Mittwoch, 23. November 1977
Zur Verleihung der Auszeichnung das Staatswappen führen zu
dürfen und persönlicher Orden war diesmal der Marmorsaal fast
zu klein. 42 Firmen und Persönlichkeiten musste ich in 5/4 Stunden
Laudatio begrüssen und ehren. Bevor es so weit ist und ich mit
die einzelnen Unterlagen ansehe, bin ich oft wirklich verzweifelt.
Was soll man dazu sagen, nachdem man dies 16 mal schon gemacht hat.
Insbesondere fiel mir auf, dass wir manchen Betrieben das Dekret
verleihen, wo man es sich vielleicht wirklich überlegen sollte.
Mein Prinzip war und ist aber, mich in diese Verleihungsakte
durch Intervention nicht einzuschalten. Wenn die Handelskammer
und die Arbeiterkammer zustimmen, dann soll es mir recht sein,
wer immer dieses Dekret bekommt. Sekt.Chef Wanke hatte einen guten
Einfall. Er sagte nämlich, dies zeigt die Struktur der österreichi-
schen Wirtschaft. Früher hiess es immer, es bekommen nur ein paar
grosse wahrscheinlich nur mit entsprechender Protektion, jetzt
bekommen es eben alle, die der gesetzlichen Anforderung entsprechen
und die von Beamten geprüft und vorgeschlagen werden. Bei der Aus-
zeichnungszeremonie selbst fällt mir dann zu meiner grössten Über-
raschung meistens irgendetwas ein, was sogar für die Betroffenen
selbstverständlich schmeichelhaft und für die Anwesenden oft eine
Gelegenheit zum Schmunzeln ist. Auch hier gilt, wenn der Wiener
Schmäh rennt, sind alle zufrieden.
Mit Sekt.Chef Jagoda, Würzl und dem gesamten Büro verteilten wir
die Subventionen des laufenden Jahres. Ich glaube, im nächsten Jahr
sollten wir insbesondere die Subventionen für unsere Organisationen
früher auszahlen als erst mit Ende des Jahres. Im Jahre 1979 werde
ich nämlich sicherlich für diese Subventionen nicht zuwarten
bis November, sondern vor der Wahl die grössten Brocken verteilt
haben, da dies sicherlich auffallen würde, wenn ich die ganzen
Jahre vorher erst aus welchen Gründen immer mit November/Dezember
die Subventionen verteilt habe, erscheint es dringend notwendig, die
von mir schon seit je gewünschte vorzeitige Auszahlung im nächsten
Jahr auf alle Fälle durchzuführen.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte auf die nächste Tagesordnung der
fraktionellen Sektionsleiter-Sitzung setzen.
Gen.Dir. Wolfsberger berichtete mir, dass die Fa. Siemens jetzt
für die Olympiade den Auftrag zur Errichtung der Elektrozeittechni-
schen Anlagen bekommen hat. Wolfsberger glaubt nicht, dass sich
österreichische Baufirmen an den Ausschreibungen über Errichtung
von Gebäuden im Ausstellungsgelände beteiligen werden. Ich hatte
das Gefühl, er war sehr erstaunt von mir zu erfahren, dass Dir. Fremuth
von der Girozentrale mit Porr als Baugesellschaft und Siemens,
Mischke, sein Vorstandskollege, hier entsprechende Gespräche geführt
hat und scheinbar doch eine Anbotsgruppe zustandebringen wird.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Fremuth soll uns am laufenden halten.
Siemens hat jetzt eine echte Kooperation mit den ungarischen Kabel-
werk für 3 Jahre 500 km pro Jahr abgeschlossen. Danach werden für
15 Mill. S Umarbeitungslohn, die in Form von Stahlseilen resp.
Aluseilen bezahlt werden, Veredlungen bei uns in Österreich gemacht.
Der Umarbeitungslohn kann teilweise wieder zu Siemens Deutschland
exportiert werden.
Wolfsberger teilte mir vertraulich mit, dass es jetzt mit Dr. Pisec
von der Handelssektion im Auftrag der Bundeskammer vertrauliche Ge-
spräche führt, um eine Novelle zum Antidumpinggesetz vorzubereiten.
Die Industrie möchte jetzt die vorläufigen Massnahmen, die seiner-
zeit sogar das Handelsministerium vorgeschlagen hat und die Bundes-
handelskammer ganz entschieden ablehnte, jetzt in eine Novelle zum
Antidumpinggesetz erreichen. Wolfsberger fragte mich, ob dann
das Handelsministerium bereit sei, einen solchen Novellenentwurf
zu bearbeiten und ins Parlament zu bringen. Er war sehr überrascht
von mir zu erfahren, dass dies sogar unser ursprünglicher Vorschlag
war und nur die starke Handelsgruppe vor 5 Jahren durchgesetzt hat,
dass diese von meinen Beamten vorgesehene Massnahme aus dem Gesetz-
entwurf wieder herauskam. Interessanterweise konnte ich dann abends bei
der Diskussion mit den Transithändlern feststellen, dass bei Anwesenheit
von Pisec diese mich fragten, welche gesetzlichen Massnahmen auf
dem Dumpingsektor vorgesehen sind und ob ich beabsichtigte, Kontin-
gente im Aussenhandel wieder einzuführen. Ich konnte sie auf die
Aussprache verweisen, die innerhalb der Bundeskammer jetzt stattfinden
und meinte nur, dass ein stärkerer Schutz resp. Schutzmöglichkeit
der Industrie schon früher ganz besonders aber jetzt notwendig ist.
ANMERKUNG FÜR MEISL UND HAFFNER: Bitte die Verhandlungen genau ver-
folgen.
Syndikus Zedek kam, um mir vorzuschlagen, dass das Kuratorium für
Fremdenverkehr jetzt auf einem toten Geleise ist, schlagkräftiger
werden muss und er deshalb diesbezügliche Verhandlungen mit Länder-
vertretern beginnen möchte. Ich bin sofort auf diesen Vorschlag einge-
stiegen und habe ihm empfohlen, mit Sekt.Chef Jagoda und Zolles von
der ÖFVW unter eventueller Beziehung von Dr. Haffner soweit dieser
Zeit hat, die Gespräche zu beginnen. Ich selbst will mich nicht ein-
schalten, stehe aber einer Umgestaltung insbesondere im Hinblick
auf Sekretariat bei ÖFVW sehr positiv gegenüber.
ANMERKUNG FÜR SEKT.CHEF JAGODA UND HAFFNER: Zedek und Zolles habe
ich bereit zusammengebracht.
Zedek möchte für die österr. Gast- und Schankstätten eine Kommission,
die die Klassifikation und entsprechende Kontrolle durchführt,
gründen. Auf dem Hotel- und Beherbergungssektor haben wir so etwas
schon. Ein Bedürfnis für diese Aktion besteht. Bei der General-
versammlung der ÖFVW am Nachmittag hat er dann einen solchen Vor-
schlag unterbreitet und ist dort teils auf Zustimmung, teils aber
auf Widerstand gestossen. Komm.Rat Fröhlich, der die Aktion
"Österr. Gastlichkeit" mit Herausgabe eines sehr teuren, aber interessan-
ten Führers gegründet hat und auch derzeit noch führt, meinte, man
müsse hier unbedingt koordinieren. Dagegen ist sicherlich nichts
einzuwenden zwei Verlage und auch einige Zeitungen nehmen sich
jetzt immer mehr des Informationsbedürfnisses ihrer Leser und
der Bevölkerung für objektive Berichterstattung, wo man gut essen
kann, an.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER UND WAIS: Im Interesse der Touristen und Konsu-
menten diese Aktion unbedingt unterstützen.
Zedek hat ausgerechnet, dass unsere Fremdenverkehrsstatistik, was die
Übernachtungen betrifft, als die Grenzübertritte und ganz besonders
unsere Deviseneinnahmen und Ausgaben nicht stimmen kann. Rechnet
man die Ausgaben Österreichs in Deutschland auf Grund der Über-
nachtungen, so werden 13.122 S ja Übernachtung . Rechnet man sie nach
dem Grenzübertritt, so kommen 314 S pro Person heraus. Da ich bereits bei
der Innsbrucker Fremdenverkehrsmesse darauf hingewiesen habe, es
ist dringend notwendig, dass die Fachleute eine Diskussion über
die Verbesserung unserer Statistik beginnen, war ich mit seiner
Kritik und seinem Vorschlag sehr einverstanden, dass das Statistik
unbedingt verbessert wird. Nach seinen Aufzeichnungen haben wir
39-1356
im Sommer nur einen Rückgang bei Übernachtungen in Gewerbebetrieben
von minus 0,4 %, da die Privatquartiere um minus 6,6 % abgenommen
haben.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte veranlasse, dass endlich meine Anregung
vor etlichen Monaten bei uns im Haus konkretisiert wird.
Beim Mittagessen fürStrougal traf ich Präs. Benya und informier-
te ihn über die Absicht zur Qualitätswarenverkauf Österreichs
und für den Qualitätssiegel eine Art Arbeitsgemeinschaft zwischen
Handelskammer und Arbeiterkammer zu gründen. Benya ist damit
einverstanden, umso mehr als ich ja vorher mit Präs. Czettel
von der Arbeiterkammer dies abgesprochen und vereinbart hatte.
Czettel nämlich hat mir zur grössten Überraschung zugestimmt,
dass die Handelskammer recht hat, wenn sie nicht den Verein für
Konsumenteninformation einschalten will. Der Vorschlag von
Sallinger ist damit glaube ich von allen Beteiligten akzeptiert.
ANMERKUNG FÜR WANKE UND WAIS: Bitte nächste Tagesordnung Jour fixe
setzen und sofort mit der Ausarbeitung von Organisation und Richtli-
nien beginnen.
Beim Mittagessen konnte ich schon feststellen, dass Strougal gegenüber
dem Vortag wesentlich mehr aufgeschlossen war. Abends beim
Empfang in der csl. Botschaft wurde in kleinerem Kreis mit den
Ministern und Oppositionsführern das Klima zwischen Strougal und
uns immer herzlicher. Jeder erzählte politische Witze und
Strougal viele, die ich schon kannte, über die Volksdemokratien.
Barcak bestätigte mir dann bei de Fahrt zum Flughafen, dass sie
mit dem Besuch sehr zufrieden sind, da insbesondere Strougal sich
sehr wohl fühlt. Ein wirklich offenes Problem war und ist nur die
Massnahme auf Erhöhung der Zölle, die sie unter allen Umständen
korrigiert haben wollen. Eine neuerliche Aussprache, die Barcak
wünschte, nützte ich, um mich für das gestrige Übergeben der beiden
Memoranden, von denen er aber auch ich nichts wusste, zu entschul-
digen. Erhebungen hatten inzwischen ergeben, dass Mussil von der
Österr. Tabakregie tatsächlich durch Jahre hindurch mit der
slowakischen Tabakfabrik unverbindliche Gespräche über eine
Lizenzvergabe der "Milden Sorte" geführt hat. 100 Mill. Stück
sollten höchstens erzeugt werden, 50 Mill. Kronen würde das
ganze Geschäft ausmachen, da die Tabakregie aber keine Kompen-
sation nehmen kann und will, kommt es wahrscheinlich kaum zustande.
Mit Gen.Dir. Apfalter habe ich die Situation wegen Zusammenführung
ihrer Auslandsvertretungen in Prag besprochen und Apfalter
meinte, bei seinem Besuch in Brünn hätte er auf die ganze Organisa-
tion gegebenenfalls verzichtet, wenn die Tschechen dies unbedingt
verlangt hätten. Wie ich bei der Aussprache mit den Transithändlern
feststellen konnte, wurden diesen alle ihre Niederlassungen gesperrt
resp. sie verpflichtet, sich tschechischer Firmen zu bedienen, an
die sie 2,5 % vom Umsatz bezahlen müssen und ausserdem Autos beistellen
müssen. Die Kohlenbezugsreduktion sei produktionsbedingt und die
Ziffern, die mir Apfalter mitteilte, zeigte dass auch bei der Ruhr-
kohle und Polen entsprechende Reduktionen erfolgten, nur die SU hat
am wenigsten von dieser Stahlflaute bis jetzt gespürt. Die VÖEST
hat aus dieser Relation verhältnismässig gleichmässig bezogen.
Barcak meinte, diese beiden Fragen seien nicht so von Bedeutung,
geärgert hat ihn sicherlich nur, dass als Strougal ihn fragte
er nicht sofort antworten konnte. Die Aussprache, die Barcak neuer-
dings verlangte, war ausschliesslich wegen der Zollproblematik.
Kreisky hatte angedeutet, es müsste im Rahmen des KSZE-Nachfolge-
gesprächs in Belgrad dieses Problem zwischen EG–EFTA auf der einen
Seite und COMECON auf der anderen Seite geregelt werden. Hier wollte
Barcak eine detailliertere Erklärung des österr. Standpunktes. Ich
schilderte ihm meine Versuche seit Jahren, den Comecon-Ländern klarzu-
machen, dass Österreich nicht wie Finnland eine spezifische Regelung
mit jedem Staat treffen kann, also eine Art Freihandelszone mit
Zollabbau entwickelt, sondern, dass ich immer empfohlen habe, in
Genf mit der EFTA diesbezügliche Gespräche zu führen. Ich erklärte
aber auch Barcak neuerdings, dass ich nicht garantieren könnte, was
dort herauskommt, Österreich kann aber im Alleingang nicht wie
Finnland eine solche Regelung vorwegnehmen. Kreisky glaubt nun
dass die Gespräche zwischen Comecon und EG, die vor längerer Zeit ver-
sucht wurden und gescheitert sind, jetzt im Rahmen des Korb II
in Belgrad neuerdings besprochen werden sollen. Barcak drängte
darauf, dass wir so bald als möglich die Massnahmenerhöhung der
§-6-Zölle wieder rückgängig machen sollen. Er sieht darin eine
wesentliche Gefahr, ohne dass sie Retorsionsmassnahmen ergreifen werden,
dass der österr.-csl. Handel darunter leiden wird. Geringere Devisen-
erlöse der einzelnen Firmen und Aussenhandelsorganisationen der CSSR
werden dazu führen, dass sie auch weniger in Österreich kaufen werden.
Bei der Generalversammlung.der ÖFVW waren diesmal einige Landes-
räte anwesend. Die Tagesordnung ging ohne irgendwelche Probleme
über die Bühne, LR Bassetti meinte nur, es sollten die Bundesländer
viel stärker vorgeschaltet werden, bevor die ÖFVW in ihren Organen
entsprechende Beschlüsse fasst. Zolles erwiderte, dass es Bundes-
länderrunden gibt, wo entsprechende Vorschläge der Bundesländer
stets besprochen werden. Wünsche der Bundesländer werden auch weitestgehend
berücksichtigt. Interessant für mich war nur, dass die Länderfunktionäre
scheinbar noch immer Angst haben, dass die ÖFVW unter meiner Führung
sich als zentralistisches Organ für den Fremdenverkehr entwickelt, die
ja eindeutig Landeskompetenz ist. Eine Diskussion ergab sich auch,
ob die Fremdenverkehrsbetriebe nicht Massnahmen setzen sollen, damit
die von den ausländischen Touristen stets bemängelten hohen Preise
für Kaffee, Bier und alkoholfreie Getränke zurückgeführt werden sollen.
Die Touristen sind mit der Nächtigung und mit den Verpflegspreisen ohne
weiteres einverstanden und betrachte diese nicht als überhöht, sondern
ausschliesslich bei Extras und ganz besonders bei den drei genannten Produk-
ten. Sicherlich gibt es für diese Preise eine objektive Begründung, wenn
aber tatsächlich das schlechte Preisimage an diesen Produkten hängt,
dann sollte man überlegen, wie selbst wenn man dabei draufzahlt, hier
eine gewisse Reduktion erfolgen kann und sollte.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Vielleicht kann man hier eine entsprechende frei-
willige Vereinbarung erzielen.
Bei der Aussprache mit den Transithändlern stellte ich drei Probleme
in den Vordergrund. 1. Die Kompensationswünsche der Oststaaten werden
immer grösser und die Überlegung sei, ob man nicht Handelshäuser oder
solch ähnliche Organisationen errichten sollte. Das Gegenargument
insbesondere von Dr. Hendricks, der eine Verkaufsorganisation der CA
führt und als Transithändler gross im Geschäft ist, es gibt kein
Handelshaus oder Organisation, die alle Produkte vermarkten könnte,
die man jetzt von den Oststaaten immer wieder angeboten bekommt. Hier
muss sich jedes Geschäft und jedes Produkt spezialisiert einzeln ab-
wickeln lassen. 2. Es erscheint zweckmässig, die Entwicklungshilfe
stärker an wirtschaftspolitische Ziele und Massnahmen zu binden.
Dr. Pisec meinte, die Entwicklungshilfe sollte jetzt endlich dem
Handels zugutekommen, wobei er gleichzeitig die Haftung und Export-
finanzierung durch die Österr. Kontrollbank auch für Transitgeschäfte
verlangte. Dies ist kaum möglich, denn die Entwicklungshilfe erklärte
ich auch in der Diskussion dezidiert, sollte primär der Industrie-
39-1359
produktionsförderung dienen. 3. verlangte ich Massnahmen und Vor-
schläge, wie wir verhindern können, dass der Handel nicht ausschliess-
lich wie z.B. jetzt das Schweizer Kaufhaus auf der Mariahilfer Strasse
ausländische Produkte vertreibt, sondern ebne die inländische Industrie-
produktion unterstützt. Hier wurde sehr offen zugegeben, dass es zwischen
Handel und Industrie ein gespanntes, um nicht zu sagen schlechtes
Verhältnis gibt wie noch nie. Ich forderte die Funktionäre der Handels-
kammer auf, aber auch die Beamten, die dort waren, sie sollten alles daran
setzen, wieder normale Verhältnisse zwischen den einzelnen Sektionen
zu bekommen. Politisch könnte ich mich darüber freuen, wenn die Handels-
kammer in sich recht zerstritten ist, wirtschaftspolitisch tut dies
aber Österreich sicherlich nicht gut. Ich zweifle zwar, dass mein Appell
auf fruchtbaren Boden fällt, doch war dies glaube ich politische
sehr gut, um den Funktionären zu demonstrieren, dass ich das Gesamt-
wohl der österr. Wirtschaft vor Augen habe und nicht parteipolitische
Sonderinteressen.
Tagesprogramm, 23.11.1977
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)