Freitag, 7. Juli 1978
Die Müllervertreter, Köllerer, Industrie, Mittermayer, Gewerbe,
und Dr. Rief von der Handelskammer waren über die Entscheidung
des Agrargipfels sehr unglücklich, Rief sogar empört. Sie hatten
fest damit gerechnet, dass am Montag, den 10. Juli der Mehlpreis
in Kraft tritt. Jetzt hat MR Kurzel in der Preiskommission erklärt,
alles wird erst am 17.7. in Kraft gesetzt, der Getreidepreis und
der Erzeuger- und Verbraucherpreis, also gleichzeitig. Dies wäre
für die Müller deshalb ein schwerer Verlust gewesen, weil selbst-
verständlich zum jetzigen Zeitpunkt ja schon der neue Getreide-
preis von den Bauern draussen gefordert wird und auch die höheren
Löhne bereits bezahlt werden. Die Arbeiterkammer, Dkfm. Blaha,
sprach sich überhaupt gegen jedwede, ihrer Meinung nach zu hohen
Erzeugerpreis, ganz entschieden aus. Durch Aussprache mit den
Interessensvertretungen, allerdings mit jeden getrennt, gelang
es mir dann doch eine Zustimmung für die Kompromissregelung zu
bekommen. Der Roggen bleibt im Juli unverändert, um im Frühdrusch-
gebiet, wo eigentlich gar kein Roggen erzeugt werden soll, keine
Preisaufbesserung zu geben. In diesen Frühdruschgebieten Juli
kann nämlich auf Weizen gebaut werden und dieser ist zwar auch
für uns in zu grossem Ausmass vorhanden, doch wenn dort Roggen ge-
baut wird, wird der echte Waldviertler und Mühlviertler Roggen
der Kleinbetriebe sehr stark konkurrenziert. Die Arbeiterkammer
nahm dann die Verbraucherpreiserhöhung 50 Groschen für Griess, Mehl
430 verpackt und 40 Groschen für offenes wie auch für Mehl 710
verpackt und offen, zur Kenntnis. Kurzel gelang es dann doch noch
die Verordnungen so zeitgerecht fertigzustellen, dass mit den
Mehlpreiserhöhungen Montag fixiert werden konnte. Die Mühlen
waren über diese Lösung glücklich und die Handelskammer beruhigt.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte lass Dir dies von den Müllern schrift-
lich bestätigen.
Das vereinbarte Protokoll der ägyptisch-österreichischen Kommission
muss für die Ägypter sehr befriedigend sein. Ich habe in einer
Vorbesprechung im kleinsten Rahmen Minister Sayeh gesagt, dass
sie aus der Entwicklungshilfe 8 Projekte feasibility-study usw.
finanziert bekommen. Natürlich hätten die Ägypter am liebsten,
wir erklären uns auch die Projekte auszuführen und sie ihnen zu
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schenken. So reich sind wir aber wirklich nicht, was die
ägyptische Seite auch einsieht. Unsere Entwicklungshilfe
in die Entwicklungsländer ist so gering, dass wir im Grunde
genommen immer nur Vorarbeiten leisten können. Dass das Bundes-
kanzleramt, insbesondere aber Kreisky selbst, diese Entwicklungs-
hilfe für seine Friedenspolitik einsetzt, erscheint mir selbstver-
ständlich. Staatssekretär Nussbaumer stimmt aber mit mir über-
ein, dass wir sie auch für die wirtschaftspolitischen Ziele, d.h.
durch Firmenunterstützung vielleicht auch doch zu Projekten zu
kommen, ebenso einsetzt ist neu. Bei Ägypten decken sich beide
Interessen. Die Ägypter legen grössten Wert darauf, dass im
nächsten Jahr wieder die Gemischte Kommission zusammentritt.
Sie laden mich deshalb ständig nach Ägypten ein. Ich möchten dem
aber ausweichen, denn jede Sitzung bedeutet, dass wir zusätzliche
Zugeständnisse machen müssen, wie ich auch den Vertretern der Handels
kammer auseinandersetzte.
Die Reisetätigkeit im nächsten Jahr kann ich insoferne mit
guter Begründung einschränken, weil im nächsten Jahr National-
ratswahlen sein werden und deshalb ab Juli ich überhaupt nirgends
mehr hinfahren muss. Auch dieses Jahr habe ich für Herbst einige
Reisen absagen resp. verschieben können, weil ich auf die Wahl-
auseinandersetzung wegen des Atomkraftwerkes hinweisen kann.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte bei allen Anfragen und Wünschen
immer auf diese beiden Gesichtspunkte besonders verweisen.
Im Parlament sollte eigentlich nur der Beharrungsbeschluss für
das Gesetz Betrieb Kernkraftwerke auf der Tagesordnung stehen.
Natürlich wurde dann diese Materie einmal mehr von der dringlichen
Anfrage wegen der Frächterblockade verdeckt. In dieser Beziehung
habe ich wirklich ein eigenes Glück, ein anderer Minister würde
sagen Pech. Noch so bedeutende Gesetze wie Gewerbeordnung oder
auch andere wurden stets durch ein zweites Gesetz, welches für die
Bevölkerung und damit die Massenmedien interessanter gemacht wurde
oder vielleicht auch sogar war, überdeckt. Mich stört dies aber gar
nicht, denn ich bin nicht an besonderen parlamentarischen Ausein-
andersetzungen interessiert. Diesmal musste ich aber wohl im Handels-
ausschuss als auch dann im Plenum dem angreifenden ÖVP-Abgeord-
neten König ganz energisch widersprechen. Erstens einmal glaube
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ich, hatte ich wirklich dafür gute Argumente und zweitens ver-
suchte König jetzt bereits unfaire Wahlpropaganda zu machen.
Die ÖVP hat sich nicht zu einem Nein gegen das Gesetz durch-
ringen können. Parteiobmann Taus hatte vorzeitig zwar diese
Parole ausgegeben, doch konnte er sich damit in seinen Gremien,
insbesondere auch nicht im Parteivorstand durchsetzen. Die
Partei beschloss daher zwar gegen das Gesetz zu sein, für die
Volksabstimmung aber den eigenen Parteimitgliedern nichts zu
empfehlen. Ein solcher Standpunkt einer Partei ist in Wirk-
lichkeit verheerend. Die breite Masse der Parteimitglieder er-
wartet, dass jede Partei eine klare Linie hat. Diese ist gerade
bei der Atomfrage aber in der ÖVP sehr vermisst worden. König
fängt deshalb – übrigens auch der Freiheitliche Abgeordnete
Stix hat dies anklingen lassen – eine sehr demagogische Propaganda
an. Er fragte, was wird geschehen, Herr Minister, wenn mit einem
knappen Ja, bei ganz geringer Beteiligung das Volk entschieden hat?
Was geschieht, wenn das Volk nein sagt, mit Zwentendorf? Dann
aber hat er die demagogischste Behauptung aufgestellt, wenn ein
Bundesland mit mehr Stimmen als andere sich für die Kernkraft
ausspricht, dann würde die Regierung sagen, dies ist gleich-
zeitig eine Zustimmung, dass in diesem Bundesland die Atommüll-
lagerung durchgeführt werden soll. Mit der Angst oder besser
gesagt dem Unbehagen gewisser Leute gegen eine Atommüllagerung
wird jetzt der Regierung unterschoben, dass sie sich dann über
alles hinwegsetzt, wenn in diesem Land mehr Stimmen für die Inbe-
triebnahme des Kernkraftwerkes gezählt werden. Ich kann mir
jetzt schon ausrechnen, wie König und Konsorten diesen Atomkampf
führen werden. Da ich mir ja jede Diskussion, die mein Ressort
betrifft, von Anfang bis zum Ende genau anhöre, stets anwesend
bin, daher auch im Unterausschuss und im Handelsausschuss nie-
mals fehle, habe ich bei allen ein sehr gutes Image. Auch die ÖVP
anerkennt dies und sagt dies auch. Ich kann mir daher auch er-
lauben, von der Regierungsbank nicht nur stets anzugreifen, sondern
auch jeder Behauptung mit aller Entschiedenheit entgegenzutreten.
Das Ergebnis ist, dass ich zwar einzelne Sätze der Oppositions-
partei in Zwischenrufen bekomme, die einen polemisieren sie nicht
von der Regierungsbank, aber dies geht schon allein mit meinem
lauten Organ unter. Da auch meine Argumente meistens zutreffend sind,
ist bei dieser Art der Erwiderung kaum grössere Schwierigkeiten.
Kreisky flüsterte mir nach der Debatte gegen König zu, weil ich
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dann, wenn ich ein Argument dargelegt habe, sage, aber ich
will ja gar nicht polemisieren, dass nennst du nicht polemisieren,
sondern informieren, was ich ihm lächelnd bestätigte. Mein Be-
kenntnis zur Sozialpartnerschaft, mein ständig guter Kontakt zur
Handelskammer, mein erfolgreicher Versuch seit 1970 auf Konsens
auch im Handelsausschuss stets hinzuarbeiten, machen sich eben
tatsächlich bezahlt. Nicht nur dass es meine Überzeugung ist,
entspricht es auch meiner Mentalität.
Im Klub wurde über die dringliche Anfrage gesprochen und interessan-
ter Weise waren die meisten Diskussionsredner für Durchgreifen
gegen die Frächter, Errichtung eines Krisenstabes, mit einem Wort
eine Art deutsche Gründlichkeit, eine härtere Gangart. Kreisky
selbst aber sprach sich dann insbesondere im Schlusswort eher
für eine österreichische Methode aus, an der Sache festhalten,
an den Strassenabgabengesetz kein Zugeständnis, wohl aber dann
bei der Durchführung und insbesondere auch bei der zukünftigen
Unterstützung der Frächter, soweit sie aus der Retorsion geschädigt
werden. Dass diese dringliche Anfrage natürlich sehr hart ge-
führt wurde und vor allem dann auch die Meinungen lautstark auf-
einanderprallten, war selbstverständlich.
Der Generalsekretär des Raiffeisenverbandes Kleiss, seine rechte Hand
oder besser gesagt sein Sekretär Dr. Meierhofer, der übrigens bei
mir in der Arbeiterkammer früher arbeitete, und Bauernbundsekretär
Dr. Strasser sind zu Minkowitsch gekommen, um zu klagen, dass die
Lohnverhandlungen wieder unterbrochen wurden. Die ganze Delegation
hat mich dann gerufen und gefragt, wie es weitergehen soll. Ich habe
mich mit unserem Sekretär Staudinger ins Einvernehmen gesetzt und
selbstverständlich erreicht, dass die Verhandlungen wieder aufge-
nommen werden. Staudinger hat die Taktik entwickelt, dass die bis-
herigen Verhandlungen deshalb zu keinem Ergebnis kommen können,
weil die Bauern den Erzeugerpreis nicht fixiert gehabt haben. Sie
wollten unbedingt auch über die Lohnverhandlungen einen gewissen
Druck auf mich ausüben. Jetzt, wo der Erzeugerpreis fixiert ist,
meinte Staudinger, er hätte Zeit genug, denn wenn er mit den Löhnen
nicht fertig wird, können auch die Verbraucherpreise und die Erzeuger-
preise am 17.7. nicht in Kraft treten, wie gemeinsam vereinbart
wurde. Die Taktik ist insoferne aufgegangen, als die Raiffeisen-
vertreter sehr nervös waren. Sie waren daher sehr befriedigt und
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glücklich, als die Verhandlungen dann durch meine Interventionen
wieder fortgesetzt werden konnten.
Bei dieser Gelegenheit habe ich Kleiss und auch Strasser
klargemacht, dass wir jetzt unverzüglich mit der neuen Brot-,
Mehl- und Getreidepreisregelung für das nächste Jahr beginnen
müssen. Da heuer von den ca 500–600.000 Tonnen Normalweizen nur
noch 140.000 zur Vermahlung kommen, im nächsten Jahr es sogar nur
mehr 70.000 sein werden, müssen wir für diese geringe Menge dann
eine Art Kontrahierung vornehmen. Die Bauern haben der Konzep-
tion, mehr Qualitätsweizen zur Vermahlung zu bringen, zugestimmt.
Im Mühlengesetz wurde deshalb festgelegt, dass im nächsten Jahr
10 Monatsvermahlungen nur mehr Qualitätsweizen verwendet werden
dürfen. Dies bedeutet, dass von den Normalweizenmengen höchstens
12–15% zur Vermahlung kommen. Wenn wir hier nicht eine Kontin-
gentierung einführen, muss das Lagerhaus resp. der Händler dann
im nächsten Jahr selbst entscheiden, wieviel er den Bauern für
den Futterweizen zahlen kann und wieviel dann tatsächlich – und
vor allem wer dann zur Getreidevermahlung führt – Mehl herange-
zogen wird. Die beiden haben dies eingesehen, ich hoffe, dass
wir zu einem positiven Ergebnis kommen.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte die diesbezüglichen Verhandlungen
sofort beim Landwirtschaftsministerium für August spätestens
verlangen.
Tagesprogramm, 7.7.1978