Montag, 17. Dezember 1979
Im Jour-fixe mit der Handelskammer, dieses Mal war nur Kehrer
anwesend, habe ich sofort mit den Energiefragen begonnen und
ersucht, Dr. Rief, den Energiereferenten, zuzuziehen. Wir dis-
kutierten die Wünsche der Elektrizitätsgesellschaft. Den Verbund-
tarif konnte ich ausser Streit stellen, er wird mit 14.9 jetzt
von allen akzeptiert. Strittig war von seitens der Handelskammer
die Einteilung der EVUs – sprich Landesgesellschaften und
städtischen Unternehmungen – in Gruppen. Am liebsten wollte die
Handelskammer individuell jede einzelne Gesellschaft auf Grund
der Kalkulationsergebnisse Preis- resp. Tariferhöhungen akzeptieren.
Die grösste Schwierigkeit war nach wie vor die Steiermark. Dort
wäre man höchstens bereit gewesen, der STEWEAG 2 % zuzugestehen.
Letzten Endes erklärte sich Kehrer bereit, noch einmal mit seinen
Ländervertretern zu sprechen, ob doch dielleicht Gruppenbildungen,
über deren Prozentausmass man sich noch einigen wird müssen, bei den
Tariferhöhungen zuzustimmen. Wichtig erscheint der Handelskammer
dass die Tarifentzerrung Platz greift, darunter versteht sie dass
Industrie und Gewerbe heute höhere Strompreise bezahlen müssen,
als in Einzelfällen der Haushalt. Da feststeht, dass wir bis
Jahresbeginn die einzelnen Tarifansätze durchrechnen können, wird
es am Freitag in der Preiskommission sowieso nur zu einer globalen
Erhöhung kommen, die auf den Rechnungsbetrag dazugeschlagen werden
können. Die Durchrechnung erfolgt im Jänner resp. vielleicht
sogar im Feber.
Bezüglich der Gaspreise einigten wir uns, dass wir eine Tangenten-
regelung anstreben sollten. Die Preiskommission wird freitags
darüber diskutieren. Die Wiener sind ja preisgeregelt und werden
aber durch die Delegierung am 1. Feber 80 ihren neuen Gaspreis fest-
legen. Die Niogas war in der Paritätischen Kommission und bleibt
natürlich automatisch dort, solange nicht ein neuer Bescheid die
Preisregelung wieder amtlich zurücknimmt.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Kläre bitte, ob diese Aufteilung tatsächlich
stimmt.
Bezüglich der Ölfirmen-Preisanträge wünscht die Handelskammer
dass ich die Dieselpreisregelung wieder einführe. Sie steht
beiderseitig unter einem ungeheuren Druck. Auf der einen Seite
sind es die Ölmultis, die dies von ihr verlangen, auf der anderen
Seite die Unternehmer im allgemeinen, die wie sie glauben einen
höheren Dieselpreis zahlen müssen, als wenn es preisgeregelt ist.
Ich erklärte sofort, dass ich dazu nicht bereit bin, den Wün-
schen der Ölmultis auf Verbesserung ihres Bündelpreises könnte
ich mir vorstellen, so entgegen zu kommen, dass der Heizöl-extra-
leicht-Preis geteilt wird. Für das arme Mutterl auf der Tankstelle
wird der derzeitige 4-Schilling-Preis entweder beibehalten, oder
geringfügig erhöht. Für die Tankwagenbezieher und die Zustellung
wird der Raffinerieabgabepreis für Heizöl extra leicht den Diesel-
raffinerieabgabepreis angeglichen.Darauf dann wird amtlich die halbe
Mineralölsteuer und die Spannen, sowie die Zustellgebühr festgelegt.
Auch dieses Verfahren wird sicherlich auch erst im nächsten Jahr
zur Anwendung kommen. Für die Benzinpreisregelung könnte ich mir
höchsten vorstellen, dass der Superbenzinpreis aus der Preisregelung
herausgenommen wird. Damit ist die Handelskammer nicht einverstanden.
Sie hat aber eingesehen, dass es nicht viel Sinn hat von mir die
Einführung des amtlichen Preises für Diesel wieder zu verlangen.
Ich bin nicht bereit, selbst wenn die Handelskammer mit dem Gewerk-
schaftsbund sich auf einen neuen amtlichen Dieselpreis einigen würde,
wie mir Rief vorgeschlagen hat, die Preisregelung einzuführen. Ich
betrachte dies als einen Rückschritt, der nichts löst, sondern im
Gegenteil wieder nur die Versorgung mit Diesel gefährden könnte.
Der Wunsch der Handelskammer, die Rhodesienverordnung, die ja nur
eine Meldung vorsieht, aufzuheben, sehe ich derzeit keine Veranlas-
sung. Die Genehmigung der Geschäfte erfolgt automatisch. Die Handels-
kammer meint, jetzt sei ein britischer Gouverneur eingesetzt und
daher sei Rhodesien wieder ein Teil des Empire und damit auch allen
Bestimmungen des englischen Warenfreiverkehrs zu unterwerfen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: MR Buchmann soll mit der Handelskammer dies-
bezügliche Verhandlungen führen.
Der Energiekonsumentenverband ÖEKV hat sich auch an die Handels-
kammer wegen einer Subvention gewendet. Der Präsident Weiser
hat, wie mir Kehrer mitteilt, heuer 700.000 Schilling bekommen
und bekommt auch im nächsten Jahr dieselbe Subvention. Ich habe
sofort zugesagt, dass auch wir dann nur 700.000 Schilling geben
können.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: SChef Frank ist verständigt. Bitte 700.000
Schilling dann unbedingt sofort anzuweisen.
Die Handelskammer beschwerte sich bitter, dass wir gerade jetzt
die Kennzeichnungsvorschriften von Textilien in den Kleinhandels-
geschäften prüfen. Das Handelsministerium hat eine diesbezügliche
Weisung an die Unterbehörden gegeben. Diese wurde dann aber abge-
schwächt, indem man selbst darauf verwiesen hat, es sollen Ver-
kaufsschwächere Tage zur Prüfung verwendet werden. Die Handels-
kammer ersuchte mich, man sollte doch Weihnachten und Ostern für
einen Prüfungszeitraum ausnehmen, da gerade jetzt die Geschäfte
sehr stark frequentiert werden. Da die Kennzeichnung eine lang
andauernde Überprüfung notwendig macht, habe ich für diesen Wunsch
volles Verständnis.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Bitte im nächsten Jahr auf die beiden Termine
achten.
Kehrer beschwerte sich bitter, dass jetzt zur Emissionsbegrenzung
das Gesundheitsministerium einen Auftrag an die Professoren
Schmidt und Ussar gegeben hat. Das Ergebnis dieser Studie dient
jetzt als Richtlinie der Gesundheitsbehörde im Gewerbegenehmigungs-
verfahren. Die Handelskammer hat keine Möglichkeit gehabt über
das Ergebnis dieser Studie zu diskutieren. Eine Rücksprache von
mir dann im Parlament mit Gesundheitsminister Salcher ergab, dass
dieser die Studie nicht kennt, sich aber jetzt sofort informieren
wird.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Was weiss unsere Gewerbeabteilung von dieser
Studie.
Kehrer fragte an, was jetzt in der Frage "ÖGB-Jugend deckt auf" ge-
schieht. Ich erklärte ihm sofort, dass ich mich an den Bundesberufsaus-
bildungsbeirat gewendet habe. Kehrer war darüber nicht sehr glücklich,
hat aber eingesehen, dass dies eigentlich für mich der einzig
richtige Weg ist. Er wird sich mit seinen Vertretern über diese
Frage beschäftigen.
Beim Journalistenfrühstück, das so stark besucht war wie noch nie,
berichtete Würzl über den Winterfremdenverkehr. Unsere Befragung,
nicht die Modellrechnung, hat einen 2%igen Zuwachs, 1,2 Inland,
2,3 Ausland, ergeben. Damit würden wir besser liegen als im vorherge-
henden Winter, wo wir nur 1,7 % Zuwachs erreicht haben.
Marsch berichtete über die Leistungsbilanz.-Dort haben wir nicht die
prognostizierten 18 in der ersten Prognose, dann in der zweiten
15 Mia, sondern mit einem Leistungsbilanzdefizit, dass seiner
Meinung nach bei 8–9 Mia. Schilling, nach Korens Meinung unter
10 Mia. Schilling liegen wird, zu rechnen. Dies ist ein gigantischer
Erfolg.
Sterk berichtet über die Bergbauaktivitäten. Österreich ist in
der glücklichen Lage 1/3 seiner Rohstoffe doch produzieren zu
können, während die Deutschen nur 1/10 ihres Bedarfes decken
können. Insgesamt gibt es aber nur mehr 100 Betriebe mit 13.600
Beschäftigten. Was Sterk nicht sagte, was mich aber stutzig machte
ist, dass wir für diese 100 Betriebe eine ganze, sehr umfangreiche
Bergbauorganisation aufrecht erhalten müssen.
Dir. Meier von der Arbeitsgemeinschaft Qualitätsförderung, die jetzt
ein neues Gütezeichen, Energie richtig, entwickelt haben, berichtete
über ihre Aktivitäten. Dr. Koppe, Verein für Konsumenteninformation
ergänzte dann, dass es notwendig ist, die Energiesparinvestitionen
so zu lenken, dass tatsächlich ein positives Ergebnis herauskommt
und nicht nur die Absetzbeträge, die ab nächstem Jahr gelten werden,
auszunützen. In diesem Fall würde es eine ungeheure Fehlinvestition
geben. Eine Interessensgemeinschaft, die ich schon vor Monaten
begonnen habe zu bekämpfen, hat sich mit Hilfe der Ersten Sparkasse
gebildet und verlangt von jedem Mitglied nur 50.000 Schilling.
Über die anderen Massnahmen, die notwendig wären, meint die Interes-
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sensgemeinschaft könnte man dann schon reden. Wie mir Maier dann
vertraulich mitgeteilt hat, ist sowohl die VÖEST als auch Semperit
bereits von dieser Interessensgemeinschaft ausgetreten. Die
seriöse ARGE, bezüglich Qualitätszeichen und jetzt Energie-
richtigzeichen, ist fest davon überzeugt, dass diese Interessens-
gemeinschaft früher oder später ganz eingeht. Swietly vom Fern-
sehen möchte wissen, wie jetzt dann endlich das Finanzministerium
den Durchführungserlass zeitgerecht machen wird. Da muss er sich
an den Finanzminister wenden. Das Handelsministerium wird nur die
notwendigen Unterlagen auf Anforderung zur Verfügung stellen.
Im Parlamentsklub wurde die Abg. Offenbeck als Nachfolgerin
von Klubobmann-Stellvertreter Albrecht gewählt. In der Fragestunde
wurde Haiden, der bekanntlich sehr umfangreich die Anfragen beant-
wortet, wegen seiner Personalpolitik hart attackiert. Benya hat, ab-
sichtlich oder unbeabsichtigt, als Haiden eine längere Kunstpause
machte, entschieden, wir gelangen zur nächsten Frage, was dann bei
der ÖVP einen ungeheuren Sturm der Entrüstung mit Schreien usw. aus-
gelöst hat. Die Sitzung wurde dann nach der Fragestunde auf 1/2
Stunde für eine Präsidialsitzung unterbrochen. Dort hat Klubobmann
Fischer aber erklärt, der Präsident hat entschieden und dabei bleibt
es. Dies ist nämlich wirklich das Interessante im Parlament, dass
ein Präsident, wenn er entschieden hat, nur wieder selbst diese
Entscheidung ändern könnte. Da ein Präsident auch gar nicht ab-
berufen werden kann, kein Mißtrauensvotum gegen ihn vorgebracht
werden kann usw., hat der Präsident, der jeweils im Vorsitz ist,
eine ungeheure Macht.
Die Abwicklung der Tagesordnung verlief wie erwartet und dauerte,
wie ich vermutet habe, genau bis 11 Uhr nachts. Zu meinen Punkten
gab es nur eine umfangreiche und oft harte Diskussion bezüglich der
Handelskammergesetznovelle. Zuerst ein kleines Hickhack zwischen
Wirtschaftsbund und Freien Wirtschaftsverband. Mühlbacher forderte
ja die Fondslösung, die ursprünglich vom Sozialminister
durchgeführt werden sollte und die Handelskammer hat dies ganz ent-
schieden abgelehnt. Jetzt ist sie zwar bereit eine Fondslösung zu
akzeptieren, aber natürlich nur durch Umlage autonom innerhalb
der Handelskammer. Dabei wird allerdings auch kein eigener Fonds
errichtet, sondern im Budget der Handelskammer wird dies besonders
ausgewiesen. Präsident Dittrich verwies zuerst auf die Unzweck-
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mässigkeit der Finanzierung von General Motors. 4,5 Mia. waren
vorgesehen, 1 Mia. vom Bund, 300 Mio. vom Land, 67 Mio. Land-
aufschliessung für den Grund und den Grund umsonst gerechnet
ergibt ca. 1,5 Mia., die die Öffentliche Hand beisteuert. Jetzt
sollen aber nur 1,5 Mia. insgesamt investiert werden. Da ich
davon überhaupt nichts wusste, habe ich natürlich auch nicht rea-
giert. Der ganze Vertrag wurde ja vom Bundeskanzleramt resp.
Finanzminister verhandelt und abgeschlossen.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Was weiss man über diese Behauptung Dittrichs?
Die wirklich harte Attacke kam aber dann, als Dittrich sich ganz
entschieden gegen die unwahre und unrichtige Darstellung von
Abg. Prof. Nowotny, dass die Unternehmer 5 Mia. Steuer hinterziehen,
aussprach. Hier meinte er, der Handelsminister hätte aufschreien
müssen. Da ich natürlich gegen Nowotny in der Diskussion auch
indirekt nichts sagen wollte, habe ich diesen Angriff eingesteckt.
Nach der Sitzung habe ich Dittrich zufällig am Gang getroffen und
gemeint, ich sehe eigentlich keinen Grund, warum er mich wegen
dieser Frage attackiert hat. Dittrich hat offen zugegeben, irgend
etwas muss er ja sagen. Die wirklich schwere Auseinandersetzung
gab es aber dann, als die FPÖ nicht nur Stix, der sehr sachlich
argumentierte, sondern die jungen Abgeordneten Haider und Grabher-
Meyer, mit ihren Diskussionsbeiträgen tief unter die Gürtellinie
gegen die ÖVP und den Wirtschaftsbund schlugen. Klubobmann Peter
versuchte dann noch sehr geschickt die beiden Jungen zu verteidigen.
Präs. Graf aber hat dann als letzter Redner diese wirklich sehr
frechen und unqualifizierten Äusserungen und Auftreten dieser beiden
zurückgewiesen oder, wienerisch ausgedrückt, abgewatscht. Abg.
Haider hatte unter anderem bei der letzten Sitzung erklärt, es
mögen manche Hinterbänkler der grossen Oppositionspartei oder gar
der Regierungspartei sich ihr Geld nicht verdienen als Abgeordnete.
Er selbst, weil kleinere Parteien wirklich mehr leisten müssen.
ist sehr wohl nicht überbezahlt. Eine solche Klassifizierung,
die dann bei dieser Aussprache von Grabher-Meyer noch viel mehr
mit unqualifizierten Ausdrücken knapp an einem Ordnungsruf vorbei
in einem Ton die ÖVP attackierte, veranlasste Graf dann zum Schluss
zu sagen, die jungen Abgeordneten der FPÖ müssen sich auch das
Ansehen der anderen Parlamentarier verdienen, bevor sie sich als
gute Abgeordnete einstufen können. Graf erhielt sogar von unseren
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Leuten teilweise Beifall.
Zu den anderen wichtigen Tagesordnungspunkten, die meistens
alle Verfassungsbestimmung hatten und daher ein volles Haus
garantierten, gab es ausser einer Bemerkung von ÖVP-Abg. Hietl,
wir sollten die Wünsche der Landwirtschaft bei den Verhandlungen
mit der EG mehr berücksichtigen, weder zum Spanien-Abkommens-
problem mit der EFTA, noch zum GATT, noch zu den sonstigen Zoll-
und EFTA-Bestimmungen eine Diskussion. Alles wurde, wie ich über-
all herumerzählte, seit 10 Jahren im Handelsausschuss einstimmig
beschlossen. In der dritten Lesung hat nämlich sogar die FPÖ der
Handelskammernovelle zugestimmt. Meine Argumentation ist – und die
stimmt – ein einziges Mal hat der Handelsausschuss gegen die grosse
Oppositionspartei und natürlich auch gegen die Freiheitlichen
in der Kernkraftangelegenheit entschieden und schon ist es daneben
gegangen. Es ist wirklich ein Phänomen, dass es geglückt ist,
im Handelsausschuss tatsächlich immer einstimmige Beschlüsse zu-
mindestens mit Zustimmung der grossen Oppositionspartei, aber
in den allermeisten Fällen auch mit Zustimmung der Freiheitlichen
zu erreichen. Ich glaube, so etwas gibt es in keinem anderen Ressort.
In der Regierungsvorbesprechung hat Kreisky festgehalten, es sollten
wenn er z.B. jetzt für den dänischen Ministerpräsidenten einlädt,
vorher festgestellt werden, welche Minister kommen können. Er
möchte nicht – und dafür habe ich volles Verständnis – dann vor
dem Essen erfahren, so uns so viele sagen ab und er sich dann um
Ersatz umsehen muss.
ANMERKUNG FÜR WIESINGER: Bitte mich immer über die Einladung zeit-
gerecht zu befragen.
Die Zeitungsherausgeber verlangen jetzt eine höhere Presseför-
derung. Sie schliessen sich damit der am selben Tag im Parlament
beschlossenen Erhöhung der Parteifinanzierung, insgesamt 12 Mio.
Schilling, wovon die Sozialisten 5 bekommen, die Aufstockung be-
trug je 1 Mio. pro Partei, in ihren Forderungen an. Da Kreisky
sie zu einer Diskussion über das Mediengesetz eingeladen hat, wird
er diese Frage dort auch besprechen, möchte aber nicht, dass grosse
viel verdienende Zeitungen wie Krone, Kurier, usw. auch wieder mehr
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bekommen sollten.
Die steirische Landesregierung verlangt eine Erhöhung des Kraft-
fahrzeugpauschales. Hier meinte Kreisky, da der Finanzminister
abwesend war, dies müsse man mit ihm besprechen, aber im Prinzip
sei eine Änderung des Kraftfahrzeugpauschales überhaupt anzu-
streben.
Kreisky begeisterte sich – wie er sich ausdrückte – über eine
hervorragende Studie von Mayr über das Waldviertel. In diesem
Gebiet gibt es für uns noch viel zu tun. Es gibt dort die ärmsten
Leute, die Entwicklung muss dort geändert werden und da uns
dort nur mehr im Niederösterreich 2 Mandate Differenz trennen,
ist die grösste Chance, dass auch dieses Bundesland, wenn wir eine
geschickte Politik gerade im Waldviertel machen, sehr wohl dann
sozialistisch geführt werden könnte. Er wird eine Besprechung
mit dem Finanzministerium, Handelsministerium, Bautenministerium
und ich habe sofort dazwischengerufen – auch Sozialministerium – durch-
führen. Nach dieser Studie sollen nämlich die Sozialversicherungs-
träger dort entsprechende Erholungsstätten bauen. Dagegen gibt es
angeblich grosse Bedenken.
Die Schülerfreifahrt im Öffentlichen Dienst soll jetzt neuerdings
geregelt werden. Dies wird im Familienpolitischen Beirat zu
diskutieren sein, wo auch die 350 Studienbeihilfen, die vorgesehen
sind, besser verteilt werden können.
Das Gastspiel in Amerika mit der Oper war ein grosser Erfolg.
Jetzt soll die Burg nach Moskau, Laibach und auf ihren Wunsch
aber besonders nach Paris gehen und hier sei angeblich jetzt kein
Geld mehr vorhanden. Selbstverständlich kann man nicht einseitig
nur die Amerikaner bedienen und die Russen oder Jugoslawen
links liegen lassen.
Kreisky diskutierte dann auch die Personalvertretungswahlen. Dort be-
hauptete er, die Ministerien hätten alle schön abgeschnitten. Pahr, der
neben mir sass , flüsterte mir, mit Ausnahme des Aussenministeriums.
Dort haben wir nämlich Stimmen verloren. Nur bei den Lehrern sieht
Kreisky eine verheerende Entwicklung. Er meint, wenn es uns nicht
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gelingt, die Lehrer stärker zu erfassen, dann wird für die
Zukunft der Sozialistischen Partei sich dies äusserst ungünstig
auswirken. Sinowatz hat dann berichtet, dass es letzten Endes
darauf ankommt, wie die Lehrer organisiert sind. Die Pflicht-
schullehrer unterstehen den Ländern. Dort haben die schwarzen
Landesverwaltungen und Landesräte natürlich einen sehr starken
Einfluss. Die Berufsschullehrer hat jedes Land einen eigenen Aus-
schuss. Es gibt keinen Zentralausschuss, weshalb auch dort der
Einfluss sehr gering ist. Sinowatz meinte, in Burgenland, in Wien,
und in Kärnten hätten daher die Lehrer gewonnen. Dies trifft aller-
dings für die Berufsschullehrer überhaupt nicht zu, was Sinowatz
allerdings nicht erwähnte. Kreisky war vor allem überrascht, dass
in Wien der Bund demokratischer Lehrer, also eigentlich eine kommu-
nistische Organisation, 2.5% Stimmen erzielen konnte. Anschliessend
haben Heindl, Blecha und ich über die Personalvertretungswahl ge-
sprochen und Blecha war sehr überrascht, dann im Detail zu sehen,
dass das Handelsministerium 10% der Stimmen dazugewonnen hat und
damit den höchsten Stimmenzuwachs, der sonst sich immer nur zwischen
2 und 5%, mit Ausnahme vom Aussenminister , das ja 4% verlor,
in den anderen Zentralstellen erreichte. Blecha meinte, warum dies
eigentlich niemand Kreisky sagt.
Ich habe Kreisky nicht über diese Frage, wohl aber anschliessend,
weil ich dann auf die Regierungsbank musste, flüchtig über die Ener-
giepreisdiskussion informiert. Seine grösste Sorge war, dass ja nicht
die Kernkraftaufwendungen kalkuliert werden dürfen. Ich erklärte
ihm neuerdings, dass dies nur für die direkten Aufwendungen, die bis
jetzt für das Kernkraftwerk getätigt wurden, gelten kann. Für die
indirekten, höhere Ersatzkosten für den Brennstoff, höhere Fremd-
kapitalfinanzierung durch Eigenkapitalverlust hat er zwar nur widerwärtig , aber doch dann zur Kenntnis genommen, dass dies in die Kal-
kulation eingeht.
In der Ministerratsvorbesprechung hat er dann auch einen Brief erwähnt,
den ihm der Lokalobmann von Fichtenstein mit 18 Mitgliedern ge-
schrieben hat. Dieser wünscht Telefonausbau im Mühlviertel und
sonstige kleine Wünsche. Beeindruckt war er aber, dass ein kleiner
Funktionär sich so einsetzt und verglich ihm mit Upton Sinclair's
Jimmie Higgins. Dieser hat auch immer wieder gezweifelt, ob seine
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Arbeit einen Sinn hat und doch immer wieder weiter gekämpft.
Eine gute Story erzählte er auch in Durchführung eines Problems,
nämlich einer Strassenverbreiterung in der Egger-Lienz-Strasse
in Lienz. Dort müssen aus einem jüdischen Friedhof Gräber exhumiert
werden. Dies gibt grosse Schwierigkeiten, da, wie Lanc erzählte,
man bei einer Exhumierung in Mauthausen die Erde und die Säfte, die
in die Erde eingedrungen sind, mit übertragen muss. In Wirklich-
keit – und dies stellte sich dann sehr bald heraus – geht es dabei
der jüdischen Gemeinde immer wieder um mehr Geld zu erhalten. Aus-
wege finden sie immer wieder. Unter anderem sollte um die Jahr-
hundertwende auf der sibirischen Eisenbahn eine jüdische Delegation
reisen. Da diese sibirische Eisenbahn auch am Samstag fährt, hat
man sich so geholfen, dass man nicht ausgestiegen ist. Laut jüdischer
Auslegung kann nämlich aus Schiffen, als die Bibel geschrieben wurde,
auch nicht am Sabbat aussteigen, weshalb dies Bewegen auf dem Wasser
auch am Sabbat genehmigt wurde. Die jüdische Delegation hat sich
deshalb am Samstag auf nasse Pölster in der Eisenbahn gesetzt und
sich dadurch auf alle Fälle eine ungeheure Verkühlung zugezogen.
Lausecker verständigte mich nach dem Ministerrat, dass er einen Mine-
ralöltariferhöhungsbrief an mich gerichtet hat.
ANMERKUNG FÜR SATZINGER: Wo ist dieser Brief?
Staatssekretär Dohnal verständigte mich, dass sie vor längerer
Zeit mir einen Brief geschrieben hat, wo sie wegen der Chancengleich-
heit im Öffentlichen Dienst eine Nominierung eines Vertreters
wünscht. Dafür kommt ja nur SChef Kazda in Frage.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Wo ist dieser Brief?
Tagesprogramm, 17.12.1979
hs. Notizen (Tagesprogramm Rückseite)