Donnerstag, 15. Juni 1978
In der ersten 1/2 Stunde der Fragestunde gelang es mir 5 restliche
Fragen, die gestern nicht mehr durch die lange Beantwortung von
Leodolter erledigt werden konnten, im Einzugstempo diesmal abzu-
wickeln. VP-Abg. Wiesinger und König hatten sich vorgenommen, die
Cogema-Aussage Kreiskys, dass er den Vertrag für unzweckmässig
hält, gegen mich zu verwenden. VP-Abg. Keimel wieder wollte mich
ideologisch festlegen, weil Staatssekretär Nussbaumer sich mit der
sozialen Marktwirtschaft auseinandergesetzt hatte. Diese Diskussion
behagte mir am wenigsten. Es blieb mir nicht anderes übrig, als
zum Gegenangriff zu starten und die sozialdemokratische Marktwirt-
schaft ins Spiel zu bringen. Zum Glück hatte mir Reim einige Zitate
von Busek und Taus gegen die soziale Marktwirtschaft herausgefunden.
Entgegen meiner Gewohnheit die erste Frage ganz kurz zu beantworten,
las ich diese Stellungnahmen herunter und zum Schluss natürlich die
Autoren. Dies war ein Gag, der alle überraschte. Ich hätte mich
natürlich aus der Affaire ziehen können, dass dies alles gar nicht Ange-
legenheit der Vollziehung ist und ich sie daher gar nicht beantworten
müsste. Dies wieder aber widerspräche meinem Prinzip, da ich ja
stets auf dem Standpunkt stehe, man kann mich fragen was ich will,
eine Antwort weiss ich auf alle Fälle. Abg. Fiedler wollte wieder
meine Stellungnahme zum Handelskammerideologiekonzept, welches
er als die magna charta des Gewerbes bezeichnete. Bisher hatte ich
leicht zu behaupten, dass ich bin, auf der Basis dieses
Konzeptes weitere Verhandlungen zu führen, doch grundsätzliche Ein-
wände auch dagegen vorzubringen seien. Da er keine Zusatzfrage mehr
hatte, konnte er mich nicht mehr mit dieser Problematik konfrontieren,
indem er Details dazu wissen will. Ich hätte darauf verwiesen, dass
die Beschäftigungsfrage viel zu sehr ausgeklammert wurde. Vor allem
nach meinen Begriffen ist das Problem der Priorität der Vollbe-
schäftigung in dem Konzept überhaupt nicht vorhanden. Dieser Ein-
wand mag zwar in der Theorie gar nicht die Bedeutung haben, die ihr
heute sicherlich in der Praxis zukommt. Von der ganzen Diskussion
habe ich den Schluss gezogen, dass es dringend notwendig ist, mehr
theoretische Fundierung auch im Handelsministerium zu erarbeiten,
wenn möglich wirklich unter dem Titel "Begriff trade mdade ", wie immer
man es bezeichnen will, sozialdemokratische Marktwirtschaft.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Leider habe ich jetzt bestätigt bekommen, was
ich immer forderte, wir hätten uns mit dieser Frage schon länger
gründlicher auseinandersetzen sollen.
Mit Blaha, AK, Schmidt, ÖGB, Rief, Handelskammer, Wejwoda,
Präsidentenkonferenz und gleichzeitig Obmann des Milchwirt-
schaftsfonds, besprach ich die Milchpreisproblematik. Alle
haben sofort eingesehen, dass wir nicht davon ausgehen können,
was der Erzeuger wirklich bekommen soll und und wie wir dies
dann auf den Verbraucher umlegen, sondern dass wir wirklich umge-
kehrt festlegen müssen, welche Preisbelastungen können wir, ohne
dass der Umsatz zurückgeht, den Verbrauchern versuchen durch amt-
liche Höchstpreisregelung aufzubrummen. Bei allen Milchprodukten
konnten wir uns mit Belastungen zwischen 1, 2 und auch 4 Schilling
einigen, nur nicht über die Trinkmilch. Dort glaubt die Arbeiterkammer
mit maximal 4% den jetzigen Lebensmittelhaltungskosten Durchschnitts-
index auszukommen. Dies würde eine Erhöhung um 32 Groschen, von derzeit
8 Schilling, bedeuten. Wejwoda hatte zuerst den Ansatz von 80 Groschen,
den er aber sicherlich nicht ernstlich meinte. Leider war er hier
überhaupt nicht ermächtigt, konkreter vorzugehen. Ich verwies darauf,
dass ich mir maximal 40 Groschen vorstellen könnte. Da Wejwoda
nicht bereit war, diese zu akzeptieren, hat Verhandlungstaktik richtig
die Arbeiterkammer und der Gewerkschaftsbund erklärt, sie würden
jetzt eine Berechnung vorlegen, wo der Trinkmilchpreis überhaupt nicht
erhöht werden muss. Dadurch müssten sie allerdings die Milchprodukte
mehr erhöhen, als wir zuerst schon einvernehmlich festgelegt haben.
Mit aller Deutlichkeit stellte ich fest, dass der Wunsch der Land-
wirtschaft auf Senkung des Grundpreises beim Erzeugermilchpreis und
dafür Erhöhung der Fetteinheit von mir ganz entschieden abgelehnt
wird. Die Begründung war verhältnismässig einfach, weil sich tat-
sächlich einige kluge Bauern und ganz besonders Milchfunktionäre
schon ausgerechnet hatten, wenn sie nur 93% ihrer bisherigen Milch
abliefern dürfen, die restlichen 7% zu entrahmen, die Magermilch
zu verfüttern und die Fetteinheit zu der 93%igen abzuliefernden
Milch dazuzurühren. Wenn wir den Fetteinheitspreis daher erhöhen,
bekämen sie für diese Vorgangsweise noch eine Prämie. Zugestimmt
habe ich, dass für Babymilch der seit Jahrzehnten festgelegte Zu-
schlag von 50 Groschen für den Erzeuger um 10 Groschen erhöht wird.
Wejwoda wird veranlassen, dass der Milchwirtschaftsfonds jetzt genaue
Berechnungen über diesen Bedeckungsvorschlag durchführen wird. Rief
nahm zur Kenntnis, dass keine Möglichkeit besteht, die Handels-
spannen aufzustocken.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Da Du die Details sehr genau kennst, bitte
informiere den Milchwirtschaftsfonds-Geschäftsführer.
Bezüglich des Getreidepreises, wofür allerdings dieses Komitee über-
haupt nicht zuständig ist und nicht eingesetzt wurde, um eine Lösung
zu suchen, kam es trotz einer Diskussion darüber zu keinerlei
Annäherung. AK und ÖGB verharren auf die Aufhebung der Preisrege-
lung für Nicht-Mahlweizen, die andere Seite lehnt ganz entschieden
einen solchen Vorschlag ab. Im Anschluss an die offizielle Sitzung
habe ich dann mit Schmidt, Blaha, Plesch besprochen, dass wir na-
türlich an dieser Taktik festhalten. Sollte es aber nicht möglich
sein sie durchzusetzen, was ich ehrlich gestanden befürchte, dann
müsste der Versuch dahingehend gemacht werden, dass der Normalweizen-
preis nicht erhöht wird und die Landwirtschaft mehr konkretisiert
die Minkowitsch-Zusage, dass sie sofort bereit ist, über dieses
Problem konkrete Verhandlungen im September zu beginnen. Jetzt wäre
es als erster Schritt dringendst notwendig zu trennen, Mahlweizen
und Futterweizen. Ich weiss nur keinen Weg, wie man in der Defini-
tion und in der praktischen Durchführung diese Trennung herbeiführen
könnte.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Frage bitte eine Reihe von Fachleuten, viel-
leicht fällt diesen etwas ein.
Präs. Hrdlitschka von der ÖIAG wird der Delegation nach Moskau ange-
hören. Gen.Dir. Grünwald wird sie führen und versuchen eine Lösung
für Assemblierung von Lada oder gar eine Teilfertigungsproduktion
von sowj. Autos in Österreich zu erreichen. Die Idee Kreisky's beim
Kossygin-Besuch, welche meiner Meinung nach damals nicht all zu
viel Aussicht auf Erfüllung hatte, soll jetzt durch intensivste
Verhandlungen weitergetrieben werden. Ich fürchte, dass wir letzten
Endes mit der sowjetischen Seite kaum zu einem sichtbaren
Ergebnis kommen können. Hrdlitschka befürchtet auch, dass der
Verdacht dann entstehen wird, man hat mit den Sowjets nur ver-
handelt, weil man auf die Firma Chrysler, wo ebenfalls sehr enge
Verhandlungen jetzt stattfinden, sozusagen mit einer Automarke
aufstacheln will, so schnell als möglich mit Österreich zu einem
Abschluss zu kommen.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Wanke soll sich von Hrdlitschka nach seiner
Rückkunft genau berichten lassen.
Nach wie vor gehen die Gespräche zumindestens der einzelnen
Fraktionen im Parlament wegen der Lösung wegen des Kernkraft-
werk-Entschliessungsantrages weiter. Obmann Fischer hat im An-
schluss an den Taus-Besuch bei Kreisky über die Präsidiale, d.h.
mit Besprechungen Präs. Minkowitsch versucht, ein Gipfelgespräch
zustande zu bringen. Minkowitsch, der zuerst zusagte und deshalb
für nächsten Mittwoch einen Parteigipfel – Kreisky, Androsch,
Fischer, Staribacher – vereinbart worden war, hatte dann grosse
Bedenken, diesen abzuhalten. Da bereits einmal ein solcher Partei-
gipfel geplatzt ist, fürchtet er, dass auch diesmal nichts heraus-
kommt. Wenn ein solcher Parteigipfel aber dadurch abgenützt wird,
dass er zu Gespräche zusammengerufen wird und nachher nichts
herauskommt, meinte er es wäre zweckmässig, diese Sitzung nicht
abzuhalten. Nach der am heutigen Tag neuerdings durchgeführten
Parteivorstandssitzung der ÖVP wurde in einem Kommunique aber
wieder erklärt, man könne über die Formulierung der Entschliessung der
ÖVP zu dieser Frage verhandeln. Bevor noch die Ergebnisse dieses
Parteivorstandbeschlusses der ÖVP bekannt wurde, hat König sich
bei Heindl gemeldet und meinte, man sollte doch die Gespräche
zwischen den beiden wieder aufnehmen. Heindl taktierte sehr ge-
schickt in der letzten Zeit, indem er auf Interventions-Dritter
immer zu verstehen gab, dass er natürlich verhandlungsbereit sei,
aber er könne von seiten der ÖVP doch nicht annehmen, dass ihr
Entschliessungsantrag nach der Methode friss Vogel oder stirb behandelt
wird. Fischer, Heindl und ich einigten uns darauf, dass unsere einzig
konkrete Verbindung, nämlich König – Heindl, weitere Formulierungs-
gespräche führen sollte. Völlig zwecklos wäre es auf höherer Ebene,
z.B. mit Gen.Sekr. Mussil oder Präs. Sallinger irgendwelche konkreten
Formulierungsgespräche zu führen. Mein diesbezüglicher Versuch
ist vor Wochen bereits gescheitert. Das Ergebnis der Verärgerung der
Handelskammer kommt am deutlichsten dadurch zum Ausdruck, dass
sie nicht einmal mehr, obwohl sie Mitglied des Handelsausschusses
sind, dort erscheinen. Die Nabelschnur bleibt also daher wirklich
nur König – Heindl. Ich muss gestehen, dass mir die Formulierung
der Entschliessung im Grund genommen ganz egal ist. Wenn es gar
nicht anders geht, werde ich ganz einfach die 6 konkreten Punkte
telquel von der ÖVP übernehmen. Ich sehe nämlich die viel grössere
Gefahr, wenn es zu keiner wie immer gearteten Lösung mit der ÖVP
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kommt, dass Kreisky – und die Androsch-Aussage zeigt schon sehr
deutlich darauf hin – dann wirklich nicht bereit ist, einen Alleingang
zu machen. Dies würde aber bedeuten, dass wir innerhalb unserer
Partei neben der jetzt schon so unleidigen Steuerfrage auch noch
die Diskussion über die weitere Vorgangsweise zur Genehmigung
des Betriebes des Kernkraftwerkes Tullnerfeld bekommen würden.
Dieser Streit innerhalb unserer Partei würde wesentlich mehr
uns schaden, als selbst die feigste Formulierung gemeinsam mit der ÖVP.
Natürlich habe ich volles Verständnis, dass Fischer jetzt auf
die Rückkehr von Kreisky warten möchte, weshalb auch der nächste
Handelsausschuss für Freitag nächster Woche für 9.30 Fraktion,
10.30 Handelsausschuss von der Präsidiale festgelegt wurde.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte sofort mit GD Bauer, ÖMV, verbinden,
da ich den Gasminister nicht betreuen kann.
Von zwei Seiten wurde mir konkret mitgeteilt, dass der ägyptische
Vizeministerpräsident Sultan sehr enttäuscht ist, dass wir jetzt
während seiner Anwesenheit nicht den Vertragsentwurf, den Frank
in Kairo ausgearbeitet hat, zwischen den Regierungen jetzt unter-
zeichnen. SChef Frank dürfte hier bei seinen Gesprächen den
Eindruck erweckt haben, als ob es möglich wäre, diese Formu-
lierungen im kürzesten Wege in Österreich durchzuberaten und dann
unverzüglich zu beschliessen. Abgesehen davon, dass aber natürlich
vorerst die Kernkraftgesellschaft GKT sich dazu bereiterklären
müsste, gibt es auch viele völkerrechtliche Probleme inneröster-
reichisch noch zu lösen. Ich kann und will nicht dasselbe Debakel
erleben, wir jetzt beim Cogema-Vertrag. Dort behauptet der Ver-
fassungsdienst, es ist unbedingt notwendig, dass der Briefwechsel
im Parlament beschlossen wird, während die Opposition mit Recht –
wenn sie erst einmal in Details eingedrungen sein wird resp.
die Information von der ÖVP-Seite der Kernkraftgesellschaft bekommt –
wahrscheinlich feststellt, dass bei anderen europäischen Staaten
Cogema sich vollkommen damit begnügt, eine Regierungserklärung zu
akzeptieren. Vizepr. Sultan war so verärgert, dass er angeblich erklärt
hat, er wird die Koffer packen und sofort abreisen. Ich hoffe, dass
es gelingt, eine Briefwechselformulierung zu finden, die Sultan noch
befriedigt, die GKT akzeptieren kann und insbesondere Botschafter
Herndl, der ja vom Aussenamt die völkerrechtlichen Verhandlungen
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führt resp. führen muss, ebenfalls zustimmen kann.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Lass Dir genau berichten.
Die Fraktionsobleute Wiesmüller und Krehlik kamen nachträglich
zu mir, um mir ihre Gründe für die Ausgabe ihres Fraktions-
flugblattes zu erklären. Sie meinen, sie müssen unbedingt gegen
die ÖAAB-Fraktion stärker auftreten, weil sie dadurch diese in
eine zwielichtige Lage bringen. Der ÖAAB-Personalvertreter hat
ohne einen Beschluss die Personalversammlung verschoben, weil
sowohl ich, der eingeladen wurde, als auch der Referent Gewerk-
schaftsobmann Sommer zu diesem Zeitpunkt nicht kommen konnte.
Dies wird im Flugblatt angeprangert, bringt natürlich politisch
gar nichts und ist in Wirklichkeit nichts anderes als wie klein-
karierte Kritik. Der Personalvertretungsobmann Herold, der ihrer
Meinung nach unbedingt den Personalvertretungsausschuss zusammen-
rufen müssen, um die Verschiebung beschliessen zu lassen. Allen
Ernstes glaubten die beiden, mit dieser Taktik, sie bezeichnen
es als schärfste Angriffe, mich in meiner Politik zu unterstützen,
nämlich die Angelegenheit Plesch leichter bereinigen zu können.
Selbst Plesch bestätigte mir, dass ich recht habe, dass mit dieser
Methode sein Fall nur eskaliert wird und sicherlich nicht dazu
beitragt, eine Bereinigung auf stillem Wege herbeizuführen.
Plesch wird sich überlegen, ob es nicht zweckmässig ist, gegen ihn
ein Disziplinarverfahren einzuleiten, da "seine" sogenannten straf-
rechtlichen Gesetzesverletzungen nach seiner Meinung höchsten eine
Verwarnung ergeben könnten. Diese Ansicht teilen auch andere. Mit
einem durchgeführten Disziplinarverfahren würde ich erstens Zeit
gewinnen, ausserdem wäre das Ergebnis einer Verwarnung wirklich das
mindeste und einfachste. Vorher muss ich allerdings klären, ob die
Disziplinarkommission auf mein Ersuchen bereit sei, ein solches
Verfahren abzuwickeln, weil ja Plesch kein Beamter ist. Bevor ich
diese Idee aber in Angriff nehme, möchte ich schon, dass Plesch,
der im Prinzip damit einverstanden ist, sich die ganze Sache über-
denkt. Auch hier gilt mein alter Grundsatz, alles einmal über-
schlafen.
Dr. Degischer teilt mir mit, dass er jetzt neuerdings vom Ver-
waltungsgerichtshof erstrangig vorgeschlagen wird. Er hofft, dass
es diesmal klappt. Ich selbst versprach ihm jedwede Unterstützung.
Tagesprogramm, 15.6.1978