Mittwoch, 20. September 1978
Mittag und Beil kommen mit einer Sondermaschine. Ilsenburg
wird abgeschlossen. Die 70 Mio Mark Preisdifferenz wurde durch
Reduzierung der Sublieferantenpreise dann erreicht. Beil teilt mir
mit, dass sie noch immer 30 Mio DM höher liegen als beim billigsten
japanischen Offert. Die Konsumgüterimporte betragen bis jetzt,
wie ich aus einer Aufstellung von der Importfirma Kraus & Co er-
sehen kann, 275 Mio Schilling, darunter 40 Mio Bekleidung, 40 Mio
Gewebe und 20 Mio Schuhe usw. Beil sagt weitere Abschlüsse zu, auch
für das Jahr 1979. Von 10 Projekten, die wir seinerzeit mit Kreisky
in Berlin vergeben haben, sind 6 in konkreten Verhandlungen. Zu-
sammenarbeitsverträge wie mit der VÖEST, Vereinigten Edelstahlwerken,
Chemie Linz, Semperit werden auch mit Waagner-Biro abgeschlossen.
Zu den Besprechungen ladet mich Mittag persönlich ein. Auch für
die SGP und ganz besonders für die Andritzer wird ein solcher Fir-
menarbeitsvertrag, nicht zuletzt durch meine Intervention, gemacht
werden. Sowie wie Mittag bei den Konsumimporten entgegenkommt, so
erklärt er mir auch, dass sie mit mittleren Betrieben jetzt immer
zusammenarbeiten werden, um uns politisch zu helfen. Die Gemischte
Kommission wird am 20. November nach Wien kommen. GD Meier wird sie
führen, von unserer Seite schlage ich SChef Meisl vor. Die übliche
Beschwerde ist die Zollbelastung, wo sie, die Hauptkonkurrenten
am österreichischen Markt, benachteiligt sind. Im Vidierungsverfahren
gibt es auch Verzögerungen und auch angeblich Verhinderungen. Ich
erkläre sofort, da ich für ........... zuständig bin, dass mit
Handelsrat Krüger jeden einzelnen Fall mitteilen soll, um mein Ent-
gegenkommen zu demonstrieren. Da wir alles Wichtige auf der Fahrt
besprechen, auch das Besuchsprogramm, wo ich mich entsprechend
sofort angepasst habe, gibt es bei der offiziellen Sitzung nur
ganz wenig. In 5 Staaten werden jetzt Drittländergeschäfte unter
Beiziehung von österreichischen Firmen angebahnt: Algerien, Mada-
gaskar, Tunesien.
Vollkommen neu für mich ist, dass eine Firma Bremerberg
ganzen Tankstellenausrüstungen in Deutschland macht. Überhaupt
stelle ich einmal mehr fest, dass unsere Informationen äusserst
unzulänglich sind. Wenn ich da nicht so gut schauspielern könnte,
wenn ich irgend etwas aufschnappe, dann sofort entsprechend rea-
giere, als wüsste ich alles, und mir dabei keine Blösse gebe,
44-1050
wäre dies ein jämmerliches Verhandlungsbild. Um bei der zu-
künftigen Pressekonferenz am Freitag nicht ein jämmerliches Bild
zu machen, schlage ich vor, man soll einen Waschzettel vorbereiten.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Vielleicht kannst Du oder Meisl dadurch alle
Informationen herausbekommen.
Die Vorsprache bei Kreisky wird zu einer Aussprache über die
deutschsprachigen Beziehungen. Kreisky hat sich seinerzeit schon
unter Adenauer exponiert, um die Beziehungen zu verbessern. Die
Spaltung Deutschlands, versuchte er damals Adenauer klarzumachen,
war in der Geschichte die Deutschnation fast immer gegeben. Kreisky
ist ausserdem überzeugt, dass der aktive Katholik aus dem Rhein-
land gar kein Interesse hatte, den protestantischen Osten mit West-
deutschland wieder zu vereinen. Die angeblichen Vertriebenenpro-
bleme seien nicht nur eine Folge des Hitler-Krieges, sondern treffe
auch andere als nur die in Ostdeutschland wohnenden. Kreisky deutete
auch an, dass Adenauer mit ihm öfters diesbezügliche Gespräche geführt
hat. Kreisky wurde auch als Vermittler gebraucht und, wie er andeutete,
missbraucht. Wesentlich geändert hat sich dies, als er mit Willy
Brandt die neue Deutschland-Politik konzipierte und teilweise sogar
durchführte. Beil versuchte, was mir sehr recht ist, auch das Pro-
blem der Zölle bei Kreisky anzuschneiden. Beil steht nämlich – und
dies vielleicht sogar teilweise zu recht – auf dem Standpunkt, für
das Entgegenkommen der DDR müsste man auf diesem Gebiet jetzt ihr
Entgegenkommen. Kreisky verwies darauf, dass man mit der Europäischen
Gemeinschaft Verhandlungen aufnehmen sollte, ausser die Franzosen,
meinte er, würde in ganz Europa niemand gegen eine umfassende Rege-
lung sein. Beil erwiderte neuerdings, es handelt sich nicht um die
grosse globale Lösung, sondern dass einzelne Lieferungen Österreichs
nur von DDR-Lieferanten gemacht werden, weshalb ein Zollschutz über-
haupt nicht notwendig sei. Neuerdings weicht Kreisky, beabsichtigt
oder unbeabsichtigt, kann ich nicht feststellen, sehr geschickt aus
und meinte, Österreich sollte auch im Rahmen der EFTA und der EG
exploratorische Gespräche verlangen. Die EFTA wird seiner Meinung
nach überhaupt keine Schwierigkeiten machen. Wenn Beil meint, dass
seien Hoheitsrechte Österreichs allein zustimme, die sicher doch
davon auf die Faktifizität nicht vergessen. In Europa müssen solche
Probleme zukünftig gemeinsam gelöst werden.
Die Aussprache mit den Waagner-Biro-Leuten, GD Böhm und Stanek,
sowie dem dritten Vorstandsmitglied war für mich insoferne sehr
interessant, als die Deutschen sofort ihre Generaldirektoren zuge-
zogen hatten. Ulbrich, den ich kannte, Neuberg, der für die Importe
zuständig ist, Winkler, der die Elektrotechnik abwickelt. Auf
Drittmärkten sollten jetzt z.B. wie in Griechenland ein 300-MW-
Kraftwerk in Lavrio errichten werden. Die Blockturbine käme aus
der UdSSR, von der DDR die elektrischen Einrichtungen. Die Wärmeein-
richtungen wären dagegen von Waagner-Biro. Die Düngemittelfabrik
in Rostock ist offen. Da bemühen sich die Franzosen, Japaner
und Österreich mit der deutschen Firma Glöckner. Waagner-Biro
will auch kleine Dampferzeugungsanlagen dazukaufen resp. nach
Österreich von den Drittländern aus der DDR importieren. Hier, meinte
er, müsste man ihnen entgegenkommen und so handeln wie Waagner-Biro,
wenn er Produkte an die DDR verkauft. Beil meinte, na selbstver-
ständlich müsste es schnell, das Beste und möglichst Billigste sein.
Präs. Igler hat beim Mittagessen, zu dem wenigstens er erschienen
ist, ...... begleitet Schiwkow, Sallinger und Mussil sind in Salzburg
beim Mittelstandskongress und sonst war wirklich nur zweite und
dritte Garnitur anwesend, sofort Gespräche mit Beil über Firmengrün-
dungen aufgenommen. Igler erwartet grössere Embargomahnungen der
Amerikaner. Dem will er und Beil zuvorkommen, indem er entsprechende
Firmen in Österreich gründet, um gewisse Maschinen und Anlagen
dann über diese in die DDR verkaufen zu können. In dieser Beziehung
ist Igler sehr wendig und sehr tüchtig.
Der Empfang der DDR im Pallavicini war insbesondere von vielen
Firmenvertretern besucht. Prominent war nur noch Notenbankpräsident
Koren. Dieser erzählte mir, dass er mit Androsch eine heftige Dis-
kussion gehabt hat, weil der Schilling gegenüber der DM jetzt um
4 Groschen 7,22 nachgelassen hat. Das wirkliche Problem dürfte
sein, wie er auch von anderen Bankvertretern hörte, dass eine
Spekulation auf den Schilling beginnt. Mittag und Beil wurden vom
Finanzminister Androsch empfangen. Doch dürfte es dort zu keiner
befriedigenden Aussprache gekommen sein. Beil meinte auf alle Fälle
mir gegenüber streng vertraulich, dass gar niemand in Österreich
so gut die Bedeutung dieser Delegation erkannt hat wie ich. Über-
haupt sind Mittag und Beil über meine Behandlung während ihres
Aufenthaltes und Unterstützung, ja auch ihrer persönlichen Wünsche
44-1052
sehr erfreut. Auf was sie grössten Wert legen, ist meine Dis-
kretion, die sie natürlich in jeder Beziehung haben.
Die Sonderministerratssitzung bezüglich Budgetpolitik wurde unter
Anwesenheit des Sektionschefs für die Budgetsektion im Finanzmini-
sterium durchgeführt. Dies ist ein Novum und zeigt den Herren, dass
etwas anderes beabsichtigt ist, als Kreisky ursprünglich plante. Er
hat auch sofort eingeleitet, es steht nicht das grosse Budgetreform-
konzept zur Diskussion, sondern es müsse versucht werden, dass
nächstjährige Budget über die Runden zu bringen. Die Senkung des
Defizits von 52 Mia auf 50 Mia wird eine Sisyphusarbeit. Gnam
hat in der Kronen-Zeitung schon gesagt, die Steuersenkung sei das
eine, die kompensatorischen Belastungen das andere, wodurch jeder
psychologische Effekt wegfällt. Es geht jetzt um die Lösung der
Ankündigung bei der Regierungsklausur von ihm, 50 Mia sei die
Schwelle, die noch vertretbar wäre. Androsch berichtete, dass bei
den Beamtenverhandlungen ein Budgetdefizit von 46 Mia, tatsäch-
lich aber eines von 47 Mia rausgekommen ist. Jetzt kommen die
weiteren Ausgaben dazu. Die Gehaltserhöhung mit den öffentlich
Bediensteten wird seiner Meinung nach bei 3.9, dann meinte er, hols
der Teufel mit 4% abgeschlossen werden. Kreisky sagte sofort, dies
hält er für unmöglich, da der öffentliche Dienst von den 6,3%
höchstens auf 4.5 zurückgeht. Dem öffentlichen Dienst die Steuer-
senkung anzurechnen, sei nur ein Reizwort für diese. Dem ist natür-
lich eine Gehaltserhöhung wichtiger als eine Steuersenkung, die
womöglich für die Oberen nicht allzu viel bringt. Löschnak meinte,
man könne vielleicht mit 4% tatsächlich abschliessen, wenn die Ver-
waltungsdienstzulagen 250 Mio Schilling im Sommer auf Etappen dazu-
gegeben werden. Androsch schlug 4.5 Mia Schilling, 1% 1 Mia. zu
dem Defizit dazu und warf 51.5, die Lohn- und Einkommensteuersenkung
soll 4.1 Mia brutto kosten, die Gewerbesteuer 550 Mio. Über die Ab-
setzbeträge ist man sich einig, nur beim Arbeitnehmerfreibetrag
möchte der Finanzminister nur 800 geben, die Gewerkschaft verlangt
1.200. Er rechnet, dass man sich bei 1.000 Schilling einigt. Diese
200 Schilling mehr kosten weitere 550 Mio brutto oder 300 Mio
netto. Für den Bund Einnahmenentfall, insgesamt wird bei einem Durch-
schnittseinkommen von 10.000 Schilling die monatliche Steuerer-
sparnis 120 Schilling betragen und für Alleinverdiener 180 Schilling.
Igler als Industriellenvereinigung hat gegen diese Regelung
grösste Bedenken, weil überhaupt nichts für die Industriebe-
triebe geschieht. Das Ganze kostet wieder 3 Mia Schilling,
Defiziterhöhung, Einnahmenminderung dieses Jahr auf das nächste
Jahr projiziert geben 2 Mia Defiziterhöhung. Die Vorfinanzierung
der Autobahn wird mit 1,9 Mia fällig. Dazu kommen dann noch Berg-
bauernerhöhungen, sodass sich das Defizit insgesamt auf 58,7 Mia
Schilling erhöht. Einnahmen sieht Androsch nur durch Einbeziehung
der Ärzte in die Sozialversicherung. Dies gibt aber nur eine kurz-
fristige Entlastung, denn auch angeblich im Jahre 2000
fallen dann umso höhere Pensionsleistungen für den Bund an. So
war es in der Vergangenheit bei dem Sozialversicherungsträger die
höhere Bemessungsgrundlagen und Einkaufen vorerst mit höherem
Einnahmen scheinbar positiv entwickelt, dann aber jetzt zu immer
grösseren Ausgaben kommen. Allein in der Sozialversicherung wird
im letzten Jahr um 5 Mia Schilling mehr vom Bund zu leisten sein
durch Leistungen der Krankenkasse an die Pensionsversicherung.
Die Fernmeldeeinnahmen sollen 0.6 bringen und Kürzung 1% Akti-
vitätsaufwendungen 0.5 ....Anpassungen ÖBB, Post, die allerdings
76 bereits um 50 % erhöht wurden. 2,2 Mia Abbau der Preissubven-
tionen, 500 Mio, wobei der Verbraucherpreis für die Milch um 70 Gro-
schen erhöht werden könnte. ......... die Firmen möchte er eine
Erhöhung der 30 Groschen Bundesmineralölsteuer und dann die
Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge für Unselbständige,
wo ein 1/2%, die Dienstnehmer natürlich auch 1/2%, und aus
der Selbständigenversicherung 1–2%. Insgesamt hofft er so,
das Defizit um 8.9 Mia zu senken, um dadurch unter die 50 Mia zu
kommen. Weitere Sparmassnahmen im Budget, wie Kürzung der Auslands-
reisen, bei der Wiener Zeitung, Hofreitschule, Auflassung des
Europainstitutes, was er ausdrücklich anführte, Bundestheater-
eintrittspreiserhöhung, Streichung von Neuinszenierungen, gege-
benenfalls eine Woche früher Schluss zu machen, dann insbesondere
die Schulbücher und Schulfreifahrten, an die Heiratsbeihilfe 15.000
Schilling und Geburtenbeihilfe 16.000 Schilling hat er zwar auch ge-
dacht, dies aber jetzt fallen gelassen.
Diese Vorschläge wurden dann von Kreisky im einzelnen durchbesprochen,
von ihm und auch einzelnen Ministern kritisiert. Weissenberg wendete
sich natürlich primär gegen die Erhöhung der Beiträge für Sozial-
versicherung. Selbstverständlich auf der einen Seite gibt der
44-1054
Finanzminister 120 resp. 180 Schilling, auf der anderen Seite
nimmt der Sozialminister wieder 50 Schilling 1/2% Beitrags-
erhöhung bei 10.000 Schilling weg. Das wirkliche Problem, machte
ich eine kurze Bemerkung, ist aber, dass es eine Gruppe von Leuten
gibt, die gar keine Steuersenkung bekommen werden, weil sie eben
unter dem steuerpflichtigen Minimum sind und trotzdem die Sozial-
versicherungserhöhung zahlen müssen. Die Steuer in Summe bringt
zwar der Bevölkerung 4 Mia, die Sozialversicherungserhöhung nimmt
ihr aber wieder 2 Mia weg. Weissenberg schlug deshalb eine andere
Konzeption vor. 470 Mio Sozialversicherungseinbeziehung der Ärzte
geht in Ordnung, 530 Mio Schilling macht die schon beschlossene
Umschichtung von der PV Ang. zur PV Arb. aus. Der Finanzminister
verlangt allerdings noch 1 Mia mehr. Ein weiterer Transfer von
600 Mio erscheint möglich. Die Unfallversicherung könnte heuer
einen Überschuss haben und 300 Mio zur Verfügung stellen. Die
Überschüsse der Krankenkasse, die Gesundenuntersuchungen könnten
400 Mio dem Bund ersparen. Die Krankenkassenüberschusserwartungen
weiters könnten der Pensionsversicherung, da diese Rehabilitations-
aufgaben tätigt, überwiesen werden. Insgesamt glaubt Weissenberg,
ohne die schon im Budget vorhandenen und vorgesehenen 470 Sozialver-
sicherungseinbeziehung der Ärzte und 530 Umschichtungen .........
1.5 Mia zu bringen. Wenn man schon eine entsprechende Belastung
der Bevölkerung machen sollte, dann wäre nach Weissenberg die
30 Schilling Wohnungsbeihilfe zu streichen. Dies lehnte Kreisky
entschieden ab. Eine Erhöhung der Selbständigen-Sozialversicherung
wird auch sehr schwer sein. 1% kostet 2.000 Schilling im Jahr,
d.s. für einen 25 ha-Betrieb eine grosse Belastung und bringt
ca nur 300 Mio. Die gewerblichen Betriebe zahlen heute schon 10.5%,
die Bauern 10.25%, dazu kommen dann noch bei beiden die Krankenkassen
mit 18.2%. Weissenberg stellte auch in Erwägung, ob man wirklich
die Unselbständigen belasten soll. 1977 wurde vom Paritätischen
Beitrag abgegangen. 1.5% mussten die Unternehmer übernehmen und 1/2%
die Arbeiter. Auch dies fand nicht die allgemeine Zustimmung von
Androsch und Kreisky. Androsch ist zwar mit jeder Regelung in der
Sozialversicherung einverstanden. Er braucht nur noch 2 Mia Schilling.
Sinowatz erklärte, bei den Bundestheatern wird es sehr schwer sein,
denn 75% sind Personalausgaben. Da das Spielprogramm bis Sommer 1979
44-1055
bereits die Verträge geregelt sind, wird sich hier kaum etwas
machen lassen. Bei den Schulbüchern hat er für die einzelnen
Kategorien Limits weshalb auch die Erhöhung nur von 850 Mio 1974
auf 950 Mio steigen wird, wo das Finanzministerium glaubt, man kann
hier 400 Mio einsparen. So irrt es ganz gewaltig. Maximal kann er
90 Mio ?? Androsch schlug vor, man solle wieder an die Weitergabe
der Bücher denken. Dies sei organisatorisch nicht möglich. Die
wirklich grosse Steigung liegt bei den Schülerfreifahrten. Diese
ressortieren aber im Finanzministerium, dort sei man von 950 Mio
auf 2,3 Mia gestiegen. Die öffentlichen Verkehrsbetriebe haben ihre
Ermässigung für Kinder, die einmal bei der Bahn bis zu 90% betrugen
und bei der Post 75%, jetzt generell auf 50% wie bei den Arbeitern
gesenkt. Kreisky ärgerte sich bei den Freifahrten auch ganz besonders,
dass immer die Dorf-Paschas überall die entsprechenden Eintei-
lungen vornehmen, die Firmen, insbesondere die Gewerbetreibenden,
die der Sozialistischen Partei angehören oder den Freien Wirtschafts-
verband benachteiligt werden usw. Da die Frage im Finanzministerium
ressortiert bin ich sehr gespannt, was der Finanzminister im
eigenen Bereich machen wird. Eine Tariferhöhung wird äusserst schwer
sein, denn in unserem postalischem ? liegen wir im obersten Plafond des
europäischen Systems. Im Fernsprechbereich kann nur noch eine weitere
Reduzierung der Zweckbindung im Vorjahr von 52.5% auf 45% gesenkt,
könnte im nächsten Jahr auf 41% reduziert werden, was 539 Mio Schil-
ling ergebe. Der 9–10%igen Fremdkapitalanteil wäre ohne weiteres
zu ertragen, da der Fremdanteil von Deutschland 53% beträgt. Androsch
wollte unbedingt die Tarifprobleme zumindestens gelöst haben, weil
er dadurch sein Budget 79 fertig machen könnte. In der Sitzung ist
es zwar zu keinem endgültigen Beschluss gekommen, ich glaube aber,
dass er doch, bevor er nach Washington fährt mit Lausecker sich dies-
bezüglich einigen wird.
Ein grosses Problem war der Abbau der Preisstützung. Kreisky meint, man
müsste den Mindestpensionsempfängern etwas abgelten. Der Familie
bräuchte man aber deshalb nichts zu geben und wenn dann höchsten eine
Übergangszeit. Da der ganze Abbau der Stützungen 0.3% im Lebenshal-
tungskostenindex ausmachen und bei den nächsten Lohnerhöhungen ja
sowieso abgegolten wird, müsste es möglich sein, in drei Etappen
0.1% Belastungen pro Jahr, die die Arbeiterkammer errechnet hat,
alle Stützungen ..... zu geben. Haiden meinte, es käme überhaupt
44-1056
nur von der 150 Mio Schilling Brot-Getreideabbau 100 Mio Schilling
in Frage, 50 müsste man unbedingt belassen und den Durumweizen wei-
ter zu stützen, sonst würden die Mehlpreise so hoch werden, dass
die Durumerzeugung wieder aufgegeben wird, da die Teigwarenindu-
strie das Mehl nicht kaufen könnte. Ganz entschieden wandte er sich
gegen den Wunsch von Finanzminister auf 480 Mio Schilling in den
.......... einzubeziehen. Bei Milch schlug Haiden überhaupt nicht
einen 3-Phasenabbau, sondern nur 2 Phasen vor. Der Trinkmilchpreis
müsste, wenn er 1,1 Mia abbauen soll, von 8.40 Schilling auf 9.80
Schilling erhöht werden. Da dies nicht möglich ist, schlägt er nur
600 Mio Abbau vor und eine Milchpreiserhöhung um 70 Groschen. Bei
Getreide sollte man nur 5 bis 10 Groschen abbauen und 100 Mio ersparen . Wenn mehr abgebaut wird, dann kann er die Marktordnung
nicht mehr aufrecht erhalten. Die erst jetzt mit den Bauern abge-
schlossenen Vereinbarungen würden zusammenbrechen. Da es gar keine
Chance gab innerhalb absehbarer Zeit zu einer Einigung zu kommen,
hat Kreisky dann die Sitzung unterbrochen und am 2. Oktober,
nach Rückkehr vom Finanzminister, wird sie fortgesetzt. Ich erklärte,
dass die 30 Groschen Mineralölsteuererhöhung eine riesen Ausein-
andersetzung mit der Ölwirtschaft geben wird. Nicht nur die Inter-
nationalen, auch die ÖMV wird sich dagegen aussprechen resp. sofort
die Preise erhöhen wollen. Kreisky meinte, darauf sei keine Rücksicht
zu nehmen. Er hat sich scheinbar der Idee der Arbeiterkammer und
ÖGB angeschlossen. Ein wirklich einziges Opfer, das das Handels-
ministerium bringen muss, ist die Auflassung des Europainstitutes.
Insbesondere Kreisky fragte, um was es sich dabei handelte. Ich
verwies darauf, dass mit der Z gemeinsam Aktivitäten entfaltet
wurden und werden, dass aber einer Auflösung meinerseits kein Wi-
derstand entgegengesetzt wird.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte besprich mit Wanke diese Möglichkeit.
Mit Bandhauer und Frank einigten wir uns über die Aufteilung der
100 Mio Schilling ERP-Kredite. 75 Mio bekommt die Verbundgesellschaft,
davon 10 Mio Voitsberg III, 65 Mio Annabrückl. Die 25 Mio stehen dann
für die KELAG 15 Mio und der Rest aber für die Kleinkraftwerke zur Ver-
fügung. Eine endgültige Aufteilung wird Frank noch im Einzelnen
besprechen.
Die OKA hat sich bereit erklärt, sich mit 10% an Malta zu
beteiligen, wodurch sie 1 Mia einschiessen. Nach 15% Beteiligung
der KELAG wird jetzt schön langsam dieser teure Strom doch noch
auf andere aufgeteilt.
Frank berichtet, dass sich die Schweiz mit 300 MW an einem Kohle-
kraftwerk an der ungarischen Grenze beteiligen würde. Die ent-
sprechenden Besprechungen müsste jetzt um in diesem Projekt weiter-
zukommen – Erbacher beschleunigen. Auch österreichische Bundes-
ländergesellschaften werden sich daran beteiligen.
Ich mache Bandhauer darauf aufmerksam, dass für das Atomforum neben
dem Pro-Zwentendorf-Komitee mit 1,5 Mio Schilling noch 3,7 Mio
fehlen. Ich habe GD Fremuth ersucht, er soll jetzt bei den Banken und
Versicherungen in meinem Auftrag versuchen noch Geld flüssig zu
machen. Diese Arbeit hat er zwar widerstrebend übernommen und
sagte mir zu liebe ....... Bandhauer meint, derzeit könne aus der
Elektrizitätswirtschaft, nachdem sie bereits 30 Mio Schilling zur
Verfügung gestellt haben, nicht ein zusätzlicher Betrag zu bekommen
sein. Die Plakataktion mit 1.5 Mio Schilling muss die Industrie
finanzieren. Ich habe diesbezüglich auch mit Wolfsberger gespro-
chen, der sich mit Handl von dem Atomforum und Welser, Pro-
Zwentendorf, ins Einvernehmen setzen wird, um den Budgetwünschen
nachzukommen.
Präs. Weiss, Verbundgesellschaft, hat versucht, die Vereinbarung, die
sie in der Verbund getroffen haben, nach Ausscheiden Artholds
wird Hermann, sein Nachfolger, auf Intervention von derzeitigen
Verbundvorstand Zach, zu kreditieren. Der neue Fraktionssprecher
LR Vogl hat ihn glattwegs abgelehnt. Entweder die seinerzeitige
Vereinbarung des Aufsichtsrates, oder gar nichts. Letzteres wäre
mir persönlich lieber, denn nach Ausscheiden Artholds hätten wir
dann nur mehr 3 Vorstände in der Verbund. Neuerdings mache ich
Frank und Bandhauer darauf aufmerksam, dass nach Ausscheiden von
Erbacher nur mehr ein Zweimann-Vorstand in der Verbund verbleiben
kann. Voraussetzung ist natürlich, dass ich zu diesem Zeitpunkt
noch Minister bin und die Verantwortung zu tragen habe. Bandhauer
teilt mir auch mit, was ich allerdings schon wusste und ihm daher
am Kopf zusagte, dass sie ohne meine Zustimmung die Gehälter der
44-1058
Direktoren um 4.7% erhöht haben. Ausserdem haben sie jetzt eine
Gleitung ?? eingeführt, dafür aber sich bereit erklärt, Auf-
sichtsratsgebühren, wie dies auch in der ÖIAG üblich ist, an die
Gesellschaft abzuführen. Dafür wurden auch ihre Aktivbezüge
entsprechend erhöht. Bandhauer sagt allerdings mit Recht, dass
dies für Erbacher und Arthold von Bedeutung ist und vielleicht durch
Einbeziehung in die Pension eine akzeptable Lösung war. Für Zach
und Bandhauer, die ja noch wesentlich länger in der Verbund ar-
beiten werden, war dies eine Benachteiligung.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Lass Dich in Hinkunft besser über diese
Personalmassnahmen auch informieren.
Der Vietnamesische Botschafter Cam aus Bonn hat bei mir neuer-
dings vorgesprochen, nur aus einem einzigen Grund, um von mir zu
erfahren, wann ich nach Vietnam komme und wann ich endlich den
Vertrag dort unterzeichnen werde. Die entsprechenden Export- und
Importziffern wechseln ständig: 1976 1,5 Mio Schilling Import,
6,4 Mio Export, 1977 11 Mio Import, 1,4 Mio Export. Das Ganze ist
eine quantité négligeable und wahrscheinlich wird aus der kritischen
Situation, die auch der Botschafter erwähnte, Kambodscha und China
wendet sich gegen sie, nicht wesentlich besser werden.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Was sagt Eiselsberg?
Die Diskussion mit Heindl und Sallaberger im AEZ war wider Erwarten
einigermassen friedlich. Während andere Passagendiskussionen immer
mit ganz konzentrischen Angriffen der ÖVP auf alles mögliche gestar-
tet wird, war bei uns nur eine stärkere Anti-Atomgruppe tätig. Sowohl
Heindl als auch ich hatten es leicht auf die falsche Argumentation
dieser Leute immer wieder hinzuweisen. Trotzdem glaube ich, dass
es falsch ist, vor den Wahlen nur entsprechende Passagendiskussionen
zu führen. Als ein Diskussionsteilnehmer auf diese Tatsache hin-
wies, erklärten ihm sogar die härtesten Kritiker dort, dass dies
auf der Landstrasse nicht zutrifft. Ein Atomgegner, der mich der
Demagogie und was weiss ich nicht alles beschuldigte, hat diesem
Mann erklärt, er selbst hätte schon einige Male mit mir diskutiert
und zwar dies zu einer Zeit, wo es keine Wahlen gab. Wie sehr man
aber bei diesen Diskussionen aufpassen muss, zeigt folgendes
Beispiel: Ein Mann behauptete, dass die Elektrizitätszuwächse
44-1059
sehr gering seien, 1974 oder 1975 1.5% und auch im Vorjahr
sehr wenig. Ich erwiderte, ca 5% im Vorjahr und 6% bereits
im jetzigen ersten Halbjahr. Prompt kam ein anderer Diskussions-
teilnehmer und meinte, das sei Demagogie, denn in einer atom-
befürwortenden als auch von mir herausgegebenen Broschüre sei
der Zuwachs mit 4.5% ausgewiesen. Ich glaube, dass die vernünftigen
Zuhörer meinten, da könne man mich wirklich nicht der Demagogie
zeitigen, wenn ich mich aus dem Kopf um 1/2% geirrt habe. In
Hinkunft, zog ich den Schluss daraus, werde ich mit Zahlen wirk-
lich äusserst vorsichtig sein. Früher einmal wäre mir dies sicher-
lich nicht passiert. Jetzt kann ich mir halt auch nicht mehr alle
Zahlen merken.
Tagesprogramm, 20.9.1978
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)