Mittwoch, 19. Dezember 1979
Als letzter Tag im Parlament ist infolge der Straffung der Bud-
getdebatte Finanzen und Handel zu behandeln. Überraschend wurde
noch eine Hauptausschusssitzung einberufen und zwei Tagesord-
nungspunkte betrafen das Handelsministerium. Selbstverständlich
muss der zuständige Minister dort anwesend sein. Der erste Punkt
war ein Beschluss über die schon beschlossene Enquete über Kon-
sumentenfragen im Jänner. Ergänzt wurde dieser Beschluss dahin-
gehend, dass der Vorsitzende des Sozialausschusses und dies war
neu, auch der Vorsitzende des Handelsausschusses alternativ den
Vorsitz bei dieser Enquete führen. Das Parlament arbeitet noch immer
ungeheuer formal. Die Einberufung einer solchen Enquete, selbst die
Vorsitzführung muss also durch Beschlüsse des Hauptausschusses
gedeckt sein. Der zweite Tagesordnungspunkt umfasste das sofortige
Inkrafttreten des neuen GATT-Arrangement. Es war gelungen im
GATT die Stärkeprodukte aus der GATT-Bindung herauszunehmen und
dafür entsprechende Ersatzpositionen anzubieten. Die Verhandlungen
mussten mit der EG und Amerika, die Konzessionsträger waren, geführt
werden und zogen sich jahrelang dahin. Ich hätte erwartet, dass
sich zu diesem Tagesordnungspunkt die Landwirtschaft meldet. In
diesem Fall hätte ich ihnen natürlich entsprechend geantwortet.
Sie zogen es aber vor zu schweigen. Nach der Sitzung ist Präsident
Minkowitsch zu mir gekommen und meinte, dies sei doch der beste
Beweis, dass es möglich ist, Agrarprobleme durch intensive und
harte Verhandlungen etwas zu erreichen. Er spielte in diesem Fall
auf die Käsemindestpreisverordnung mit der EG an. Mehr den je bin ich
eigentlich überzeugt, dass man vielleicht tatsächlich den harten
Weg der Landwirtschaftskammer gehen soll und das Mindestpreis-
abkommen kündigen. Wenn die Landwirtschaftsvertreter es so konse-
quent wollen, wenn die Landwirtschaftskammerpräsidenten überein-
stimmend dies feststellen, wenn die landwirtschaftliche politische
Vertretung der Bauernbund darin ihr Seelenheil sehen, dann sollte
man tatsächlich diesen Weg gehen, wenn er auch sehr riskant ist.
Letzten Endes trägt ja die Folgen die Landwirtschaft selbst. Auch
in der Budgetdebatte wurde dann von Abg. Zittmayr meine Konsens-
politik und insbesondere aber auch der angeblich so geringe Einsatz
in Brüssel kritisiert. Nach wie vor glaubt man, je mehr ein Minister
nach Brüssel fährt, umso mehr wertet die Landwirtschaft dies als
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Einsatz, Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass ich jetzt
wegen des Griechenland Verhandlungsmandates auf alle Fälle
nach Brüssel fahre, dort gleich die Gespräche auch wegen des
Mindestpreisabkommens führe. Wenn, wie ich erwarte, dabei kein
Ergebnis heraussieht, dann ganz einfach dort – und dies wäre
ein ungeheuer demonstrativer Schritt, der natürlich vorbereitet
Werden müsste – das Mindestabkommen gleichzeitig kündige. Ich
nehme an, dass die Landwirtschaft damit mehr als einverstanden
ist. Die Folgen hätte dann allerdings der Ackerbauminister Haiden
zu tragen, weshalb ich in dieser Frage natürlich nur konform mit
ihm vorgehen werde.
ANMERKUNG FÜR HAFFNER: Wann ist endlich die interministerielle
Kommission, an der ich mich beteiligen werde.
Im Klub hat mich Fischer aufgefordert, ich soll über die Energie-
situation berichten. Ich erwähnte die Strompreisverhandlungen,
die sicherlich mit 1. Jänner in Kraft treten und die sich zwischen
6% und 13% bewegen werden. Die Anträge waren doppelt so hoch, die
Zustimmung weder der Kammer noch der Elektrizitätsunternehmen
liegen vor, aber hier erscheint mir ein Kompromiss, wenn wir z.B.
für Wien noch durch den Gaseinsatz einen gewissen Zuschlag von
mindestens 1,5%, womöglich aber 2% machen können. Die Nieder-
österreicher würden einen Gaspreiszuschlag von 2.5% bekommen. Der
Gaspreis wird im nächsten Jahr wesentlich steigen. Durch die jetzt
schon abgeschlossenen hohen Importpreise für die Nordsee-Gasmengen
und vor allem für Verhandlungen für den neuen sowjetischen Gas-
preis ab Jänner nächsten Jahres. Die Verbraucherpreise werden
mit 1. Feber erhöht werden. Das wirkliche Problem stellt der Ben-
zinpreis dar. Hier habe ich überhaupt keine konkreten Angaben ge-
macht, sondern nur darauf verwiesen, dass es verschiedene Möglich-
keiten der Preiserhöhung gibt und dass wir insbesondere den ge-
spaltenen Ofenheizöl-extra-leicht-Preis einführen werden. Für das
Mutterl an der Tankstelle einen sozial kalkulierten, derzeit
4 Schilling, und in Hinkunft auch nicht sehr viel teureren und den
mit Tankwagen zugestellten für die Einfamilienhausbesitzer und auch
entsprechend vielen Gewerbebetrieben, die in Hinkunft zumindestens
den Raffinerieabgabepreis für Dieselkalkulationsbasis wesentlich
höheren Preis werden zahlen müssen.
Über die Frage des gespaltenen, d.h. freien Superpreises
und preisgeregelten Normalbenzinpreises, gab es dann im Laufe
des Tages eine hektische Diskussion zwischen Heindl und mir
auf der einen Seite und, wie mir Heindl berichtete, da ich ja
die ganze Zeit auf der Regierungsbank gesessen bin, leitenden
Sekretär des ÖGB Hofstetter und seinem volkswirtschaftlichen
Referenten NR Schmidt und Sekretär Tumpel auf der anderen Seite.
Heindl hat gestern den Stein ins Wasser geworfen, als er bei der
Debatte die Preisfreigabe für Superbenzin angekündigt hat. Die
drei fielen über ihn her und meinte, er sei ihnen im Rücken ge-
fallen und hätte hier gemeinsam mit mir in unverantwortlicher-
weise die Preisregelung für die Mineralölprodukte zerstört. Tat-
sächlich hat sich Schmidt durch ständiges Erklären auch dieses Mal
wieder im Mittagsjournal, das ich allerdings nicht hörte, so festge-
legt, dass er kaum eine Chance hat herauszukommen. Ich selbst
habe mit dem Arbeiterkammerpräsidenten Czettel für längerer Zeit
über dieses Problem gesprochen und er ist vollkommen unserer Mei-
nung. Auch Präs. Benya hatte ich zugegebener Massen nur erwähnt,
dass wir nach den Feiertagen die Preisfreigabe endgültig be-
sprechen müssen, denn ich sehe keinen anderen Weg. Benya erwähnte,
da würden wir ja wieder eine Preisregelung aufgeben und er war
davon nicht begeistert. Konkret hat er allerdings mir nicht gesagt,
dass dies vollkommen unmöglich wäre. Mein Bericht im Klub bei der
letzten Klubtagung, mein Bericht im Gewerkschaftsbund bei der letzte
Fraktionssitzung war immer schon geprägt mit einer vorsichtigen
Andeutung, dass ich keine andere Möglichkeit sehe, als den Super-
benzin aus der Preisregelung herauszunehmen. Die Idee, die näm-
lich Schmidt hat, man könnte der Ölgesellschaft eine 30-Groschen-
Benzinpreiserhöhung abringen und damit ist alles gelöst, ist
vollkommen falsch. Vielleicht würden sie unter dem Diktat 30 Groschen
akzeptieren. Die wollen nämlich unter gar keinen Umständen, dass der
Superbenzin freigegeben wird. Früher oder Später würde denn aber
die Mineralölsteuer neu zu kalkulieren sein und vor allem die
gesamten Preissteigerungen, die sich bei den Importen von Super-
benzin aus den Spotmärkten von Multis ergeben, immer wieder hier
grosse Probleme auftauchen. Aus energiepolitischen Gründen, aber
auch letzten Endes auch, um nicht dasselbe zu wiederholen, wie es
bei der letzten 60 Groschen Benzinpreiserhöhung geschehen ist,
gibt es für mich keinen anderen Weg als die Freigabe von Super-
benzin. Der Zeitpunkt kann allerdings ruhig noch warten, denn als
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nächsten ersten Schritt werden wir beachten müssen, wir die
Versorgung mit Heizöl funktioniert und wahrscheinlich unmittel-
bar nach den Feiertagen den Heizöl-extra-leicht-Preis regulieren
müssen. Verschärft glaube ich wurde diese Diskussion noch da-
durch, dass es Hlavac vom Fernsehen gelang, mich von der
Regierungsbank für 5 Minuten wegzulocken und eine Aufnahme wegen
der Benzinpreisverhandlungen zu machen. Obwohl ich diesmal seine
Fragemöglichkeit schon wesentlich eingeschränkt hatte durch den
Zeitmangel, habe ich wieder den Fehler gemacht, ihm auf etliche
Wiederholt seiner Fragen immer wieder doch entsprechend variiert
zu antworten. In Hinkunft habe ich mir fest vorgenommen werde ich
ihm sagen, er hat 2 Fragen, mehr wie 2 bringt er bestimmt nicht,
die stellt er mir und auf die bekommt er Antwort und dann ist
Schluss. Die Hlavac-Methode mich eine Viertelstunde lang auszu-
fragen und dann eine Antwort von einer Minute zusammenzuschneiden
muss ich ihm abgewöhnen. Bei den Zusammenschnitt nämlich sucht
er sich genau die Stellen aus, die er von vornherein in seinem
Konzept festgelegt hat.
ANMERKUNG FÜR BURIAN: Bitte Hlavac dies schön langsam klar machen.
Das Ende der Budgetdebatte verlief wie erwartet. Da ich es als
eine Unhöflichkeit und eine Unmöglichkeit betrachte, dass man sich
nach den ersten drei Hauptrednern zur Erklärung zu Wort meldet,
die anderen dann sozusagen ahört und darauf überhaupt nicht rea-
giert, ist es mein Prinzip seit 10 Jahren immer zum Schluss, vor
den letzten ÖVP Redner auf die Anfragen, resp. Kritiken der Redner
einzugehen. Auch dies Mal hatte ich nicht die Absicht, diese Vorgangs
weise zu ändern. Dadurch, dass wir jetzt mit Finanzen aber zusammen
verhandelt werden hat Androsch, der dies nie gemacht hat und immer
gleich nach den ersten Hauptrednern das Wort ergriff, einen ungeheure
Vorteil. Ich gebe zu, vor leerem Haus, da es meistens um die Mittags-
zeit seine Rede fällig ist, hat er wie ich feststellen konnte, sich
bei den ersten drei Debattenrednern seine Rede aufgesetzt, wobei er
nur mit ein oder zwei Bemerkungen auf Äusserungen der Debattenred-
ner einging. Zugegebener Massen hatte auch der Sprecher der ÖVP,
der Bürgermeister von Gmunden, Sandmaier, als ihr Finanzfachmann –
er ist ja gleichzeitig auch Finanzbeamter – wirklich nichts Epocha-
les gesagt, geschweige denn kritisiert. Die Verschwendungssucht, das
Budget, alles bekam die Argumente, die vielleicht publikumswirksam
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sind, aber sicherlich nicht für eine hochstehende Debatte
anreizen. Als einziger Redner nachher hat TAUS dann sehr
interessante Verschuldungsprobleme aufgeworfen, auf die dann
Androsch sofort wieder replizierte. Taus wollte sich dann noch
einmal zu Wort melden, wurde aber dann von Klubobmann-Stellver-
treter Graf darauf aufmerksam gemacht, dass dies erstens wegen
der Rednerliste gar nicht geht, der nächste war ein FPÖ-Mann, dann
ein SPÖ-Mann, sind natürlich die ÖVP-ler wie besessen darauf alle
zu Wort zu kommen, die sich vorher gemeldet haben, sodass Taus
dann letzten Endes verzichten musste. Aufgrund dieser formellen
Geschäftsordnung und auch der vom Klub streng gehandhabten Rituals
kann es in diesem Parlament gar keine wirkliche Debatte geben.
Dieser Situation Rechnung tragend, bemühe ich mich sozusagen den
Abgeordneten optisch meine Reverenz zu erweisen. Bei meinen Tages-
ordnungspunkten sitze ich stundenlang auf der Regierungsbank, in
diesem Fall von 9 bis 6 Uhr. Nichtes essens , ja sogar nur ein ein-
ziges Mal rasutretend und gleichzeitig Hlavac sein Interview
gebend, verbringe ich wirklich eine Tortur. Dazu kam, dass dieses
Mal die Abgeordneten furchtbar Angst haben, dass sie ihre Züge nicht
erreichen, weshalb die Klubs begannen zu versuchen die Rednerliste
zu kürzen. Dies ist nicht gelungen. Die einzige Möglichkeit bestand
dann darin, dass sich jeder sehr kurz hielt und dann mich ersuchte,
ich sollte, da ich ja als Maschinengewehr und schneller Redner be-
kannt bin, doch auch versuchen zu kürzen. Ich erkundigte mich, was
die kürzeste Redezeit der Minister bis jetzt war und erfuhr, dass
Pahr und einige Abgeordnete 8 Minuten als kürzeste Zeit gesprochen
haben. Ich habe mir vorgenommen unter dieser Zeit zu bleiben und
doch auf alle einzugehen. Als ich daher wie ein Berserker loszog,
nicht einmal achtend die Beifälle, die ich doch von sozialistischer
Seite bekommen habe, war ich dann noch nicht ganz am Ende, obwohl ich
alle erwähnte, als mir Androsch zuflüsterte, nicht länger reden.
Zumindestens habe ich dies so verstanden. Ich habe deshalb erklärt,
ich werde die Politik der vergangenen 10 Jahre in den nächsten
10 Jahren fortsetzen und setzte mich prompt nieder. Androsch war
darüber sehr erstaunt, denn er hatte mit zuflüstern wollen, unbe-
dingt länger reden, da Kreisky geholt werden musste. Er entschul-
digte sich bei mir wegen dieses Missgeschicks, Kreisky kam selbst-
verständlich dann noch zeitgerecht, denn dann begann auch wieder das
Ritual, dass der Generalberichterstatter festgestellt hat, wieviele
Stunden diskutiert wurde und wie viele Abgeordnete von der SPÖ,
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von der ÖVP und von der FPÖ das Wort ergriffen. In den ver-
gangenen Zeiten hat er dann sogar noch immer Durchschnitts-
rechnungen angestellt und den längsten und den kürzesten
Redner erwähnt. Dies ist dieses Mal weggefallen. Zweifelsohne
hätte ich wieder einmal mit meiner 5-Minuten-Beantwortung
wieder einmal einen Rekord aufgestellt. Ich weiss, dass dies
aber eine ausgesprochen blöde Überlegung ist. Das Parlament soll
man nicht mit solch formellen Ergebnissen belasten. Da ich übri-
gens als Oppositionsabgeordneter so wie so einmal die längste
und die kürzeste Rede gehalten habe, sehe ich gar keinen Grund
auch als Minister dies womöglich zu wiederholen. Beides können
nämlich auch andere leicht, wenn sie es wollten.
MR Burian berichtet mir mit den sozialistischen Direktoren der
BEWAG und den Wiener Stadtwerken über die Verhandlungen mit
den Interessensvertretungen. Die Elektrizitätsunternehmungen
würden, wenn es noch gelänge, 1/2 % auf die Vorschläge der
Interessensvertretungen, die ich ja schon vorbereitend ausge-
handelt habe, auch diesen Vorschlag akzeptieren. Burian wird
sich bemühen. Das wirkliche Problem liegt dann in der Aufteilung
der Prozentsätze, dies kann aber frühestens im Jänner, wahrschein-
lich aber erst im Feber, vielleicht sogar das ganze Jahr hindurch
erst geschehen. Der neue Strompreis würde dann bis zum Nächsten
gelten und es würden am Rechnungsbetrag nur entsprechende perzen-
tuelle Zuschläge erfolgen.
Tagesprogramm, 19.12.1979