Donnerstag, 30. November 1978
Ing. Cifer, Fa. Bauer, ruft an und behauptet, er hätte jetzt
von der Österr. Kontrollbank die Zusage für 10 Mia S-Projekt
in Algerien für eine siebenjährige Kooperationszeit Kredite zu
bekommen. Er will mir die ganzen Projekte erklären und vor allem
von mir die Genehmigung, in meinem Namen, wie ich sofort sage,
auf seine Kosten, den algerischen Minister Belschewir nach Österreich
einzuladen. Er behauptet, dass auch die österr. Zulieferfirmen
daran sehr interessiert sind.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte die Kontrollbank fragen.
Frau Klösch vom Restaurant Winter, wo ich jetzt mit ausländischen
Delegationen vielleicht ein halbes Dutzend mal und nicht mehr
eingekehrt bin, erscheint vertrauensvoll und fragt, ob ihr
Mann, der jetzt 40 Jahre alt wird, sozusagen als Geburtstags-
geschenk und für die grosse Leistung, dass sie zwei Betriebe,
wie ich zugeben muss, sehr gut führen, den Kommerzialratstitel
bekommen könnte. Bei der Handelskammer war sie schon und dort hätte
man nur aufgelacht, als sie dieses Ansinnen stellte. Sie fühlte
sich dort nur verhöhnt. Ich setzte ihr auseinander, dass dies
ausschliesslich in der Kompetenz der Handelskammer bezüglich
des Antrages eines Kommerzialratstitels liegt, da ich selbst
über kein Kontingent verfüge. Ich versprach ihr nur, die Frage
beim nächsten Jour fixe zur Sprache zu bringen. Sie ersuchte
mich aber, dass ihr Mann nichts erfahren dürfe, weder von ihrer
Vorsprache noch von ihrem Wunsch, weil er angeblich davon über-
haupt nichts weiss.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Stelle bitte fest, mit wem sie eigentlich
in der Handelskammer gesprochen hat.
Gen.Dir. Meier, Leiter der DDR-Beamten-Delegation, die jetzt
zu Verhandlungen in Österreich weilt, legte natürlich grössten
Wert darauf, mit mir Kontakt zu nehmen. Wir besprachen dann
eine ganze Stunde in Anwesenheit von Meisl, Hillebrandt, dem
DDR-Handelsrat Krüger und dem österr. in Berlin, Wratschko, die
einzelnen Geschäfte und die Situation. Natürlich kam wieder
die leidige Zollfrage zur Sprache. Die DDR erwartet noch immer,
45-1403
dass wir ihr hier entgegenkommen. Ich verwies darauf, dass
alle Staatshandelsländer einen solchen Wunsch haben und dass
ich es äusserst schwierig habe, in der jetzigen finanziellen
Situation des Staates hier grössere Zugeständnisse vom Finanz-
minister zu bekommen. Bezüglich des Vidierungsverfahrens war
die Stellungnahme Meiers sehr interessant, da die DDR sich durch
dieses Vidierungsverfahren in ihren Exporten nach Österreich
nicht gehemmt sieht, sieht sie daher ganz offiziell davon ab,
dagegen Stellung zu nehmen. Aus prinzipiellen Gründen oder
grundsätzlichen Überlegungen wollen sie keine Diskussion über
das Vidierungsverfahren mit Österreich führen. Alle anderen
Staatshandelsländer remonstrieren immer gegen dieses Verfahren,
auch dann, wenn sie unmittelbar davon gar nicht betroffen sind.
Bei den einzelnen Projekten, die wir besprachen, hat dann Meier
zugegeben, dass nicht nur aus Österreich, sondern auch aus
anderen Staaten über 100 jetzt von den DDR-Firmen gewünscht und
sogar in Detailverhandlungen mit anderen Staaten eingetreten wurde.
Die DDR-Firmen hatten früher auf Devisenzuteilungen warten
müssen, jetzt glauben sie auf Kompensationsbasis eine bessere
und schnellere Möglichkeit gefunden zu haben, die Anlagen, die
sie wünschen, im Ausland kaufen zu können. Da die Weststaaten
bereit sind, bis zu 100 % Kompensation zu akzeptieren, kostet
sozusagen das Werk, welches errichtet wird, keine Devisen. Der
DDR-Ministerrat musste sich deshalb mit diesem Problem beschäf-
tigen und die 100 Grossprojekte, die auf Kompensationsbasis gewünscht
werden, jetzt auf ein erträgliches Mass zurückzuführen. Meier und
auch Handelsrat Krüger haben dann zu den einzelnen Projekten,
die ich zur Sprache gebracht habe, Stellung genommen, ob und in-
wieweit diese überhaupt eine Aussicht haben. Interessant war dann
auch noch die Bemerkung von Meier, dass die Vöest jetzt eingeladen
wird, in Mosambik an dem Projekt Steinkohle-Abbau im Tagbau
teilzunehmen. Natürlich erkundigte sich Meier wieder, wieweit
wir mit den Ungarn bezüglich des Kohlenabbaues an der Grenze sind,
da sie hoffen, die grossen Abbaugeräte liefern zu können. Ich
verwies ihn auf die Schwierigkeiten, die wir derzeit mit der
Frage des hohen Schwefelgehaltes der Kohle haben. Die Verhand-
lungen mit den Ungarn habe ich ihm im Detail erörtert. Ob es
zu der Mitarbeit von der DDR kommt, liegt allerdings primär auf der
ungarischen Seite.
Konsul Hirsch und sein Verkaufsleiter Simader von den Vereinig-
ten Fettindustrien VFI ersuchte uns, wir sollten bei Hofer
intervenieren, damit dieser bei ihnen weiter die unter seinem
eigenen Namen laufenden Öle herstellen und abfüllen lässt. Von
16.000 t Öl bezieht Hofer allein 4.500 t. Die VFI produziert
dann noch 9.000 t sonstige Fette. Von einem durchschnittlichen
Verbraucherpreis von 15.50 S ist der Rohstoffanteil 9.– S, Emballagen
und sonstige Aufwendungen überlassen dem VFI nur 1.80 S als
Lohnverarbeitungsspanne. Davon müssen sie ca. 20 Groschen noch für
den Rapsaufkauf abzweigen, eine weitere Reduzierung der Verarbeitsspanne ist unmöglich. Wir sollen uns deshalb bemühen, dass Hofer
dies einsieht und andererseits aber nicht weitere Öle importiert
und damit die Arbeitsplätze einer der drei Fabriken der VFI gefähr-
det. Wenn Hofer mit den 4.000 t oder einem Teil davon weggeht, dann
müsste eine Fabrik geschlossen werden. Pleschiutschnig wird mit
Hofer-Vertretern sofort die Gespräche aufnehmen. Konsul Hirsch
habe ich klargemacht, dass die Unilever und seine Fabrik für die
Rapsbauern mehr wird leisten müssen. Hirsch meinte, dies wird nur
sehr schwer gehen, ist aber auf alle Fälle gesprächbereit.
Hirsch schwebt vor, dass alle Ölfirmen sich jetzt zu einem Ein-
kaufspool für Emballagen zusammenschliessen. Seitdem Schmalbach-
Lubecca die Produktion in Österreich in seinem neuen Werk
Gerasdorf nicht aufnimmt, möchte Hirsch jetzt trotzdem die
Emballagen-Einkäufe nicht nur konzentrieren und zusammenlegen, sondern
auch versuchen, in Österreich zu belassen. Ich gratuliere ihm,
wenn ihm dies gelingt.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Die Industriesektion soll schauen, wie dies
weitergeht und den Plan selbstverständlich unterstützen.
Bei der Sekretärbesprechung von den Lebensmittelarbeitern erklärte
ich, dass der Apparat, wie Benya sich ausdrückt, mehr in die Partei-
arbeit integriert werden muss. Unsere Sekretäre, aber auch manche
Funktionäre sind über die Parteiarbeit und über die Parteilinie
nicht gerade entzückt, sind aber auch andererseits nur wenige
und selten bereit mitzuarbeiten. Kritik ist etwas Gutes, nur
soll man sie nicht dort üben, wo man beschäftigt ist, nämlich
ausserhalb der Partei, sondern in der Partei mitarbeiten und dort an-
bringen. Auch die Hinweise, dass in Wirklichkeit nur die Vertreter
45-1405
der grossen Gewerkschaften in der Partei zu Funktionsposten,
hier sind vor allem Gemeinde, Landtag und sonstige Mandatare
gemeint, kommen, lasse ich in dem behaupteten Umfang auch nicht
gelten. Soweit nämlich tüchtige Vertreter auch von kleinen
Gewerkschaften sich irgendwo durch Aktivität und Kenntnis bekannt-
machen, bekommen sie sicherlich auch irgendwelche Funktionen.
Die Nur-Kritisierer, die aber in Wirklichkeit gar nicht bereit
sind, Hand mit anzulegen, dass diese nicht weiterkommen, finde
ich für sehr richtig. Meistens haben sie auch gar nicht die Absicht,
sondern matschkern eben nur, wie wir in Wien sagen. Interessant
ist, dass diese Behauptungen insbesondere aus den Bundesländern
kommen. Ebenso wurde dann kritisiert, dass die Wiener wieder
einen Wiener als Nachfolger für den Kollegen Deutsch, der aus
dem Bundesvorstand des ÖGB ausscheiden will, den Kollegen Simperl,
dafür vorschlagen. Die Bundesländer, meinte Dragosits, müssten
sich erst überlegen, wen sie vorschlagen möchten resp. unterstützen
würden. Die Frage, wo sie einen tüchtigen Mann haben, der dafür
in Frage kommt, blieb allerdings von ihnen unbeantwortet. Inter-
essant ist, dass diese Anti-Wien-Kampagne, wenn ich sie so
bezeichnen soll, obwohl sie nur ein "Kampagnerl" ist, an der die
wenigsten Ländervertreter teilnehmen, von dem ehemaligen Wiener
Dragosits immer angeführt wird, der sozusagen in der Steiermark
jetzt Landessekretär ist und dort im Grazer Gemeinderat eine
Funktion hat.
Im Parlament hat Kreisky mit den sozialistischen CA-Bank-Vertretern
Vranitzky und Uher, dem Gewerkschafter Bundesrat Steinle, ZS Ettl
und dem Obmann der Privatangestellten NR Dallinger sowie den BRO
von Vöslau und mir die Lage der Vöslauer besprochen. Kreisky
begann sehr aggressiv und verärgert gegen die Creditanstalt zu
polemisieren. Er sagte, wieso Leute hinter Polstertüren entschei-
den können, dass 1.000 Arbeitsplätze verlorengehen. Die Vöslauer war
ein guter Betrieb, ein Stützpunkt für die sozialistische Organi-
sation in Vöslau und Baden und kann deshalb nicht so behandelt
werden. Vranitzky erklärte, wie die CA eigentlich nolens volens
von einer Minderheitsbeteiligung jetzt auf 70 % Anteil gekommen
ist. Die restlichen 30 % hat heute die Schoeller-Bank, da es
sich ja seinerzeit um einen Familienbetrieb gehandelt hat.
Nach Meinung der Bank muss jetzt liquidiert werden, damit ein
neuer Betrieb dann entstehen kann. Die Liquidation ist deshalb
notwendig, damit die Bundeshaftung von 140 Mio S auf Grund
des FGG-Kredites zum Tragen kommt. Ausserdem könnte dann die
70 Mill. S Strumpfhosenimportverpflichtung aus Rumänien endgültig
liquidiert werden. Der Betrieb ist mit 250 Mio S verschuldet,
der neue Betrieb braucht dieselbe Kapitalspritze. Kreisky hatte
die Idee, es sollte versucht werden, ein leistungsfähiges Kura-
torium, bestehend aus den Vorarlberger Textilbetrieben, Vöslau
übernehmen. Die Regierung würde in so einem Fall noch einmal
eine entsprechende Kapitalspritze zur Verfügung stellen. Auch in
diesem Fall wird es aber sicherlich zu weiteren Abbaumassnahmen
der über 1.000 Beschäftigten kommen. Die Gewerkschafter hätten
am liebsten, wenn der Betrieb, wie er jetzt in der Rechtskonstruktion
besteht, weitergeführt wird. Dazu glaube ich, sind die Banken
aber nicht mehr imstande und willens, weiteres Geld zuzuschiessen.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Bitte mit Ettl ständig Kontakt halten.
Im Parlament wurde nach Beendigung der Tagesordnung an Landwirt-
schaftsminister Haiden eine dringliche Anfrage gerichtet, da
Haiden sich in letzter Zeit äusserst stark angegriffen fühlt und,
wie ich glaube, in jeder Beziehung unterstützt werden muss, habe ich
mich sofort zu ihm auf die Regierungsbank gesetzt, um die Solidari-
tät ein für alle Mal zu demonstrieren. Selbstverständlich hatte
ich ihn vorher gefragt, ob ihm dies recht ist und er erklärt, ja
sehr! Überhaupt bin ich mit Haiden übereingekommen, dass wir
in Hinkunft viel stärker kooperieren müssen. Da Haiden zum Unter-
schied von Weihs eine eigene Agrarpolitik machen will und nicht
sich den Bauernbundwünschen unterordnet, bekommt und bekam er in
der letzten Zeit diese heftigen Schwierigkeiten. Ich schlug ihm vor
in Hinkunft noch stärker als bisher die unangenehmen Seiten seiner
notwendigen Agrarmassnahmen abzunehmen. So wie ich bereit war, bei
Getreide zu erklären, dass ich im nächsten Jahr nur mehr für
Mahlweizen den Preis festsetzen werde und dadurch er die Möglichkeit
hat über ein Getreidekonzept mit den Bauern zu diskutieren, möchte
ich und bin ich bereit, in Hinkunft noch stärker die unangenehmen
Probleme auf mich zu lenken. Die Bauern können nämlich bei mir
45-1407
zwar umso heftiger protestieren, mich umso stärker angreifen,
und werden trotzdem wesentlich schwerer in der Öffentlichkeit
durchdringen als gegen den jetzt, wie sie sagen, wortbrüchigen
und gesetzeswidrig handelnden Landwirtschaftsminister. Inter-
essant in dieser Beziehung waren auch Zwischenrufe vom Abgeordneten
Kern der ÖVP, der immer wieder schrie, Staribacher setzt
nur volkswirtschaftlich gerechtfertigte Preise fest. Ich habe
Pleschiutschnig von diesem Plan Haidens und mir bereits in
Kenntnis gesetzt und hoffe auf seine Mitarbeit. Plesch sagt zu
Recht, Haiden muss sich drüben alles selber machen, da er sich
nur auf Min.Rat Steiner, der von der FAO gekommen ist und als
tüchtiger Mann gleichzeitig auch Genosse ist, verlassen kann.
Auch Staatssekr. Schober, der mit uns auf der Regierungsbank
sass, der die Details der Zusammenarbeit aber noch nicht kennt,
meinte, eine Kooperation zwischen unseren beiden Ministerien wäre
nötig.
Der spanische Botschafter Prof. Canosa rief mich freudestrahlend
an und teilte mir mit, dass der Vorschlag Österreichs bezüglich
der Schokoladezollsenkung angenommen wurde. Darüber bin ich
sehr erfreut. Die Handelskammer hat zuerst bei den Verhandlungen
den Fehler gemacht, diese wichtige Frage zu übersehen, hat dann,
als die Zollsenkung allen anderen EFTA-Staaten gegeben wurde, mir
nur einen Brief geschrieben, ich sollte mich bemühen, dieses
Problem für sie befriedigend zu lösen. Bereits bei der EFTA-
Sitzung hatte ich die ersten Schritte dazu eingeleitet und jetzt
diesen schönen Erfolg errungen. Wichtig erschien mir nämlich
nur der Handelskammer zu beweisen, dass sie verhandlungstaktisch
den Fehler begangen hat und ich ihn jetzt ausbaden muss.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Steiger soll den Brief an die Handelskammer
dementsprechend abfassen.
Die sowjetische Handelsvertretung hat für den Vizeaussenhandels-
minister Semirow, der jetzt wegen der 20.000 Taiga-Assembling
Werk in Österreich weilt, einen Empfang gegeben. Bei dieser
Gelegenheit konnte ich nicht nur mit ihm, sondern dann auch mit
Hrdlitschka, Präsident der ÖIAG, und Gen.Dir. Grünwald reden.
Die Russen bieten jetzt für den Absatz dieser 20.000 Stück
mehrere europäische Länder auch an, doch ist die Lösung
noch immer nicht befriedigend und optimal. Grünwald meint, es
müsste zumindestens auch Deutschland dabei sein. Ich bin fest
davon überzeugt, dass dies nur in der letzten Phase dann
durch Intervention von Kreisky an Kossygin gelingt. Die Russen
möchten als Kompensation für diese Autos, die sie als Bestand-
teile unter 30.000 S liefern, Dieselmotoren kaufen. Sie glauben
überhaupt, dass es zweckmässiger wäre, dieses Auto mit Diesel-
motoren auszustatten. In diesem Fall müsste die ÖIAG eine
Dieselmotorenproduktion aufnehmen. Auf Grund der guten Erfahrungen,
die mit dem Modell von Prof. List gemacht wurden, haben die
Sowjets scheinbar die Absicht, bei uns so wie BMW mit Steyr
auch eine Dieselfertigung als Zulieferanten für sie zu wünschen.
ANMERKUNG FÜR PLESCH: Wanke soll sich mit Grünwald ins Einver-
nehmen setzen.
Tagesprogramm, 30.11.1978
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)