Montag, der 17. Juli 1978

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Montag, 17. Juli bis Sonntag, 23. Juli 1978

Die konstituierende Sitzung des Vereines zur Förderung kauft österr.
Waren verlief programmgemäss. Gen.Sekr. Mussil als Hausherr leitete
ein, verwies darauf, dass es gelungen ist eine sozialpartner-
schaftliche Regelung zu finden und gab seiner Hoffnung Ausdruck,
dass die Probleme, die natürlich bei einem solchen Verein auto-
matisch entstehen müssten, in diesem Sinne gelöst werden. Ich ver-
wies darauf, was unter dem Slogan "Kauf Dir Deinen Arbeitsplatz,
kauf österreichische Waren", ohne dass von unseren internationalen
Verpflichtungen der liberalen Politik abgegangen werden soll, doch
mehr für die österreichischen Waren geworben werden soll. Es soll
keine Diskriminierung der Importware, wohl aber ein Herausstrei-
chen der österreichischen Qualität und der Produktion unsere Leit-
linie sein. Prof. Mautner Markhof war als Obmann des Vereines vorge-
schlagen, Landtagsabgeordneter Braun von den Privatangestellten
sein Stellvertreter. Nach der Konstituierung und dem Wahlakt sind
Mussil und ich auf dessen Wunsch sofort weggegangen. Der Verein hat
ein verhältnismässig gutes Budget, da ich so wie beim Verein für
Konsumenteninformation den Mitgliedsbeitrag, der ca 5 Mio beträgt,
die Hälfte bezahle. Sekretär Schmidt vom Gewerkschaftsbund hat mich
schon wissen lassen, dass das Budget ganz anders ausgegeben werden
muss, als derzeit von den Exponenten der Arbeitnehmerseite, insbe-
sondere Koppe vorgesehen ist. Hier wird es sicherlich noch grössere
Differenzen innerhalb der Fraktion der Konsumentenvertreter geben,

ANMERKUNG FÜR BURIAN: Bitte versuche herauszufinden, was jede Gruppe
will.

Beim Jour-fixe hat sich Sallinger ganz besonders beschwert, dass zwei
Ansuchen über die Verleihung zur Führung des Staatswappens von der
Arbeiterkammer abgelehnt werden. Die beiden Firmen Reinauer und
Prack & Matzke, beide Büromaschinen, sind von der Arbeiterkammer,
wahrscheinlich weil sie keinen Betriebsrat haben oder keine gewerk-
schaftliche Organisation haben, abgelehnt worden. Ich habe natürlich
sofort gleich bestritten, dass dies nicht der Fall ist, ich aber
derzeit keine Stellungnahme abgeben kann, solange ich den Akt nicht
sehe. Prack & Matzke soll ich zugesagt haben, dass dieser das Dekret
zur Führung des Staatswappens bekommt, als die Firma Braun, Einrichtungs-
kontor, das ist dieselbe Branche, das Dekret bekommen hat. Die Arbei-
terkammer hat damals gegen Prack & Matzke protestiert und man hat der


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Firma empfohlen, das Ansuchen zurückzuziehen. Jetzt hat sie ein
zweites Mal eingereicht und scheinbar wird es wieder abgelehnt

ANMERKUNG FÜR BURIAN: Bitte sprich mit der Arbeiterkammer und ver-
suche die Fälle durchzubringen.

Die Handelskammer ist fest entschlossen aus der Arbeitsgemeinschaft
Management auszutreten. Richtig ist, dass wir vereinbart haben, dass
der Leiter des Hernstein-Institutes Dr. Fink zum Vorsitzenden gewählt
wird. Der nächste Vorsitzende kommt dann aus dem BFI. Jetzt soll
dieses Management Arbeitsgemeinschaft um etliche Vereine ergänzt
werden. Insbesondere will das BFI die öffentlichen Ausbildungs-
stätten für die Gemeinde Wien und für den Bund im Schloss Laudon eben-
falls als Vereinsmitglieder. In diesem Falle wird die Handelskammer
natürlich sofort wieder andere Vereine nominieren, die aber gar
nichts oder zumindestens nur sehr wenig mit der Managementbildung
zu tun haben. Die Handelskammer ist aber nicht bereit, insbesondere
Sallinger ist sehr verärgert, eine solche Ausweitung vorzunehmen.
Sallinger meint, es war vereinbart, dass Fink gewählt wird und nachher
wird man weitersehen – obwohl sie mich nicht im unklaren liessen –
dass eine solche Ausweitung von ihnen auch dann abgelehnt wird. Sollte
es zu keiner Einigung kommen, dann treten sie eben aus der ganzen
Arbeitsgemeinschaft aus. Dies kann auch in der jetzigen Phase gar
nicht meine Absicht sein.

ANMERKUNG FÜR PLESCH: Wanke und Gröger sollen mir einmal die interne
Situation genau schildern.

Ich informierte Mussil und Sallinger über die Lagergespräche mit
Ägypten. Bei dieser Gelegenheit verwies ich darauf, dass die Angriffe
der ÖVP, insbesondere auch des Wirtschaftssprechers Keimels in
offenen Briefen mit mir über dieses Problem diskutieren wollen,
vollkommen unakzeptabel ist. Sie stimmten mir zu und meinten, dass
jetzt alles schon in einem Masse politisiert wird, wo kaum mehr in
der Öffentlichkeit mehr vernünftige Lösungen erwartet werden. Ich
erklärte ausdrücklich, dass ich mich nicht über Keimel beschweren
möchte. Ich verstehe vollkommen, dass die ÖVP mich attackiert. Ich
kann nur beim besten Willen nicht über die Presse Verhandlungsergeb-
nisse, die noch nicht feststehen, mitteilen, nur weil Keimel, Wiesinger
und, wie sich letzten Endes dann herausstellte, auch Hubinek mich
durch offene Briefe dazu zwingen will. Den Fall Hubinek erörterte


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ich insbesondere im Detail, denn die fernschriftlich an mich ge-
richtete Frage hat nicht erkennen lassen, dass es sich um einen offenen
Brief handelt. Ich habe ihr deshalb eine Aussprache vorgeschlagen
und hoffe, dass diese noch zustande kommt. In der Zwischenzeit hat
allerdings der ÖVP-Pressedienst mitgeteilt, daß auch Hubinek mir
einen offenen Brief geschickt hat. Sallinger und Mussil sind über
diese Entwicklung selbst sehr unglücklich, da sie zugeben, dass auf
solche Art unter gar keinen Umständen verhandelt werden kann.

ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Frank soll, wenn die nächste interministe-
rielle Sitzung stattfindet, auch die Interessensvertretungen einladen.

Sallinger beschwerte sich bei mir, dass die Handelskammer bei der
Vergabe an Industriebetriebe über die Kreditzuschüsse, die jede im
Ministerrat genehmigt werden, während die Gewerkschaft nach Mitteilung
von Dr. Egger zu jeden einzelnen Fall zugezogen wird. Wir haben
Benya angerufen, um zu klären, ob dies geschieht. Benya hat dezidiert
mitgeteilt, das es sich hier um eine falsche Information handeln
muss, der ÖGB ist nicht eingeschaltet und beabsichtigt auch nicht
dies zu verlangen. An und für sich geht mich die ganze Sache ja
nichts an, denn abgewickelt wird diese Aktion im Bundeskanzleramt
resp. unter Beiziehung des Finanzministeriums von scheinbar einer
eigenen Kommission im Rahmen des ERP-Verfahrens. Dabei ist allerdings
die ERP-Kommission nicht eingeschaltet, was die Handelskammer ja
seinerzeit verlangt hat. Mir ist es insoferne ganz recht, dass
Sallinger und Mussil sehen, wie anders wir unseren Kredit für die
Papierindustrie sehr wohl im engsten Einvernehmen mit den Sozialpart-
nern abwickeln.

ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte aufs nächste Jour-fixe AK setzen.

Das Pressefrühstück war für mich nur sehr kurz, weil ich am Flughafen
fahren musste. RR Puffler's stereotype Frage, ob jemand an den
Minister irgendwelche Wünsche hätte, Kritik oder Fragen, brachte eine
einzige Frage – was in Russland geschehen wird. Ich erörterte unsere
Ausgangslage, dass diesmal in der Gemischten Kommission mehr über
die neuen Wege, wie Assembling von LADA/TAIGA, Kooperation über den
grossen Muldenkipper 200 PS, über die Komponentenlieferungen für
Kernkraftwerke, über die Papier- und Zellstoffkooperation und Ein-


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richtungsverkauf geredet wird.

Die Gemischte Kommission in Moskau verlief dann tatsächlich zwar
im alten Geleise, aber ergänzt durch den Vizeminister für die
Automobilindustrie Guruschkin, für den energetischen Maschinenbau
Jefremow und für Zellstoff und Papier Sisow. Diese drei referierten
neben dem Vizeminister Manschulo über die allgemeine Handelspolitik
und ihre Gespräche mit österreichischen Delegationen resp. ihren Be-
such in Österreich.

Patolitschew hat schon bei der Vorbesprechung, diese ist nämlich
im kleinen Rahmen in der UdSSR immer üblich, festgehalten, dass
es organisatorisch gar keine Probleme gibt und dass er sozusagen
mit einer grossen Neuigkeit die 10jährige Jubiläumssitzung eröffnen
wird, nämlich einer Grussbotschaft des Ministerpräsidenten Kossygin.
Die Botschaft hat er dann auch tatsächlich verlesen, mir übersetzt
dann gegeben und es war sicherlich eine Auszeichnung für die Gemischte
Kommission. Ich habe deshalb auch bei der einzigen Anfrage, die ich
von Radio Moskau bekommen habe, ganz besonders auf die Grussbotschaft
hingewiesen. In der Prawda ist dann auch ein Artikel erschienen,
der natürlich auch besonders auf dieses Ereignis hingewiesen hat.
Patolitschew bedankte sich dann, dass Kreisky für die Gemischte
Kommission und für die Arbeitseinschätzung dieser ein so grosses
Interesse entgegenbringt ebenso wie Zentralsekretär Breschnew. Formal
war also alles in schönster Ordnung. Materiell sieht die Sache
leider anders aus.

Bei inoffiziellen Gesprächen konnte ich feststellen, dass wir zwar
heuer den Rahmen von 616 Mio Rubel des Vorjahres erreichen, sogar
wahrscheinlich um 20–30 Mio überschreiten werden. Das wirkliche
Loch kommt, wie Handelsrat Nikolaenko der sowj. Delegation und mir
zugab, erst im nächsten Jahr. Herkömmliche Waren werden soweit sie
Konsumgüter sind, ständig von den Sowjets nur reduziert. So haben sie
den Schuhimport um 40% verringert, weil sie aus Frankreich angeblich
überhaupt keine mehr einführen. Die Firma Högel, Oberösterreich,
die mit Raznoexport jahrelange Verbindungen hat und auf deren An-
deutungen nicht aber auf konkrete Abschlüsse die Produktion fort-
setzte, ist dabei unter die Räder gekommen. Auch bei den Papier-
importen, die jetzt wesentlich reduziert werden, habe ich natürlich
interveniert. Trotz des Handelsbilanzüberschusses der Sowjets, ist
Patolitschew nicht bereit, mehr Konsumgüter zu importieren. Scheinbar


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hat er, obwohl er dies offiziell bestritt, die Absicht die Westdevisen,
die Österreich ihnen so liefert, anderweitig zu verwenden.

Bei meiner Ankunft besuchten wir unverzüglich die Ausstellung
von Nahrungs- und Genussmitteln und Gaststättenversorgung. Die Aus-
stellung war nachmittags für das Publikum zeitweise gesperrt worden
als ein sowjetischer Minister, ich glaube für Kultur zuständig,
die Ausstellung besuchte. Die Ausstellung schloss um 6 Uhr und wir
waren um 1/2 6 Uhr gerade noch zum letzten Moment gekommen. Nur mehr
die österreichischen Aussteller hatten gewartet und mir ihr Ergebnis
mitgeteilt. Teils waren sie mit den Anbahnungsgesprächen zufrieden,
teils haben sie sogar wirklich Abschlüsse in Aussicht, teils aber war
es vollkommen ergebnislos. Ich hatte mich dann bei Patolitschew
in der Kommission eingesetzt, dass man zumindestens in Hinkunft
die ausgestellten Exponate übernehmen sollte, damit den Firmen nicht
noch grosse Rücktransportkosten entstehen. Patolitschew hat zugesagt.

Eine harte Diskussion gab es zwischen Fälbl und Mussil in unserer
Botschaft bis über Mitternacht, als wir die Liste zusammenstellten,
die wir übergeben sollten. Das letzte Mal haben wir den grossen
Fehler gemacht, dass wir alle Wünsche, Anregungen und Vorschläge
von österr. Firmen ungeprüft in eine Liste zusammengeschrieben haben
und bei der offiziellen Sitzung im Gefolge des Kreisky-Kossygin-
Gespräches von mir bei der Unterausschussitzung Patolitschew
übergeben wurde. Manschulo war damals darüber sehr verärgert. Die
Handelskammer, ja selbst Mussil haben eingesehen, dass es in Hinkunft
anders werden muss. MR Fälbl und der neue Handelsdelegierte
Draczik haben deshalb mit dem Österreich-Referenten Balog die ganze
Liste durchgegangen. Dort wo überhaupt keine Aussicht bestand, wie
z.B. Zuckerexporte, Schokolade, Waschmittel usw. wurde es erst gar
nicht in eine Liste aufgenommen. Mussil remonstrierte dann mit aller
Vehemenz, dass doch eine gewisse Auslese auch von Investitionsgüter-
angeboten erfolgen musste. Nach etlichen Wodkas, die nicht dazu
beitrugen, um die Situation zu erleichtern, gelang es mir eine ein-
vernehmliche Liste zwischen den beiden zustande zu bringen, die
wir dann offiziell sogar in russischer Sprache am nächsten Tag über-
gaben. Ich halte ja gar nichts davon, ob eine Firma auf einer Liste
steht oder nicht, denn wenn die Sowjets das Produkt brauchen, dann
finden sie Mittel und Wege mit der Firma Kontakt aufzunehmen und
letzten Endes, selbst wenn es keine Unterstützung von Österreich er-


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fahren würde, zu importieren. Andererseits kann ein noch so
bedeutender Mann, der auch selbst in der Delegation anwesend ist,
oft nichts erreichen. Das typischste Beispiel für mich war, dass
das Bierkonzentrat von Mautner Markhof, das letzten Mal von ihm
gross propagiert, in der Zwischenzeit weiter verfolgt, vor der
Abreise er mich noch versicherte, seine Sache läuft gut. In Russland
erfuhr ich dann genau das Gegenteil. Innerhalb der Fachleute ist
dort eine Diskussion ausgebrochen, ob es sich hier überhaupt
um Bier handelt. Patolitschew hat schon einmal angedeutet scheinbar,
wir man die Russen als Versuchskaninchen benützt. In Wirklichkeit
denken sie scheinbar nicht daran, auch nur einen Schilling harte
Währung in dieses Projekt zu investieren. Die Folge, dass wir es also
nicht in die Liste aufgenommen haben, habe ich dann ausdrücklich bei
der Kommission diese Frage aufgeworfen. Ähnlich war es mit dem Koope-
rationsprojekt Kohmeier-Ketten. Diese werden von den Russen, aus wel-
chen Gründen konnte Fälbl nicht eruieren, ganz entschieden abge-
lehnt. Da Kohmeier aber ein Exponent der Industriellenvereinigung
ist und Mussil grosse Bedenken hatte, ihn nicht auf die Liste zu
setzen, einigten wir uns dann darauf, dass ich in der Kommission
erwähnen werde, das Kohmeier-Projekt noch einmal geprüft werden soll.
Dasselbe geschah auch mit dem Wunsch der VOEST und Chemie Linz, end-
lich ein Büro in Moskau offiziell genehmigt zu bekommen. Die Deutschen
haben bis jetzt 60 Büros von Industrie-Unternehmungen. Österreich
hat ein einziges und das ist eine Handelsfirma, nämlich Gertner.

Auch der in der Delegation als Experte der Handelskammer Mitreisende
Dr. Pisec, Bundesrat der ÖVP und an und für sich ein sehr kollegialer
Mensch, hat grosse Schwierigkeiten mit der Lieferung der Sowjets.
Er konnte zwar seine Tochter nach Moskau mitnehmen, konnte sogar
erreichen, dass er in die kleine Delegation nach Sibirien aufgenommen
wird, Geschäftsabschlüsse aber hat er kaum zustande gebracht. Auf
der einen Seite haben die Russen nicht die Produkte, die er gerne
kaufen möchte oder geben sie ihm nicht, auf der anderen Seite hat er
grosse Schwierigkeiten mit Handelsrat Nikolaenko, wie ich persön-
lich aus einigen Bemerkungen feststellen konnte.

Entscheidend wurde über das Autoprojekt, weniger in der offiziellen
Sitzung, wo Guruschkin nur berichtete und das bisherige Gesprächs-
ergebnis mit Grünwald sehr herunter spielte. Es handelt sich nur um
Stellungnahmen, es gibt noch keine konkreten Vorschläge, ein Brief-
wechsel muss erst all dies klären. Die Sowjets wären an einem Spezial-


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LKW interessiert neben dem 200 To Muldenkipper und ein Assembling
in Österreich von LADA und TAIGA müsste man erst prüfen. Eine Be-
teiligung aber der Sowjetunion, zuerst kapitalmässig oder sonst
irgendwie in Österreich, kommt überhaupt nicht in Frage. Die Sowjets
beteiligen sich prinzipiell nur an Handelsgesellschaften, niemals
aber an Produktionsstätten.

Jefremow vom energetischen Maschinenbau dagegen zeigte ganz grosses
Interesse an konkreten Lieferungen und ich verlangte eine dezidierte
detaillierte Liste, die auch zugesichert wurde. Bei dieser Gelegenheit
habe ich natürlich wieder das Problem der Lagerung und insbesondere
der Anreicherung zur Sprache gebracht. Da wir heuer für 230 Mio Schil-
ling anreichern müssten, das Uran für das zweite Kernkraftwerk aber
jetzt überhaupt nicht brauchen, müssen weitere Verhandlungen erfolgen,
um eine gemeinsame Lösung wo-möglichst zu finden. Ich deutete auch
das Projekt von Moskovics, Bankhaus Winter, an, wonach wir den Ungarn
auf Kohlebasis ein Kraftwerk bauen, die Sowjets dafür aus unseren
Handelsüberschüssen einen Teil den Ungarn übertragen, dafür weniger
Strom nach Ungarn liefern müssen und so also allen zwei Ländern
theoretisch geholfen ist. Bei der Sitzung ging überhaupt niemand
darauf ein.

Für mich war es deshalb eine Selbstverständlichkeit dieses Problem
beim Vizeministerpräsidenten .............? zur Sprache zu bringen.
Kossygin war nicht in Moskau, weshalb sein Vize mich empfing und
erklärte, dass er sich immer sehr für Wirtschaftsfragen interessiert
hat. Nachdem er besonders darauf verwies, dass die sowjetisch-
österreichischen Beziehungen sehr gut sind, kam ich natürlich auf un-
sere zusätzlichen Lieferungen zu sprechen. Auch er erwähnte die
Unbalance unserer Handelsbeziehungen, meinte aber, dass Österreich
seine Energiebezüge weltweit zu Weltmarktpreisen beziehen müsse.
Wenn heute daher durch die Öl- und Gaspreissteigerung den Sowjets
in Österreich freie Westdevisen bleiben, so sei dies verständlich,
umso mehr als in der Vergangenheit es ja anders war, als Gas- und
Ölpreise weltweit sehr gedrückt waren. Meinen Vorschlag die Energie-
situation über dieses ungarische Projekt zu verbessern, hatte er
glattweg abgelehnt. Er meinte, er höre dies zum ersten Mal, wolle
auch kein endgültiges Urteil darüber abgeben, könnte sich aber nicht
vorstellen, dass den Ungarn, die sowieso langfristige Kredite von


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der Sowjetunion bekommen, jetzt noch ein Teil der Handels-
überschüsse aus den sowjetisch-österreichischen Vertrag über-
tragen werden. Kreisky hat seinerzeit, als er versucht hat, diesen
Überschuss den Polen zukommen zu lassen, keinen Erfolg gehabt.
Ich habe auch bei den Energiegesprächen, wo ich den Ungarn geglaubt
habe helfen zu können, Schiffbruch erlitten.

ANMERKUNG FÜR HAFFNER und SATZINGER: Bitte Frank und Moskovics
verständigen.

Wieder einmal mehr wurde mir bestätigt, dass die Sowjetunion
bezüglich der Energiepolitik eindeutig eine Comecon abgeschlossene
und so wenig wie möglich nach aussen offene betreibt. Archipow
verwies darauf, dass die Sowjets den Bulgaren 3 Kohlekraftwerke
mit 1.200 Megawatt an der Mariza errichtet haben, dass auch
alle anderen Staaten von der Sowjetunion in der Energiepolitik
unterstützt und durch Lieferungen von Gas und Öl und Kohle weitest-
gehend versorgt werden.

Der Gasminister Orudschew, der mich extra, als er in Wien war, einge-
laden hat, sein Ministerium zu besuchen, hat ebenfalls freimütig
über die grossen Ausbaupläne der Sowjets insbesondere in Sibirien ge-
sprochen. Gewisse zusätzliche Mengen hat Österreich ja bekommen, er
sprach von 20 Mio täglich zusätzlich, was für mich überhaupt nichts
aussagte, weil ich nicht weiss, wie lange. Nikolaenko hat mir
anschliessend geflüstert, es gebe hier noch gewisse Möglichkeiten, wir
müssten nur entsprechend darauf drängen. Dabei kam er allerdings sofort
auch auf den Wunsch der Sowjetunion grössere Blechmengen von VOEST
Linz, welche sich diese verpflichtet haben, endlich geliefert werden
sollten.

Der grosse Wunsch der Sowjets ist, dass mehr Maschinen von ihnen
bezogen werden. Sie exportieren zu uns nur für 6.5 Mio Rubel und impor-
tieren für 112 Mio Rubel. Bei den Zahlen gab es dann die komische
Situation, dass sowohl Dr. Jelli von der Bundeskammer als auch der
neue Handelsdelegierte für Österreich ungünstigere Ziffern in ihren
Wortmeldungen ergänzend sagten. Mussil, der neben mir sass, hat
sich nur so gewundert, denn politisches Gefühl haben scheinbar Handels-
kammerbeamte sehr wenig, um nicht zu sagen überhaupt keines. Zum
Glück geht der grösste Teil von solchen Aussagen durch die Übersetzung


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sowieso verloren, ausserdem ist nach dem Ritual alles schon vorher,
was tatsächlich ins Protokoll geschrieben wird, schon festgelegt
und zusätzliche Erklärungen haben deshalb überhaupt fast keinen
Einfluss. Wirklich interessant sind dann eben nur so Bemerkungen,
die insbesondere Patolitschew macht, denn daraus kann man die Ge-
dankengänge und Politik erraten. Patolitschew z.B. verlangte, dass
sich die höheren Beamten zwischen den Sitzungen der Gemischten
Kommission öfters treffen sollten. Man sollte auch eine grössere
Anzahl von Ämtern und Ministerien einbeziehen, wie dies diesmal
durch Autoindustrie, energetischen Maschinenbau und Zellstoff und
Papier geschehen ist. Simakow hat dann Fälbl zu erkennen gegeben,
er möchte ebenfalls sehr gerne zur Wiener Herbstmesse eingeladen
werden. Fälbl ersuchte mich deshalb, ich sollte meine schon mündlich
ausgesprochene Einladung an Patolitschew und Manschulo sowie
auch über den sowj. Botschafter in Österreich gerichteten Brief
neuerdings ein Schreiben übergeben, was ich dann tatsächlich auch tat.

Neu war auch bei der Kommission ein Leiter der Abteilung für wirt-
schaftliche Zusammenarbeit des staatlichen Komitees der UDSSR
für aussenwirtschaftliche Beziehungen Jakubow. Dieses Komitee
hat mit 90 Ländern Beziehungen und mit Österreich nur eine begrenzte
Zusammenarbeit zur Unterstützung der sowjetischen Projekte mit
Drittländern. U.a. hätten sie mit der österr. Firma Klima-Technik
im libyschen Atomforschungszentrum angeblich zusammengearbeitet.
Beim grossen Erdgasvertrag Sowjetunion-Westeuropa seien sie be-
teiligt. Überhaupt – wie ich dann erfahren konnte – erledigen sie
ganze Projekte in Entwicklungsländern und waren bis jetzt zumindestens
mir gegenüber nicht in Erscheinung getreten. Da Pisec eine verfängliche
Frage stellte, zu welchen Konditionen sie Kredite gewähren und dass
die österr. Firmen kaum eine Möglichkeit hatten, sie daran zu beteiligen,
habe ich sofort vorgeschlagen, man soll eine Unterkommission bilden,
die sich mit diesen Problemen während des Aufenthaltes der Delegation
noch beschäftigen soll. Tatsächlich hat dann diese und zwei Ver-
treter der Handelskammer und ein Ministervertreter daran teilgenommen.
Ergebnis wurde keines erzielt, wohl aber waren die Gespräche, wie mir
der Leiter Jakubow selbst versicherte, sehr befriedigend. Zusammen-
fassend für die Delegation resp. 10. Kommissionssitzung möchte
ich sagen, dass es eine ungeheuer grosse Beteiligung der Sowjets
gegeben hat. 26 Mitglieder, 8 Referate der Sowjets allein, eine
Grussbotschaft des Premierministers, was kann man mehr verlangen?



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Welches Ergebnis diese Tagung aber zeitigen wird, wird sich erst später
herausstellen. Niemand kann im vorhinein wissen, niemand kann in Wirklichkeit
die Politik im Detail durchschauen.

Ähnlich wie die Politik ist auch letzten Endes immer die Entscheidung
Patolitschews, wo er mich hinschickt, in der Sowjetunion, wie er sich
ausdrückt, etwas zu zeigen. Das letzte Mal ging es an die Kama, wo das große
Laufkraftwerk entstanden ist und tatsächlich zeigten die Sowjets dann später
großes Interesse an einer Kooperation für den Schwermuldenkipper. Diesmal
schickte er mich nach Sibirien, in das Energie-, aber auch Gas- und Ölzentrum,
letzteres konnten wir zwar nicht besichtigen, wohl aber das größte Kraftwerk
der Welt Pratsk, eine große Holzverarbeitung, wie sie es nennen Holz-Komplex.
Dies ist mehr als ein Kombinat, denn es werden sowohl Zellstoffe als auch
Karton sowie chemische Verarbeitung der Bundin Pratsk, Kolophonium usw. dort
in riesigen Dimensionen erzeugt. Pratsk allein hat 18 Turbinen, jede einzelne
davon erzeugt so viel wie ein durchschnittliches Donaukraftwerk, 250 MW, 2/3
des österr. Strombedarfes würde dieses Werk allein abdecken. Holz wird 7
Mill. fm verarbeitet, 1 Mio t Zellstoff, alles Größenordnungen, wo ein Werk
die Hälfte oder 2/3 des Bedarfes Österreichs decken könnte. Trotzdem haben
sie große Probleme, denn die ungeheuren Transporte, die ungeheuren
Entfernungen machen große Schwierigkeiten. In Pratsk gibt es auch ein
Aluminiumwerk, wir konnten es weder besichtigen, noch konnten wir erfahren,
wieviel es produziert, alles streng geheim.
(Lt. Anruf Dr. Grünwald: 24 Öfen mit einer Kapazität von 1 Mio t, alle Öfen in
Betrieb!)
Bauxit beziehen sie aus dem Ural, also tausende Kilometer ent-
fernt. Dass Elektrizität noch immer ein Inselbetrieb ist, d.h.
10 Überlandleitungen à 500 KV konnte in Pratsk zählen, müssen den Strom
aber in Sibirien selbst verwenden. Mit Westrußland wollen erst heuer einen
Verbund herstellen. Interessanterweise war es für sie also leichter,
hunderttausende Tonnen von Bauxit vom Ural nach Baikal zu liefern als den
Strom nach dem Ural, um dort die Aluminiumfabrik zu errichten. Außerdem
besteht ihre eindeutige Politik in diesem Raum, nämlich Ostsibirien viel
stärker zu erschließen, zu diesem Zweck wird außer der Transsibirischen
Eisenbahn jetzt eine zweite 500 km nördlich gebaut. Dies hat sicherlich auch
strategische Bedeutung, denn die jetzige läuft ziemlich knapp an


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chinesischen Grenze. In Sibirien sollen die neuen grossen
Städte entstehen, die neuen grossen Industriezentren. Dass
die Sowjets dies imstande sind, zeigt Pratsk, vor 22 Jahren
noch eine Stadt mit 12.000 Einwohnern, jetzt mit 247.000.
17 % der Bevölkerung geht aber wieder aus Sibirien weg,
obwohl sie höhere Löhne, bis zu 80 %, als in Westrussland
bekommen können, sind die Bedingungen aber scheinbar doch so
hart, dass alle 6 Jahre die Bevölkerung eigentlich ganz ausge-
tauscht ist. Wenn man auch einem kalten regnerischen Moskau
in ein sommerliches Ostsibirien kommt, dann stört einen das
Klima dort gar nicht, 25 Grad, kein Regen, trockene Luft,
also sehr angenehm. Anders sieht es sicherlich aus, wenn die
normalen Wetterverhältnisse sind und noch viel schlimmer sieht
es aus, wenn man Gebiete, die mückenverseucht sind, nicht er-
schlossen usw. auf Kohle und Öl und Gas sucht und dann letzten
Endes ausbeutet. Die Leute haben dort sicherlich ungeheures
geleistet. Dass sie darauf stolz sind, kann ich verstehen
und nichts drückt besser ihre Einstellung aus, als wie wir uns
mühsam dann durchfragen, die wirkliche Formulierung ihrer
Slogans. 400 Bäume sind kein Wald, 400 Kilometer ist keine
Entfernung, 400 Rubel ist kein Geld, 40 Minusgrade ist kein
Frost, 40 Alkoholgrade ist kein Wodka und 4 Frauen, da hörten
sie aber dann sofort auf, uns Auskunft zu geben. In Wirklichkeit
kannten die Urbewohner Sibiriens den Koran, daran will aber
niemand mehr erinnern oder auch nur erinnert werden. Jetzt ist
alles in schönster Ordnung, es gibt keine Minderheitenprobleme,
weil es auch keine Minderheiten gibt, alles ist hier Sozialisti-
sche Sowjetrepublik von Moskau bis Wladiwostok. Sibirien ist
aber scheinbar wirklich der grösste Schmelztiegel der SU mit
einem ungeheuren wirtschaftspolitischen Potential. Warum mich
Patolitschew dorthin geschickt hat? Ich weiss es nicht, inter-
essant war es für mich auf alle Fälle.

Natürlich diskutierte ich, nachdem Mussil in Moskau leider
erkrankt war und die Sibirien-Reise nicht mitmachen konnte,
umso mehr mit Bundesrat Pisec. Dieser ist ein grosser Verfechter
der Koalition und der Sozialpartnerschaft. Er ist davon fest über-
zeugt, dass nach der nächsten Wahl es eine Koalition ÖVP-SPÖ
geben wird, als ich ihm sagte, dann bin ich das Handelsministerium
Gott sei Dank los, denn die Handelskammer wird auf alle Fälle
auf dieses bestehen, meinte er, dies müsste keinesfalls der Fall
sein.



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Das Handelsministerium ist viel zu gross, gehört geteilt,
ein Teil der Aussenhandel, der letzten Endes von einem ÖVP-
Mann geführt werden könnte, da es ja kaum etwas von politischer
Brisanz gebe, der zweite Teil aber, Industrie, Preispolitik
usw. könnte ohne weiteres bei mir bleiben. Seiner Meinung nach
müssten nämlich mehrere Ministerien geschaffen werden, um
beide Parteien personell befriedigen zu können oder es müssten
wieder ein Dutzend oder mehr Staatssekretäre kommen. Da ich
beide Wege für falsch halte, habe ich mich dazu nur so geäussert:
Kreisky bekommt sowieso die absolute Mehrheit.

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Tagesprogramm, 17.7.1978

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hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)


Tätigkeit: MR HM


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Leiter Abt. wirtsch. Zusammenarb. d. Komitees d. UdSSR f. außenwirtsch. Beziehungen; evtl. Falschschreibung


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: WIFO
      GND ID: 139944265


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: stv. sowj. MP


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: HK, Evidenzbüro für Außenhandel, Wr. ÖVP-Bundesrat


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: MR HM


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Beamter HM


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: MR, Büro des Bundesministers


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: öst. Handelsdelegierter in Jugoslawien, später Moskau


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: IV; evtl. Falschschreibung


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: Reg.R HM


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: sowj. Gasminister


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: Leiter vw. Abt. ÖGB, SPÖ-NR-Abg.


                            Einträge mit Erwähnung:


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: Wr. SPÖ-GR-Abg., GPA, NR-Abg.


                                Einträge mit Erwähnung:
                                  Tätigkeit: Gen.Sekr. HK, ÖVP-NR-Abg., später AR-Präs. Verbund


                                  Einträge mit Erwähnung:
                                    Tätigkeit: SChef HM
                                    GND ID: 12195126X


                                    Einträge mit Erwähnung:
                                      Tätigkeit: Büro des Bundesministers


                                      Einträge mit Erwähnung:
                                        Tätigkeit: Büro Staribacher; ÖIAG
                                        GND ID: 1053195672


                                        Einträge mit Erwähnung:
                                          Tätigkeit: stv. Minister f. Automobilindustrie, SU


                                          Einträge mit Erwähnung:
                                            Tätigkeit: Chef Energiesektion


                                            Einträge mit Erwähnung:
                                              Tätigkeit: Leiter Hauptverwaltung "westl. Länder" sowj. Außenhandelsministerium


                                              Einträge mit Erwähnung:
                                                Tätigkeit: stv. sowj. Minister f. Zellstoff- u. Papierindustrie


                                                Einträge mit Erwähnung:
                                                  Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg.


                                                  Einträge mit Erwähnung:
                                                    Tätigkeit: sowj. Außenhandelsminister


                                                    Einträge mit Erwähnung:
                                                      Tätigkeit: Leiter Hernstein-Institut


                                                      Einträge mit Erwähnung:
                                                        Tätigkeit: Kabinett Staribacher


                                                        Einträge mit Erwähnung:
                                                          Tätigkeit: sowj. Handelsrat


                                                          Einträge mit Erwähnung:
                                                            Tätigkeit: stv. sowj. Außenhandelsminister


                                                            Einträge mit Erwähnung:
                                                              Tätigkeit: sowj. Österreich-Referent


                                                              Einträge mit Erwähnung:
                                                                GND ID: 118715194


                                                                Einträge mit Erwähnung:
                                                                  Tätigkeit: ÖGB-Präs., NR-Präs.
                                                                  GND ID: 119083906


                                                                  Einträge mit Erwähnung:
                                                                    Tätigkeit: BHK; evtl. Falschschreibung


                                                                    Einträge mit Erwähnung:
                                                                      Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg.
                                                                      GND ID: 102071865X


                                                                      Einträge mit Erwähnung:
                                                                        Tätigkeit: ÖVP-NR-Abg.


                                                                        Einträge mit Erwähnung:
                                                                          Tätigkeit: Bundeskanzler
                                                                          GND ID: 118566512


                                                                          Einträge mit Erwähnung:
                                                                            Tätigkeit: Obmann Vereinigung "Made in Austria"


                                                                            Einträge mit Erwähnung:
                                                                              Tätigkeit: ÖGB?


                                                                              Einträge mit Erwähnung:
                                                                                Tätigkeit: sowj. Vizemin. (?) f. energet. Maschinenbau; evtl. Falschschreibung


                                                                                Einträge mit Erwähnung:
                                                                                  Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


                                                                                  Einträge mit Erwähnung:
                                                                                    Tätigkeit: Dir. Bankhaus Winter


                                                                                    Einträge mit Erwähnung: