Donnerstag, 29. Dezember 1977
Die TIWAG wollte, wie Wagensonner, der Direktor, mir erklärte,
aus Preis- und technischen Gründen ihre Schalter ursprünglich
ausschliesslich bei Siemens Deutschland kaufen und über Siemens
Österreich selbstverständlich ausliefern. Das Anbot kam also von
Siemens Österreich, war damit ein österreichisches Offert und nach
den bisherigen Gepflogenheiten wäre alles in Ordnung gewesen.
Die österr. Schalterproduktion Sprecher & Schuh intervenierte
in diesem Fall erfolgreich bei vielen Stellen, u.a. auch im Handels-
ministerium. In der jetzigen Beschäftigungssituation auch bei
Sprecher & Schuh wäre es unverantwortlich gewesen, diesen Auftrag
ausschliesslich nach Deutschland zu geben. Dies sah sogar die Tiwag
ein. Siemens machte nur auf einen Teil der grossen Schalter ein
so günstiges Offert, dass Wagensonner mir erklärte, dies könnte der
Tiwag-Vorstand nicht ausser Acht lassen, da die Tiwag in 10 Jahren
über ihr Netz grosse Mengen von Strom nach Bayern liefern wird,
hatte Siemens zu diesen Strommengen die entsprechenden Schalter
jetzt zu den Preisen angeboten, die Sprecher & Schuh für die jetzigen
in den nächsten Jahren zu erwartenden Strommengen anbot. In diesem
Fall konnte niemand, auch ich nicht, das Argument von Tiwag-Vorstand
zukunftsträchtig zu entscheiden, unberücksichtigt lassen. Sprecher
& Schuh bekam dafür alle Schalter, die sie grössenmässig und preis-
mässig angeboten hatten. Wenn die Argumentation von Wagensonner richtig
war, und ich zweifle nicht daran, dann hat Siemens Deutschland eine
Verkaufspolitik betrieben, die früher oder später die österreichische
Schalterproduktion nicht nur auf dem Weltmarkt sondern auch in Öster-
reich verdrängen wird. Wenn Siemens in die Grenzbereiche der Zukunft
jetzt bereits vorstösst, dann ist früher oder später für Sprecher
& Schuh der Markt verloren. Angeblich will Siemens deshalb sogar
in Österreich die Fa. Elin als Lizenzerzeuger wieder als Schalter-
produzent einschalten. Dies wird man allerdings genau verfolgen
müssen und vor allem die Argumentation von Siemens genau prüfen müssen.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte die Sektion V soll einen diesbezüglichen
Bericht vorbereiten.
Die Tiwag hat mit den Bayernwerken für Sellrain-Silz Spitzenstrom
gegen Bandstrom einen Vertrag paraphiert, der 4:1 die Strommengen
tauscht. Angeblich ist der Vertrag nur noch nicht unterschrieben,
weil in Bayern die Naturschützer jetzt bei der Leitungstrassenverhand-
lung nicht nur in den Städten sondern auch auf dem freien Land eine
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Verkabelung verlangen, um die Landschaft nicht so zu stören.
Sollten diesem Verlangen Rechnung getragen werden müssen, so würde
sich für die Bayernwerke der Strom ungeheuer verteuern. Früher
oder später, bin ich zwar auch überzeugt, dass man mit all den
Kabeln wird unter die Erde gehen müssen. Bis dahin allerdings werden
wahrscheinlich noch technisch einwandfreiere und vor allem billigere
Lösungen gefunden werden müssen. Auf die Dauer wird man die
unzähligen Parallel-Leitungen der einzelnen unzählige und
der einzelnen verschiedenen Spannungen nicht in der Landschaft
herumstehen lassen. Einzelne Leitungen wurden für die Zukunft gebaut
und liegen nun vollkommen brach. Dies gilt insbesondere für die
österr.-jug.-italienische Ringleitung. Die Deutschen haben uns
veranlasst, dass sie sich von dieser Leitung abkoppeln. Österreich
wird jetzt von der deutschen Seite nur mehr aus Frequenzgründen
wie die Techniker sagen, von einer Stelle gespeist.
ANMERKUNG FÜR WAIS: Bitte wo bleiben der Bericht und Lösungs-
vorschläge für diese äusserst kritische Situation.
Gen.Dir. Wolfsberger von Siemens Österreich hat Kreisky einen Brief
geschrieben und mitgeteilt, dass die KWU ihn verständigte, ein
Transport von Brennstäben mit Flugzeugen käme in Betracht. Ver-
wunderlich für mich war, dass über dieses Schreiben, welches wir
von Gehart sofort holten, weil ich zuerst glaubte, es handelt sich
um eine falsche Interpretation eines Briefes, die GKT weder Staudinger
noch Nentwich informiert waren. Kreisky teilte mir von Lech telefo-
nisch triumphierend mit, sein Vorschlag, das mit Flugzeug zu transpor-
tieren sei also möglich und musste sich nur gegen eine Intrige von
Direktoren und Beamten durchsetzen. Bis jetzt lautete nämlich
die Information, die ich sei es von österr. Firmen und Behörden, sei
es aber auch aus dem Ausland, bekommen hatte, dass niemals noch
mit Transportflugzeugen Brennstäbe selbst in nichtradioaktivem
Zustand geflogen wurden. Da die GKT in Oberösterreich und in
Niederösterreich von dem betreffenden Landeshauptmann den Transport-
bescheid für LKW hatte, musste jetzt ein ganz neuer Bescheid ausge-
stellt resp. angesucht werden. Ich hatte sofort Nentwich informiert
und eindeutig festgestellt, dass wenn jetzt am 10. Jänner die Brenn-
stäbe nicht eintreffen, dies nicht auf Verschulden einer österr.
Behörde zurückzuführen ist. Kreisky selbst ist fest davon überzeugt,
mit dem Flugtransport die wichtigsten Probleme gelöst zu haben.
Er befürchtete allen Ernstes, zumindestens hat er mir gegenüber dies
erwähnt, dass ein LKW-Transport über Dutzende von Brücken, eine unge-
heure Gefahr von Sprengung dieser Brücken und weiss Gott was nicht
noch alles bei Flugtransport ausgeschlossen wird. Nentwich ist davon
überzeugt, dass wenn die Antiatomgegner Aktionen unternehmen, sie sie
auf alle Fälle in der Strasse vom Flugplatz Langenlebarn bis nach
Zwentendorf ebenso unternehmen werden.
Minister Leodolter ist wirklich als Gesundheitsminister vom Pech ver-
folgt. Der Blinddarm wurde ihr überraschend genommen, ihre Magen-
operation war gerade im letzten Moment mit schweren Blutungen geglückt.
Und jetzt bekam sie zum Drüberstreuen noch Gelbsucht. Bei meinem Besuch
erklärte sie mir, wie dies möglich ist. Sie ist fest davon überzeugt,
dass sie sich mit den Bluttransfusionen die Hepatitis eingewirtschaftet
hat. Vier Erreger soll es angeblich geben, zwei kann man in Österreich
nachweisen und dadurch die Blutkonserven ausscheiden, die anderen zwei
sind seltener und nur in Deutschland wird auf zwei Instituten dieses
Blut entsprechend untersucht. Man sieht an diesem Beispiel wieder einmal
typisch, dass selbst die Spitze der gesundheitlichen Überwachung
nicht vor unzulänglichen Methoden gefeit ist. Auf der einen Seite
beruhigend, dass wirklich in dem Fall alle gleich sind, auf der
anderen Seite beängstigend, denn warum kann man in Deutschland wenn
auch dort nicht generell, sondern nur in zwei Instituten diese
Hepatitis vermeiden? Ich habe Leodolter über den letzten Stand der
Brennstab-Anlieferung informiert. Obwohl sie von Weissenberg ver-
treten wird, interessiert sie sich natürlich über alle Details.
Vor allem ist sie daran interessiert, nicht nur die Darstellung ihrer
Beamten zu erfahren, sondern auch die wenn man so sagen darf Ansichten
der anderen Seite kennenzulernen. Sie selbst kann jetzt allerdings für
den Gesundheitsdienst, für die Organisation der Spitäler, für das
Krankenhauspersonal usw. ebenfalls wertvolle Erfahrungen sammeln.
Diesmal nicht aus der Sicht der Frau Minister vom Schreibtisch her
auch nicht aus der Sicht der Primaria vom Sophienspital sondern eben
als Patienten, allerdings auch bevorzugt behandelt aus anderen Spitä-
lern. Trotzdem konnte ich auch hier wieder einmal mehr feststellen,
dass Prominenz sehr gefährlich lebt. Mir hatte sie nämlich vorerst an-
gekündigt, ich würde sie ohne weiteres zu Hause besuchen können,
denn sie wird selbstverständlich nach Hause gehen. Ein Ärztekonzilium
hat dann nach längerer Diskussion entschieden, dass eigentlich ein
normaler Patient mit dieser Gelbsucht niemals nach Hause entlassen würde,
womit sie sich letzten Endes dann doch auch abgefunden hat.