Donnerstag, 15. Dezember 1977
Der zweite Vizepräsident der sowjetischen Handelskammer
Pitowranow erklärte neuerdings, dass Österreich sich an den
Ausstellungszentrum beteiligen sollte. Sallinger war sehr ver-
ärgert, dass der Präsident der sowjetischen Handelskammer Borissow
zwar durch Österreich gefahren ist, nicht aber an der österr.-sowj.
Handelskammertagung teilgenommen hat. Er selbst, ja nicht einmal
ein Vizepräsident ist deshalb Pitowranow abholen gefahren. Dies
war gegenüber den Sowjets ein schwerer Protokollfehler, denn
Borissow ist nach der Einteilung der sowj. Handelskammer neben
anderen Ländern auch für Italien zuständig, während Pitowranow
eben für Österreich zuständig ist. Der Handelsdelegierte Canisius
sagte mir ausdrücklich noch, dass Pitowranow ein wichtiger Mann sei.
Ich war deshalb sofort bereit mit ihm zu verhandeln. Besser wäre
es gewesen, Canisius hätte Sallinger von dieser Bedeutung über-
zeugt. Wir kamen überein, dass Dir. Fremuth, Girozentrale, versuchen
wird die Unternehmer im Jänner noch nach Moskau zu bringen, damit
über die Bauaufträge konkret verhandelt werden kann. Canisius
teilt mir dann noch mit, dass es sich um die Innenausstattung der
Bauten dieses Ausstellungsgeländes handelt. Ich bin überzeugt, dass
die Sowjets bessere Preise letzten Endes bezahlen werden, weil der
Falltermin Beginn der Olympiade für sie auch die Notwendigkeit er-
geben wird, alles daranzusetzen um diesen einzuhalten. Den Wunsch
von Pitowranow an Aussenhandelsminister Patolitschew ein Schreiben
zu richten und auf das Interesse Österreichs, bei den Ausstellungs-
gelände mitzuwirken, hinzuweisen, habe ich selbstverständlich sofort
entsprochen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Lass Dich von Fremuth ständig am laufenden
halten.
Antel, der grösste österr. Filmproduzent, und Pfandler kamen mit den
Gewerkschaftsvertretern um neuerdings mit mir über die Filmförderung
zu verhandeln. Antel war erschüttert und hat sich darüber beschwert,
dass ich der Gruppe Corti , Frankfurter usw. erklärt habe, die
Filmförderung – wenn überhaupt – nur mit dem Unterrichtsministerium
gemeinsam zu machen. Antel steht auf dem Standpunkt, dass diese
Gruppe gar keine ordentlichen Kommerziellen Filme machen will,
sondern nur Kunstprodukte, die niemals ihren Aufwand einspielen.
Pfandler behauptete z.B., dass der Film Staatsoperette dem ORF
5 Mio. Schilling gekostet, von diesem auch vollkommen finanziert
und die 900.000 Schilling Subvention vom Unterrichtsministerium
sozusagen eingesteckt wurden. Antel erklärte, dass die 300 Film-
leute, die es noch in Österreich gibt, im nächsten Jahr brotlos
werden, weil auch er nicht mehr bereit ist ohne Filmförderung
in Österreich zu produzieren. Oberhammer soll sich gegenüber
Pfandler bereiterklärt haben, 15–20 Mio. Schilling in einen
Filmförderungsfond zu bezahlen. In Deutschland bezahlt des Fernsehen
10 Mio DM, in Frankreich 30 Mio ffrs. In Österreich hat der ORF
580 Spielfilme abgestrahlt und bezahlt überhaupt nichts in einen
Fond und die Filme kaftH er um 70.000 Schilling das Stück. Ich er-
suchte RR Puffler so schnell als möglich mit dem Unterrichts-
ministerium wegen Aussendung eines Entwurfes ins Klare zu kommen,
damit dann nicht uns der Vorwurf gemacht werden kann, wir hätten
überhaupt nichts für die Filmförderung getan.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte mit Büro des Unterrichtsminister Kontakt
aufnehmen.
Die Firma Anderle hat Schwierigkeiten ihre Hobelmaschinen nach
Ungarn und Rumänien zu exportieren, weil dort eigene Erzeugung
aufgenommen wurde. Nur Kopierhobler, eine Spezialmaschine, können
dort nach abgesetzt werden. Darüber hinaus konkurrenziert aber
jetzt Rumänien die Produkte Anderle sowohl in Österreich als
auch in Drittländern. Die Firma Anderle bemüht sich sehr, insbe-
sondere um den deutschen Markt. Ein Ausstellungskatalog in Hannover,
der grössten Maschinenmesse Europas zeigt, dass diese Firma tatsäch-
lich dort mit ein paar anderen österreichischen vertreten ist.
Im Vergleich zur Schweiz, die mindestens 5mal mehr Firmen nach
Hannover bringt, ist es für mich nur ein Beweis, wie wenig österr.
Firmen sich tatsächlich um den deutschen Markt, insbesondere nördlich
der Mainlinie bemühen. Wie wir allerdings der Firma Anderle konkret
helfen können, weiss ich auch nicht. Ich verpflichtete mich, wenn
ein nachweisbares Dumping der Ungarn und insbesondere der Rumänen
vorliegt, dass ich mich sofort mit den dortigen Ministern ins Ein-
vernehmen setze oder sogar ein Antidumpingverfahren einleiten werde.
Ein gewisser Weidenhofer hat sich über eine Besichtigungstour
im Parlament letzten Endes bis zu mir durchgearbeitet und erklärt,
er hätte mit der Eisenbahn Gespräche geführt um 200 Erzwaggons
aus Rumänien nach Österreich zu importieren. Mit Hilfe einer
Schweizer Bank könnte er der Eisenbahn diese Waggon um 480.000
Schilling im Mietkauf anbieten. Da die Bahn natürlich kein Geld
hat, würde er ihr diese Waggons 10 Jahre vermieten um dann letzten
Endes sie zu verkaufen. Durch Zufall hatte ich dann Gelegenheit
mit dem gesamten Vorstand der Bahn, die zur Budgetdebatte Verkehr
gekommen sind, zu reden. Kommerzieller Direktor Herzog hat aus-
drücklich mir gegenüber gesagt, er könne sich nicht vorstellen,
dass es hier zu einem Geschäft kommt, denn viele Staaten bieten
die Erzwaggons an, unter anderem auch die österreichischen Produ-
zenten. Hier sind sie nur besonders teuer, die grösste Chance
hat scheinbar Polen, die in Kompensation gegen Plasser & Theurer'sche
Gleisstopfmaschinen in Kompensation Erzwaggons liefern wollen.
Der Handelsverkehr wird durch die weltweite Rezession immer schwie-
riger, immer mehr Aussenseiter glauben auch dabei das grosse Ge-
schäft ihres Lebens machen zu können. Ich bin überzeugt davon, dass
die Firma Weidenhofer eine Kabinettfirma im dritten Bezirk ist.
Vor der Sitzung der Industriekommission hat Mussil ganz erregt
mir und SChef Wanke erklärt, jetzt würde die Textilindustrie von
einem jungen revolutionären Sozialisten Krehlik betreut und damit
der so erfahrene Grumbeck ausgeschaltet werden. Aus der Erregung be-
merkte ich, dass wir hier ungeschickt vorgegangen sind, weshalb
ich Sallinger und Mussil beruhigte, hier handelt es sich um eine
zweckmässige Reorganisation um die Textilindustrie intensiver und
besser bearbeiten zu können. Grumbeck bleibt selbstverständlich
Abteilungsleiter und für die Textilindustrie verantwortlich, nur
soll der jetzige Branchenberichterstatter zum Branchenreferenten
werden. Wenn die Handelskammer aber glaubt, dass der Mann zu
jung ist, er sprach von 24 Jahren, was nicht stimmt, so würde ich
das zurückstellen. Im jetzigen Zeitpunkt – einen Tag vor der Budget-
debatte Handel – konnte ich nämlich wegen dieser Lappalie in Wirk-
lichkeit keinen Streit brauchen. Wanke hat auch dort sofort mir
erklärt, hier muss man noch zuwarten und vor allem eine generelle
Lösung aller Branchenberichterstatter und Referenten erreichen.
Krehlik bringt die Voraussetzungen mit, da er eine Textilfach-
schule gemacht hat. Die ganze Sache wurde nur, wie nachmittags
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mir dann Plesch erzählte, ein wenig ungeschickt begonnen. Grum-
beck ist zu ÖAAB-Obmann Mock gelaufen, um ihn zu informieren, dass,
ohne dass mit ihm gesprochen würde, in seiner Abteilung jetzt
solche Reorganisationen platzgreifen. Dies war ein Fehler. Vor-
aussetzung zu einer ruhigen Reorganisation – und darauf lege ich
grössten Wert – ist, dass notwendige Änderungen im Einvernehmen
mit allen Beteiligten versucht werden. Selbst die zweckmässigsten
Reorganisationen scheitern, wenn sich Abteilungsleiter dagegen
wehren. Wird dann noch eine politische Argumentation dagegen vor-
gebracht, dann muss es sogar zum Scheitern kommen, oder man zieht
dies mit Gewalt durch, was auch nicht günstig ist. Dass der Gruppen-
leiter MR Gröger in diesem Fall dafür war, hilft uns in diesem Fall
wenig, weil es nicht gelungen ist, Grumbeck hier davon zu überzeugen.
Wenig hilft es auch, dass der in der Textil- und Bekleidungsindustrie
so anerkannte MR Dinzl angeblich für diese Reform ist. Sie wurde
unzweckmässig und zu wenig intensiv vorbereitet. Jetzt müssen wir
sie auf alle Fälle zurückstellen. Unmittelbar nach diesem Gespräch
ist Präs. Igler wegen der Strumpfhosenimporte aus Rumänien zu mir
gekommen um seinen Plan, wie die 7 Mio. Stück pro Jahr auf 3 Mio.,
allerdings durch Anstückelung dann für weitere Jahre reduziert
werden sollen. Da ich dies nur im Einvernehmen mit der Handels-
kammer machen will, verwies ich sofort auf Mussil. Dieser schein-
bar noch aufgeregt wegen der Krehlik-Grumbeck-Affäre, hat mit
Igler einen Streit begonnen, der dann mit Brüllen vor der ganzen
Industriekommission endete.
In der Industriekommission berichtete der Vorsitzende des Wirt-
schafts- und Sozialbeirates Reidl über die Industriefinanzierung,
Innovation, Information und Unternehmerplanung. Der langen Rede
kurzer Sinn, der Beirat hat sich zu einigen Empfehlungen durch-
gerungen, doch hat Mussil sofort erklärt, hier müsste noch zwischen
den Präsidenten grundsätzliche Differenzen bereinigt werden. Die
Leute des Beirates sind wieder einmal für Mussil's Ansicht zu
weit gegangen, weshalb er deren Stellungnahmen korrigieren möchte.
Mussil hat sich einmal auch bei mir bitter beschwert, dass der Beirat
Studien ausarbeitet, die eine, wo Dr. Klose beteiligt war, und die
ideologisch Mussil und damit der Handelskammer überhaupt nicht
in den Kram passt. Er muss dann immer die entsprechenden Arbeiten
seiner Leute korrigieren. Darüber ist er sehr unglücklich und
würde wahrscheinlich am liebsten die Beiratsarbeit stillegen.
Entweder haben wir wirklich das ideologisch bessere Konzept
oder Mussil ist nicht einmal imstande als Oppositionspartei
seine Leute entsprechend zu lenken und zu beeinflussen. Wenn
ich da an unsere Oppositionszeit denke, wo wir den Beirat sehr
wohl für unsere Angriffe gegen die damalige Regierung genützt
haben. so zeigt sich doch, dass wir die besseren Vertreter
haben. Damit meine ich keinesfalls die ökonomischen oder wissen-
schaftlichen Qualifikationen unserer Leute und die der Handels-
kammer wo wir vielleicht gleichziehen können, sondern primär die
politische und taktische Einstellung die immer schon und auch
jetzt noch wesentlich erfolgreicher ist als die der ÖVP-Seite.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte aufs nächste Jour-fixe mit AK und
ÖGB setzen.
Prof. Andrae forderte die berechtigte Kritik von Igler heraus, als
er meinte, in den Niederlanden werden nur Betriebe des Staates
unterstützt, die Gewinne machen. Die anderen müssen eben zugrunde
gehen. Igler bezog diese Äusserung wahrscheinlich auf die Textil-
fusion Ost, schützte dann aber Lenzing und die Vereinigten Edel-
stahlwerke vor, die uns zwar negative Bilanzen legen, aber trotzdem
als gesund gelten können. Er meinte Andrae sei als Stralpart ????
Ökonom bekannt. Ich bemerkte zu Mussil, ich freue mich, wenn das
nächste Mal wirklich Andrae als ÖVP-Abgeordneter ins Parlament
kommen sollte. Andrae dürfte doch nur ein reiner Theoretiker sein,
ähnlich Prof. Ermacora, nur auf einem anderen Gebiet. Prof. Seidel hat
dann seine Industriestudie vorgestellt, die eigentlich sehr
pessimistisch gehalten ist, und darüber gab es dann eine ent-
sprechende Diskussion. Sallinger hat einige Kritik an der Öffentlichen
Vergabe geübt, wo nach seiner Erfahrung immer österreichische Firmen
benachteiligt werden. Er meinte auch es müsste eine Änderung der
Kaufgewohnheit der Österreicher versucht werden. Mussil wieder
hat sich über die Kaufhäuser beschwert, Carrefour und Denner, die
grösstenteils ausländische Waren führen. Die Klein-und Mittelbe-
triebe werden vernachlässigt, wie die Bürges zeigt. Gleichzeitig
wendete er sich aber gegen eine weitere Lenkung wie der beabsichtigte
Industriefond, der allerdings jetzt im Grunde genommen, jetzt sowieso
nicht kommen wird. Igler ganz besonders meinte, die hohen Steuern,
die geringen Auslandserlöse und die hohen Arbeitskosten seien der
Grund, dass jetzt die Industrie sich in so einer schlechten Situation
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befindet. Zöllner wieder versuchte zu erklären, dass die Lohnkosten
ähnlich wie in der Schweiz und Deutschland gleich hoch sind,
während die Kapitalkosten im Vergleich zu diesen beiden Ländern
überhöht sind. Die Bankenvertreter, insbesondere Gen.Dir. Treichl,
hat dagegen sehr geschickt argumentiert. Durch die Restriktions-
politik der Nationalbank könne man nicht die Absenkung des Eckzins-
fusses von 5 auf 4.5% und der verhältnismässig hohen Kreditkosten
für die Industrie meinen, die Bank verdiene da entsprechend viel.
und dass die Banken nicht nur Autos finanzieren, sondern alle
notwendigen Geldmittel, wenn ein einigermassen brauchbares In-
dustrieprojekt vorliegt immer wieder aufgetrieben haben, ist eine
Tatsache. Andrae wieder hatte ein Argument, das überhaupt nicht stimmte
ein armes Land hat immer tiefe Lohnkosten und höhere Zinskosten.
Österreichs jetzt als armes Land einzustufen ist wahrlich eine
einmalige Leistung. Darüber hinaus empfahl er dann noch, man sollte
so wie in Deutschland, um die Vollbeschäftigung zu sichern, die
Lohnkosten um 6% kürzen. Dies hat Prof. Nowotny von Linz und mich
gleichzeitig zu einem Zwischenruf veranlasst, dass diese Ansicht
aus dem vorkeynes'schen Zeitalter stammt. Da Sallinger die Änderung
der Kaufgewohnheit Österreichs und das öffentliche Vergabewesen ange-
führt hatte, meldete ich mich zu Wort, um unsere beiden Schlüssel-
aktionen "Kauf Dir Deinen Arbeitsplatz – kauf österreichisch" und
"Koordinierung der öffentlichen Vergabe" der Industriekommission
mitzuteilen. Kreisky hat dann unter Allfälligem die Regierungs-
klausur im Jänner erörtert. Dort wird das wirtschaftliche In-
vestitionsprogramm fortgeschrieben. Auch für die Klein- und Mittel-
betriebe soll entsprechende Förderung vorgesehen werden. Österreich
und die Bundesregierung bekennt sich zur freien Wirtschaft und
wünscht nur eine Rahmenplanung. Raum wird es genug geben für die
freie Entfaltung. Diese adaptierte Fortsetzung der Wirtschaftspolitik
wird dann noch im nächsten Jahr neuerlich bei einer Industrie-
kommissionssitzung erörtert werden. Mussil meinte, sie seien sehr
froh, dass man dann noch Gelegenheit haben wird über die Details
zu diskutieren, spricht sich nur gegen eine Kreditinvestitions-
lenkung aus, weil es sich hier um keine Rahmenbedingungen handelt,
sondern eben um Lenkung. Die derzeitigen Fonds würden von ihnen
ja noch akzeptiert. Jetzt hört er aber, soll es dann zu einer branchen-
weisen Kreditzuteilung kommen über Branchenkommissionen. Mussil ist
noch immer scheinbar über unsere Reorganisation der Industriesektion,
damit der Branchenreferate und des Eindringens von sozialistischen
Fachleuten so schockiert, dass er gegen alles jetzt ist, was irgendwie
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nach Branchenpolitik aussieht.
Gen.Dir. Winter von Lenzing, ersuchte mich wegen des Dumping-
verfahrens in USA neuerliche Schritte zu unternehmen. Das
Treasury Department hat nun im preliminary finding ein 10.4%iges
Dumping festgestellt. Im final finding wird wahrscheinlich eine
8%ige Dumping festgesetzt werden. In der internationalen Trade
Commission wird eine Verletzung (injuries) mit Mehrheit zu er-
warten sein. Daraus ergibt sich, dass die Zollabgaben die seit
Erhebung der Untersuchung März nicht mehr definitiv festgestellt
werden, nachgezahlt werden müssen. Da durch einen Hafenarbeiter-
streik nur eine einzige Schiffsladung hinübergegangen ist, sind die
Verluste nicht allzu gross. Winter ist nur erschüttert, dass jetzt die
Amerikaner eine solche Politik machen. 1961 wurde bereits ein Dumping-
verfahren einmal eingeleitet und dieselbe Preispolitik die sie jetzt
machen damals akzeptiert. Lenzing hat nämlich österr. Firmen, die ex-
portiert haben, einen 10%igen Exportrabatt gegeben. Dies war sehr
ungeschickt, denn selbstverständlich ist es bei genauerer Auslegung
ein Dumping. Jetzt hat Lenzing das sofort abgestellt indem es den
inländischen Preis von 19.85 Schilling auf dem eine Exportvergütung
von 1.85 Schilling ungefähr gegeben wurde, auf 17 Schilling senkte.
Interessant ist nur, dass gleichzeitig Anträge an die Paritätische
Kommission gestellt wurden, die dann einen Verkaufspreis von 20.40
Schilling im Inland genehmigt hätten. Der Markt war hier auch wieder
einmal stärker als die kommissionell festgesetzten Höchstpreise.
Winter ersuchte mich, ob nicht der Bundeskanzler sich auch ein-
schalten könnte. Da er im Parlament war, wurde mit ihm dann ver-
einbart, dass er einen Brief an Vizepräsident Mondale um Unter-
stützung in diesem Verfahren schreiben wird.
Ich glaube dass ich fast ein Dutzend Jahre schon im AEZ stets mit
der Jungen Generation etliche Male im Jahr eine Passagendiskussion
durchführe. Ich habe dort meine Stammkunden, von der ÖVP, auch von
kommunistischen linken Gruppen, die mich stark kritisieren, aber
immer mit dieser oft stundenlangen Diskussion sehr einverstanden
sind. Für die Masse der Vorübergehenden – und hier handelt es sich
um hunderte – ist dies auch eine ganz schöne Abwechslung. Ich kenne
keinen besseren Platz in ganz Wien. Umso mehr war ich diesmal er-
staunt, als nach nicht einmal einer 1/4 Stunde die Polizei er-
schien und den Genossen der Jungen Generation sagte, er hätte keine
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Bewilligung für hier herinnen, sondern nur für draussen, weshalb
die Veranstaltung geschlossen werden muss. Hier irrte die Polizei,
wir haben seit Jahren keine Genehmigung – auch nicht für draussen.
Als wir damit begonnen haben, haben wir uns – glaube ich – einige
Male eine Genehmigung geholt, aus der jahrzehntelangen Tradition glaubt
ein jeder, dass wir immer eine Genehmigung hatten und niemand hat sich
darum gekümmert. Diesmal dürfte irgend jemand – man vermutet – der
Bahnhofsvorstand, die Polizei geschickt haben. Die Versammlungs-
teilnehmer waren auf alle Fälle auf meiner Seite. Einige meinte, die
Verbrecher finden sie nicht, aber einen Minister lassen sie nicht
sprechen, andere wieder meinten, ein Minister könnte ohne weiteres
so etwas tun und bräuchte sich nicht an die Polizeianordnungen
halten usw. Selbstverständlich habe ich sofort erklärt, dass auch
ein Minister ein gewöhnlicher Staatsbürger ist, der Anordnungen der
Polizei, insbesondere wenn diese berechtigt sind, sofort nachkommen
muss. Die Genossin und der Genosse der Jungen Generation waren zuerst
ein wenig erschüttert, haben dann aber in einer Aussprache mit mir
eingesehen, dass dies der beste Weg war den Leuten zu beweisen,
wie sehr sozialistische Regierungsmitglieder den Rechtsstaat achten.
Der grösste Gag für mich war aber, als der Vertreter der Jungen
Generation mir gegenüber meinte, er hätte sowieso beabsichtigt
gehabt mit der Polizei Kontakt aufzunehmen, damit man mich dort
beim Bahnhof beschützt, wegen eventueller Entführung. Dort werde
ich sicherlich nicht entführt. Wichtiger wäre es gewesen sagte ich
ihm lachend er hätte dafür vorgesorgt, dass uns die Polizei dort
nicht vertreiben kann.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte versuche über den Bezirk zu klären war
hier geschehen ist und wie wir in Hinkunft die Genehmigung bekom-
men können.
Mit Minister Lejczak und Gen.Dir. Apfalter sowie Juvancic, Bergbau-
verantwortlicher im VÖEST-Vorstand, besprach ich die Möglichkeit
einer Kooperation zur Umstellung des amerikanischen Bergbaus.
In Amerika wird noch immer im Kammersystem abgebaut, wodurch 50%
der Kohle in den Gruben bleiben. Durch das Strebsystem wird eine
wesentlich günstigere Nutzung erreicht, weshalb die amerikanische
Administration wahrscheinlich aus energiewirtschaftlichen Gründen
in Zukunft garantiert dieses Strebsystem verlangen wird. Dadurch
ergibt sich die Möglichkeit, dass Polen, welches aufgefordert wurde,
entsprechende Vorschläge der Administration zu erstatten, grosse
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Chancen für eine gemeinsame Kooperation Polen – Österreich in
Amerika sieht. Da die VÖEST einen Kohlenbergbau gekauft hat, müsste
sich, wie ich vorschlug, eine gute Gelegenheit ergeben, dort die
Abbaumöglichkeiten im Strebsystem zu demonstrieren. Die Polen
haben darüber hinaus ja jetzt einen Kooperations- und einen Demon-
strationskauf von der neuen Hydraulik und von den Alpinminer
mit der VÖEST abgeschlossen. Lejczak war sehr erfreut, dass ich
mich so stark engagierte und dieses Projekt in jeder Beziehung
unterstütze. Apfalter wieder ist daran brennendst interessiert,
wenn es zu diesem Strebabbau in Amerika kommt, dass unsere
Hydraulik dort eingesetzt wird. Da Lejczak morgen Zeltweg be-
sucht und besichtigt, können dort gleich die technischen Gespräche
mit seinen Herren – er hat 1/2 Dutzend Fachleute mit – im einzelnen
fortgeführt werden. Hoffentlich können wir mit der Zeit Projekte
mit Polen so erfolgreich – sei es auf Drittmärkten oder auch in
Polen selbst abschliessen – damit diese dann imstande gesetzt werden
ihre Kredite, die schon ein beträchtliches Ausmass erreicht haben,
zurückzuzahlen. Die Barbara-Feier der polnischen Botschaft, wozu
seit eh und je polnische Bergbauminister nach Österreich kommen,
gab mir bis jetzt immer Gelegenheit einige wichtige Probleme zu
besprechen und Projekte voranzutreiben. Für einige ist es aber eine
gute Gelegenheit den polnischen Wodka zu kosten -und manchmal mehr
als zu kosten. Wie Polen aus diesem Kreditschlamassel herauskommen
wird ist mir momentan nicht ganz klar.Selbst wenn wir noch so viel
Strom und Kohle beziehen, dass ich momentan noch gar nicht sehe,
so können die Polen doch letzten Endes nur dann ihre Kreditver-
pflichtung erfüllen, wenn die Sowjets sie in irgend einer Weise
unterstützen. Diese Unterstützung kann sicherlich auch darin be-
stehen, dass sie nicht weitere Leistungen der Polen gegenüber der
gemeinsamen Verteidigungsanstrengung verlangen. Vielleicht ist der
Bewegungsspielraum der Polen gegenüber der zentrale Führung grösser
als in Ungarn und der CSSR. Aus diesem Grund müssen grössere Aufwendun-
gen für Konsumgüter usw. weiter gemacht werden, damit eine gewisse
Ruhe aufrechterhalten werden kann. Die Wirkung auf die Handels-und
Zahlungsbilanz ist klar und deutlich sichtbar. In dieser Beziehung
sind die Tschechen und die Ungarn besser dran. Dort haben wir diese
starke Verschuldung nicht. Der Vorteil unserer Kreditpolitik auch
gegenüber Polen schlägt sich aber durch eine wesentlich günstigere
Kapazitätsauslastung der VÖEST-Alpine z.B. nieder. Apfalter erklärte
mir, er dürfe es gar nicht laut sagen, aber die Kapazitätsauslastung
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Österreichs am Eisen- und Stahlsektor sind noch immer um
fast 20% besser als im übrigen Westeuropa. Ob dieser Zustand
auch noch nächstes Jahr anhalten wird kann er allerdings nicht
garantieren. Hoffen wir das Beste.
Tagesprogramm, 15.12.1977
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)