Freitag, der 15. September 1978

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Freitag, 15. September 1978

Die Brunner Glasfabrik hatte zu ihrer 50-Jahr-Feier die NÖ
Politiker wie an der Spitze Landeshauptmannstellvertreter
Ludwig, die Interessenvertreter wie Präsident Igler, Indu-
striellenvereinigung, LR Czettel, Arbeiterkammerpräsident,
geladen, sie aber interessanter Weise aber gar nicht sprechen
lassen. Einleitend begrüsste Dr. Giese, Vorsitzender des Auf-
sichtsrates und gleichzeitig hoher Funktionär beim deutschen
Mutterbetrieb, dann der Bürgermeister Weiss von Brunn, ein
Genosse, und als letzter Redner schon ich. Darüber war ich sehr
überrascht. Ausser die üblichen Gags, die ja ganz gut wieder
einmal angekommen sind, fühlte ich mich verpflichtet vor der
gesamten Belegschaft, der Betrieb hat nämlich allen freigegeben,
in der grossen Halle noch einige Bemerkungen über die Zukunft
der Brunner Glasfabrik zu machen. Ich verwies darauf, dass ich
mit der einen Seite mit der Unternehmensleitung und den Konzern-
inhabern, auf der anderen Seite mit den Moosbrunner Belegschafts-
mitgliedern und den Bürgermeistern über die Strukturänderung,
Konzentrationsbestrebungen usw. eingehend gesprochen habe. Wichtig
erscheint mir, dass die Unternehmensleitung nicht bereit ist, die
notwendigen Investitionsmittel zur Verfügung zu stellen, sondern
auch die sozialen Errungenschaften und die Löhne, welche angeblich
in Brunn höher sind als in Moosbrunn, anzuerkennen resp. unange-
tastet zu lassen. Selbst die Werkswohnungen bleiben allen erhalten.
Wie mir Giese und dann auch die Direktoren beim schnellen Durch-
gang durch die Fabrik, den ich allerdings fast allein machte, wurde
mir zugesichert, dass alles wie versprochen eingehalten wird. Die
neue Wanne, 120. Tonne, dieselbe Kapazität als die alte, die jetzt
gerade abgerissen wird, kostet 50 Mio Schilling. Zwei Heissbetriebe,
einer in Brunn und einer in Moosbrunn, wäre vollkommen unrentabel und
unmöglich.

ANMERKUNG FÜR PLESCH: Das Branchenreferat soll die weitere Ent-
wicklung genau berichten.

Beim Mittagessen in der bulgarischen Botschaft hatte ich eigentlich
erwartet, da die zweite Sitzung der Gemischten Kommission entfallen
konnte, dass dort entsprechende Sonderwünsche der Bulgarien wie


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Vidierungsfragen usw. zur Sprache kommen. Zu meiner grössten
Verwunderung ist dies aber nicht der Fall gewesen, sondern über-
all gilt mein Hinweis, am Sonntag haben wir Zeit genug über alles
uns ausführlich zu unterhalten. Der Vizeaussenhandelsminister Ginew
wollte zuerst Sonntag gar nicht die Besichtigungstour mitmachen,
hat sichs jetzt aber überlegt.

Eine ähnliche Situation war auch beim Besuch von Vizeminister
Manschulo. Handelsrat Nikolaenko hatte bereits angekündigt und
Fälbl mich gewarnt, dass das Problem der Zolldiskriminierung der
UdSSR zur Sprache kommt. Gleichzeitig machte er den grossen Fehler
mitzuteilen, dass Manschulo heute den 60. Geburtstag feiert. Nach-
dem einleitend wir über die letzten Erlebnisse in der UdSSR disku-
tiert haben, nützte ich nach einer 1/2 Stunde belangloser Gespräche
die Situation, um Manschulo herzlichst zu seinem Geburtstag zu
gratulieren. Dabei stellte sich heraus, dass er nicht 60, wie
Nikolaenko behauptete, sondern schon 65 war. Sein Chef Patoli-
tschew
feiert jetzt im Oktober seinen 70. Geburtstag. Es gibt nur
mehr 3 andere ZK-Mitglieder, wie z.B. Suslow, die älter sind oder ge-
nauso alt wie er und so lange dem Zentralkomitee angehören. Dies
waren für mich alles Gründe, um sehr intensiv über diese persön-
lichen Probleme zu sprechen. Manschulo habe ich zeitgerecht auch
schon das im Transport ins Hotel befindliche Geschenk, nämlich einen
HEA-Radioapparat, dann noch persönlich übergeben, sodass zum Ärger
von Nikolaenko, zur Überraschung von Meisl und Fälbl, es gelang
ohne eine Bemerkung wegen der Zölle und Vidierung das Gespräch zu
beenden.

Beim Jour-Fixe AK und ÖGB ging es diesmal primär über die Preis-
festsetzung bei Ölprodukten und Lebensmitteln. Während interessanter
Weise Zöllner mir vorher mir mitgeteilt hat, er wäre einverstanden,
wenn es möglich ist ausser dem Heizöl-Schwer-Preis noch Ofenheizöl
bei den Tankstellen von 3.20 Schilling auf 3.– Schilling durch einen
Rabatt zu senken, wurde bei dieser Sitzung sowohl von Schmidt und
Tumpel, ÖGB, als auch Hruby, Arbeiterkammer, verlangt, ich sollte un-
bedingt jetzt den Benzinpreis von 7.30 Schilling auf die jetzt
freiwillige Rabatthöhe 7.– Schilling amtlich preisfestsetzen. Genau
dies will ich aber nicht und habe dies auch mit aller Deutlichkeit
abgelehnt. Die Idee ist, dass der Finanzminister vielleicht doch im
Zuge der Budgetkonsolidierung den Mineralölsteuersatz erhöht und
dadurch ein Angleichen des Benzinpreises von den Ölfirmen dann


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automatisch vorgenommen wird. Jede Benzinpreiserhöhung ent-
spreche aber der Energiepolitik, die die Internationale Energie-
agentur letzten Endes auch von uns verlangt. Ich bin ausser-
dem nicht so überzeugt, dass Androsch tatsächlich die Mineralöl-
steuer erhöht. Bis jetzt hat er es zumindestens kategorisch abgelehnt.

Die jetzt immer stärker werdende Forderung auch Kreisky's die Le-
bensmittelstützung abzubauen, wird dazu führen, dass entweder neue
Verbraucherpreise festgelegt werden müssen oder, was mir persönlich
auch lieber wäre, Preisregelung aufgehoben wird, wodurch wahr-
scheinlich nur ein Teil der Erzeugerpreiserhöhungen, die sich aus
dem Stützungsabbau ergeben würden, auf den Konsumenten abgewälzt
wird. Blaha, AK, aber auch der Gewerkschaftsbund ist von dieser
Idee nicht begeistert. Sie möchten höchstens die Erzeugerpreise
freigeben, damit sich dort der Marktpreis einpendelt. De facto
bedeutet dies, dass der Erzeugerpreis sinken würde und keinesfalls
die gesamte Stützung auf den jetzigen Erzeugerpreis draufgeschlagen
wird, d.h. vom Konsumenten dann getragen werden müsste. Eine solche
Lösung lehnen natürlich die Bauern ganz entschieden ab. Hier er-
scheint mir die Möglichkeit sektoral die gesamte Preisregelung aufzu-
heben, wie dies in der Vergangenheit ja auch, ausser bei Grundnah-
rungsmitteln, geschehen ist. Blaha sagt von 1 Mia 200 Mio Schilling
Milchpreisstützung könnte man höchstens die Hälfte abbauen. Dies
würde eine Erhöhung der Verbraucherpreise um 5% ergeben, da die
letzte Lohnerhöhung ebenfalls eine solche Preiserhöhung rechnungs-
mässig ergab. Schmidt war der Meinung, es würde 10% die Verbraucher-
preise verteuern. Brot kann von der Milliarde Schilling, die jetzt
die Gesamtstützung ausmacht, nur 160 Mio Schilling abgebaut werden,
da alle anderen Stützungen Getreideeinlagerung usw. betreffen.
Hier, meint Blaha, wäre es unmöglich eine Reduzierung des Budget
vorzunehmen.

Bezüglich der RAG-Erdgaspreise sollte nur dann mit 1.02 Schilling
für Chemie Linz und andere chemische Betriebe in Oberösterreich
abgeschlossen werden, wenn tatsächlich dieser Preis dem 92-Groschen-
Preis der ÖMV entspricht. Die diesbezüglichen Verhandlungen wird
Satzinger mit Tumpel führen.

ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Bitte versuche dem Gewerkschaftsbund dies
im Detail zu erklären.



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Koppe, VKI, spricht sich ganz entschieden dagegen aus, dass
ein Vertreter der Handelskammer ins Büro des VKI kommt. Die Idee
ist von Wessely, Handelskammer, ventiliert worden, weil die
Arbeitnehmerseite verlangt, im Zuge des österreichischen Quali-
täts- resp. "A"-Zeichens Frau Licen von der Oesterreichischen
Nationalbank als lebende Subvention zur Verfügung gestellt, bis
jetzt keine Möglichkeit hatte im Gebäude der Handelskammer einen
Arbeitsplatz zugewiesen zu bekommen. Dieser Meinung schliessen sich
auch alle Vertreter der ÖGB und AK an.

Beim Handelskammeressen, Pallavicini, für die Bulgaren versuche
ich dieses Problem Sallinger klarzumachen. Dieser lehnt aber ganz
kategorische eine Dominizierung von Dr. Licen ab. Eher, erklärt er,
verzichtet er auf die Subvention und wird die ganze mühsam aufge-
baute Konstruktion wieder fallen lassen.

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Tagesprogramm, 15.9.1978


Tätigkeit: Bgm. Brunn am Gebirge (NÖ), SPÖ


Einträge mit Erwähnung:
    Tätigkeit: Sekr. JS, ab 1973 GF VKI


    Einträge mit Erwähnung:
      Tätigkeit: Beamter HM


      Einträge mit Erwähnung:
        Tätigkeit: Präsident AK
        GND ID: 121924882


        Einträge mit Erwähnung:
          Tätigkeit: LH-Stv. bzw. LH NÖ, ÖVP


          Einträge mit Erwähnung:
            Tätigkeit: AK


            Einträge mit Erwähnung:
              Tätigkeit: Jurist HK


              Einträge mit Erwähnung:
                Tätigkeit: Handelskammer-Präsident


                Einträge mit Erwähnung:
                  Tätigkeit: Leiter vw. Abt. ÖGB, SPÖ-NR-Abg.


                  Einträge mit Erwähnung:
                    Tätigkeit: OeNB


                    Einträge mit Erwähnung:
                      Tätigkeit: AK


                      Einträge mit Erwähnung:
                        Tätigkeit: Büro des Bundesministers


                        Einträge mit Erwähnung:
                          Tätigkeit: Ministerialrat, Leiter Grundsatzabteilung


                          Einträge mit Erwähnung:
                            Tätigkeit: sowj. Handelsrat


                            Einträge mit Erwähnung:
                              Tätigkeit: sowj. Außenhandelsminister


                              Einträge mit Erwähnung:
                                Tätigkeit: Kabinett Staribacher


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                                  Tätigkeit: stv. sowj. Außenhandelsminister


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                                    Tätigkeit: GD Moosbrunner Glasfabrik


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                                      Tätigkeit: Bundeskanzler
                                      GND ID: 118566512


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                                        Tätigkeit: Mitglied d. ZK d. KPdSU


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                                          Tätigkeit: MA vw. Referat ÖGB


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                                            Tätigkeit: AK


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                                              Tätigkeit: Finanzminister
                                              GND ID: 118503049


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                                                Tätigkeit: bulg. Vizeaußenhandelsmin.


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                                                  Tätigkeit: IV, GD Wr. Schwachstromwerke (WSW)


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