
erreicht sein werden, seiner Meinung sogar die dreifache Fläche in
Frage kommt. Wenn dies zutrifft würden wir dann die Saat ausschliess-
lich für Österreich für die Kapazität der Ölmühle beziehen können.
Kreisky denkt noch immer, dass der Spitalsfonds BKA - FM - GUsch - SM - WM,
zwei Sozialversicherungsträger, Gemeinde und Städtebund sowie den
neun Ländern zustande kommen wird und eine entsprechende zweckmässige
noch festzulegende Arbeit Programm und Statuten haben wird. Kreisky
ist optimistisch, dass doch die ganze Lösung zustande kommen wird.
Lanc wird aufgefordert, über die Entführung Palmers zu referieren
und ist sehr zurückhaltend mit seinen Informationen. Der Sohn,
der das Geld übergeben hat, verweigert teilweise die Aussage
und wenn er Informationen gibt, so sind sie unvollständig. Lanc
erklärt, das Wiener Sicherheitsbüro muss jetzt mittags eine
Pressekonferenz machen, weil die Mitarbeit der Bevölkerung verlangt
wird. Kreisky bemerkt, ohne Lanc kritisieren zu wollen, wie er
feststellt, dass der österreichische Apparat nicht maximal ist.
Die jetzigen Schutzvorschriften gefährden nur junge Leute, die
z.B. jetzt zu seinem persönlichen Schutz abkommandiert sind.
Was unbedingt verhindert werden muss, ist dass wie in Deutschland
die Schutzbedürfnisse dann einen Kontakt der Politiker mit
der Bevölkerung verhindert wird. In der Palmers-Entführung haben
es sich reiche Leute scheinbar gerichtet und es sei untragbar,
dass man deshalb eine ernstliche Behinderung von Verbrechens-
bekämpfung akzeptiert. Familiär gibt es länger zurückliegend eine
Erpresser-Affäre des Neffen, der von einem übel beleumundeten
gewissen Salus gefesselt und 10 Mill. S damals verlangt worden
ist. Jetzt wird die ganze Sache wieder bestritten. Ob eine politische
Aktion dahintersteht, muss erst geprüft werden. Ein gewisser Terro-
rist Sonnenberg sei vor etlicher Zeit im Hilton abgestiegen, die
grosse Gefahr ist, dass der Mann von der inhaftierten Terroristin
Boock, der der übelste Terrorist sein soll, eine Befreiung versuchen
wird. Auch in Prag werden jetzt neue Terroristen ausgebildet.
Kreisky wird dort als der Hüter des Zionismus hingestellt.
Broda informiert über die Rechtslage, dass solange ein Familien-
angehöriger in Gefahr ist, selbstverständlich jedes Familien-
mitglied die Aussage verweigern kann. Dies gilt sicherlich nicht
für Verbrechensbekämpfung und Verhinderung. Die Terroristin Boock
ist für uns ein Sicherheitsrisiko, doch hat das Zusammenspiel
zwischen Polizei und Gericht vorzüglich geklappt. Die ganze Ange-
legenheit ist mehr als aufklärungsbedürftig, sowohl hinsichtlich
politischer Verbindung oder hinsichtlich privater Kreise der Familie
Palmers, ich bin sehr froh, dass ich mit dieser ganzen Angelegenheit
ressortmässig gar nichts zu tun habe. Da ich überzeugt bin, dass
alle Verbrechensbekämpfungen zu einem Grossteil auf Zufall beruhen,
ob ein Erfolg erzielt wird oder nicht, kann ich die Situation von
Lanc und Broda gut verstehen. Kreisky meint nur immer, man sollte
alles verfolgen, was sicherlich sowieso geschieht, sollte strengere
Massstäbe anlegen, einmal mehr kann ich feststellen, dass er schein-
bar aus der Bevölkerung oder ihm gute Bekannte Informationen
bekommt wie z.B. der Familienangehörigen von Palmers, die dann bei
ihm eine gewisse Meinung festigen. In diesem Fall dort ist sicher-
lich nicht alles in Ordnung und die Reichen können es sich bei unseren
Gerichten und Polizei irgendwie richten.
Im Ministerrat wird alles ohne Bemerkung beschlossen, das Bezüge-
gesetz bringt für die Politiker eine Erhöhung um 2,5 bis 3 %,
wovon noch der Klubbeitrag und die Parteisteuer abgezogen werden
muss. Kreisky ist mit dieser Lösung sehr zufrieden, will sie auch
im Pressefoyer dann besonders herausstreichen und hofft damit einmal
mehr die Öffentlichkeit befriedigt zu haben. Ich halte von dieser
Methode gar nichts, denn hier glaube ich hat der ehemalige Vize-
kanzler und Parteiführer Schärf vollkommen recht gehabt, der immer
erklärte: Man solle sich über die Bezüge der Politiker überhaupt
nicht auf eine Diskussion oder eine Änderung einlassen. So hat
es einmal das Parlament einstimmig beschlossen und so soll es ewige
Zeit bleiben. Damals war schon eine Koppelung an Beamtenbezüge und
eine Steuerfreiheit der Politikerbezüge gesetzlich geregelt worden.
Schärf verwies dabei insbesondere auf seine Erfahrung, die er in
der ersten Republik gemacht hat. Damals war es noch besonders
schwierig, wenn man bedenkt, dass es 600.000 Arbeitslose gegeben
hat und der Neidkomplex viel stärker war als heute. Kreisky hat
einen anderen Weg beschritten und muss jetzt natürlich ständig
korrigieren.
Beim Mittagessen für die Vietnamesen war auch die Kontrollbank
eingeladen, Castellez ist leider nicht erschienen, so dass ich
mit ihm nicht besprechen konnte, ob über die 2,5 Mia. S hinaus
noch eine Möglichkeit besteht, für SGP Waggonlieferungen zu
tätigen. Eisenberg selbst meint, dass wichtiger wäre, eine
Waggonfabrik in Vietnam zu errichten, weil auf die Dauer ge-
sehen keinesfalls so weit österreichische Waggons konkurrenz-
fähig angeboten werden können. Eine ähnliche Entwicklung werden
wir auch bei den Traktoren haben. Vorerst kann Steyr-Daimler
liefern, doch wünschen die Vietnamesen unbedingt eine eigene
Traktorenfabrik von Österreich errichtet. Sekt.Chef Gatscha
berichtet mir vorher und die Vietnamesen bestätigen es freudig
nachher, dass Staatssekretär Nussbaumer ihnen bezüglich Entwicklungs-
hilfe grosszügige Zusagen gemacht hat. Da die Franzosen einen
Teil ihrer Kredite nicht als Kredite sondern als Geschenkte
geben, erwarten die Vietnamesen ebenfalls eine solche Regelung
von Österreich. Staatssekretär Nussbaumer hat dies nicht ganz
entschieden abgelehnt, sondern ihnen scheinbar gewisse Hoffnungen
gemacht. Gatscha erklärte mir, dass er imstande wäre, Zinsenzu-
schüsse für verbilligte Kredite zu geben, aber keinesfalls
die Kredite oder einen Teil davon a fonds perdu zu behandeln.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte mit Gatscha Kontakt halten, damit
wir wissen, was dann endgültig herauskommt.
Im Wiener Vorstand hat Gratz darüber berichtet und Edlinger dann
die Ziffern mitgeteilt, die Austritte sehr stark sind. Derzeit
hat Wien 246.226 Mitglieder und 5.594 weniger als im Vorjahr.
40 hätten den Austritt motiviert wegen des Massnahmenpakets
der Regierung. Da er sagt, mindestens die 10-fache Menge hat
genau denselben Grund, 500 sind insgesamt ausgetreten, ohne zu
schreiben, zeigt sich für ihn, dass das Massnahmenpaket nicht
noch verkraftet ist. Ich selbst glaube ja, dass die wirkliche
grosse Diskussion erst im Jänner kommen wird, wenn die Belastung,
Abzüge usw. erst wirksam wird. Wien möchte jetzt bei Kreisky
und der Regierung vorsprechen, um bei dem 10-jährigen Investitions-
programm auch entsprechend berücksichtigt zu werden. Wenn in
Köflach ein paar hundert Arbeiter um ihren Arbeitsplatz be-
droht sind, ist die Regierung bereit, ein Kohlenbergwerk zu
erschliessen und ein Dampfkraftwerk für 3 Mia. 850 Mio. zu
errichten. In Wien ist der Arbeitsmarkt beweglicher, kann
39-1307
mehr freigesetzte Arbeiter aufnehmen, wie dies in der Metall-
branche seit Monaten geschieht und niemand macht so ein entsprechendes
Paket oder Projekt für Wien.
Bezüglich der Verfassungsänderung von Wien wird jetzt endgültig von
Gratz zugegeben, dass eine Erhöhung des Gemeinderates von 100
auf 120 Mitgliederunterbleiben soll. Dies würde vor der Wahl be-
deuten, dass sofort die Propaganda der Unabhängigen Zeitungen wegen
Verteuerung und Belastung der Wiener Bevölkerung eine antisoziali-
stische Stimmung angeheizt werden könnte. Er ist auch überzeugt,
dass die ÖVP letzten Endes dann von allen Zusagen zurücktreten
würde und sich diesem Trend und Wahlhoffnung anschliesst. Aus
diesem Grund sollen nur die Bezirksvertretungen gestärkt werden,
ein zweiter Bezirksvorsteher-Stellvertreter kommen, alles andere
aber zurückgestellt wird. Die Problematik bezüglich der grossen
Wahlreformversprechungen liegt eben darin, dass sie auf alle Fälle
auf Kosten der sozialistischen Partei gehen wird. Wenn man dieselbe
Regelung macht wie bei den Nationalratswahlen, also die Berechnungs-
grundlage nicht 100 + 1 Mandat sondern nur 100 Mandate, dann
würden die SPÖ-Mandate sofort von 66 auf 62 zurückgehen, ohne
dass auch nur eine Stimme in dem Fall verlorengehen dürfte. Anderer-
seits ist das Verhältniswahlrecht im ersten Bezirk schon gefährdet
weil früher oder später nur mehr ein Mandat auf Grund der Bevölkerungs-
schlüssel für den ersten Bezirk übrigbleibt. Gratz sieht ein, dass
seine Ankündigung bei der Übernahme des Bürgermeisteramtes, resp.
dann seine Erklärung vor dem Gemeinderat Hoffnungen erweckt hat,
die jetzt vor der nächsten Wahl keinesfalls mehr erfüllt werden
können. Gratz muss jetzt einigermassen ohne Gesichtsverlust einen
entsprechenden Rückzieher machen. Für mich war dies einmal mehr
ein lehrreiches Beispiel zuerst sich genau zu überlegen, was man
ankündigt, resp. was man machen will.
Im Wiener Ausschuss wurde dann ohne diese Diskussion wegen der
Wahlrechtsreform nur das Ergebnis eben nur die Bezirksrats- und Bezirks-
vorsteherfrage zu lösen, angekündigt. Lanc berichtet über die Palmers-
Affäre, für mich interessanterweise ausführlicher als im der Mini-
sterratsvorbesprechung. Entweder, weil er jetzt die Meinung Kreiskys
schon kannte, oder weil er im Ministerrat in der Vorbesprechung
mit Kreisky nicht eine Kollision wünschte. Gratz meinte, der vor
zwei Jahren aufgestellte Sicherheitsplan sei jetzt vollkommen
erfüllt, 1.000 Polizeischüler aufgenommen, die Rayonposten, die
39-1308
zu Fuss so wie in der alten Zeit die Bezirke abgehen sollten,
könnten diese Tätigkeit schon aufnehmen, wenn nicht alle
Botschaften bewacht werden müssten. Die Diskussion über
diese Punkte ist auch tatsächlich sehr flau und kurz. Nittel
bemerkt nur bei dieser Gelegenheit, dass auch das gesetzwidrige
Parken jetzt vom Verfassungsgerichtshof ja im Prinzip als Ab-
schlepptätigkeit der Gemeinde Wien bestätigt wurde. Aufgabe ist
es jetzt nun eine Gebühr festzulegen, worüber Parteienvereinba-
rungen der drei Parteien vorliegen, weil ansonsten eine Selbstkostenbe-
rechnung erfolgen müsste, die unmöglich ist. Edlinger bringt
dann auch die Organisationstätigkeit und finanzielle Situation.
Die durchschnittlichen Einnahmen der Wiener Organisation sind
3,1 Mill. S pro Monat. Jetzt seien 10,7 Mill. Aussenstände.
8 Bezirke, darunter auch der Dritte, hätten bis zu 7,5 Mill.
Rückstand. In der Diskussion zeigt sich, dass übereinstimmend fest-
gestellt wird, eine Organisationsmüdigkeit Platz greift, die be-
ängstigend ist. NR Schemer, BO vom 22. Bezirk meint, dass
eben die Massenmedien und ganz besonders das Fernsehen viel besser
und schneller Informationen an die Mitglieder und insbesondere
Funktionäre heranträgt. Dadurch wird das alte Organisationsprinzip
über die Partei die Information und womöglich sogar eine spezielle
Information zu erfahren, ausgehöhlt, die Leute sind besser, schneller
gründlicher informiert, wenn sie Radio hören und fernsehen als
einmal in der Woche in Sektionsversammlungen zu kommen. Dadurch
leidet zweifelsohne die Wiener Organisation ganz besonders, weil
sie in der Vergangenheit eine sehr starke und straffe Organisation
gewesen ist. Bei der ÖVP wirkt sich dies sicherlich nicht so
aus wie bei uns. Gratz hat zum Schluss einen guten Gag.
Die ÖVP-Pro-Wien-Aktion stellt sich für ihn so dar: Die Spitals-
politik macht Vorarlberg. Die Sicherheitspolitik macht Tirol – Lanner.
Die Zeitungen werden in Oberösterreich gemacht. Die Finanzen macht
Niederösterreich und die Autoproduktion wird vom Ausland bestimmt.
Dies ist das Wiener Programm der ÖVP.
Tagesordnung 95. Ministerratssitzung, 14.11.1977
39_1308_03