Dienstag, 16. Oktober 1979,
bis Samstag, 20. Oktober 1979
Münzner, Vorstandsdirektor bei Volkswagen, teilt mir mit, dass
jetzt mit der Semperit und Dr. Hahn, einem ehemaligen Vorstands-
kollegen von VW, jetzt bei der Reifenfabrik Conti, über eine Vermitt-
lung und Anregung Gespräche geführt werden, um die Produktion
abzustimmen und eventuell grosse Lieferungen für VW zu ermöglichen
Gen.Dir. Leibenfrost ist natürlich besonders daran interessiert.
Prof. Lenz, TH, wurde vom VW-Werk und Porsche Stuttgart ersucht,
zu prüfen und entsprechende Vorschläge zu unterbreiten, ob
nicht die ÖIAG gemeinsam mit den Deutschen ein Assembling
von 40–50 Spezialfahrzeugen, allradangetrieben, bis 1982 ent-
wickeln könnte. Einmal mehr zeigt sich, dass VW nicht imstande
ist, durch die Grösse seiner Organisation und durch die erhöhten
Kosten für solche Spezialfahrzeuge Lösungen selbst auszuarbeiten.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Beim nächsten Jour fixe muss ich mit
Grünwald darüber sprechen.
Dr. Kienzl hat nach letzten Meinungsumfragen bezüglich der
Inbetriebnahme von Zwentendorf resp. Einstellung der Bevölkerung
zur Kernkraft eine Trendumkehr festgestellt. Vor der Volksab-
stimmung war Kreisky, wie er sich auch ausdrückt, die Verpoliti-
sierung dieses Problem brachte, 60 % pro, gehabt, den Tiefpunkt
in der Bevölkerung nach Harrisburg mit 40 % pro, jetzt sind es
wieder 54 %. Ich versuchte ihm klarzumachen, dass es keine Chance
gibt, die Inbetriebnahme durchzuziehen, so nicht die Schweiz
die Endlagerung von Atommüll in ihren eigenen Gebirgsstöcken durch-
führt.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Die österr. Botschaft in Bern soll ständig
Spezialberichte darüber senden.
Der amerikanische Sozialattache Woltmann, ein gelernter Bäcker,
der jahrelang auch in Südamerika tätig war, wollte sich unbe-
dingt mit ZS Blümel vorstellen. Da ich mit ihm kaum etwas beruflich
zu tun haben werde, konnte ich diesem Wunsch nicht widersprechen.
In der Ministerratsvorbesprechung hat Kreisky erstmals auf die Ver-
braucherpreiserhöhung von 3,7 %, eine äusserst günstige Zahl,
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verwiesen. Bisher hatte er sich über diese Details nicht
gekümmert, obwohl das Statistische Zentralamt ihm untersteht,
er natürlich aus erster Hand die Informationen hat, bevor sie
Androsch oder ich bekommen. Überhaupt dürfte auch Androsch jetzt
besonders bestrebt sein, Informationen des Statistischen Zentral-
amtes schneller zu bekommen als die anderen Minister. Die
Deutschen haben 5,3, die Schweizer 4,8, Österreich liegt also
hier wirklich äusserst günstig. Dies wird sich aber sicherlich
ändern, wenn jetzt die Preiserhöhungen wie Öl, Milch usw. durch-
gezogen werden müssen.
Die Bestellung von Staatssekretär Karl im Finanzministerium
mit den familienpolitischen Kompetenzen macht eine Gesetzes-
änderung notwendig. Kreisky fragte, ob er dies ohne Begut-
achtung durch einen Initiativantrag im Parlament erledigen sollte.
Androsch meinte, es wäre zweckmässig, eine 14-tägige Begutachtung
durchzuführen. Da sich die Koordinierung schwer übertragen lässt,
die bleibt auf alle Fälle beim Bundeskanzler, muss also ein
neuer Kompetenztatbestand geschaffen werden. Kreisky hat es also auch
nicht sehr leicht, seine Bürokratie davon zu überzeugen, dass
die Abtretung der familienpolitischen Kompetenz zweckmässig war.
Der katholische Familienverband wird ein Symposium abhalten,
dazu wird Staatsekr. Karl delegiert. Man will dem Familien-
verband auch einen Empfang geben, wie dies seinerzeit auch
der Fall gewesen ist.
Im Tagesordnungspunkt 16 c stand die Frage des Kredites der
OeNB an die türkische Nationalbank zur Debatte. Die Unterlagen
habe ich weder in meinem Haus aber auch nicht vom Ministerrats-
dienst vor der Sitzung bekommen. Kreisky schlug vor, man sollte
jetzt zuwarten, denn man muss abwarten, wie sich in der Türkei
die politische Situation entwickelt. Demirel muss nicht unbedingt
von Österreich sofort ein Geburtstagsgeschenk bekommen. Rösch
wird daher auch die Militärdelegation, die vorgesehen war, ver-
schieben.
Bezüglich des neuen Miet- und Wohnrechts meinte Kreisky, dies
bedeute eine echte endgültige Enteignung der kleinen Häuser,
die neuen Hausbesitzer, die Genossenschaften und so weiter,
werden kam angerührt. Kreisky meinte, auch zur Frage der Fristen-
lösung hätte er damals eine andere Meinung gehabt, sich letzten
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Endes aber dann von Broda überzeugen lassen. Er möchte des-
halb freimütigst, so wie seinerzeit mit Broda über dieses Problem
diskutieren. Er weiss, dass seine Argumente in der Masse der
Funktionäre keinen Widerhall finden. Trotz der Mietzinserhöhung wer-
den die Entwertungen von kleineren Häusern eintreten und damit
aus dem Markt ausscheiden. Dies bedeutet für die kleinen Hausbesitzer
einen furchtbaren Verlust. Broda erwiderte, dass die Mietgesetz-
novelle 1967 der Althauserhaltung nichts gebracht hat, 50 % davon
wurden nämlich dem Haus vorenthalten und der Erhaltung entzogen.
Der neue Entwurf sieht nun vor, dass beide Seiten sowohl der
Hausbesitzer als auch die Mieter eben mehr zur Althauserhaltung
beitragen. Es wurde beschlossen, dass ein Minister-Komitee – Kreisky,
Androsch, Broda – dieses Problem besprechen soll und dass man keine
Konfliktsituation wünscht. Androsch drängte nur darauf, dass
die Mündelsicherheit der Häuser erhalten bleiben muss. Durch die
vorgesehene Regelung wird der Gemeinde Wien die Renovierungsaufwendung
grösstenteils abgenommen.
Für Ägypten soll jetzt ein OECD-Konsortium gebildet werden, ähnlich
wie seinerzeit für die Türkei, und Kreisky wünscht, dass Androsch
dabei sein sollte.
Die sozialistischen Lehrer wünschen jetzt eine Aussprache mit ihm
über die Gesamtschule, dazu sollen Sinowatz und Blecha gerufen wer-
den.
Kreisky schlägt vor, dass die nächste Regierungsklausur im Mallnitz
Kärnten auf Wunsch und Einladung von LH Wagner erfolgen soll. Sie
sollte bereits Donnerstag beginnen und einen Tag föderative Kon-
ferenz mit den sozialistischen Landesregierungsmitgliedern über
das Forderungsprogramm der Ländern abgehalten werden. Die födera-
tive Landespolitik soll sichtbar gestärkt werden. Es sollen zwei
Referate gehalten werden, eines von Öhlinger und das zweite von
Adamowich.
Haiden berichtete über die Bauern- resp. Landwirtschaftskammer-
wahlen. Der Österr. Bauernbund hat 6.500 Stimmen verloren und ging
von 101.000 auf 94.000 zurück. Trotzdem hat er ein Mandat gewonnen,
er besitzt jetzt 31. Der Allgemeine Bauernverband hat 3 % verloren
von 13.000 auf 10.000 und hat ein Mandat verloren auf 3. Nur der
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Arbeitsbauernbund hat 800 dazugewonnen auf 5.400, konnte aber
nur das eine Mandat, das er schon besessen hat, halten und
trotz Stimmengewinn und Stimmenverlust der beiden anderen keines
dazugewinnen. Kreisky meinte, das müsse man viel stärker in der
Publizistik herausstreichen.
Kreisky regt zum Schluss an, es müsste sich die Regierung jetzt
über die Mandatare-Bezüge, die sie selbst betreffen, einmal unter-
halten.
Im Ministerrat selbst wurde die Tagesordnung genehmigt und von
den einzelnen Ministern die Vertretungen bezüglich der Auslands-
reisen vorgeschlagen. Nur Androsch berichtete dann über die
Preisentwicklung und vor allem, dass sich die Handelsbilanz mit
plus 3,,750,000.000, die Reisebilanz mit + 1,,380,000.000 und
dadurch auch die Leistungsbilanz wesentlich besser entwickelt hat,
sie beträgt incl. der statistischen Differenz nur mehr 618 Mio. S
minus gegenüber dem Vorjahr. Die Jahressumme wird 9 Mia. S betragen
und daher die Hälfte der ersten 18 Mia. S umfassende Prognose
Leistungsbilanzdefizit.
Lausecker berichtete über die Raab-Ödenburger 100-Jahr-Geburtstags-
feier der Eisenbahn. Die Bahn ist wider allen Erwartungen aktiv,
wie er mir später mitteilte, weil sie den grössten Teil des Güter-
transportes von Ungarn herauf befördert.
Die Fa. Peichär, welche 50 % der Ansichtskarten produziert, ist
der Meinung, dass man die 140 Mio. Stück Ansichtskarten, die jetzt
in Österreich verkauft werden, aus dem Souvenir-Ghetto, wie er
sich ausgedrückt hat, herausnehmen sollte. Er wird daher mit
Pötsch aus Innsbruck, der sich für Fremdenverkehrsfragen und
Propaganda sehr interessiert, eine neue Konzeption erarbeiten
und hofft auf Unterstützung der Österr. Fremdenverkehrswerbung.
Vor Jahren ist es uns gelungen, die Ansichtskarten-Produzenten
dazu zu gewinnen, dass sie auf der Rückseite einen kleinen Werbe-
slogan der ÖFVW untergebracht haben. Ich kann mir sehr gut vor-
stellen, dass es möglich sein müsste, auch hier wesentlich bessere
und zweckmässigere Lösungen noch zu finden.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Zolles soll mit Pötsch Kontakt aufnehmen.
Die Verhandlungen mit Minister Rotar in Jugoslawien waren
vom grossen Handelsbilanzdefizit der Jugoslawen geprägt.
Dies ist und war und bleibt wahrscheinlich auch in Zukunft
das grosse Problem. Eine Vorbesprechung mit dem österr. Handels-
delegierten Mayer, dem VÖEST-Vertreter Rohner, dem SGP-Vertreter
Dr. Diek und dem Z-Vertreter Höfinger ergab, dass diese etliche
Projekte hatten, die neuerdings nur dazu beitrugen, um das
Handelsbilanzdefizit zu vergrössern. Am krassesten ist es bei
VÖEST-Alpine. Für 865 Mio. S haben sie im Vorjahr exportiert
und für 334 Mio importiert, wobei 220 Mio Transit inkludiert
ist. Rotar, übrigens ein weitschichtig Verwandter von Rohner,
hat natürlich besonders auf diese spezifisch schlechten unbalan-
cierten Geschäfte verwiesen. Die neueste scheinbar von Tito ange-
ordnete oder zumindest von ihm erwähnte Linie, um Probleme zu
lösen, ist joint venture. Alles möchte sie jetzt womöglich
in Kapitalbeteiligungen österr. Firmen umwandeln. Neue wurden
nur zwei mit Semperit geschlossen und diese funktionieren kaum.
Von 6 Verträgen, die joint ventures bereits haben, gibt es
aber nur eine Kapitaleinlage von 13,6 Mio. S, wo Rotar erwähnte.
Sie hoffen, wenn österr. Firmen verpflichtet werden, ihre Kapital
in grösserem Ausmass in Jugoslawien reinzustecken, dann würden sie
auch dafür sorgen, dass die Produkte, die dort erzeugt werden,
verkauft werden können. Besser soll es gehen, wenn die Jugoslawen
endlich das Investitionsschutzgesetz und vor allem einmal die
Doppelbesteuerungsabkommen nach jahrelangen Verhandlungen zu
einem Ende bringen.
Die jugoslawischen Aktivitäten durch Industrie-Kooperationen,
sprich joint venture oder gar vielleicht 100 %-ige Kapitalgesell-
schaftsgründungen in Österreich, waren und werden nicht von den
politischen Gesichtspunkten geprägt. Die Meinung bestand bis
jetzt, die Slowenen nur im Kärntner Gebiete aufsuchen, wo wieder
Slowenen beschäftigt werden können. Jetzt sollen alle Teile
Jugoslawiens die beste Produktionsmöglichkeit in Österreich
suchen, dort dann entsprechende Fabriken errichten und sich aus-
schliesslich nach den Transport- und Arbeitsmarktverhältnissen
orientieren. Dies glaube ich nicht ganz, aber immerhin war es
eine interessante Erklärung.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Bitte Aussenamt entsprechend informieren.
Bezüglich der Energieeinfuhren hat Jugoslawien, wie Rohner
berichtete, die Versorgung der Steweag mit 600.000 t Braunkohle
welche 500 Mio. S pro Jahr den Jugoslawen gebracht hätte, abgelehnt.
Scheinbar haben sie in ihrem Kohlenplan keine Möglichkeit. Jetzt
produzieren sie 40 Mio t, 85 sollen es 60 Mio sein. 1990 sogar
dann 80 Mio t. Ich bin allerdings nicht überzeugt, ob dies
tatsächlich gelingen wird. Die VÖEST wird grosse Mengen von Kohle
allerdings Kokskohle über Bakar beziehen, 120.000 t beabsichtigt
sie 1979 wegen ihren 1,5 bis 2 Mio. t brasilianischen Erzen.
Dadurch ergibt das grosse Transiteinkommen der Jugoslawen. VÖEST
wäre sehr interessiert daran, mit ihrer Importkohlegesellschaft
in die Verhandlungen und Lieferungen Jugoslawiens an österr.
Elektrizitätswerke einzusteigen. Am nächsten Tag hat Rotar
erklärt, er könne sich vorstellen, dass man jetzt wegen der
Drau-Kohlenbezüge ÖDK neue Verhandlungen beginnt.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Bitte Hautzenberg verständigen.
Die Elektrizitätslieferungen, welche unbedeutend sind, 1977
exportierten wir 65 GWh und haben diese auf 140 GWh erhöht,
die Importe sind von 84 GWh auf 26 GWh gesunken, und könnten
ebenfalls ausgebaut werden. Voraussetzung dafür ist, dass eine
Leistung von Kosovo 4.200 Megawatt 8 mal 600-MW-Blöcke vom
Gold-Ingenieurbüro aus Köln vorgeschlagen werden. Voraussetzung
wäre eine 400 KV-Leitung, die dann ebenfalls auch albanischen
Transitstrom 50–150 Megawatt bringen könnten. Interessant
für mich war, dass aber dieses Projekt von Snuderl, den kenne
ich schon seit 1972, im Prinzip abgelehnt wird, denn seiner
Meinung nach sind dafür 12–15 Mia. DM Investitionen notwendig,
de Strom kostet 7–8 Pfennig je kWh und trotzdem errechnet
sich dieses Projekt angeblich nicht. 30 % Anteil hätten die
Jugoslawen aufzubringen, 70 % die Ausländer, bei 15-jähriger
Amortisation und einem 30-Jahre-Liefervertrag sollte 1 Mia. DM
Stromwert an der Grenze abgegeben werden. 1,5 Mia. müsste dann
noch eine Leitung durch Jugoslawien durch Österreich gelegt
werden, in Kosovo brauchen sie, da dort ja nur Albaner wohnen,
300.000 Arbeitsplätze und haben nur 14.000 für dieses grosse
Kohle-Elektrizitätswerk. Der Schweizer Vertreter von Laufenburg
Scherer war in Jugoslawien, hat sich aber mit Snuderl gar nicht
in Verbindung gesetzt. Ich erklärte sofort, die Rechnung kann
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nicht stimmen, bei 8 Pfennig, das sind fast 50 Gr die kWh, muss
sich das Projekt anders rechnen.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Bitte Frank soll versuchen, die Berech-
nungsgrundlage von den Schweizern zu bekommen.
Der kleine Grenzverkehr wurde angeschnitten, in Wirklichkeit
aber wollen sie eine Regelung ähnlich dem Accordino. In Italien,
in Ungarn haben sie ein Warenhaus Sambatelli , in Rumänien Temesvar
und Thun-Severin , in Griechenland ebenfalls und Rotar war kurz
vorher in Albanien und glaubt, dass sie früher oder später
auch dort einen entsprechenden Grenzverkehr durch entsprechende
Warenhäuser, die jug. Waren verkaufen können, errichten werden.
Ebenso hoffen sie, dass durch das Messe-Abkommen mit Graz, Klagen-
furt, Innsbruck die Kontingente erhöht werden und einen stärkeren
jug. Exportverkehr nach Österreich ermöglichen. Wir empfahlen
ihnen Verkaufsausstellungen in Wiener Kaufhäusern. Österreich
soll das Koordinationsbüro Poskowitsch , Handelskammer-Vertreter
der jug. Handelskammer, Kontakte mit österr. Firmen ermöglichen
und gleichzeitig eben koordinieren. Grosse Hoffnungen setzt man auch
auf Drittländer. Rohner zählte etliche Projekte wie Pelletier-
anlagen in Gabun, Eisenbahnen in Syrien, Wasserkraftanlagen in
Angola, Erzaufbereitungen und so weiter auf, konkret glaube ich
wurde aber noch nichts verhandelt. Ausserdem erzählte er mir, die
Jugos hätten einmal eine Halle um 50 Mio. S bauen sollen für Dritt-
märkte und sind damit auch zu spät gekommen.
Steyr-Daimler-Puch wieder will eine Traktorenlieferung 45–500 PS
mit Gegenlieferungen von Fahrerhäusern und sonstigen Bestandteilen
auch auf LKW verhandelte Dr. Diek, angeblich hat das Industrie-
kombinat in Griwaja , Holzproduktion, grosse Möglichkeiten, Devisen
für Montage-Lösungen zu finden. Die Devisenbewirtschaftung ist
jetzt so, dass theoretisch die Liberalisierung voll gilt, aber
keine Devisenzuteilung mehr erfolgt. Der Importeur in Jugoslawien
muss sich einen Exporteur suchen, der ihm Devisen zur Verfügung
stellen kann. Tatsächlich wird dafür ein 30 %-iges Agio verlangt.
Die Ex- und Importeure sind in Interessensgemeinschaften
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zusammengefasst, wo dieser Devisenausgleich innerhalb der
einzelnen Republiken erfolgt. Die Republiken haben wieder ent-
sprechende Planquoten, Alles sehr kompliziert, alles sehr um-
ständlich, die Jugoslawen wollen mit einem Wort an ihrem Frei-
Devisenmarkt festhalten, um keinen Schwarzmarktkurs für Dinar
zu kriegen, dafür aber eben nur Devisen so viel für Importe zur
Verfügung zu stellen als die Exporteure mit hohen und wahrschein-
lich immer höher werdendem Agio abgeben können.
Auch im Fremdenverkehr wird sich kaum wesentliches ändern, 345.000
Übernachtungen Jugoslawen in Österreich und 4.6 Mio. Österreicher
in Jugoslawien allerdings bei minus 18 % in diesem Jahr. In
Sarajevo hat man grosses Interesse, die österr. Kredite zu bekommen,
um die Winterspiele dort abwickeln zu können. Andere Republiken haben
sich dagegen schwer ausgesprochen, weil die Investitionen für
Sarajevo Milliardenbeträge kosten und sicherlich nach den olym-
pischen Spielen kein Mensch mehr nach Sarajevo Ski fährt, ausser
natürlich Jugoslawen.
Die Z hat jetzt mit CA und Länderbank eine jug. Bank in Österreich
geplant, mit 60 %iger jug. Beteiligung der Republik-Banken aus
Zagreb, Ljubljana und Beograd. Diese, hofft man, wird entsprechende
Geschäfte leicht einleiten und vielleicht auch sogar beim
Karawankentunnel mit 3,6 Mia. S Aufwand mitwirken. Die Kara-
wankentunnelgesellschaft soll gemischt Österreich und Jugoslawien
je 400 Mio. S Eigenkapital bringen. Natürlich spielten diese
Projekte auch beim Vizeministerpräsidenten Ikonic, Snuderl und
sogar dann auch bei Andov, der für die Beziehungen zu Europa, EG
EFTA, OECD teils gemeinsam mit Snuderl zuständig ist, eine
grosse Rolle. Die Jugoslawen werden oder besser gesagt wollen
an ihrem bisherigen Kurs festhalten, die Hauptschwierigkeit
ist aber nach wie vor ihre Unbalance. Für sie rätselhaft ist
auch, dass wir aus dem österr. Fremdenverkehr 6 Mia. $ ohne
Meer einnehmen, die Jugoslawen viel grösser sind, ein riesiges
Meer haben und nur 1,2 Mia. Die Aufnahme war sehr herzlich,
die Aussprache sehr offen, darüber waren alle sehr erfreut,
mit Österreich hofft man in Hinkunft normale politische Beziehungen
zu haben, das Slowenen-Problem wird von ihnen aus gesehen nicht
hochgespielt sondern ganz im Gegenteil hinuntergespielt, die
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Wirtschaftsprobleme, sprich Unbalance, müssen aber in irgendeiner
Form gelöst werden.
In Albanien ist die Situation gerade umgekehrt. Dort haben
wir im vergangenen Jahre 101 Mill. S importiert und nur für
39 Mill. exportiert. Die Albaner sind aber nicht bereit,
auf Kredit Ware zu kaufen, daher hat die VÖEST-Alpine für 20.000 t
Chromerze für heuer einen Vertrag abgeschlossen, der 18 Mill. S
.ausmacht. Im nächsten Jahr wollen sie 80.000 t Chromerze für
72 Mill. S kaufen. Dafür soll jetzt ein Roheisenmischer – 25 Mio. S –
exportiert werden und eine Silizium-Anlage für 100 und 67 Mill.
wurde offeriert. Ob es zu diesem Abschluss kommt, konnte noch
nicht gesagt werden. Ich habe – obwohl ich nur 24 Stunden dort war –
verlangt, man soll mich nach Elbasan in das Stahlwerk bringen.
Aussenhandelsminister Hodscha hat dies dann tatsächlich auch
ermöglicht. Dort haben sie uns erklärt, warum obwohl das Stahlwerk
1970 begonnen wurde, bis jetzt noch keinerlei wirklich erträgliche
Produktion möglich ist. Die Chinesen haben sie im Stich gelassen,
alle Pläne mitgenommen, alles sabotiert, es stürzt alles ein und
gibt ständig Anlagebruch, sodass sie jetzt dringendst eine ent-
sprechende technische Lösung brauchen. Mit der VÖEST-Alpine
wären sie sehr interessiert, in Kontakt zu kommen, denn – wie
ich auch unterstrich – haben wir als neutraler Staat niemals
die Absicht, politischen Druck auszuüben, wie dies die Albaner
leidvoll von anderen Grossmächten erfahren mussten. Steyr-Daimler-
Puch wieder sollte eine Ersatzteilfabrik dort errichten, damit
die LKWs entsprechende repariert werden können. Eine mechanische
Werkstätte haben wir in Elbasan im Stahlwerk besichtigt, die
ausschliesslich mit chinesischen Werkzeugmaschinen ausgestattet
war. riesige Karussell-Drehbänke, Spitzendrehbänke, alles für
grosse Maschinenteile, u.a. erzeugen sie sich selbst die Walzen
für ihr Stahlwerk. Die Albaner wären an einer Stromlieferung sehr
interessiert, sehen aber ein, dass die Voraussetzung dafür, die
Transitlösung mit Jugoslawien ist. 500 MW mit 3,5 bis 4 Zent
ist ihre Absicht.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Die Energiesektion soll diesen Preis
einmal rechnen.
Wie doktrinär die Albaner sind, kann man daran ermessen, dass eine
österr. Firma sich bereit erklärt hätte, und daran brennendst
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interessiert wäre, die Propaganda resp. Werbung beim österr.
und deutschen Weltmeisterschaftspiel in Tirana zu übernehmen.
Durch Aufstellung von Werbespots allerdings nur kommerzieller Art
hätten sie den Albanern grosse Beträge in Westdevisen bezahlt.
Die Albaner zeigten sich von diesem Vorschlag nicht sehr begeistert,
meinten aber, das müsste noch in ihrem Kulturkomitee besprochen
werden.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte mit Hawlicek verbinden.
Auch in Albanien wurde ich selbstverständlich zu dem Vizeminister-
präsidenten geführt, der genau wie in Jugoslawien und in allen
anderen Oststaaten mir nur erzählte, was sie alles beabsichtigen
und dass sie an einer guten Zusammenarbeit mit Österreich inter-
essiert sind. Konkret kommt bei diesen Gesprächen auf höchster
Ebene überhaupt nichts heraus. Die Albaner haben uns in einem
Hotel untergebracht, das die Italiener 1930 errichtet haben,
vielleicht waren wir 10 Gäste, gleichzeitig aber haben sie jetzt
ein ganz neues Hotel gebaut, welches zufällig bei unserer
Anwesenheit eröffnet wurde. Überraschend für mich: keinerlei
Eröffnungsfeier, das Hotel picobello hergerichtet mit Blumen,
Teppichen und so weiter, dann am Abend sozusagen offen und
tausende Tiraner gehen es besichtigen. Die Albaner haben keine
Absicht, sich auch nur im entferntesten Westeuropa zu nähern,
mit Jugoslawien hoffen sie auf eine bessere Zusammenarbeit,
das Problem liegt aber darin, dass sie, und dies zeigte auch
der Besuch Titos in Kosovo deutlich, den Jugos nicht zugestehen
ihr Albanien-Problem zu lösen. 2,5 Mill. Albaner in Albanien
und mehr als diese Anzahl in Jugoslawien und teils sogar in
Griechenland und bis Amerika hinüber. Interessant für mich
war, dass die Albaner, auch wenn Kosovo eine eigene Republik
wird, was die Albaner in Jugoslawien gerne wollten, sie nicht
das Gefühl haben, dann besser in Jugoslawien behandelt zu
werden.
Beim Rückflug in Beograd war ich überrascht, noch immer Min.Rat
Hillebrandt dort zu finden. Er hätte sollen ein Protokoll nicht
offizieller sondern offiziöser Art abfassen. Dies dauerte im
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Tage länger, als normalerweise Fälbl oder andere Leute ein
Protokoll zustandebringen. Vielleicht lag es aber auch an
den Jugoslawen, die irrsinnige Formulierungswünsche verbrachten,
die man beim besten Willen nicht akzeptieren konnte. Der
wichtigste Bestandteil dieses Protokolls ist, dass jetzt eine
kleine Kommission über die Vorwürfe Jugoslawiens, Zolldiskriminierung,
keine Einfuhrmöglichkeit nach Österreich, unverzüglich Beratungen auf-
nehmen soll.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Lass Dich bitte ständig von Hillebrandt
auf dem Laufenden halten.
Die Eröffnung der Österreich-Woche gleichzeitig verbunden mit
der Übergabe der Staatspreise für schöne Form gab mir Gelegenheit,
nachdem dies 15 Mal geschehen ist, Drau Min.Rat Rameder für ihre
Tätigkeit herzlich zu danken. Auch das Institut für Formgebung macht
sich immer um diese Arbeit sehr verdient. Da diesmal das Ganze
am Hohen Markt erfolgte, der sehr gut gelegen ist, wird vielleicht
eine grössere Anzahl von Österreichern diese Schau besichtigen.
Die NÖ Kronen-Zeitung hat einen Familien-Wandertag auf die
Hohe Wand ausgeschrieben, zur grössten Überraschung der Veran-
stalter sind Burian und ich mit Frau erschienen und haben dort
daran teilgenommen, in der Früh waren noch verhältnismässig
wenige Leute, mittags war dann, wie wir von oben feststellen
konnten, der Parkplatz voll, die Wiesen verstellt, die Strassen
verstopft, ein Riesen-Erfolg. Der Gemeinde-Sekretär und der Bürger-
meister von Grünbach waren über diesen Besuch überglücklich.
Ursprünglich wollte die Kronen-Zeitung diese Veranstaltung in
der vorderen Hohen Wand abwickeln, da wäre diese Propaganda
der schwarzen Gemeinde Hohe Wand zugutegekommen. Die waren aber
nicht imstande, in so kurzer Zeit die technischen Voraussetzungen
zu liefern, sodass sie dann nach Grünbach ausgewichen sind. Drachen-
fliegen, Gras-Skifahren, dann so nebenbei Möglichkeiten, sich
auch zu produzieren. Selbstverständlich musste ich alles mittun,
was ich übrigens dern gern tat. Als Oberwanderer der Nation
werde ich auch in Hinkunft, wenn ich Zeit habe und zeitgerecht von
solchen Aktivitäten erfahre, daran teilnehmen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER UND BURIAN: Vielleicht kann man von irgendwoher
Zusammenstellung dieser Wanderungen rund um Wien erhalten.
Tagesprogramm, 16., 18., 19.10.1979
Tagesprogramm, 20.10.1979
Tagesordnung 15. Ministerratssitzung, 16.10.1979