Montag, 5. Dezember 1977
Beim Jour-fixe ersucht mich Sallinger den Dienstpass für seinen
Freund Hummel, ehemaliger Kurator von NÖ auszustellen. Komm.Rat
Pless, AKG, jetzt von Philips gekauft, soll seinen Orden bis
16. Dezember wegen einer besonderen Feier bekommen.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte beides unverzüglich veranlassen.
Der Warmbader Hof in Warmbad Villach hat noch immer nicht seine
§-68-Staatswappenführung bekommen. Die Arbeiterkammer hat seiner-
zeit dagegen remonstriert.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Versuche bitte mit dem Arbeiterkammertag dieses
Problem zu erledigen.
Der taiwanische Minister Shu-kai war ebenfalls in der Handels-
kammer und wollte dort, dass Sallinger Formosa besucht. Sallinger
hält dies für unzweckmässig. Dieselbe Meinung vertritt auch Aussen-
minister Pahr. Prof. Winkler kann als nicht ernannter Defacto-
Botschafter fungieren, solange alles still und leise, ohne dass die
VR China schärfstens dagegen protestiert, vor sich gehen. Die
Handelskammer wird eine kleine fact finding mission schicken.
Sallinger entschuldigt sich bei mir, dass er mich mit Mussil jetzt
allein lassen muss, weil er ein neues Auto bekommt. Rührend ist
seine Ehrlichkeit mir gegenüber. Man sieht, was ihm ein Auto in
Wirklichkeit bedeutet im Gegensatz zu mir, wo mir dies wirklich
vollkommen egal ist – ich würde nicht einmal, wenn ich gar keine
Sitzung hätte – zu so einem Anlass irgendwo hinfahren. Er bittet
um Entschuldigung und Verständnis, dass er diese kultische Handlung
jetzt vollziehen muss. Als er zurückkommt gehe ich gerade weg. Durch
reinen Zufall treffe ich von der BÜRGES den ÖVP-Direktor Hönlinger
der im scheinbar berichten kommt. Sallinger, interessiert aber wieder
nur – und er erzählt es gleich voll Interesse – dass sein Auto
irgend etwas wieder hat. Schnelle Autos sind ihm wirklich alles.
Mussil verlangt von mir allen Ernstes, wir sollen eine ganz lockere
Zusammenarbeit wegen der "Kauft österreichische Qualitätswaren"-
Aktion anstreben. Ich lehne dies ganz entschieden ab und bestehe
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darauf, dass, wenn schon Präsident Sallinger das letzte Mal
den Verein für Konsumenteninformation abgelehnt hat, ein
paritätischer Ausschuss nach § 64 Handelskammergesetz ähnlich
dem Holzwirtschaftsrat gegründet werden muss. Mussil versucht
darzulegen, dass da nur die Arbeiterkammer Mitglied sein könnte
und der ÖGB, da er keine öffentlich rechtliche Körperschaft ist,
nicht direkt vertreten sein kann. Ebenso würde dann die Industriellen-
vereinigung entfallen. Dies ist, wie sich aber nachher herausstellt,
nur ein Vorwand, denn letzten Endes stimmt Mussil zu, wenn ich ihm
in einem internen Schriftwechsel versichere, dass ich diese
Arbeitsgemeinschaft sofort auflösen werde, wenn eine Interessens-
vertretung dies verlangt. Damit erkläre ich mich einverstanden.
ANMERKUNG FÜR WANKE UND WAIS: Bitte die Verhandlungen sofort ab-
schliessen und Briefentwurf mit Handelskammer, Arbeiterkammer und
ÖGB formulieren.
Mussil hat grösste Bedenken gegen die Informationsstelle wegen
öffentlicher Aufträge beim Handelsministerium. Auf mein Drängen
zieht er dann Dr. Bauer und Fr. Dr. Dorfwirth bei. Da Mussil befürchtet,
im Handelsministerium werden wir eine Art Submissionskommission
einrichten, die letzten Endes bestimmt wer den öffentlichen Auftrag
bekommt, ist er im Laufe der Diskussion dann einverstanden, dass
wenigsten nur die Formulierung des Wirtschafts- und Sozialbeirates
von mir als unzulänglich bezeichnet, akzeptiert wird. Ich erkläre ihm
klipp und klar, dass wenn es zu einer stärkeren Rezession kommt,
das Handelsministerium genau so wie im 75er Jahr versuchen wird
Aufträge österreichischen nicht ausgelasteten Betrieben zukommen
zu lassen. Dagegen kann er kaum etwas einwenden. Wenn er auch jetzt
grösste Bedenken dagegen hat.
ANMERKUNG FÜR WANKE UND PLESCH: Bitte keine theoretischen Diskussionen
mehr wo möglich mit der Handelskammer führen, sondern die praktische
Arbeit beginnen, um Mussil nicht neuerdings zu grundsätzlichen Ent-
scheidungen Anlass zu geben.
Beim Journalistenfrühstück berichtet MR Gröger, dass es gelungen ist
seit 1970 Glas von 0 auf 1000 Tonnen, Papier von 7.000 auf 28.000
und Textilien von einer 1/2 Tonne auf 5.000 Tonnen Altstoffsammlung
zu erhöhen. Textilien können im Inland, wie Redakteur Swietly
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vom Fernsehen sofort bemerkt, nicht im Inland verwendet werden.
Hadern werden daher zum grössten Teil nach Italien oder in die
Schweiz exportiert. Ich stelle fest, dass dadurch aber auch grosse
Deviseneinnahmen gegeben sind. Diese Tatsache sollte aber nicht
allzu bekannt werden, sonst würde die Abgabefreudigkeit der Bevöl-
kerung darunter sicher leiden.
Ich berichte über die zukünftige Kontrolle an der Grenze für die
Einhaltung der österreichischen Kennzeichnungsvorschriften.
Natürlich entspannt sich daraus eine Diskussion, ob es sich hier
um eine Beschränkung der freizügigen Importpolitik handelt. Obwohl
ich neuerdings darauf hinweise, dass die internationalen Verträge über
unsere Importpolitik eingehalten werden, entsteht der berechtigte
Eindruck, dass dadurch eben doch gegenüber den jetzigen Zustand
eine gewisse Importeinschränkung erfolgen wird. Da dieser Ver-
ordnungsentwurf jetzt in die Begutachtung geht, bin ich sehr ge-
spannt, wie die einzelnen Landesregierungen, Interessensvertretungen
usw. reagieren werden.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte lass Dich ständig am laufenden halten.
Aus Hongkong kam Mister Dunning, Repräsentant der Honkong Trade ,
die jetzt endgültig beschlossen haben, ihren Sitz in Europa von
Frankfurt nach Wien zu verlegen. Da sie in keinem einzigen Ost-
blockstaat vertreten sind, mit diesen Staaten aber gute Geschäfte machen
wollen und auch machen, erscheint ihnen der Sitz Österreich ideal.
Wir können wirklich sehr froh sein dass es gelungen ist, diese Leute
und Organisation nach Wien zu bringen. Der österreichische Aussen-
handel mit Hongkong ist aber vollkommen unzulänglich. Wir importieren
in den ersten 7 Monaten über 1 Mia. Schilling und exportieren nur für
140 Mio. Die sechs Vertreter erklären Willenpart und mir, dass es
ausschliesslich an der Unzulänglichkeit der österreichischen Ex-
porteure liegt. Die Schweiz, die in einer ähnlichen Situation ist,
exportiert mehr als sie importiert.
ANMERKUNG FÜR MEISL UND HAFFNER: Bitte analysieren lassen, wieso
wir hier so wesentlich schlechter abschneiden.
Bei der konstituierenden Generalversammlung
über die Energiespar-Organisation, kürzer gesagt Weiser-
Verein, stelle ich einmal mehr wieder fest, dass, wenn Kreisky
ruft, wirklich alle kommen. Niemand schliesst sich aus, der einzige
Vorbehalt ist die von Weiser vorgeschlagene Finanzierungsmethode.
Der Bund und die Länder werden jeweils 25 Groschen pro Kopf ihrer
Bevölkerung zahlen. Gegen diese Kopf-Mitgliedschaft wehren sich nur die
grossen Organisationen wie Handelskammer, aber auch ÖGB. Hier
schlägt Kreisky vor, es sollte Weiser noch Gelegenheit haben mit
allen davon Betroffenen zu verhandeln, um eine einvernehmlich
Regelung zu erzielen. Um zu verhindern, dass nicht subalterne Beamten
dann die Repräsentanten der einzelnen Länder und Organisationen sind,
einigt man sich, nicht die Statuten danach aufzubauen, weil dies schwer
möglich ist, sondern Kreisky wird selbst immer den Vorsitz führen,
nicht allzu viele Sitzungen pro Jahr einberufen und dadurch mit
grösster Wahrscheinlichkeit immer Spitzenvertreter bei den Sitzungen
haben. Weiser möchte bei mir einen Antrittsbesuch, den ich ihm –
sofort erkläre – ruhig ersparen können. In Wirklichkeit sagte er mir,
möchte er mit mir sein Arbeitsprogramm und die Zusammenarbeit
abstimmen. Dazu erkläre ich mich natürlich sofort bereit und werde
zu dieser Aussprache SChef Frank und Dr. Wais zuziehen.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte ihm einen entsprechenden Termin geben.
Ich bespreche mit Landesamtsdirektor Kathrein von Tirol die Forderung
Gemeinden auf Abgeltung ihrer immateriellen Schäden durch Er-
richtung von elektrischen Leitungen. Kathrein meint, scheinbar
hat die Grosszügigkeit der TIWAG und der Verbund in Osttirol,
Gemeinde Matrei, Schule gemacht, weshalb jetzt auch anderen Gemeinden
bei jeder sich bietenden Gelegenheit Entschädigungen wollen. Kathrein
lehnt so wie ich, eine solche ganz entschieden ab. Er meint zu Recht
in diesem Fall könnten wir uns in Hinkunft jedweder Forderungen gar
nicht mehr wehren.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte die Ablichtung der Entschliessung mit einem
Brief von mir sofort zur Stellungnahme an Kathrein schicken.
Kreisky teilt mir mit, dass er keinesfalls wünscht, dass ich nicht
unverzüglich nach Berlin fahre um den Vertrag mit Ostdeutschland
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zu unterfertigen. Er beabsichtigt nur im Feber oder März
einen offiziellen Besuch, wo ich ihm eventuell begleiten sollte.
Wie mir Gehart nachher gesteht, dürfte es zu einem Missverständnis
zwischen Generaldirektor Apfalter und ihm gekommen sein, wodurch
der Eindruck entstanden ist, Kreisky möchte diesen Vertrag ab-
schliessen. Da Gen.Dir. Haschek von der Österreichischen Kontrollbank
aus internen Gründen zunächst eine Tranche von 2.5 Mia. Schilling
in Österreich noch bereinigen muss, ersucht dieser in den nächsten
10 Tagen nichts zu unternehmen. Mit Apfalter werde ich jetzt noch
den Begriff Kompensationsbasis, wie Staatssekretär Beil in den Vertrag
verhalt, im Detail besprechen. Für den übernächsten Ministerrat
müsste dann eine Formulierung vorliegen und endgültig beschlossen
werden. Bei der Überreichung von Orden in Berlin an Beil hätte ich
dann Gelegenheit den Vertrag tatsächlich zu unterzeichnen. Darauf
legt nicht nur die ostdeutsche Regierung sondern auch die VÖEST
Alpine den grössten Wert. Androsch und Pahr habe ich informiert,
die sich bemühen werden ihrerseits alles vorzukehren, dass der
Ministerrat entsprechende Beschlüsse fassen kann.
ANMERKUNG FÜR MEISL: Bitte unverzüglich die entsprechenden inter-
ministeriellen Verhandlungen aber streng vertraulich durchführen.
In der Vorbesprechung berichtet Kreisky dass der Energiebericht
über die Kernkraftwerke jetzt endgültig fertig ist und morgen
beschlossen werden sollte. Er meint allerdings es sei nicht eilig,
denn im Parlament könnten erst nach dem Budget-Verhandlungen ent-
sprechenden Parteienverhandlungen im Rahmen der Klubs, d.h. des Parla-
mentes erfolgen. Kreisky wird auch den ORF auffordern, in einem
Symposium von 4–5 Stunden, wenn notwendig auf 2 Etappen 5 Kern-
kraftgegner und 5 Kernkraftbefürworter auf Wunsch der Regierung
entsprechende Sendezeit zur Verfügung zu stellen. Die vom Linzer
AVB-Institut für Marktforschung vorgelegte Umfrage dürfte auf aben-
teuerlichen Angaben beruhen. Es wurden zwar angeblich 1.800 Personen
befragt, doch wurde diese Umfrage im Auftrag des Naturschutzbundes
Obmann Niethan ?? gegeben, der ein ausgesprochener Gegner der Atom-
energie ist. Kreisky wird dafür eintreten, dass wenn eine Meinungs-
umfrage veröffentlicht wird, dann eine Kommission bestehend aus dem
Statistischen Zentralamt, den Ordinariaten für Statistik in Wien
und Linz, zwei Soziologen, die die Meinungsumfrage zu prüfen hätten.
Damit nicht auf unseriöse Weise die Meinung der Bevölkerung
manipuliert wird. Bei diesen Linzer AVB-Institut handelt es
sich um einen Einmannbetrieb, Walter Gross, der psychologische
Tests bis jetzt gemacht hat. Blecha verweist darauf, dass es eine
Selbstkontrolle des Verbandes der Marktforscher gibt. Das Kontroll-
organ resp. die dafür zuständigen Universitätsprofessoren sind
Rosenmayr, Freisitzer und andere. IMAS, AVB gehören aber dem
Verband für Marktforscher nicht als Mitglieder an, weil sie ent-
weder zu unseriös sind, oder aus Konkurrenzgründen nicht aufgenommen
wurden. Dies konnte ich leider nicht feststellen.
ANMERKUNG FÜR WAIS : Bitte kläre, was wirklich der Grund für die Nicht-
Mitgliedschaft dieser beiden ist.
Kreisky meint zu einem Schreiben von Frank, wo dieser die Furcht
ausgesprochen hat, dass dem Nationalrat irgend etwas nicht zuge-
mutet werden kann, dies geht Frank nichts an. Wahrscheinlich hat
Gehart irgend etwas von Frank bekommen, oder vielleicht sogar etwas
von ihm verlangt, worauf Kreisky sehr sauer reagierte.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitt stelle fest, um was es sich dabei gehandelt.
hat
Neuerdings bringt Kreisky die Reise-Budgets für die ersten 3 Monate
zur Debatte. Das Bundeskanzleramt hat 100.000 Schilling überzogen,
muss dies jetzt im III.Quartal einhalten. Das Aussenministerium
wird zwar mit 1,3 Mio. ein Revirement machen müssen, weil die
Belgrader Konferenz lange dauert und dies nicht geplant war. Im
Unterrichtsministerium ist die Überschreitung darauf zurückzuführen,
weil die Lehrer aus dem Ausland nach Österreich zurück übersiedeln.
Ebenso ist die Überschreitung des Finanzministeriums auf Beamten-
tätigkeit zurückzuführen, die in Hinkunft anders geregelt werden
sollen. Alle anderen, auch das Handelsministerium liegen unter ihren
Quoten, was Kreisky sehr befriedigt.
Rösch berichtet, dass die Personalvertretung an ihm herangetreten
ist, zu den Ausschreibungen herangezogen zu werden, sowie dies
jetzt auch die Bundespersonalaufsichtskommission den Zentralaus-
schuss bestätigt. Da der Verfassungsdienst aber eindeutig festge-
stellt hat, dass es sich hier um eine vertrauliche Kommission handelt,
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kann nicht die Personalvertretung nachher entsprechende In-
formation oder gar Mitwirkung verlangen. Wir kommen überein,
dass alle Minister eine solche Forderung ablehnen werden. Die
Personalvertretung ist als Körperschaft und Organ nicht zuzu-
ziehen. Sollte sie es dennoch verlangen, ist auf die einheitliche
Stellungnahme des Verfassungsdienstes zu verweisen.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Damit wurde Dein Wunsch endgültig von allen
Ministern bestätigt.
Androsch fragt bei mir in der Ministerratsvorbesprechung an, ob ich
nicht doch die Forderung der Elektrizitätswirtschaft schnell er-
füllen könnte und neuerdings den Stromtarif entsprechend mit 1.1.
korrigieren. Dazu erkläre ich mich ausserstande, weil ich eine ein-
vernehmlich Regelung erzielen will und diese mit den Interessens-
vertretungen bis anfangs Jänner nicht zu erreichen wäre. Androsch
möchte nämlich in Hinkunft für die Elektrizitätswirtschaft keine
zusätzlichen Budgetmittel zur Aufstockung des Eigenkapitals zur Ver-
fügung stellen. Ihm schwebt scheinbar vor die Preiskorrektur sollte
zu einer stärkeren Eigenkapitalbildung führen. Da ich weiss, dass
die Elektrizitätswirtschaft mit meiner Energiepolitik kurze Abstände
und eigentlich seit 1.1.74 bereits drei Erhöhungen, sehr zufrieden
ist, trotzdem aber immer alle Interessensvertretungen zugestimmt
haben, erkläre ich dezidiert an dieser Politik festzuhalten. Bei
den Baubeschlüssen hat die Regierung jeweils immer entsprechende
Zuschüsse vereinbart, die bis jetzt noch nicht restlos abgewickelt
sind. Früher oder später müssen aber diese Zusagen eingehalten
werden. Durch erhöhte Stromtarife kam eine Ergänzung des Eigen-
kapitals durch Bundeszuschüsse unter gar keinen Umständen ersetzt
werden. Da ja in der Vorbesprechung zwar viele Probleme, selbst
von Kreisky, immer angeschnitten, niemals aber konkrete Beschlüsse
gefasst werden, werden auch daher meine Erklärungen zur Kenntnis
genommen. Androsch beschwert sich dann nur neuerdings, dass die
NEWAG angeblich eine Elektrogeräte-Aktion hat, wonach der Strom-
verbrauch nur angeregt wird.
ANMERKUNG FÜR WAIS : Bitte kläre um was es sich dabei handelt.
Im einen kleineren Ministerkomitee bespricht Kreisky dann die 40-Jahr-
Feier 1978. In einer verschärften innerpolitischen Situation muss
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Vorbereitung für die 13.-März-Feier nächsten Jahres getroffen werden.
Steinbauer hat, wie er meint mit Recht, die Staatsoperette kritisiert,
denn darin wurde verfälscht und ohne künstlerischen Wert das
Problem der ersten Republik gezeigt. Mit Karl Kraus – die letzten
Tage der Menschheit – hat dieses Machwerk überhaupt nichts zu tun.
Kreisky wünscht eine Darstellung der 30er Jahre von seriösen
Historikern. Bei der Gelegenheit kommt gleich die Nachfolge von
Jedlicka, Institut für Zeitgeschichte und Universität, zur Sprache.
Der beste Kandidat wäre Mommsen. Es ist aber nicht sicher, ob er eine
Berufung annehmen würde. Die Kunschak- und Körner-Stiftung sollte
jetzt weitere Monographien zu den schon bestehenden von SChef
Hecht, Starhemberg usw. herausgeben. In Billigstausgaben sollte diese
dann den Lehrern zur Verfügung gestellt werden. Eine Sonderausstel-
lung soll die Zeit von 1934–1938 demonstrieren. Im Kuratorium
sollten 10 Personen sitzen, wie Maleta, Meisl usw. Die Weihestätte
Mauthausen müsste zur 40 Jahr-Feier geweiht werden. Hier wünscht
Kreisky überhaupt eine Konfrontation mit dem Bundesjugendring.
In einem grossen Staatsakt soll Kirchschläger dann am 13.3. des Jahres
1938 gedenken. Ein Historiker, wahrscheinlich Kaan, sollte dann
eine entsprechende Festrede halten. Überlegt wird auch, ob man nicht
ein Museum der Österreichischen Republik errichten sollte. Auch die
SPÖ müsste eine grosse Veranstaltung machen. Blecha schlägt vor,
man sollte am 11.3. die Feier im Arbeiterheim Floridsdorf durchführen.
Damals war die grosse Zusammenkunft der freien Gewerkschaften und
der letzte Versuch der Revolutionären Sozialisten mit den illegalen
Gewerkschaften die Regierung zum Handeln zu zwingen. Eine lange
Diskussion entspinnt sich, wer für diesen Anlass die Festrede halten
soll. Kreisky möchte nicht und alle die ihm vorgeschlagen werden,
finden andererseits auch nicht seine Zustimmung. Kreisky verfällt
sogar auf mich und meint, du warst ja letzten Endes auch in der
Illegalität tätig. Ich lehne dieses zwar mich ehrende Angebot dan-
kend ab und erkläre mich dazu weder befähigt, noch wünsche ich, dass
meine damalige Tätigkeit überschätzt wird. Ich in wie alle anderen
auch der Meinung, dass dies in Wirklichkeit Kreisky machen muss.
Dieser wieder möchte allerdings eine grosse Feier haben, die ent-
sprechend künstlerisch, Orchester, Ballett usw. in der Stadthalle
veranstaltet werden sollen. Wie dies alles in 3 Monaten geregelt werden
kann, ist mir ein Rätsel. Kreisky hat recht, wenn er meint, die Jugend
ist heute an den 30er Jahren sehr interessiert. Die Zertrümmerung der
Sozialdemokratischen Partei war die Zertrümmerung der Demokratie.
Das autoritäre System hat letzten Endes zum Vollfaschismus, zum
Krieg und zum Elend geführt. Dies sollte man durch eine entsprechende
historische Darstellung darlegen. In einem Plakat im Frühjahr soll
auch ein Aufruf erfolgen, dass die Sozialdemokratische resp.
Sozialistische Partei stets die Partei für die Freiheit war und
dies wird auch in Zukunft so der Fall sein. Die Gegenpropaganda
der ÖVP, die sich ja auf diese Zeit kaum berufen kann, war durch
ihre Vorgänger damals die ersten, die die autoritäre Ordnung ange-
strebt haben, wird dann sein, die Freiheit bewahren. Gott sei
Dank bin ich für diese kulturellen Aufgaben nicht zuständig und
fühle mich auch nicht verantwortlich. Dass die Geschichtsbewältigung
Österreichs aber eine der wichtigsten Aufgabe ist die wir auch im
Interesse unserer Jugend dringend notwendig haben, möchte ich nicht
bestreiten.
Tagesprogramm, 5.12.1977
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)